Nochmal: Freier Wille vs. biologische Dispositionen

Leser Red Pill fasst einen der wichtigsten Punkte in der Anlage-Umwelt-Debatte bzw. im Verhältnis von Nature und Nurture kurz zusammen:

Was Heerscharen von halb intelligenten Sozial IngenieurInnen nicht begreifen können oder wollen, ist die simple Tatsache, dass der Mensch seine Flexibilität eben gerade dazu einsetzt, um seiner instinktuellen Disposition möglichst nahe zu kommen.

Man kann es auch mit Schopenhauer sagen:

Wir sind frei, zu tun, was wir wollen, aber nicht frei, zu wollen was wir wollen.“

Oder man kann es in eine „der Elefant und sein Reiter„-Metapher bringen:

Dort geht es unter anderem darum, ob unser logisches Denken oder unser unterbewußtes, emotionales, instinktives Denken unser Handeln beherrscht. Dazu wird die Metapher des Elefanten und seines Reiters bedient:

Der Elefant ist das unterbewußte, emotionale, instinktive Denken, der Reiter das logische Denken. Nun besteht die Möglichkeit, dass der Reiter nur auf dem großen und schweren Elefanten sitzt und all seine Bemühungen, den Elefanten in einer andere Richtung zu bewegen, egal sind, wenn der Elefant nicht in diese Richtung will oder aber der Elefant kann den Vorgaben seines Reiters willig folgen.

In dem Buch kommt Haidt zu dem Schluß, dass der Reiter einen geringen Einfluss hat, der Elefant gibt den Weg vor. Der Reiter muss sich bestimmte Schwankungen des Elefanten zu Nutze machen und ihn dann, wenn er gerade in eine bestimmte Richtung schwankt, in diese lenken. Häufig bleibe dem Reiter aber sogar nichts anderes übrig als hinterher eine Begründung dafür zu suchen, warum er ebenfalls genau in diese Richtung wollte (sprich: unser Gehirn rationalisiert nachträglich bestimmte emotionale Entscheidungen als vernünftig).

Wichtig ist dabei, sich bewußt zu machen, dass wir bereits dem Gehirnaufbau nach noch viele sehr alte Strukturen haben (Stammhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn und Großhirn) und unser Gehirn in seiner Grundarbeitsweise nicht so unterschiedlich von anderen Tierhirnen und insbesondere auch nicht von dem Gehirn anderer Primaten ist.

Auch sollte man sich bewußt machen, dass alle evolutionäre Entwicklung des Gehirns nicht auf eine abstrakte Verbesserung der Gehirnleistung gerichtet ist, sondern eine Selektion der Gene erfolgt, die die meisten Nachkommen bringen, die sich dauerhaft selbst fortpflanzen. Damit bietet sich die oben genannte Verteilung geradezu an:

An der Wichtigkeit der Dispositionen hat sich nichts geändert: Nach wie vor geht es darum einen guten Partner zu finden und sich mit diesem fortzupflanzen (bzw. die Handlungen auszuführen, die üblicherweise dazu führen). Selbst die Kriterien dafür sind relativ gleich geblieben: Guter Status wird zwar Kulturell anders begründet als früher, das Konzept ist allerdings gleich geblieben. Wir wollen uns immer noch Fettreserven für schlechte Zeiten zulegen, wir wollen immer noch möglichst den Raum im Überblick haben und uns den Rücken frei halten etc.

Das Gehirn erlaubt uns nun, diese  Dispositionen auf verschiedenste, teilweise sehr komplizierte Wege auszuleben. Das bedeutet aber nicht, dass wir tatsächlich einen freien Willen haben, in dem unsere biologisch vorgegebenen Dispositionen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr bestimmen diese eben, was wir gerne wollen, was uns in kulturell ausgeformter Weise wichtig ist, unser Gerechtigkeitsgefühl etc.

69 Gedanken zu “Nochmal: Freier Wille vs. biologische Dispositionen

  1. An den „freien Willen“ glauben ja ehrlicherweise auch die „Sozialingenieure“ nicht. Ihr Versuch mittels möglichst bereits frühkindlicher Indoktrination gewisse Haltungen ein- und andere abzuschleifen, weist ja auf ihr Bewußtsein darum hin, dass es mittels rationaler Überzeugung…“Aufklärung“.. nicht gelingen kann, den Neuen Menschen zu schaffen.

    Die Vernunft dient im Wesentlichen dazu, unser vorbewußtes Wollen (dessen Handlungsrichtung wiederum die Summe verschiedener psychischer Bedürfnisse darstellt) zu „rationalisieren“…akzeptable Begründungen zu erfinden…Strategien zu entwerfen…

    Diese Erkenntnis liegt der „Freud-Kränkung“ zugrunde…

  2. Wie üblich kommen die Biologisten über metaphorische Gutenachtbschichten nicht hinaus. Dabei ist das Thema seit Jahren durch:

    Biologie und Freiheit. Erscheint in: H. Schmidinger und C. Sedmak (Hg.) Der Mensch – ein freies Wesen? Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004.

    Klicke, um auf biologie%20und%20freiheit.pdf zuzugreifen

    Would Biological Determinism Rule Out the Possibility of Freedom? In: A. Hüttemann (ed.) Determinism in Physics and Biology. Paderborn: Mentis 2003, 136-149.

    Klicke, um auf wille1_ed.pdf zuzugreifen

    Zu den Libet-Experimenten:

    http://www.amazon.de/Gehirn-Ich-Freiheit-Neurowissenschaften-Menschenbild/dp/3897856190/ref=sr_1_7?ie=UTF8&qid=1389607817&sr=8-7&keywords=Ansgar+Beckermann

    http://www.amazon.de/Willensfreiheit-interdisziplin%C3%A4res-Problem-Lebenswissenschaften-Dialog/dp/3495481648/ref=sr_1_8?ie=UTF8&qid=1389607817&sr=8-8&keywords=Ansgar+Beckermann

        • Als Psychologe brauche ich keinen freien Willen, das dürfte dir doch klar sein.
          Ich sehe aber die behaupteten Implikationen dieser Herren nicht, die sich bezüglich des Freiheitsbegriffes ergeben würden.

          Es ist das, was du mal so treffend als intellektuelle Autoerotik bezeichnet hast.

    • @ elmar

      „Wie üblich kommen die Biologisten über metaphorische Gutenachtbschichten nicht hinaus. Dabei ist das Thema seit Jahren durch:“

      🙂

      Schau, dann sei doch Stolz darauf, dass Du im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen eine kognitive zentralnervöse Institution Dein Eigen nennen darfst, die in kompletter Autonomie, unabhängig von dem ganzen blöden vor/unbewussten, emotionalen Krimskrams ihre Befehlsgewalt nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen in der Lage ist.

      Chapeau!

      PS: um auf die Idee zu kommen, für den Rest der Menschheit gelten anderen Voraussetzungen in Sachen „freier Wille“ als für Dich, bedarf es nicht der Libet-Experimente, scheint mir.

      • An der Wichtigkeit der Dispositionen hat sich nichts geändert: Nach wie vor geht es darum einen guten Partner zu finden und sich mit diesem fortzupflanzen (bzw. die Handlungen auszuführen, die üblicherweise dazu führen). Selbst die Kriterien dafür sind relativ gleich geblieben: Guter Status wird zwar Kulturell anders begründet als früher, das Konzept ist allerdings gleich geblieben. Wir wollen uns immer noch Fettreserven für schlechte Zeiten zulegen, wir wollen immer noch möglichst den Raum im Überblick haben und uns den Rücken frei halten etc.

        Wir wollen also nicht von einem Baum zum nächsten fliegen und ein Nest bauen, weil wir keine Vögel sind. Danke Christian für diese fundamentalen Einsichten in die menschliche Natur!

        Hmmm. Hat was mit Biologie zu tun. Jetzt fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren!

        • @peter

          „Wir wollen also nicht von einem Baum zum nächsten fliegen und ein Nest bauen, weil wir keine Vögel sind. Danke Christian für diese fundamentalen Einsichten in die menschliche Natur!“

          Ich wollte einfach ein paar Beispiele aufführen, die deutlich machen, wie wir nach relativ veralteten Kriterien vorgehen. Natürlich kann man da bessere finden. Du kannst natürlich solche oder eben auch Gegenbeispiele anführen

      • Ich wollte einfach ein paar Beispiele aufführen, die deutlich machen, wie wir nach relativ veralteten Kriterien vorgehen.

        Das heisst konkret: Wir sind nicht an die Umwelt angepasst, die wir uns geschaffen, die wir gestaltet haben. Was wiederum zeigt, dass die kulturelle Ausformung unserer Umwelt nicht mit Deinen (veralteten) Selektionskriterien befriedigend erklärt werden kann, denn sie stehen zumindest teilweise im Widerspruch zu einem angepassten Verhalten (deshalb veraltet). Damit gibst Du also endlich Deinen biologistischen Universaldeutungsanspruch auf. Danke.

        • @ Peter

          Den unterkomplexen „Biologismus“, den Du zu widerlegen versuchst, gibt es nur in Deiner Phantasie.

          Nur einige kurze Anmerkungen:

          – die kulturelle Ausformung ist nicht Folge eines langfristigen rationalen, ergebnisorientierten Plans, schon alleine, da die Eigendynamik, die kulturelle Ausformungen zwangsläufig entwickeln, letztendlich unabsehbar ist.

          – der Versuch, durch Ideologien einen langfristigen Plan kultureller Ausformung umzusetzen, scheitert mit schöner Ausnahmslosigkeit.

          – die Plastizität des menschlichen Gehirns ist erstaunlich hoch, jedoch gibt es offenbar als evolutionär besonders wichtige, lebenserhaltend, replikationssfördernd wirkende Anlagen… Muster, die eine gewisse Bestandsgarantie haben. Sprich, die Plastizität unseres Gehirns ist inhomogen.

          – eine kulturelle Entwicklung kann durchaus zu Formen der Fehlanpassung führen, wenn das die kulturelle Entwicklung prägende Motiv ein relativ „neues“ ist, dem aber tiefe, ältere Motivlagen gegenüberstehen, die nicht mit dem neuen Motiv „befriedbar“ sind.

        • @peter

          „Das heisst konkret: Wir sind nicht an die Umwelt angepasst, die wir uns geschaffen, die wir gestaltet haben“

          Es ist komplizierter: Wir gestalten unsere Umwelt ja auch teilweise nach unserer Natur

          „Was wiederum zeigt, dass die kulturelle Ausformung unserer Umwelt nicht mit Deinen (veralteten) Selektionskriterien befriedigend erklärt werden kann, denn sie stehen zumindest teilweise im Widerspruch zu einem angepassten Verhalten (deshalb veraltet)“

          Da baust du einen Scheinwiderspruch auf: Die Kulturelle Ausformung ist ja gerade eine Ausformung, die die Ergebnisse dieser Selektionskriterien beachtet. Bei einigen kulturellen Ausgestaltungen ist es auch schlicht egal, wie die Ausgestaltung ist, das Prinzip bleibt. Wenn zB schwer zu erlangenes als Statussymbol taugt, dann ist es egal, ob es eine seltene Muschelart oder eine Louis Vuitton Handtasche ist. Wenn es darum geht in einer Hierarchie oben zu stehen ist es egal, ob man Anführer einer Jagdgruppe oder CEO ist. Und wenn Muskeln ein gutes Signal für Fitness sind, dann ist es egal, ob man sie mit Nahrung im Überfluss und billigen Fitnessstudios beliebig ausbauen könnte.

          Aber du kannst ja mal ein Beispiel nennen, damit deutlich wird, was du meinst.

          „Damit gibst Du also endlich Deinen biologistischen Universaldeutungsanspruch auf. Danke.“

          Ich fürchte ich muss dich enttäuschen

        • Es ist komplizierter: Wir gestalten unsere Umwelt ja auch teilweise nach unserer Natur

          Alles, was „in der Natur“ vorkommt, ist definitionsgemäss natürlich. Deine Erkenntnisse reduzieren sich mit schöner Regelmässigkeit zu Tautologien.

          Da baust du einen Scheinwiderspruch auf: Die Kulturelle Ausformung ist ja gerade eine Ausformung, die die Ergebnisse dieser Selektionskriterien beachtet

          Entscheidend ist, dass Deine Selektionskriterien, die Du selbst als „veraltet“ bezeichnet hast, das soziale Gefüge, die konkreten kulturellen Ausformungen eben in vielen Aspekten nicht zu erklären vermögen. „Veraltet“ heisst in diesem Kontext ja nichts anderes als unangepasst.

          • @peter

            „Alles, was “in der Natur” vorkommt, ist definitionsgemäss natürlich. Deine Erkenntnisse reduzieren sich mit schöner Regelmässigkeit zu Tautologien.“

            Ich habe ja bereits verschiedene Regeln genannt. Dass Selektionsprozesse sich teilweise selbst stützen ist nicht ungewöhnlich. Ebenso überrascht es nicht, dass Kulturen bestimmte Lösungen immer und immer wieder entwickelt haben, weil sie die besten Strategien unter Berücksichtigung unserer Natur sind. Das erscheint mir eine zwangsläufige Folge der Spieltheorie bei ähnlichen Payoffs zu sein. natürlich verändern neuere Forschungen bestimmte Payoffs, zB kann man sich dank Verhütung eine wesentlich freiere Sexualität erlauben.

            „Entscheidend ist, dass Deine Selektionskriterien, die Du selbst als “veraltet” bezeichnet hast, das soziale Gefüge, die konkreten kulturellen Ausformungen eben in vielen Aspekten nicht zu erklären vermögen. “Veraltet” heisst in diesem Kontext ja nichts anderes als unangepasst.“

            Veraltet bedeutet, dass sie teilweise Probleme lösen, die heute eigentlich nicht mehr gelöst werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass sie falsch sind, sie sind einfach. Wenn zB die Vorliebe von Frauen für Statushohe Männer früher die Partnerwahl verbesserte, dann ändert das erst einmal nichts daran, dass Statushohe Männer auch heute noch als attraktiv wahrgenommen werden. Das ist zwar heute nicht mehr zwingend so, in einer Überflussgesellschaft bringt man Kinder eh durch, das bedeutet aber nicht, dass die Regeln der Partnerwahl nicht mehr aktuell sind. Sie würden nur bei heutiger Gesellschaft so nicht mehr entstehen, was aber ohne Relevanz ist. Sie erklären dennoch das streben von Männern nach Status und die Bevorzugung von Männern mit Status durch Frauen.

        • @ Christian

          Du stellst in Deinen Repliken regelmässig auf die Sexualität ab. Das verstehe ich, denn hier hat die Biologie tatsächlich die plausibelsten Erklärungen.

          Die Frage ist aber, inwiefern sexuelle Motive in Bereichen eine Rolle spielen, die nicht unmittelbar sexueller Natur sind. Sowohl Biologisten wie auch Genderisten sind überzeugt, dass so ziemlich allen menschlichen Handlungsweisen sexuelle Motive zugrunde liegen.

          Veraltet bedeutet, dass sie teilweise Probleme lösen, die heute eigentlich nicht mehr gelöst werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass sie falsch sind, sie sind einfach.

          Eben. Unangepasst. Ich wiederhole mich: Deshalb können kulturelle Phänomene nicht so ohne weiteres aus Selektionskriterien abgeleitet werden. Ist doch klar, oder?

          Du willst ein Beispiel? Bitteschön:

          In den westlichen Industrienationen geht materieller Wohlstand mit einer geringen Geburtenrate einher. Deine veralteten Selektionskriterien aber würden besagen, dass in der westlichen Welt höhere Geburtenraten erzielt werden. Das heisst also, dass das kulturelle Phänomen „tiefe Geburtenraten bei gleichzeitigem materiellen Wohldtand“ nicht biologistisch erklärt werden kann. Der tiefen Geburtenrate liegt meist ein bewusster Entscheid gegen Kinder zu Grunde – aus was für Gründen auch immer. Da kommst Du mit Deiner Bilogie nicht weiter, wenn Du nach Erklärungen suchst. Plausible Erklärungen gibt es. Die kommen aber wunderbar ohne Biologie aus.

          • @peter

            „Eben. Unangepasst. Ich wiederhole mich: Deshalb können kulturelle Phänomene nicht so ohne weiteres aus Selektionskriterien abgeleitet werden. Ist doch klar, oder?“

            Wenn man auf die früheren Selektionskriterien abstellt, warum sollen sie aus diesen nicht abzuleiten sein? Moderne Zeiträume sind unglaublich kurz, sie sind evolutionär vernachlässigungsfähig.

            Es geht ja um unsere biologoischen Grundlagen, die hergeleitet werden sollen. Deren Selektion kann man darstellen, auch wenn sie heute nicht mehr gelten und dann auch moderne kulturelle Ausformungen dazu in Bezug setzen

            „In den westlichen Industrienationen geht materieller Wohlstand mit einer geringen Geburtenrate einher. Deine veralteten Selektionskriterien aber würden besagen, dass in der westlichen Welt höhere Geburtenraten erzielt werden. Das heisst also, dass das kulturelle Phänomen “tiefe Geburtenraten bei gleichzeitigem materiellen Wohldtand” nicht biologistisch erklärt werden kann“

            Sicher. Weil die Selektion eben nur zu einem Sexualtrieb geführt hat, der nunmehr kulturell von dem Kinderkriegen abgetrennt werden kann.

            „Plausible Erklärungen gibt es. Die kommen aber wunderbar ohne Biologie aus“

            Dann leg mal los. ich bin gespannt.

          • @peter

            Ergänzung:

            „Der tiefen Geburtenrate liegt meist ein bewusster Entscheid gegen Kinder zu Grunde – aus was für Gründen auch immer. Da kommst Du mit Deiner Bilogie nicht weiter, wenn Du nach Erklärungen suchst. Plausible Erklärungen gibt es. Die kommen aber wunderbar ohne Biologie aus.“

            Die tiefe Geburtenrate ist aus meiner Sicht auch kein Verhalten, sondern nur die Folge einer neuen Möglichkeit, die Folgen eines Verhaltens über moderne Verhütung zu regulieren.

  3. Wir leben nicht, um „Dispositionen auszuleben“. Dispositionen sind je nach Wortbedeutung ganz verschiedene Dinge, das können auch erworbene Charaktereigenschaften sein, meist sind hier wohl genetische „Anfälligkeiten“ gemeint, bestimmte Eigenschaften auszuprägen.

    Ein besserer Ausdruck ist der der zentralen psychischen Grundbedürfnisse, die eine hierarchische Struktur haben.

    Das mir zum Verständnis von menschlichem Verhalten am besten helfende Modell ist das von Grawe. Was Menschen tun, hat immer etwas mit den biologisch disponierten Bedürfnissen nach
    -Bindung,
    -Orientierung und Kontrolle
    -Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz
    -Lustgewinn und Unlustvermeidung
    zu tun. Unter den letzten Punkt könnte man auch physiologische Bedürfnisse fassen, oder sie wie Maslow als vorrangige Primärbedürfnisse fassen.
    Man kann jetzt darüber streiten, ob aus den Grawe’aschen Bedürfnissen noch einmal der Fortpflanzungstrieb als übergeordnet zu extrahieren wäre.

    Wenn wir uns aber menschliches Verhalten (und auch das vieler Tiere) anschauen, muss das nicht unbedingt der Fall sein. Menschliche Stammeslinien hatten ihre größten Erfolge nicht selten im Rahmen eines sehr moderaten Fortpflanzungsverhaltens, wenn also die anderen Grundbedürfnisse geschickt durch ein Gesellschaftssystem mit dem Wohl der Population verknüpft wurden. Für die es evolutionär vorteilhaft ist, wenn nicht jeder seine Energie ins Ficken investiert. Ist auch bei keinem sozialen Wesen der Fall.
    Massenhaft Menschen entscheiden sich dagegen, sich überhaupt auch nur einmal fortzupflanzen. Man muss schon wie Freud enorme theoretische Verrenkungen machen, um dennoch apodiktisch jegliches Verhalten als Huldigung an Eros umzudeuten.

    Die Frage nach dem freien Willen ist ja eigentlich trivial. Wenn man den „freien Willen“ als die Möglichkeit eines Subjekts betrachtet, die Zukunft zu beeinflussen, ist das ein Widerspruch zum Determinismus.
    Falls es denn irgend einen Ort im Universum geben sollte, an dem indeterminierte Dinge geschehen, dann ist dieser wohl das menschliche Gehirn.
    Falls aber der Determinismus recht hat (und diesen betrachte ich als reines philosophisches Gedankenspiel ohne jede weitere Relevanz), dann kann der „freie Wille“ nur die Bewusstwerdung des Rechenprozesses sein, bei dem verschiedene Handlungsoptionen mental repräsentiert und mit prognostischen emotionalen Wertigkeiten versehen werden.

    Das einzigartige am Menschen ist dabei, dass das emotionale Erleben tatsächlich moduliert werden können. Hier hast du Haidt offenbar etwas reduziert, Christian. Denn der Reiter auf dem Elefanten nimmt durchaus Einfluss auf dessen Bewegungen, sogar auf seinen „Charakter“.
    Die Betrachtungen zum menschlichen Gehirn sind hier teilweise etwas unterkomplex, um nicht zu sagen „biologistisch“.
    Der Neokortex ist nicht einfach nur ein Prozessor, der die Leistung optimiert. Er hat auch Administrator-Reche.
    Wir wissen heute, dass das limbische System nicht nut aus subkortikalen, alten Strukturen besteht. Die Sichtweise, Triebe nur im „Reptiliengehirn“ zu verorten, ist überholt. Das limbische System ist dafür nicht allein verantwortlich, bzw. steht unter dem Einfluss höherer, auch präfrontaler Funktionen, die das emotionale Muster modullieren können.
    Den Menschen als Tier zu begreifen macht zwar Sinn und Spaß und trägt oft ziemlich weit. Aber man macht es sich damit auch gerne ein wenig zu einfach.

    Eine Studie sei zum Beispiel hier genannt:
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10683827

    • @david

      „Massenhaft Menschen entscheiden sich dagegen, sich überhaupt auch nur einmal fortzupflanzen.“

      Deswegen schrieb ich ja auch „Nach wie vor geht es darum einen guten Partner zu finden und sich mit diesem fortzupflanzen (bzw. die Handlungen auszuführen, die üblicherweise dazu führen)“ Ein „Fortpflanzungstrieb“ ist unnötig, wenn es einen Sextrieb gibt und dieser üblicherweise zur Fortpflanzung führt. Die Betrachtung aus genetischer Sicht bleibt aber dennoch auf Fortpflanzung gerichtet. Dass man diese „überlisten“ kann, indem man moderne Verhütung verwendet ist dabei ja egal

        • @David

          Das die menschliche Partnerwahl und die Darstellung eines hohen Partnerwerts häufig über das erfolgt, was Dawkins den erweiterten Phänotyp nennt ist klar. Es ist bei einem Tier mit extrem langer Aufzuchtszeit und Fokussierung auf Qualität statt Anzahl zu erwarten.

          Welchen Aspekt menschlichen Handelns würdest du denn als frei von diesem erweiterten Begriff der Partnerwahl, also Statusaufbau, Signalling auch über Ressourcen etc, intrasexueller Konkurrenz und intersexueller Selektion etc sehen? Ich denke, das wird schwierig darzustellen sein.

        • Ich denke, das wird schwierig darzustellen sein.

          Wenn das für dich schwierig ist, dann hast du wohl selbst das Problem, dass dein Denkgebäude abgeschlossen ist und dein Statusbegriff beliebig und nicht falsifizierbar ist.

          Pipi und Kaka machen zum Beispiel? Was tut denn ein Homosexueller so den lieben langen Tag? Eine kinderlose Frau nach der Menopause funktioniert relativ ähnlich wie davor auch. Eine Ameise macht nichts von dem aufgezählten und überlebt trotzdem.

          • @david

            „Pipi und Kaka machen zum Beispiel?“

            Du meinst Nahrungsaufnahme und deren verarbeitung hat keine Auswirkungen auf den Partnerwert? Dann pflanze dich ohne diese mal fort.

            „Was tut denn ein Homosexueller so den lieben langen Tag?“

            Er macht so ziemlich das gleiche wie andere Menschen, allerdings mit Attraktivitätsmerkmalen, die seine Fortpflanzung unwahrscheinlicher machen. Bei ihm besteht der Fortpflanzungsvorteil aber über Verwandtenselektion

            „Eine kinderlose Frau nach der Menopause funktioniert relativ ähnlich wie davor auch“

            Das die Handlungen erfolglos sein können ändert nichts daran wofür sie selektiert worden sind.

            „Eine Ameise macht nichts von dem aufgezählten und überlebt trotzdem.“

            Wir reden zum einen über Menschen, zum anderen funktionieren Ameisen anders, eben über Verwandtenselektion. Darauf ist ihr Verhalten recht umfassend ausgerichtet. (wie heißt es so schön: Kommunismus: Gute Idee, falsche Spezies 😉

        • Das meinte ich. Natürlich zielt ALLES auf den Partnerwert, wenn du diesen a priori zum Primat menschlichen Handelns setzt. Alles was dem nicht dient, ist ergo ein erfolgloser Versuch, ihm zu dienen. Wenn ich den Primat des Pipi machens postuliere, ließe sich das genau so aufziehen.

          Auf Schwule bezogen ist das ziemlicher Quatsch, es gibt keine Hinweise darauf dass die besonders auf ihre Nichten oder überhaupt Kinder fixiert wären.
          Ich habe gestern etwas zur Entstehung von Homosexualität geschrieben, diese dürfte demnächst endgültig geklärt sein.

          Wir reden zum einen über Menschen, zum anderen funktionieren Ameisen anders, eben über Verwandtenselektion. Darauf ist ihr Verhalten recht umfassend ausgerichtet. (wie heißt es so schön: Kommunismus: Gute Idee, falsche Spezies

          Klar, die Tierarten unterscheiden sich darin, wie viel Altruismus es zur Arterhaltung benötigt und wie viel in der sexuellen Selektion steckt.
          Aber de facto kommt die menschliche Zivilisation der der Ameisen in vielerlei Hinsicht näher als der einer Affenhorde.
          Schau doch einfach mal, was Menschen den lieben langen Tag machen. Und auch Affen (abgesehen vom Alpha-Männchen) verbringen am Tag relativ wenig Zeit mit Balzen, Ficken und Karriere vorantreiben.
          Ich denke dass auch beim Menschen die Verwandtenselektion eine sehr gewichtige Rolle einnimmt.

          • @David

            „Das meinte ich. Natürlich zielt ALLES auf den Partnerwert, wenn du diesen a priori zum Primat menschlichen Handelns setzt. Alles was dem nicht dient, ist ergo ein erfolgloser Versuch, ihm zu dienen. Wenn ich den Primat des Pipi machens postuliere, ließe sich das genau so aufziehen.“

            Das evolutionäre Argument dahinter (Nur Gene, die Fortpflanzung im weiteren Sinne fördern können sich im Genpool anreichern) ist nun einmal sehr bestechend. Deswegen spricht Dawkins ja auch von Genvehikeln, die diese in die nächste Generation bringen.

            „Auf Schwule bezogen ist das ziemlicher Quatsch, es gibt keine Hinweise darauf dass die besonders auf ihre Nichten oder überhaupt Kinder fixiert wären.“

            Das habe ich auch nicht behauptet.
            Es geht um Erhöhung der Fortpflanzungschancen der weiblichen Verwandten bei Schwulen und der männlichen Verwandten bei Lesben. Und um Erhöhung der Fortpflanzungsraten bei der Mutter bei fraternal birth order

            „Ich habe gestern etwas zur Entstehung von Homosexualität geschrieben, diese dürfte demnächst endgültig geklärt sein.“

            Und inwiefern steht das in einem Widerspruch?

            Klicke, um auf 141808_rice-et-al-2012-qrb.pdf zuzugreifen

            Auf S. 361f stellen sie dort ebenfalls auf Verwandtenselektion ab.
            (im übrigen habe ich es für einen eigenen Artikel vorgemerkt, ist ein interessanter Artikel)

            „Aber de facto kommt die menschliche Zivilisation der der Ameisen in vielerlei Hinsicht näher als der einer Affenhorde.“

            Da würde ich widersprechen. Schimpansen sind gar nicht so weit von uns weg, Ameisen sind dagegen vollkommen anders ausgerichtet, weil ihre Evolution nach vollkommen anderen Regeln verlief.

            „Schau doch einfach mal, was Menschen den lieben langen Tag machen. Und auch Affen (abgesehen vom Alpha-Männchen) verbringen am Tag relativ wenig Zeit mit Balzen, Ficken und Karriere vorantreiben“

            Was ziemlich gut dazu passt, dass wir Paarbindung betreiben und sehr unselbständige Kinder haben, Schimpansen aber nicht. Im übrigen empfehle ich dazu „Der Affe in uns“ von Frans de Waal. er zeigt die Parallelen sehr schön auf.

            „Ich denke dass auch beim Menschen die Verwandtenselektion eine sehr gewichtige Rolle einnimmt.“

            In einigen Bereichen sicherlich. Aber wir sind wie Schimpansen und Gorillas auch viel mehr auf direkte Konkurrenz ausgelegt. Sonst hätten wir auch keine Paarbindung entwickelt. Eine Paarbindung ist ein sehr effektiver Weg, wenn man Ressourcen in seinen direkten Nachwuchs investieren will. Verwandtenselektion bei uns Menschen baut darauf auf und richtet sich insofern üblicherweise auf Enkelkinder.

    • @david

      „Falls aber der Determinismus recht hat (und diesen betrachte ich als reines philosophisches Gedankenspiel ohne jede weitere Relevanz), dann kann der “freie Wille” nur die Bewusstwerdung des Rechenprozesses sein, bei dem verschiedene Handlungsoptionen mental repräsentiert und mit prognostischen emotionalen Wertigkeiten versehen werden.“

      Finde ich keine schlechte Definition.

      „Hier hast du Haidt offenbar etwas reduziert, Christian. Denn der Reiter auf dem Elefanten nimmt durchaus Einfluss auf dessen Bewegungen, sogar auf seinen “Charakter”.

      Ja, natürlich habe ich ihn reduziert. Er legt ja auch Methoden dar, wie man den Elefanten beeinflussen kann. Aber es wird eben deutlich, dass es oft nicht so einfach ist. Er hat jedenfalls keine „absoluten Administratorrechte“ und deren Ausübung ist oft gar nicht so einfach.

      Mir geht es auch gar nicht darum, ob man sich wenn man wirklich wirklich wirklich will für etwas entscheiden kann. Mir geht es eher darum, dass wir uns häufig gar nicht gegen bestimmte Optionen entscheiden wollen. Das Können spielt dann für die Einbeziehung der biologischen Grundlagen eine geringere Rolle, einfach weil dieses Können anstrengend ist und einiges an Verbiegung erfordert.

      • Er hat jedenfalls keine “absoluten Administratorrechte” und deren Ausübung ist oft gar nicht so einfach.

        Um mal in der Metapher zu bleiben: mir helfen Adminrechte gegen den Willen des Computers auch selten 😉

        Also Menschen können sich für so einiges entscheiden, was wenig mit dem Stammhirn zu tun hat. Gegen ihr eigenes Leben zum Beispiel, das ist schon evolutionär ein starkes Stück

        (magst du mal nen Artikel zu Suizid bei Tieren machen? soll ja da auch was geben)

        • @david

          „Also Menschen können sich für so einiges entscheiden, was wenig mit dem Stammhirn zu tun hat. Gegen ihr eigenes Leben zum Beispiel, das ist schon evolutionär ein starkes Stück“

          Ja, aber es ist dementsprechend schwer, weswegen sich wenige Leute umbringen. Sogar ganz entschieden etwas dagegen haben, sich umzubringen. Es nur in Ausnahmesituationen machen.
          Es ist nicht einfach eine Willensentscheidung.
          Einige hingegen schaffen es nicht, sich nicht umzubringen, sie sind zu depressiv.

      • Ich zitiere Schopenhauer da ja selbst gerne, natürlich ist das ein wichtiger Satz.

        Aber prinzipiell können wir durchaus einen Willen aus einem reasoning-prozess heraus entwickeln. Oft sind es ja auch falsche Berechnungen, die dazu führen dass dem hungrigen Elefanten das gekaufte Essen gar nicht schmeckt.
        Konnte ich ja nicht wissen, dass er Vegetarier ist.

  4. @ david

    „These results provide evidence for a network in which higher regions attenuate emotional responses at the most fundamental levels in the brain and suggest a neural basis for modulating emotional experience through interpretation and labeling.“

    Offen bleibt, wie stark höhere Regionen modulieren können und welches die Energie darstellt, die höhere Regionen tiefere Regionen modulieren lässt. Ob diese höheren Regionen für sich genommen nicht schon wieder stark von tieferen Regionen initiiert und moduliert wird.

    Das neuronale Vorgänge nie unidirektional, sondern immer mehr oder weniger komplex moduliert werden, bis hin zur retrograden Inhibierung, weiss ja nun jeder Zehntklässler.

    Interessanter ist, welches Hirnzentrum zuerst initiativ ist und in welchem Ausmaß es moduliert werden kann. Letzteres hängt auch davon ab, welchen „Bedürfnissen“, Impulsen in unserem neuronalen Netzwerk welche Priorität zugestanden wird.

    Eine Frau, die immer wieder an alkoholkranke, gewalttätige Partner gerät, hat offensichtlich keine sehr potente Modulationsfähigkeit ihrer „höheren Regionen“…

    • Offen bleibt, wie stark höhere Regionen modulieren können

      Mitunter ziemlich stark, wie zum Beispiel der Erfolg von Psychotherapie zeigt. Die z.B. auch der Frau bei ihrem Präferenzmuster helfen kann.
      Deine geliebte Psychoanalyse geht ja noch viel weiter und proklamiert Modulationen durch bloße intellektuelle Einsicht.

      welches die Energie darstellt

      dieselbe „Energie“, dieselben Aktionspotentiale wie im Rest des Gehirns auch.

      Der Rest ist trivial. Natürlich steht alles in komplexer Wechselwirkung neuronaler Systeme.

      Wir können aber die Modulation emotionaler Muster von außen induzieren.

      Hab keine Angst (!) …dir deine menschlichen Möglichkeiten vor Augen zu halten.
      Vielleicht ist Biologismus ja auch die Rationalisierung der eigenen Resignation? 😉

      • @ david

        „Mitunter ziemlich stark, wie zum Beispiel der Erfolg von Psychotherapie zeigt. Die z.B. auch der Frau bei ihrem Präferenzmuster helfen kann.
        Deine geliebte Psychoanalyse geht ja noch viel weiter und proklamiert Modulationen durch bloße intellektuelle Einsicht.“

        Die Effizienz psychotherapeutischer Einflußnahme wird, fürchte ich, gnadenlos überschätzt.

        Die Zahl der Menschen, die aufgrund neurotischer Verstrickungen trotz therapeutischer Intervention lebenslang unglücklich machende Partnerkonstellationen wählen, ist jedenfalls hoch..

        Aber Du hast Recht, prinzipiell ist natürlich eine Änderung der an der Willensbildung beteiligten Motiv-Vektoren möglich…und auch da gebe ich Dir Recht: wohl kaum durch Intellektualisierung.

        „dieselbe “Energie”, dieselben Aktionspotentiale wie im Rest des Gehirns auch.“

        Ja nee is klar…Du weisst schon, wie ich das meinte. Die den bewußten Willen konstituierende Energie ist keine pure, reine, höhere, der bewußten Analyse geschuldete…

        „Hab keine Angst (!) …dir deine menschlichen Möglichkeiten vor Augen zu halten.
        Vielleicht ist Biologismus ja auch die Rationalisierung der eigenen Resignation? ;-)“

        Es gibt eine Sichtweise, nach der eine resignative Grundhaltung, eine Depression im Grunde adäquate Reaktionen auf die realen Gegebenheiten unserer Existenz darstellen würde. Erträglich wird unsere Existenz durch Ausblenden, Umdeuten, Illusionen…kurz durch Vorgänge, die mit den höheren Zentren eher wenig zu tun haben.

        Das Anerkennen der neurobiologischen Grundlagen unseres Ich´s mögen kränken und auch manchen traurig machen, aber um mich habe ich da keine Angst. Dazu arbeiten meine tieferen Zentren viel zu fleissig… 😉

        • Die Effizienz psychotherapeutischer Einflußnahme wird, fürchte ich, gnadenlos überschätzt.

          Ich denke sie wird gnadenlos unterschätzt. Die durchschnittliche Effektstärke beträgt ca. .7, das ist afaik wesentlich höher als die Wirkung von Aspirin. Die Kosten-Effizienz ist, nicht nur aufgrund der Nebenwirkungen und Langzeitwirkung auch besser als die von Psychopharmaka.

          Ja nee is klar…Du weisst schon, wie ich das meinte. Die den bewußten Willen konstituierende Energie ist keine pure, reine, höhere, der bewußten Analyse geschuldete…

          Ich meinte das schon so. Diese „Energie“ gibt es nicht. Diese strikte Sphärentrennung zwischen „echtem Willen“ und Ratio auch nicht. Handlungsleitend sind natürlich die efferenten Impulse, die durch Lustgewinn und Unlustvermeidung im weitesten Sinne konstituiert sind. Der Mensch ist aber in der Lage, die Vorstellung einer Handlungsfolge derart bewuwsst zu imaginieren, dass aus Unlust Lust werden kann (-> Verstärkeraufschub)

        • @ ratloser

          „Erträglich wird unsere Existenz durch Ausblenden, Umdeuten, Illusionen…kurz durch Vorgänge, die mit den höheren Zentren eher wenig zu tun haben.“

          Interessant ist ja gerade, dass wir uns
          in Bezug auf diese „Niederen“ Zentren
          eben gerade nicht so wahnsinnig von
          unserer tierischen Verwandtschaft
          unterscheiden.
          Mit dieser Tatsache scheinen viele
          Leute echt Probleme zu haben.

        • @ red pill

          Der angebliche menschliche zentralnervöse Exzeptionalismus wird ja witzigerweise von Linken wie von Christen hochgehalten, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven….

          Eine Annäherung an die Realität würde das große Projekt des Neuen Menschen genauso gefährden wie den liebgewonnenen Egalitarismus. Die wortreichen Erklärungsansätze, die bemüht werden, um diese Projekte zu retten, riechen nun wirklich sehr (!) nach Angst… 😉

    • Schöner Aufsatz, der den neurodeterministischen Populismus aus dem Weg räumt.

      So wie ein Schachcomputer bei ein und derselben Stellung mal diesen und mal jeden Zug ausführt, so kann auch der Mensch in ein und derselben Situation unterschiedliche Entscheidungen treffen, deren Möglichkeitsraum dank Selbstreflexion riesig groß ist.
      So wie wir den (determinierten) Zufallsgenerator des Schachcomputers bei der Analyse der Situation vernachlässigen, brauchen und können wir uns auch nicht mit psychisch wirksamen Determinanten befassen, die über das hinausgehen was wir als freien Willen begreifen.
      So lange wir unser Informationsdefizit über die Stellung und Bewegung aller Teilchen im Universum als gegeben annehmen, so lange ist auch ein freier Wille gegeben.

      • @ david

        „So lange wir unser Informationsdefizit über die Stellung und Bewegung aller Teilchen im Universum als gegeben annehmen, so lange ist auch ein freier Wille gegeben.“

        Sag ich doch, freier Wille ist, wenn uns nicht klar ist, dass wir keinen freien Willen haben….die Unkenntnis generiert das Erleben einer Illusion.

        • Die Erkenntnis, dass es keinen freien Willen gibt, ist eigentlich banal. Denn die Annahme des Determinismus bedeutet, dass es überhaupt keine Freiheitsgrade für irgendwas gibt. Nicht für eine Schneeflocke, und nicht für den Wetterbericht in einer Milliarde Jahren. Alles was je passiert ist und passieren wird, passiert zwangsläufig, nichts hätte jemals anders passieren können.

          Annahmen der menschlichen Psyche tangiert das nicht weiter.

      • @david

        „So wie ein Schachcomputer bei ein und derselben Stellung mal diesen und mal jeden Zug ausführt, so kann auch der Mensch in ein und derselben Situation unterschiedliche Entscheidungen treffen, deren Möglichkeitsraum dank Selbstreflexion riesig groß ist.“

        Der Schachcomputer ist insofern ein interessantes Beispiel, weil er eben die meisten Züge, die er theoretisch machen könnte, als schlecht berechnet und nur eine bestimmte Variante übrig bleibt.
        Es ist eine recht theoretische Vielfalt, weil die Ziele und Strategien ihn eben nicht einen beliebigen Zug machen lassen. Dabei ist es ihm sogar möglich, recht einfach vorzugehen, weil er nur einen weiteren Mitspieler hat und nicht beliebig viele, deren Reaktion er einkalkulieren muss. Punkte wie Vertrauensaufbau und Kooperation oder unvorhersehbare Gefahren und Zufallsereignisse spielen keine Rolle. Was ihm wesentlich mehr Möglichkeiten lässt ohne negative Folgen seine Züge nach einem Ziel, dem schlagen des gegnerischen Königs, auszurichten

        • Der Schachcomputer ist insofern ein interessantes Beispiel, weil er eben die meisten Züge, die er theoretisch machen könnte, als schlecht berechnet und nur eine bestimmte Variante übrig bleibt.

          Meist bleiben ein paar wenige mit ähnlichem Wert, wie beim Menschen. Der Schachcomputer setzt dann den Zufallsgenerator an, beim Menschen sind es irgendwelche aufblitzenden Aktionspotentiale, die wir ebenso wenig jemals voraussagen können.

          Dabei ist es ihm sogar möglich, recht einfach vorzugehen, weil er nur einen weiteren Mitspieler hat und nicht beliebig viele, deren Reaktion er einkalkulieren muss. Punkte wie Vertrauensaufbau und Kooperation oder unvorhersehbare Gefahren und Zufallsereignisse spielen keine Rolle.

          Er muss trotzdem unendlich mehr Berechnungen durchführen.

          Was ihm wesentlich mehr Möglichkeiten lässt ohne negative Folgen seine Züge nach einem Ziel, dem schlagen des gegnerischen Königs, auszurichten

          Schon die zweitbeste von (auf 3 Züge gesehen) Millionen Zufgolgen kann seinen Tod bedeuten.
          Das eine Ziel, nämlich das Fällen des gegnerischen Königs/der Königin behauptest du ja quasi auch für den Menschen 🙂

          • @david

            „Er muss trotzdem unendlich mehr Berechnungen durchführen.“

            Ja, weil das Spiel insgesamt berechenbarer ist. Menschliche Interaktionen lassen sich so nicht jedesmal bestimmen. Wir können nicht alle Spielzüge durchrechnen, es bringt häufig mehr sich an bestimmten Ergebnissen spieltheoretischer Betrachtungen zu orientieren, etwa tit for tat, Outgroup Ingroup betrachtungen etc. Es lohnen sich gerade weil man es nicht durchrechnen kann abstrakte Regeln, die einem eine gewisse Sicherheit geben. Wenn man nicht einfach nur den König schlagen muss, sondern mit Menschen interagieren muss, dann lohnen sich eben Zeichen und Signalling wesentlich mehr, dann muss man bedenken, dass die anderen die Interaktionen beobachten und man einen Ruf zu verlieren hat, dann muss man erwägen, dass Bauern nicht begeistert sind, wenn man sie opfert etc.

            „Das eine Ziel, nämlich das Fällen des gegnerischen Königs/der Königin behauptest du ja quasi auch für den Menschen“

            Wenn du damit Fortpflanzung meinst, dann ist dies ein wesentlich vageres Ziel. Man muss zudem nicht DIE Frau erobern, nur eine Frau, nach Möglichkeit aber die Beste, die man mit seinen Fähigkeiten erreichen kann. und parallel vielleicht noch ein paar schlechtere, wenn es keine Ressourcen kostet. Für Frauen gibt es ähnliche Regeln, sie sind aus meiner Sicht in der Sexual Strategies Theorey am besten dargelegt
            https://allesevolution.wordpress.com/2011/01/12/sexual-strategies-theory-sst/

        • “So wie ein Schachcomputer bei ein und derselben Stellung mal diesen und mal jeden Zug ausführt, so kann auch der Mensch in ein und derselben Situation unterschiedliche Entscheidungen treffen, deren Möglichkeitsraum dank Selbstreflexion riesig groß ist.

          Das Beispiel Schachcomputer ist schlecht gewählt. Es ist richtig, dass er in ein- und derselben Stellung sich für verschiedene Züge „entscheiden“ kann. „Gleiche Stellung“ ist aber in diesem Beispiel nicht gleichbedeutend mit gleicher Ausgangslage. Sind sämtliche Anfangswerte (auch die des „Pseudozufallsgenerators“) exakt gleich, so wird er immer die gleiche Bewertung und damit den gleichen Zug tätigen.

        • Sind sämtliche Anfangswerte (auch die des “Pseudozufallsgenerators”) exakt gleich, so wird er immer die gleiche Bewertung und damit den gleichen Zug tätigen.

          Genau. So wie der Schachcomputer ein Pseudozufallsgenerator ist, so is auch unser freier Wille pseudofrei.
          Wir kennen aber die Ausgangswerte sowieso nie genau, daher kann ich meine Annahme eines freien Willens so wie die eines Schachcomputer-Zufallsgenerators aufrecht erhalten.

          Dass der freie Wille eine Illusion ist, stört nicht weiter.

          Aus der „geplatzten Illusion“ des freien Willens irgendwelche Implikationen wie „das Ende der Moral“ abzuleiten, ist Irrsinn.

          • @david

            „Aus der “geplatzten Illusion” des freien Willens irgendwelche Implikationen wie “das Ende der Moral” abzuleiten, ist Irrsinn.“

            Ja, schon weil Moral selbst eine gewisse Stellgröße ist, eben der Wunsch als fairer Spieler wahrgenommen zu werden, der nicht gegen die Gruppe arbeitet.

        • @Christian: offensichtlich weißt du nicht, wie ein Schachcomputer arbeitet.

          Was du schreibst, trifft viel eher auf diesen zu als auf den Menschen. Der Computer kann selbst nur einen Bruchteil des Problemraus berechnen und muss sich auf abstrakte Regelsysteme verlassen.
          Während dieses von dir beschriebene Vorgehen für die, tatsächlich noch komplexere, menschliche Interaktion hauptsächlich für Autisten sinnvoll ist. Der überwiegende Anteil der Kommunikation spielt sich auf einer vorbewussten emotionalen Ebene ab, während Kognitionen, Handlungen und sprachliche Äußerungen nur für das Feintuning wichtig sind.

        • Genau. So wie der Schachcomputer ein Pseudozufallsgenerator ist, so is auch unser freier Wille pseudofrei.
          Wir kennen aber die Ausgangswerte sowieso nie genau, daher kann ich meine Annahme eines freien Willens so wie die eines Schachcomputer-Zufallsgenerators aufrecht erhalten.

          @ David

          Ich glaube, Du machst es Dir etwas zu einfach. Ich hab ja weiter oben die Frage gestellt, was ein freier Wille denn sei. Von einem freien Willen würde ich dann sprechen, wenn ich mich bei genau gleicher Ausgangslage unterschiedlich entscheiden könnte. Das ist aber eine Situation, die nie gegeben ist. Somit ist „der freie Wille“ etwas, dass sich nie in der Realität manifestieren kann, also prinzipiell irreal. Über den freien Willen und seine Eigenschaften zu diskutieren ist die Diskussion über die Eigenschaften des „Nichts“.

        • Von einem freien Willen würde ich dann sprechen, wenn ich mich bei genau gleicher Ausgangslage unterschiedlich entscheiden könnte. Das ist aber eine Situation, die nie gegeben ist.

          Habe ich doch auch so geschrieben. Es sind aber Situationen denkbar, die nach allen dem Menschen jemals möglichen Maßstäben und Beschreibungen absolut identisch sind, und dennoch (physikalisch) unterschiedlich. Somit kann unterschiedlich entschieden werden, ohne dass ein Unterschied der Bedingungen jemals explizierbar oder feststellbar wäre (analog: wir kennen den Startwert des Pseudozufallsgenerators nicht).

          Formal gibt es den freien Willen nicht, er ist nicht mit dem Determinismus kompatibel. Da wir aber nie in die Verlegenheit kommen werden, eine Handlung deterministisch bestimmen zu können -weder subjektiv noch objektiv- können wir von einem de Facto freien Willen ausgehen (welcher natürlich niemals in Unabhängigkeit emotionaler Dispositionen besteht).

          Der freie Wille bezeichnet einen Erlebnisgehalt, vielleicht sogar eine Qualia?

          Wenn ich dir sage, du sollest mir eine Zahl zwischen 1 und 10 nennen, erlebst du einen freien Willen.
          Das einzige was dir den madig reden kann (und formal widerlegen), ist das Gedankenexperiment des Determinismus. Aber keine neurowissenschaftliche Erkenntnis.

    • @ el mocho

      Leuchtet mir nicht ein. Ich halte z.B. seinen Freiheit konstituierenden Rationalitätsbegriff in Abgrenzung zu unfreien, emotional gesteuerten Entscheidungen für nicht nachvollziehbar.

      Es gibt kein rationales Wollen in Abgrenzung zum emotionalen Wollen. Unsere Ratio ist bewusstes Resultat einer nur scheinbar komplett bewussten Verarbeitung verschiedenster Motivvektoren, die kulturell durchaus wechseln können.

      Es gibt keine „unabhängige“ Ratio. Das, was wir als „Vernunft“ bezeichnen, ist das Produkt eines (meist selektiven) Bewußtmachens in Kombination mit einem systematischen Abgleich der eigenen Motive (leider nur derer, die unserem Bewußtsein zugänglich sind) mit einem inneren und äußeren Wertesystem.

      Ein Bewußtsein der Entscheidungsfindung schließt keineswegs aus, dass wir uns der tatsächlichen Motivlage eben nicht bewußt sind. Uns kann nicht bewusst sein, was unbewusst ist.

      Wir haben wohl theoretisch Handlungsfreiheit, aber weder theoretisch noch praktisch eine Willensfreiheit.

      • Volle Zustimmung.

        Nur sehe ich den Bezug zu Dennett nicht. Macht er Aussagen zu Ratio und Emotion? Er argumentiert ausschließlich philosophisch.

        • Ja, wenn ich das isoliert lese stößt es mir auch auf. Ich halte es da mit dir, dass es kein rationales Wollen in Abgrenzung zum emotionalen Wollen gibt. Eine empfundene Diskrepanz dieser beiden ist in Wahrheit immer ein Konflikt verschiedener Grundbedürfnisse, die sich wiederum aus beiden konstituieren.

          Es geht aber noch weiter bei Dennett:

          Genauer: Genug Rationalität, und eine hinreichend ausgeprägte Fähigkeit zu Selbstkontrolle und Selbstreflexion. Wer diese beiden Bedingungen erfüllt, kann nach Dennett als Besitzer eines „freien Willens“ angesehen werden. Doch was heißt „genug“ und „hinreichend“ in diesem Zusammenhang? Wie rational beispielsweise muss ich sein, um einen freien Willen besitzen zu können? (Warum – so könnte der „Absolutist“ fragen – ist nicht erst vollkommene Rationalität „genug“ Rationalität?)

          An dieser Stelle kommt Dennetts Pragmatismus ins Spiel. Ein Akteur hat genau dann „genug“ Rationalität, Selbstkontrolle etc. für Willensfreiheit, wenn es „sich auszahlt“, ihm gegenüber die personale Einstellung einzunehmen, d.h. wenn es „vorteilhaft“ ist, ihn als Person zu behandeln – als jemanden, der einen freien Willen hat und der für seine Handlungen moralisch verantwortlich ist.

          Das heißt, in dem Moment in dem wir z.B. hier in ein Forum schreiben und diskutieren, setzen wir sowas wie einen freien Willen nach Dennett voraus. Es sei denn natürlich, dies wird einzig und allein als emotionales Ventil empfunden 😉

      • @ david

        „Er argumentiert ausschließlich philosophisch.“

        Deshalb ist es für ihn nicht möglich
        Erkenntnisse zu generieren, die über
        das was die Philosophen des Altertums
        schon hervorgebracht haben, hinausgeht.

        • Hm, dazu bin ich der falsche Ansprechpartner. Ich bin kein Philosoph sondern Empiriker.
          Es gilt dann aber auch für die Proklamation des nicht existierenden freien Willens. Auch dessen Erkenntnis ist axiomatisch hergeleitet, nicht empirisch (bzw. nicht ernstzunehmend).

          Deine „Erkenntnis“ speist sich ja auch nur aus der eigenen Gefühlswelt und Pickup-Blogs.

        • @ david

          Das was man heute aus Game/PU wissen kann
          und Shrinks machen hat beides etwa gleich
          viel mit Empirie zu tun.
          Obschon man viele Hintergründe noch nicht
          im Detail versteht, wendet man gewisse
          Methoden an, und beobachtet zu was für
          Resultaten man kommt.
          Gewisse Phänomene werden ja zunehmend
          auch von universitärer Forschung
          entschlüsselt. Viele Resutate sind ja auch
          erfrischend Un-PC.

        • Sorry, Dennett is nun wirklich DER naturalistische Philosoph unserer Zeit, der voll auf dem Boden der Naturwissenschaften steht. Empfehle wirklich, mal eines seiner Bücher zu lesen, die sich durch große Klarheit und völligen Mangel an Philosophen-Jargon auszeichnen.

        • @ david

          „Es gilt dann aber auch für die Proklamation des nicht existierenden freien Willens. Auch dessen Erkenntnis ist axiomatisch hergeleitet, nicht empirisch (bzw. nicht ernstzunehmend).“

          Es gibt angefangen von Alltagsphänomen bis hin zu großen psychologischen Studien eine Plethora von Evidenz dafür, dass es einen „freien Willen“ nicht gibt.

        • @ el mocho

          Er propagiert aber die Unterscheidung einer rein rationalen (= freien) Willensbildung von einer „emotional kontaminierten“ (nicht freien) Willensbildung. Diese Unterscheidung wird aber dem, was wir über unser Oberstübchen wissen, nicht gerecht. Es gibt keine rein rationale Entscheidungsbildung…jedenfalls nicht im richtigen Leben.

        • @ratloser: die würden mich mal interessieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass du ja nicht auf den Taschenspielertrick der „emotionalen Kontamination“ zurückgreifst.

          Volition hat per se einem emotionalen Gehalt, sonst ginge ihr ja jede Annäherungstendenz abhanden. Dass die Setzungen des emotionalen Bedürfnisgefüges die Freiheit der Willensbildung ausschließen würden, wird ja wohl kaum dein Argument sein.

          Oder ist Das Unbewusste™ bei dir die „externe“ Determinante, die dem freien Willen den Garaus macht?

          Es gibt ja auch Leute die (mit einigem Recht) sagen, die Psychologie definiere den freien Willen qua Prämissensetzung hinweg.

  5. .@ El Mocho

    Dennetts Weltbild erscheint auch nur dann schlüssig-vernünftig, wenn ich dazu notwendige GLAUBENSENTSCHEiDUNGEN (eine Wahl zwischen verschiedenen, zu glaubenden Posiitionen betreffend), in seinem Sinne ihm gleich nachvollziehe, d.h., indem ich ihm als Propheten folge, seine acta fidei nachvollziehe.

    Das wird dann philosophiekompatibel wortreich umschwurbelt, um den Prozess der Glaubensentscheidung vernunftgeleitet erscheinen zu lassen, weil ein Glaubensakt dem Vernunftstolzen so unwürdig-demütigend erscheint, dass er erheblichen Aufwand zu treiben versucht ist, sich genau darüber hinwegzutäuschen.

    Über geforderte Glaubenakte kommt Philosophie nicht hinaus, sie schwurbelt sich über diese simple Wahrheit nur hinweg.

    Das macht sie mir so unleidlich.

    Selbstbetrug höherer Art.

    • Sorry, verstehe ich ganz anders. Es zunächst mal nicht einzusehen, wie es in einem determinierten Universum sowas wie Freien Willen geben könnte. Gleichwohl fühlt sich jeder frei in seinen Entscheidungen, da ergibt sich für mich schon die Frage, warum das so ist, und welchen Sinn es hat?

      Diese Frage versucht Dennett zu beantworten, nach bestem Können und auf der Basis naturwissenschaftlicher Ergebnisse. Mehr erwarte ich nicht. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe von Philosophie: Die Ergebnisse der Naturwissenschaften zu interpretieren, zu systematisieren und ihre Konsequenzen zu durchdenken.

      Übrigens leistet er das (für mein Empfinden) auch recht gut für die Religion, das entsprechende Buch kann ich nur wärmstens empfehlen: http://en.wikipedia.org/wiki/Breaking_the_Spell:_Religion_as_a_Natural_Phenomenon

      Er behauptet nämlich nicht einfach, Religion sei nur Betrug und Erfindung machtgieriger Priester, sondern er fragt sich, warum sie ein so generelles Phänomen unter Menschen ist, wie sie in der Evolution entstehen konnte, und warum sie für viele Menschen so wichtig ist.
      Sprich: Er nimmt Religion ernst.

      • @ el mocho

        Den „freien Willen“ als eine evolutionär positive Illusion zu erkennen ist aber etwas grundsätzlich anderes, als die Existenz eines freien Willens als evolutionär positiv zu erkennen?!

      • Sorry, verstehe ich ganz anders. Es zunächst mal nicht einzusehen, wie es in einem determinierten Universum sowas wie Freien Willen geben könnte. Gleichwohl fühlt sich jeder frei in seinen Entscheidungen, da ergibt sich für mich schon die Frage, warum das so ist, und welchen Sinn es hat?

        Die Quantenphysik ist nicht deterministisch. Es scheint in der Natur tatsächlich echten Zufall zu geben. Das macht mir allerdings aus philosophischer Sicht einige Bauchschmerzen, genau so wie die Quantelung, d.h es gibt „Sprünge“ in der Natur, d.h keine stetigen Übergänge. Finde ich ziemlich paradox. Es fällt mir schwer, das zu glauben, weil schon die Griechen vor über 2000 Jahren i.m.h.o überzeugende Argumente anführten, warum es in der Natur keine „Sprünge“ geben kann. Ich muss das mal bei Gelegenheit raussuchen.

    • Das wird dann philosophiekompatibel wortreich umschwurbelt, um den Prozess der Glaubensentscheidung vernunftgeleitet erscheinen zu lassen, weil ein Glaubensakt dem Vernunftstolzen so unwürdig-demütigend erscheint, dass er erheblichen Aufwand zu treiben versucht ist, sich genau darüber hinwegzutäuschen.

      @ Roslin

      Das mag für einige Zeitgenossen zutreffen. Die kritischeren Geister aber wissen sehr wohl, dass sie einige grundlegenden Annahmen treffen, die sie für wahr halten, ohne dass diese logisch abgeleitet sind. In der Mathematik werden diese „Glaubensgrundsätze“ bekanntlich Axiome genannt.
      Was Du aber hier uns wieder einmal unterjubeln willst, ist, dass diese Annahmen deshalb beliebig seien und Deine Annahme der Existenz eines Gottes gleichberechtigt neben den erwähnten „Glaubensgrundsätzen“ der Mathematik u.a stehen dürfen. Das ist falsch – siehe auch „Spaghettimonster“.

  6. Dass es keinen freien Willen gibt und dieser Wille und sein Entstehen auf irgendeine Weise den Naturgesetzen selbst unterliegt, ist relativ einfach zu akzeptieren.
    Allerdings ist das, was die meisten Leute daraus folgern oder meinen „vereinfachen“ zu können meistens ziemlich hanebüchen (Libet etc.).
    Oder um es mit einem Zitat zu veranschaulichen: Wenn das menschliche Gehirn so einfach wäre, dass wir es verstehen können, wären wir so dumm, dass wir es schon wieder nicht könnten.
    Der Wille hat seine Grundlage in den natürlichen Gegebenheiten und interagiert mit der natürlichen Umgebung. Wie das genau funktioniert, wird man nicht klären können. Das unterliegt ebenfalls den Grenzen der Physik. Es wird nie einen Simulator geben, der selbst die Wechselwirkung der Elementarteilchen einfachster Systeme genau abbildet. Einfach weil dazu mehr Elementarteilchen und Energie nötig sind, als das bekannte Universum zur Verfügung hat.
    Auch Modelle und Theorien haben ihre Grenzen. Das beste Modell der Welt ist die Welt selber.
    Turing und Chomsky haben das für formale Systeme im Allgemeinen sehr gut gezeigt.

    Eine historische Übersicht zu verschiedenen Ansätzen:

    (nicht ganz so schön wie Vollmers Tabelle aus Spektrum der Wissenschaft, aber so la la)

  7. Pingback: Ist unser Gehirn eine Form von Computer? | Alles Evolution

  8. Pingback: Ein positiver feministischer Blick auf Pickup | Alles Evolution

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