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Tag: 1. März 2014
Europäisches Parlament: Freier sollten bestraft werden („schwedisches Modell“)
In einer nicht bindenden Resolution hat forderte das EU-Parlament, dass die Mitgliedsstaaten etwas gegen Prostituition unternehmen, indem sie auf das schwedische Modell umstellen und Freier bestrafen. Zudem sollen Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte geschaffen werden
Die nicht bindende Resolution wurde mit 343 Stimmen angenommen. 139 Abgeordnete stimmten dagegen bei 105 Enthaltungen.
Prostitution eindämmen, indem den Freiern Bestrafung droht
Die meisten Abgeordneten glauben, dass eine der besten Wege, Prostitution und Frauen- bzw. Mädchenhandel zu bekämpfen, das sogenannte nordische Modell ist, das in Schweden, Island und Norwegen angewendet wird. Es sieht Prostitution als eine Verletzung der Menschenrechte und als eine Form von Gewalt gegen Frauen. Es kriminalisiert diejenigen, die für Sex bezahlen, und nicht die, die ihn verkaufen. Die Abgeordneten rufen die Mitgliedstaaten dazu auf, dem nordischen Modell zu folgen.
Ich finde eine Regelung, bei der einer der beiden folgenlos anbieten darf, alles in seiner Macht stehende machen darf, damit der andere seine Dienstleistung annimmt, selbst sogar vollauf und aus freien Willen damit einverstanden sein kann, diese Dienstleistung auszuüben und dies dem anderen auch so mitteilen darf und der andere dann bestraft wird, wenn er diese Dienstleistung annimmt, reichlich bescheuert.
Es scheint mir eine Verbindung aus weiblicher Unterverantwortlichkeit (Female Hypoagency) und männlicher Hyerverantwortlichkeit (Male Hyperagency) zu sein, gut durchmischt mit einer Verklärung weiblicher Unschuld („niemals kann sie so etwas wollen, sie hat nur nichts anderes, auch wenn sie evtl. richtig viel Geld verdient, das sie sonst nie verdienen könnte“) und Dämonisierung männlicher Sexualität zu sein.
Allerdings bezweifele ich, dass sich dadurch viel ändern wird. Unverbindliche EU-Resolutionen sind eben unverbindlich und damit reichlich wirkungslos. Einer der Fehler der EU, die sich durch so etwas – vielleicht auch weil jeder weiß, dass es keinerlei Wirkung hat – noch mehr Beliebigkeit vorwerfen lassen muss.
Vor einer Einführung in Deutschland müsste also noch einiges passieren. Und dann wäre es auch interessant, ob Prostituierte dagegen klagen und wie sich das BVerfG dazu aufstellt.
Am „schwedischen Modell“ zur Prostitution gibt es ja auch einiges an Kritik:
Kritik wurde laut, dass die Prostitution laut einer Studie von 2004 zwar vordergründig von den Straßen verschwunden ist, aber in den Untergrund gedrängt wurde, so dass sich die Situation für die Frauen deutlich verschlechtert hat. Auch ist die Zwangsprostitution nicht verschwunden, sondern hat sich nach neuesten Erkenntnissen sogar vermehrt[4]. In der Praxis behandelt die Polizei die Frauen offenbar weniger als Opfer, die vor ihren Kunden gerettet werden müssen, denn als Mitwissende von Straftaten; so können sie sich keine Hilfe mehr holen, wenn ihnen Gewalt und Gefahr begegnet. Die Sozialarbeiter haben Probleme, die Prostituierten noch zu erreichen. Diese sind jetzt gezwungen, sich Zuhälter zu ihrem Schutz zu suchen. Bei Stichproben gaben nur noch ein Bruchteil der betreffenden Frauen an, sich beim letzten Geschlechtsverkehr mit Kondomen vor HIV geschützt zu haben, da sie Angst haben auch diese Kunden zu verlieren. Nicht wenige schwedische Männer reisen auch als Sextouristen in die benachbarten baltischen Staaten.
Eine große Mehrheit der Schweden will nicht mehr nur die Männer, die für Sex bezahlen, sondern auch die Frauen, die dieses Gewerbe ausüben, kriminalisieren. Die Gesellschaft sieht es nicht ein, warum es gerecht ist, die eine Seite zu bestrafen und die andere nicht. Die Kontaktaufnahme hat sich ins Internet verlagert und in Kneipen, in denen Telefonnummern diskret verteilt werden