Räumliches Denken als Voraussetzung für die Naturwissenschaften

Über den Blog von Erwin Schmidt habe ich eine interessante Studie zu Übereinstimmungen von Fähigkeiten im räumlichen Denken und Naturwissenschaften gefunden:

The importance of spatial ability in educational pursuits and the world of work was examined, with particular attention devoted to STEM (science, technology, engineering, and mathematics) domains. Participants were drawn from a stratified random sample of U.S. high schools (Grades 9 –12, N = 400,000) and were tracked for 11+ years; their longitudinal findings were aligned with pre-1957 findings and with contemporary data from the Graduate Record Examination and the Study of Mathematically Precocious Youth. For decades, spatial ability assessed during adolescence has surfaced as a salient psychological attribute among those adolescents who subsequently go on to achieve advanced educational credentials and occupations in STEM. Results solidify the generalization that spatial ability plays a critical role in developing expertise in STEM and suggest, among other things, that including spatial ability in modern talent searches would identify many adolescents with potential for STEM who are currently being missed.

Quelle: Spatial Ability for STEM Domains: Aligning Over 50 Years of Cumulative Psychological Knowledge Solidifies Its Importance

Demnach würde das räumliche Denken eine wichtige Rolle in der Frage spielen, ob man es in den STEM-Fächern, also science, technology, engineering, and mathematics, zu einem Experten bringt.

Hier ein paar andere Artikel zu dem Thema:

In der Studie ist einiges interessantes drin:

räumliches Denken und Schulfächer

räumliches Denken und Schulfächer

In der Grafik sieht man die die Verteilung der Fähigkeiten im sprachlichen, mathematischen und räumlichen Denken unter Berücksichtigung der Lieblingsfächer und der Hassfächer in der Schule.

Hier sieht man deutlich, dass die Fächer zu den Fähigkeiten passen. Wer Mathe und Wissenschaften mag, der ist üblicherweise auch gut in Mathe und räumlichen Denken, wer schlecht in räumlichen Denken ist, der mag auch die dazu passenden Fächer nicht.

Im Studium und mit steigender Qualifikation zeigt sich ein ähnliches Bild

Studiengang Fähigkeiten räumliches Denken

Studiengang Fähigkeiten räumliches Denken

Gerade in den Bereichen Mathematik und Computerwissenschaften, Physik und den Ingenieurwissenschaften scheint ein sehr gutes räumliches Denken und hohe mathematische Fähigkeiten eine Rolle zu spielen, in der Biologie spielen sie dagegen eine geringere Rolle, ebenso wie in der Medizin

 

Und auch nach dem Abschluss ist das Bild stimmig:

 

Beschäftigungen mathematische und sprachliche Fähigkeiten

Beschäftigungen mathematische und sprachliche Fähigkeiten

Auch später zeigen sich entsprechende Übereinstimmungen. Wer Physik, Ingenieurwissenschaften oder Mathematik studiert hat, der hat gute Mathematikfähigkeiten, schneidet aber nicht so gut in den Sprachlichen Fähigkeiten ab, wie jemand, der sich für die Geisteswissenschaften interessiert.

räumliches Denken frauen männer

räumliches Denken Frauen Männer

In dieser Grafik wird deutlich, dass der Anteil hochbegabter im Bereich des räumlichen Denkens in den STEM-Bereichen sehr hoch ist. 20% der Männer, die später in dem Bereich arbeiten, gehörten zu Besten (1%) im Bereich des räumlichen Denkens

Es spricht damit viel für einen Zusammenhang zwischen gutem räumlichen Denken und der Berufswahl, gleichzeitig ist auch der Zusammenhang zwischen Testosteron und gutem räumlichen Denken gut erforscht.

39 Gedanken zu “Räumliches Denken als Voraussetzung für die Naturwissenschaften

  1. „Gerade in den Bereichen Mathematik und Computerwissenschaften, Physik und den Ingenieurwissenschaften scheint ein sehr gutes räumliches Denken und hohe mathematische Fähigkeiten eine Rolle zu spielen“

    Nichts anderes hätte ich erwartet. Ohne hohe mathematische Fähigkeiten, hätte ich niemals zweimal Physik studieren können.

    „Es spricht damit viel für einen Zusammenhang zwischen gutem räumlichen Denken und der Berufswahl, gleichzeitig ist auch der Zusammenhang zwischen Testosteron und gutem räumlichen Denken gut erforscht.“

    Schön, dass Physik mit Testosteron in Zusammenhang gebracht wird. Das beruhigt mich sehr ;-).

    Was gleich die Frage aufwirft: Wie wirkt sich die Physik auf die Männerpolitik der Frau Merkel aus?

    Damit ist aber hoffentlich ein für allemal klar, dass die Berufswahl weder mit Macht- noch Diskriminierungsdenken zu tun hat, sondern durch Vorlieben und Neigungen – die biologisch bedingt sind – vorgegeben wird.

    Dabei bleibt unbenommen, dass die genannten, biologisch vorhandenen, Vorlieben und Neigungen durch soziale, politische, wirtschaftliche oder sonstige Einflüsse aus- oder abgebaut werden können. Daher finde ich persönlich, dass es sehr schade ist, dass eine begabte Physikerin ohne Zwang Politikerin geworden ist.

    • Räumliches Vorstellungsvermögen ist eine nützliche Sache, insbesondere in technisch-naturwissenschaftlichen Gebieten. Aber nicht nur dort. So mancher Zeitgenosse verharrt in der Analyse politischer Kräfte im Eindimensionalen und unterscheidet lediglich zwischen links (die wo pöhse sind) und rechts (die wo für Freiheit sind). Der eigene Standpunkt ist dann notwendigerweise ein nulldimensional.

  2. Interessante Grafiken.

    Für ein grundlegendes Verständnis ist, als Bindeglied zwischen räumlichem Denken und reasoning-Fähigkeiten die Mental Model Theory nach Phil Johnson-Laird zu nennen. Diese wird in der Kognitionspsychologie seit 30 Jahren diskutiert (auch ich forsche übrigens in diesem Bereich ein wenig mit) und liefert viele Hinweise darauf, dass reasoning in zumindest sehr vielen Fällen nicht nach Produktionsregeln, also mit formallogischen Schlüssen funktioniert wie man sie einem Computer einprogrammiert. Sondern sehr häufig Operationen an mentalen Modellen vorgenommen werden, die Repräsentationen unserer internalisierten Umweltbeobachtungen sind.
    Damit lassen sich viele typische Fehler unserer Denkleistungen recht gut erklären.

    • @David

      Klingt interessant:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Mentales_Modell

      Mentale Modelle sind „subjektive Funktionsmodelle für technische, physikalische und auch soziale Prozesse sowie komplexe Gegebenheiten (z. B. syllogistische Schlussfolgerungen)“. Da wir die Entitäten der Welt seriell kennenlernen, also in kleinen Einzelschritten und diese nacheinander, müssen die wahrgenommenen Details vom Gehirn erst zu Ganzheiten zusammengefügt werden. Die so entstehenden mentalen Modelle weisen eine gegenüber der Wirklichkeit reduzierte Komplexität auf, wodurch die Bestandteile der Welt für das Arbeitsgedächtnis – mit seiner sehr begrenzten Kapazität – verarbeitbar werden. Die Komplexitätsreduktion geschieht, laut Philip Johnson-Laird und Dedre Gentner, auf drei Weisen:

    • quantitative Beziehungen werden auf qualitative reduziert
    • die betrachteten „Stichproben“ werden verkleinert
    • durch Analogiebildung wird auf bekannte Sachverhalte zurückgegriffen.[1]
    • Bei lernfähigen Lebewesen bleibt ein Teil der Wahrnehmungen im Gedächtnis – zumindest die „wichtigen“, dem Überleben dienenden. Bei ausreichender Intelligenz können in diesen Erfahrungen Muster erkannt und aus diesen wiederum Regeln abgeleitet werden. Über die Zeit entstehen so mentale Repräsentationen der individuell relevanten Ausschnitte der Welt.
      Die Wahrnehmung variiert dabei durch die individuellen Gedächtnisinhalte, Stimmungen und Denkprozesse des Wahrnehmenden, die zum Aufbau des mentalen Modells benutzt werden – daraus resultiert, dass jedes Wesen eine eigene Wahrnehmung hat. Diese Modelle werden benötigt um Informationen, die neu aufgenommen werden sollen, überhaupt erst in einen Kontext einordnen zu können und somit verstehen und bewerten zu können. Mit der Neuaufnahme von Informationen und Eindrücken werden dann die Möglichkeiten zur Abbildung der Realität in ein mentales Modell für zukünftige Wahrnehmungen konstant erweitert, es tritt also ein Lerneffekt ein.
      Dabei sind nicht nur die Komponenten des mentalen Modells bei jedem Menschen unterschiedlich, sondern auch ihre Gewichtung. Während einige Menschen eher bildhaft denken, orientieren sich andere eher an anderen Sinneseindrücken und Erfahrungen, wie beispielsweise Schmerz oder Glück.

      Wie müsste man sich das Übertragen auf Geschelchterunterschiede vorstellen? Würden da bestimmte Speicher großzügiger angelegt oder einfach besser mit anderen Gegenden verbunden?

      • @Christian:

        Ich kann leider heute nur noch kurz antworten. Also Geschlechtsunterschiede des „phonological loops“, der oft mit Arbeitsgedächtnis gleich gesetzt wird, sind mir nicht bekannt.
        Es geht mehr um das „visuospatial sketchpad“.
        Bestimmte Komponenten (diskutiert werden 4) des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses im PFC sind funktionell-anatomisch mehr oder weniger dimorph und sorgen für eine schnellere Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Männern, wenn es darum geht, mentale Operationen durchzuführen.

        Bei ACT-R, einer kognitiven Architektur, die die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses mit multiplen „buffern“ modelliert, werden auch geschlechtsspezifische Parameter verwendet.

        Im Rahmen der Mental Model Theory-Forschung habe ich überwiegend mit den experimentellen Paradigmen (z.B. zum deduktiven Schließen mit Aussagenlogik) zu tun, viel um Geschlecht geht es da meinem Eindruck nach nicht.

        Aber ein unheimlich vielversprechender Zweig, der da auch in den nächsten Jahren viel zum Verständnis von Gender beitragen wird können, ist die Embodied Cognition Forschung. Auf allen kognitionswissenschatlichen Kongressen auf denen ich war, war das der große Renner. Ich habe erst angefangen, mich mit Embodiment zu befassen, es wird aus der Richtung noch vieles kommen.

        Das lege ich dir sehr ans Herz, da steckt unheimlich viel drin zu den Themen, die dich so interessieren. Also auch zur Philosophie des Geistes:

        http://en.wikipedia.org/wiki/Embodied_cognition
        http://en.wikipedia.org/wiki/Embodied_cognitive_science
        http://en.wikipedia.org/wiki/Embodied_embedded_cognition

        http://www.majastorch.de/download/artikel/2012_Tschacher-Storch.pdf (Bedeutung für Psychotherapie)

        Vielleicht schreibst du ja mal einen Artikel drüber!

        • @ david

          „Ich habe erst angefangen, mich mit Embodiment zu befassen, es wird aus der Richtung noch vieles kommen.“

          Spannendes aber auch sehr anspruchsvolles
          Thema. Die Erkenntnis, dass unser Geist
          viel stärker an die Gesamtheit unserer
          körperlichen Befindlichkeiten gekoppelt
          ist, als uns lieb ist, ist aber nicht
          wirklich neu.

        • @ david

          „Aber ein unheimlich vielversprechender Zweig, der da auch in den nächsten Jahren viel zum Verständnis von Gender beitragen wird können, ist die Embodied Cognition Forschung.“

          Das klingt interessant.

          Besonders nachfolgender Teil:

          „In einer Studie zu allgemeinen Wirkfaktoren und zu Standardtechniken der Psychotherapie wurden die in der Fachliteratur vorrangig genannten Wirkfaktoren und Techniken gesammelt und Psychotherapieexperten vorgelegt. Diese schätzten ein, wie stark die Wirkfaktoren durch Standardtechniken implementiert werden (Pfammatter, Junghan & Tschacher, 2012; Pfammatter & Tschacher, 2012). Es ergab sich dabei unter anderem, dass nur eine kleinere Untergruppe der Techniken explizit die Körperlichkeit des Patienten berücksichtigte („Skulptur- und Aufstellungsarbeit“, „progressive Muskelentspannung“, „Biofeedbacktraining“, „Verschreiben von Ritualen“). Die Mehrzahl der Techniken, die Psychotherapeuten
          einsetzen, war dagegen nicht in erster Linie mit Embodiment
          verbunden (z. B. „Widerstandsdeutung“, „Zirkuläres Fragen“,
          „Verbalisieren von Erlebnisinhalten“). Auffallenderweise
          waren es eben die Techniken mit explizitem Körperbezug,
          die am wenigsten zu den in der Psychotherapiediskussion
          vorherrschenden Wirkfaktoren zu passen schienen. Mit an-
          deren Worten, die Embodimentperspektive ist – aus Sicht
          von Experten unterschiedlicher Therapieschulen – für die
          anerkannten Wirkmechanismen von Psychotherapie kaum
          bedeutsam und nicht repräsentativ. Diese Befundlage ist wenig
          erstaunlich, denn die körperorientierte Psychotherapie ist,
          auch wenn sie mit Wilhelm Reich einen frühen Vertreter in der
          Psychoanalyse hatte, nie in den Kanon der wissenschaftlich
          untersuchten Psychotherapieformen aufgestiegen und ist in
          der Therapieforschung marginal.
          Aber ist diese entkörperlichte Sicht des Psychotherapieprozesses auch gerechtfertigt? Wir denken, dass hier eine Revision der gegenwärtig für gültig gehaltenen Auffassungen notwendig ist.“

          Und Du meinst tatsächlich, dass diese Veränderungen gerade geschehen?

          „Was bedeutet Embodiment für die psychotherapeutische Pra-
          xis? Tatsächlich sind sich real existierende Psychotherapeuten
          der Zwischenleiblichkeit in der Regel wesentlich stärker
          bewusst, als die schmale Forschungsbasis vermuten lässt. Es
          gibt zudem eine ganze Reihe von Faustregeln (etwa aus dem
          Neurolinguistischen Programmieren (NLP) nach Bandler &
          Grinder, 1982), die sich auf Embodiment und nonverbale
          Synchronie beziehen. Man könnte meinen, dass Synchronie
          als Grundlage des Psychotherapieprozesses mit dem Ziel der
          Optimierung des Therapieergebnisses trainierbar sein müsste.
          Wir halten das prinzipiell für möglich, stehen aber einem pauschalen „Körpersprachen-Training“ sehr skeptisch gegenüber.
          Die Gefahr eines angelernten Embodiment ist, dass Echtheit
          und Kongruenz reduziert werden – Echtheit des Therapeuten
          hat immerhin Auswirkungen auf das Therapieergebnis im
          Bereich einer mittleren Effektstärke (Kolden, Klein, Wang
          & Austin, 2011). Speziell bei der nonverbalen Synchronie
          besteht die Problematik, dass übertriebene Synchronie stark
          aversive Reaktionen bewirken kann, sobald der Eindruck des
          Imitierens und Spiegelns entsteht. Wie sehen wir die Rolle des Embodiment für die künftige Entwicklung der Psychotherapie?
          Embodiment bedeutet nicht automatisch klassische Körpertherapie. Techniken, die den körperlichen Aspekt in die Entwicklungsarbeit mit einbeziehen, bahnen Selbstzugang (Storch & Kuhl, 2012). Sie stellen den Kontakt zu demjenigen psychischen Funktionssystem her, in dem die gesamte Lebenserfahrung eines Individuums gespeichert ist. Dieser Speicherprozess beginnt bereits pränatal.
          Wegen dieses umfassenden „Erfahrungsarchivs“ spielt dieses
          Funktionssystem eine wichtige Rolle bei Entscheidungen,
          Selbstmotivierung und spontanem Handeln.“

          Weißt Du denn zufällig, ob das schon irgendwer im Hinblick auf Gender/Mann-Frau-Problematik – oder auch PU 😀 – theoretisch versucht hat anzuwenden bzw. aufzudröseln?

          „Es gibt weite Bereiche an Embodiment – Positur,
          Gestik, Mimik, Prosodie –, über die die Psychotherapiefor-
          schung derzeit kaum etwas zu sagen hat. Die Praktiker im Feld
          haben ein Recht darauf, dass sich die Wissenschaft endlich
          diesen naheliegenden Fragen zuwendet.“

          In der Aufzählung fehlte mir übrigens die ‚Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung‘ (englisch abgekürzt: emdr).

          http://de.wikipedia.org/wiki/Eye_Movement_Desensitization_and_Reprocessing

          Oder würdest Du die aus irgendeinem Grund auch nicht dazuzählen?

          Soll so funktionieren (las und hörte ich):

          „Zur Bearbeitung der Erinnerung wird der/die KlientIn wiederholt angeleitet, kurzzeitig mit der belastenden Erinnerung in Kontakt zu gehen, während gleichzeitig eine bilaterale Stimulation (Augenbewegungen, Töne oder kurze Berührungen z. B. des Handrückens – so genannte „Taps“) durchgeführt wird.

          Dies scheint nach allen derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen die blockierte Verarbeitung der belastenden Erinnerungen zu aktivieren und ihre zügige Verarbeitung zu ermöglichen. Dies scheint auch der Grund dafür zu sein, das EMDR nachweislich 40% weniger Behandlungsstunden benötigt als andere bewährte Verfahren (van Etten 1998).“

          http://www.emdr-institut.de/0200_therapie/index.php

        • @ sheera

          „Weißt Du denn zufällig, ob das schon irgendwer im Hinblick auf Gender/Mann-Frau-Problematik – oder auch PU 😀 – theoretisch versucht hat anzuwenden bzw. aufzudröseln?“

          In den Anfängen von PU gab es Ansätze
          die sich auf NLP Theorien bezogen. Da
          wurden unter anderem auch die Phänomene
          der unwillkürlichen Augenbewegungen
          und anderer körperlichen Reaktionen
          diskutiert.

          http://www.skillsconverged.com/TrainingTutorials/BodyLanguage/BodyLanguageofIntentions.aspx

          http://www.nlpu.com/Articles/artic14.htm

        • @ muttersheera

          „Dies scheint auch der Grund dafür zu sein, das EMDR nachweislich 40% weniger Behandlungsstunden benötigt als andere bewährte Verfahren (van Etten 1998).”

          Soso….EMDR ist vor allem eine Modeerscheinung im deutschen Gesundheitsmarkt, deren wissenschaftliche Validierung auf tönernen Füßen steht, ungeachtet des unseligen Gutachtens aus dem Jahr 2006. 😉

          http://www.skepdic.com/emdr.html

        • ach ja:

          Eye movement desensitization and reprocessing (EMDR): a meta-analysis.
          Davidson PR, Parker KC.
          Author information
          Abstract
          Eye movement desensitization and reprocessing (EMDR), a controversial treatment suggested for posttraumatic stress disorder (PTSD) and other conditions, was evaluated in a meta-analysis of 34 studies that examined EMDR with a variety of populations and measures. Process and outcome measures were examined separately. and EMDR showed an effect on both when compared with no treatment and with therapies not using exposure to anxiety-provoking stimuli and in pre post EMDR comparisons. However, no significant effect was found when EMDR was compared with other exposure techniques. No incremental effect of eye movements was noted when EMDR was compared with the same procedure without them. R. J. DeRubeis and P. Crits-Christoph (1998) noted that EMDR is a potentially effective treatment for noncombat PTSD. but studies that examined such patient groups did not give clear support to this. In sum, EMDR appears to be no more effective than other exposure techniques, and evidence suggests that the eye movements integral to the treatment, and to its name, are unnecessary.
          Comment in
          Review: eye movement desensitization and reprocessing is not better than exposure therapies for anxiety or trauma. [Evid Based Ment Health. 2002]

        • Und Du meinst tatsächlich, dass diese Veränderungen gerade geschehen?

          Innerhalb der Kognitionsforschung gewinnt das an Bedeutung, ja. Wieviel Potential diese Grundlagenforschung aber überhaupt hat, lässt sich schwer sagen. Besonders groß ist sie nicht. Manche glauben, dass die Kogntionsforschung die Philosophie des Geistes revolutionieren kann, andere halten sie für Fischen im Trüben der „Black Box“.
          Zu euphorisch sollte das also nicht klingen, und den Link zu dem Artikel über Psychotherapie hab ich nur dazugehängt, weil ich einen Alltagsbezug herstellen wollte.
          Wie man ihm entnehmen kann, gibt es da noch nicht wirklich viel an Befunden. Es ist nur ein Ansatz unter vielen, also im Bezug auf deine Frage muss ich sagen: nein, in der Psychotherapie wird das wohl noch einige Zeit eher ein Nischenthema bleiben.

          Ich weiß auch nicht all zu viel drüber, es gibt aber natürlich die nachgewiesenen Effekte von Körperhaltungen auf emotionale Prozesse, die ich auch in der PT nutze. Das Mimik, Gestik und Prosodie keine Rolle spielen, würde ich so nicht sagen. Es gibt dort einiges an Forschung und ich benötige das in der Arbeit mit Asperger-Autisten durchaus.

          Nach meiner Erfahrung würde ich sagen, dass sowohl Frauen als auch Männer mit geschlechtstypischer Körpersprache psychisch gesünder und glücklicher sind. Kann dir aber auf Anhieb nichts konkretets dazu nennen.


          In der Aufzählung fehlte mir übrigens die ‚Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung‘ .

          Das sagt so wirklich niemand 😉 Schlicht EMDR, ist in der Verhaltenstherapie ja längst ein Standard-Verfahren, ich hatte auch schon entsprechende Fortbildungen, war letztens auf einem Traumakongress (bisher aber kaum therapeutische Erfahrung in dem Bereich)
          Wirksam ist es sicherlich (allerdings auch nicht unbedingt wirksamer als andere verhaltenstherapeutische Verfahren).
          Enttäuschend an den Vorträgen ist aber immer wieder, dass man hinsichtlich des Wirkmechanismus vor einem Rätsel steht.
          Mit unwillkürlichen Augenbewegungen hat es nichts zu tun. Man weiß heute, dass eben auch „Tapping“ oder sonst eine bilaterale Stimulation ebenso wirkt. Von daher gehen die meisten Forscher heute davon aus, dass es ganz profan „Ablenkung“ ist, also ein konstanter Stimulus wird in den cognitive Load geladen, um das Reprocessing der Angst auf mit einem niedrigeren Bewusstseinslevel abzumildern.
          Ich bezweifel daher, dass EMDR viel mit embodied cognition zu tun hat.

          Achja, NLP ist meines Erachtens akademisch gesehen so ziemlich durch und wird wohl den Weg der Homöopathie gehen.

        • Also erstmal kein Widerspruch @ratloser.

          An EMDR ist schon was dran, aber was wissen wir nicht. Und die Vertreter haben tatsächlich etwas sektenhaftes, stellen nebulöse Theorien auf die sich am Ende immer wieder als heiße Luft entpuppen.

          Ich habe auch Schwierigkeiten damit, eine Methode zu verwenden, die halt irgendwie zufällig wirkt, allerdings auch nicht besser als andere.

        • @ david

          Natürlich wirkt EMDR im Rahmen der Trauma-Therapie.

          Wöchentliche Gespräche bei einer Tasse Wildkirschtee im angenehmen und geborgenen Rahmen mit einem guten Freund wirken aber auch.

          Die Frage ist, wirkt es über einen unspezifischen Effekt hinaus?

          Wenn ja:

          Wirkt es über den Effekt der Reexposition hinaus?

          Und als Luxusfrage:

          Ist das der Methode zugrunde liegende Konstrukt der zentralnervösen Traumaverarbeitung in irgendeiner Weise validiert?

          Was führte dazu, dass EMDR auf einer fast schon hysterischen Welle der Popularität surft…es klingt ja wohl langsam wieder ab?

          Auf letzteren Aspekt geht der zuletzt von mir verlinkte Artikel ein.

          Andererseits, EMDR wurde von einer Frau erfunden, dannmuss es toll sein.

          Ich war übrigens mal wandern auf Teneriffa und nächtigte in einem kleinen Hotel, in dem sich eine Gruppe von Hirnenthusiasten regelmäßig traf, die mittels Synchronisierung der beiden Hirnhemisphären allerlei bemerkenswerte Effekte zu erreichen hofften.

          Die waren lustig und trinkfest.

        • Die Frage ist, wirkt es über einen unspezifischen Effekt hinaus?

          Das tut es sicherlich, das zeigen die Ergebnisse doch sehr gut.

          Wirkt es über den Effekt der Reexposition hinaus?

          Es gibt ja eben nicht eine einzige Metode der Reexposition. Die alltägliche Reexposition mit Triggern hilft offensichtlich nicht, sondern hält das Problem erst aufrecht.
          EMDR ist zumindest eine der wirksamsten therapeutischen Techniken zur Reexposition. Insofern: ja.


          Ist das der Methode zugrunde liegende Konstrukt der zentralnervösen Traumaverarbeitung in irgendeiner Weise validiert?

          Hier gehe ich ja eben mit der Kritik mit. Es ist in keinster Weise validiert. Gilt dann allerdings auch für nahezu alles, was die psychodynamische Therapie so lehrt.

          Was führte dazu, dass EMDR auf einer fast schon hysterischen Welle der Popularität surft…es klingt ja wohl langsam wieder ab?

          neu, einfach (praktisch theoriefrei), funky-innovativ, technisch (nicht nur „reden“), ja und vielleicht auch, weil von einer Frau erfunden.

        • @ david

          Ich weiß von der Existenz der emdr bloß, weil eine weibliche Vertrauensperson von mir, die ziemlich lange ziemlich viel ausprobiert hat um die Nachwirkungen ihrer (früh-)kindlichen Inzest-Erfahrung zu verarbeiten, absolut darauf schwört.

          Darf ich um eine Übersicht über typische ‚taps‘, Töne und natürlich am Liebsten auch Augenbewegungen bitten, und könntest Du zudem etwas dazu schreiben, wonach der Therapeut auswählt, bzw. wann er welche Interventionsart anwenden sollte?

          Das wäre wirklich sehr freundlich.

          (Mehr vielleicht heut Abend, bin aufm Sprung).

        • @Sheera: Also klassischerweise bewegt der Therapeut einfach 2 Finger vor den Augen der Patientin hin und her, meist werden dann (warum auch immer) ständig Pausen eingelegt.

          Es werden sogar Geräte mit light bars vertrieben, bei denen dann ein grünes Lichtsignal hin und her wandert, unterstützt von einem Piepsen, das ganze Setting erinnert an ein EKG während einer Operation, wirkt auf mich schon ziemlich bizarr .

          Ansonsten wird auch einfach abwecghselnd auf die Knie getippt.

          Beispielsweise wenn es mit den Augen ein Problem gibt. Der Reiz sollte neutral sein. Wenn Berührungen oder visuelle Reize triggernd je nach Trauma wirken, wird man dann jeweils eine andere Stimulation wählen. Ansonsten wohl einfach nach Präferenz des Patienten.
          Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.

        • Natürlich soll der Patient die Reizquelle jederzeit mitverfolgen. Augen haben dabei den Vorteil, dass der Therapeut sofort merkt, wenn das nicht mehr der Fall ist und beispielsweise dissoziiert wird.
          Es erfodert schon Konzentration als Patient, die Bewegung mitzuverfolgen. Ich denke es ist diese externe Fokus, der eine „Erdung“ schafft und einen Bezug zur aktuellen sicheren Realität schafft, was für das Reprocessing des fragmentarischen Traumagedächtnisses notwendig ist. Das Grundproblem ist ja, dass die Emotion als zu stark und damit die Bedrohung als gegenwärtig erlebt wird, somit der kognitive Prozess einer möglichen Neubewertung und Integration in das Langzeitgedächtnis überlagert und blockiert wird.

        • @ muttersheera

          *“Zur Bearbeitung der Erinnerung wird der/die KlientIn wiederholt angeleitet, kurzzeitig mit der belastenden Erinnerung in Kontakt zu gehen, während gleichzeitig eine bilaterale Stimulation (Augenbewegungen, Töne oder kurze Berührungen z. B. des Handrückens – so genannte „Taps“) durchgeführt wird.

          Dies scheint nach allen derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen die blockierte Verarbeitung der belastenden Erinnerungen zu aktivieren und ihre zügige Verarbeitung zu ermöglichen. Dies scheint auch der Grund dafür zu sein, das EMDR nachweislich 40% weniger Behandlungsstunden benötigt als andere bewährte Verfahren (van Etten 1998).”

          http://www.emdr-institut.de/0200_therapie/index.php*

          Dass die EMDRIAner, der Verein, der Prof.Seidler zertifiziert hat, das Binnen.I. benutzen, passt in’s Bild.

          Na ja.

          Psychosomatiker sind der linke Flügel der Ärzteschaft, deshalb auch wohl in besonderer Weise Frauenw(h)orschippend.

          Immer auf einer Wellenllänge mit der Patient.I.n.

          Egal.

          Wer heilt, hat Recht.

          Egal wie.

        • @ David

          *Ansonsten wird auch einfach abwecghselnd auf die Knie getippt.

          Beispielsweise wenn es mit den Augen ein Problem gibt. *

          Die „Traumatherapie“ altkonservativer Psychiater funktionierte ähnlich – Probleme mit den Augen störten dabei nicht: Ohrfeige links und Ohrfeige rechts und der Patient.I.n erklären, sie soll sich nicht so haben.

        • @ roslin

          Ich habe so ein etwas ambivalentes Verhältnis zu den selbsternannten TraumaspezialistInnen, seitdem rausgekommen ist, dass sie in nicht unerheblicher Zahl Traumen aufgedeckt und behandelt haben, die leider oder zum Glück nur in der Phantasie der explorierenden TherapeutInnen vorhanden waren.

          Insgesamt steht die Evidenz des Nutzens einer spezifischen Traumatherapie übrigens etwas auf wackligen Füßen, auch wenn es jetzt einen Aufschrei der psychotherapeutisch tätigen KollegInnen geben dürfte.

          Man kommt heutzutage in städtischen Regionen als Traumatologe vor lauter schon anwesenden TraumatherapeutInnen manchmal nicht mehr an den Traumatiserten ran…die vor Ort anwesenden TraumatherapeutInnen debriefen sich dann anschließend gegenseitig…nun ja…letzte Menschen…letzte Zeiten…letzte Probleme…

        • @ Ratloser

          Sicher eine traumatisierende Erfahrung, wenn die Zahl der Therapeut.I.n die Zahl der Patient.I.nnen übersteigt.

          Man sollte eine „Hilfsgemeinschaft traumatisierter Traumatherapeut.I.nnen“ gründen, ein neues Perpetuum mobile der Helfer.I.nnenindustrie mit vielen Beschäftigungsmöglichkeiten gerade für Akademiker.I.nnen.

          Alternativ vermehrt Kampfeinstätze der Bundeswehr zur Stabilisierung auseinanderfallender afrikanischer Staaten, damit nicht Millionen Flüchtlinge an den Mittelmeerküsten der EU anlanden.

          Ob allerdings Männer in den Genuss von Traumatherapien kommen werden?

          Zumal dann, wenn sie zu Tausenden oder gar Hunderttausenden anfallen?

          Je nachdem, wie umfangreich die „Stabilisierung“ gerät.

          Das würde dann natürlich das Gesundheitssystem wieder überfordern.

          Für das ja irgendjemannd auch das Geld verdienen muss.

        • @ roslin

          Mein lieber Roslin, in welcher Welt leben Sie denn eigentlich?

          „Geld verdienen?“

          Das gibts doch schon lange nicht mehr. Es gibt genug Geld, man muss es nur richtig umverteilen…für den Fall, dass sich die Umverteilung in genügendem Umfang zeitlich verzögert, kann man heutzutage mittels Zentralbanken einfach etwas Geld vorscheißen…oder vorschießen……der Dukatenscheißer heisst übrigens Mario, wie das Spiel, das sie nicht kennen werden, „Supermario“…

          Empathie ist so eine Sache, wenn die Afferenz, die die Spiegelneuronen aktiviert, zum unspezifischen Impuls verkommt und die Spiegelneuronen unabhängig von dem was rein kommt, immer das gleiche funken, weil sie über einen alten Kanal von ganz oben angefixt werden, ist Empathie eine krude Angelegenheit.

          Ein Phänomen übrigens, das man nicht nur in der Helferindustrie sondern auch in weiten Teilen der Berufspolitik beobachten kann, in denen Empathie etwas dezidiert abgewichst Autoerotisches hat.

          Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afrika? Zur „Stabilisierung“ Von was? Sie wollen bestimmt die Stabilisierung der von ausländischen Staaten gesteuerten postkolonialistischen Ausbeutung?

          Sie verweigern sich einem empathischen Geben den Ärmsten gegenüber, denen wir in den letzten Jahrhunderten das ehemalige Eden zur Hölle gemacht haben? So schätze ich sie ein…zuviel Empathie mag schaden, aber zuwenig auch…merken Sie sich das mal!

  3. @ ratloser

    Sie bewegen sich nahe am Rande des Antiitalianismus! („Diese faulen Mediterranen! In der Sonne liegen und den Weibern hinterherpfeifen!! So geht das nicht!!! Und das von UNSEREM GELD!!!!“).

    Muddi wird sie Mores lehren.

    Um dem Vorwurf der politischen Korrekten von wg. Antiitalianismus oder Romanophobie zu entgehen und um nicht ganz so unempathsich zu erscheinen, wie ich bin, hier mein Vorschlag zur reizunterstützten Traumatherapie:

    Mahlers 9. (jüdischer Komponist!), das Adagio, am Pult Claudio Abbado (Italiener!), der die letzten 14 Jahre gegen seine Krebserkrankung kämpfte.

    Heute nacht hat er verloren (und vielleicht das ewige Leben gewonnen).

    Ob er einen Traumatherapeuten hatte?

    In jedem Falle hatte er Mahler und Bruckner und andere.

    R.I.P.

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