Anfänge der Männerbewegung

Gestern gab es in den Kommentaren zum „Selbermach Samstag“ eine interessante Debatte zu den Anfängen der Männerbewegung auch gerade in Abgrenzung zum Feminismus, die ich interessant fand und die ich gerne in einem eigenen Artikel fortgeführt sehen wollte:

Nick schrieb;

Der Andreas (unser lieber Häuptling Schwarze Feder) schreibt dazu in der Wikipedia:

Die Männerbewegung in Westdeutschland entstand Mitte der 1970er Jahre in der studentischen Sponti-Szene. In den USA und Großbritannien bestand sie schon wenige Jahre vorher. Die ersten Männergruppen entstanden dadurch, dass Feministinnen von ihren Freunden und Mitbewohnern in den Wohngemeinschaften verlangten, ihre sexistischen Strukturen gemeinsam mit anderen Männern zum Thema zu machen. So erzählte ein Mann aus den ersten drei Berliner Männergruppen beim ersten bundesweiten Treffen (Februar 1975) der Männergruppen in Deutschland:

“Anfang dieses Jahres haben wir uns getroffen, aber das ging weniger von uns Männern aus als von den Frauen, zu denen wir eine Beziehung haben oder hatten. Die Frauen kamen auf die Idee, dass es gut wäre, eine Männergruppe zu machen – Gelächter – und die haben das dann terminlich und so weiter organisiert.” (Wolfgang Müller u.a.: Männerbilder, 1982)

..

Da ist meines Wissens die “kritische Männerforschung” draus hervorgegangen, ebenso wie solche Vereine wie “Dissens eV”

Wobei die Men’s Lib in den USA der 1970er durchaus teilweise recht aufsässig war, sie beklagte Benachteiligungen aufgrund der Männerrolle. Was eine ziemliche Feindschaft seitens der Antisexistischen Anti-Porn – Fraktion einbrachte. Men’s Lib ging mitte der 1970er gemeinsam mit dem liberalen Feminismus unter.

Die Anti-porn/-sexisten holten sich feministische Aufpasserinnen in ihre Gruppe, um der Gefahr der Männerbündelei vorzubeugen (Hat der Andi aus der Wikipedia entfernt).

– Hi, Walt. Listen, we’d better change the agenda for tomorrows men’s group meeting to “how we oppress”.

– Why, Dave, I was looking forward to “how we are oppressed”

– Yeah, me to, but the feminists are sending in their rep to observe us

(Nein, das war nicht sarkastisch gemeint)

http://users.netaccess.co.nz/winston/_private/Sally%20Ruth%20on%20Mens%20Liberation%20Jul%2086.pdf S.5

Sie sahen ihre primäre Aufgabe darin, Feminismus und die Schwulenbewegung zu unterstützen.

In den 1980er gelang es ihnen, sich institutionell zu etablieren (Connell, Kimmel, etc)

Step II nahm darauf Bezug:

“Es gab mal vor so ca 25, 30 Jahren Anfänge einer Männerbewegung, die sich aus dem Mannsein ihrer Mitglieder definiert hat.”

Das fällt eher in die 70 ger Jahre, dem Jahrzehnt der neuen sozialen Bewegungen, in denen viele linksintellektuelle Männer patriarchatskritisch und profeministisch auf dem Weg zu sich selbst damit begannen, sich selbst für die 5000 jährige Geschichte der Frauenunterdrückung masochistisch zu geißeln, in der Hoffnung auf Erlösung vor dem nur weiblich besetzen jüngsten Gericht. Es ging eben um das Erkennen der eigenen Anteile, die zur Aufrechterhaltung der frauenunterdrückenden Gesellschaftsstruktur/Geschlechterstruktur beitrugen, in diesem Sinn mußte natürlich ein ständiges mea maxima culpa ausgestoßen werden, sozusagen als karthatischer Akt der Befreiung von jahrhundertelang aufgestauter Männlichkeit.
In Phasen zutiefst empfundener Kontamination half dann nur noch … der Joint

Und dann in einem weiteren Kommentar:

M.E. war die feministische Indoktrination gerade im linksintellektuellen/alternativen Umfeld relativ stark.

Hier bestand ja auch ein starker Konflikt mit der Vätergeneration, deren Männlichkeit als stark NS-sozialisiert empfunden wurde, auch als weniger offen gegenüber den neuen sozialen Bewegungen als z.B.die Müttergeneration.

Augenscheinlich war ja auch die Idealisierung

eines androgynen Typs von Mann (lange Haare nicht nur als Protestform, sondern eben auch als ästhetischer Gegensatz zum Mann als Krieger wie z.B. auf HJ-Bildern)

Richtig ist bestimmt, dass wenig Männer explizit in diesen sog. Männergruppen gesessen haben, die Infragestellung des Männlichen war jedoch ganz typisch, wurde jedoch zu diesem Zeitpunkt noch als stark avantgardistisch empfunden.

Insofern ist die Wertung ,man habe sich für dumm verkaufen lassen, eine auch durch die maskulistische Bewegung mitinitierte

kritischere Sichtweise des Jahres 2013 auf den Feminismus, die aus der Perspektive der 70ger Jahre als zumindestens reaktionär empfunden worden wäre.

Man.in.the.Middle ergänzte:

Die Auseinandersetzung mit dem Faschismus und der Bruch mit den “kulturellen Werten” der Elterngeneration (nicht nur der Vätergeneration), ferner der KuK-Herrlichkeit und nicht zuletzt der Kirchen, war sicher eine große emanzipatorische Leistung. In der Friedensbewegung wurde argumentiert, die uralte Feindschaft zwischen Deutschland und manchen seiner Nachbarvölker sei Vergangenheit, unter die ein Schlußstrich gezogen worden ist. Rassismus war verpönt.

Wenn man sich derart gründlich von der Vergangenheit emanzipiert hat, dann ist es schon kurios, sich unkritisch eine diffuse Schuld wegen Generationen zurückliegender Taten von Geschlechtsgenossen einreden zu lassen.

Außerdem hat es nur eine Minderheit mitgemacht, die große Mehrheit also nicht. Die waren jedenfalls schlauer.

“”Wertung ,man habe sich für dumm verkaufen lassen, eine auch durch die maskulistische Bewegung mitinitierte kritischere Sichtweise des Jahres 2013 …”

Mit Sicherheit, also hat der Maskulismus ja doch nachweisliche Fortschritte gebracht und die Emanzipation vorangebracht 😉

Nick ergänzte:

Außerdem hat es nur eine Minderheit mitgemacht, die große Mehrheit also nicht. Die waren jedenfalls schlauer.

Gute Frage, wieviele Männer mitgemacht haben. Da stellt sich die Frage, was “mitmachen” heißt. Ich denke, die Mehrheit wird so einiges ziemlich absurd gefunden haben, aber lieber nicht die Klappe aufgemacht haben. Wer hat schon Bock, in den Fokus von hysterisch kreischenden Frauenpauerhorden zu geraten? Außerdem langte der Arm der Frauenpauer – in Linksalternativen Kreisen – bis ins Ehebett, das Private und damit: Das Intime(!) war politisch und es war für das Image als PauerFrau unverzichtbar, bei einer Frauengruppe (=conciousness raising group) mitzumachen.

Tatsächlich aktive “Männerbewegte” gab es wohl nicht so viele, aber die haben sich eben institutionalisiert. Man trifft sie heute im Bundesforum Männer und bei Dissens e.V. – im angloamerikanischen Raum wären Connell, Kimmel usw. zu nennen.

Weil das Geschlechterthema vorher praktisch nicht existierte haben sie es auf männlicher Seite ebenso besetzt wie die kaputtesten Radikalfeministinnen auf weiblicher Seite. Andere Stimmen gab es nicht, sie wurden als “Frauenfeindlich” weggebissen.

Die große Mehrheit schwieg und schweigt bis heute, allerdings gab es und gibt es eine gewisse Affinität zum Gynozentrismus und zum Dämon Mann. Man nimmt die Dimension des Weltbildes der Aktiven nicht wahr, aber adaptiert viele ihrer Interpretations- bzw. Deutungsmuster, ohne weiter darüber nachzudenken. “Das ist doch progressiv!”

Und weil das Spielchen nun schon Jahrzehnte geht, haben sich die Interpretationsmuster als Selbstverständlichkeiten tief eingegraben. Das ist ein großer Teil des Problemes.

Man muss solchen Frauen wie Antje Schrupp eigentlich in höchstem Maße dankbar sein. Die unbekümmerte Selbstverstverständlichkeit, mit der sie solche haarsträubenden Absurditäten raushauen macht das Fundament sichtbar, auf dem viele der unhinterfragten Selbstverständlichkeiten stehen.

In ihren behäbigen und abgeschotteten, auf die Rente zusteuernden Frankfurter Kreisen der “Progressiven” fällt sowas nicht weiter auf, und damit fehlt jegliches Feedback für die fatale politische Wirkung.

Bei den Jüngeren wie Wizorek und Horst ist das weniger der Fall, da hat man schon mehr Mühe, die Kaputtheit der Geisteshaltung herauszustellen.

und Virtual-CD steuert das Folgende bei:

Das ist imho eine ganz gute Beschreibung. So habe ich das auch erlebt. Rückblickend erscheint es mir so:

Es gab eine starke assoziative Koppelung von “traditioneller Männlichkeit” und NS-Idealen. Und: Zu beidem lernten wir als junge Menschen in der politischen Linken Schuld und Scham zu empfinden. Wir empfanden, dass wir irgendwie qua Herkunft, qua Geburt in dieser Linie und Tradion stehen – und das wir uns davon abgrenzen müssten.

Wenn man im Ausland war, insbesondere in den Ländern, die von der Wehrmacht besetzt waren oder sonstwie unter dem Wüten des deutschen Faschismus zu leiden hatten, bemühten wir uns, möglichst nicht als deutsch erkennbar zu sein. Oder wenn sich das nicht vermeiden ließ, bemühten wir uns, sehr zurückhaltend (man könnte sagen leisetreterisch) aufzutreten. Um keine Assoziationen zu wecken.

Jedenfalls: Für uns als junge Männer in dieser Zeit waren zwei Dinge grundsätzlich problematisch und mussten ständig “hinterfragt” werden: Unsere Nationalität / Staatsangehörigkeit und unsere Geschlechtszugehörigkeit. Und beidem gegenüber hatten wir ein schlechtes Gewissen, das Gefühl, in einer Linie aus Schuld zu stehen. Und natürlich wolten wir es irgendwie “besser” machen als unsere Eltern, besonders unsere Väter.

So war der “Zeitgeist” damals.

Und jetzt ist natürlich die Frage: Was macht das mit der Psyche, was macht das mit der Seele. Wenn man sich von der männlichen Energie abschneidet. Von 50% seiner eigenen (genetischen und kulturellen) Herkunft abschneidet. Wie viel Kraft kann da noch darin stecken?

Abgesehen davon, dass es in sich natürlich auch schon eine Anmaßung und Überhebung war, die Eltern (nein: eigentlich nur die Väter!) beurteilen und verurteilen zu wollen. Da haben wir als Kinder uns ja über sie gestellt, moralisch zumindest.

Und solche Anmaßungen – das weiß ich heute – ziehen immer massive Folgeschäden in der eigenen Psyche nach sich. Weil: Wenn ich meinen Vater ablehne, lehne ich 50% von mir ab. Es ist eigentlich eine Selbstablehnung, die ich da betreibe. Das hat eine schädliche Wirkung in der Seele und in der Persönlichkeit.

(…)

Ich bin rückblicken auch immer ein wenig erschrocken, wie viel Duckmäusertum wir damals an den Tag gelegt haben. Wie wenig wir uns trauten, widerspruch anzumelden. Offen, meine ich.
Dieser Teil in uns kam nur ganz verschämt zum Ausdruck. Ich erinnere mich an etliche Szenen, wo man das abends beim Bier in einer Studentenkneipe ein wenig motzte über manchen Schwachsinn – aber nur, wenn keine Frau dabei war. Und nur mit leiser Stimme, und nicht ohne sich vorher umgesehen zu haben, ob nicht eine Kommilitonin in der Nähe stände, die das vielleicht hören könnte.

Weil das wäre das Schlimmste gewesen: Als Frauenfeind zu gelten. Weinn eine lila Latzhosenträgerin das aufschnappt. Dann bist du nicht nur sozial an der Uni unten durch und wirst von allen gemieden, du bekommst auch richtig Stress in deiner Beziehung.
Das war schon ein ziemliches Angslevel, was seinerzeit so üblich war. Für Männer natürlich nur, latürnich. Gruselig.

Seitenblick ergänzt:

Interessante Diskussion.

Bin mir nur nicht so ganz sicher, ob es hinhaut, die damaligen Männergruppen als ausschließlich fraueninitiiert/frauenfixiert zu betrachten.

Gab es da nicht auch eine kleine Strömung, die schon in den 80ern Wert darauf legte, dass Jungen ihre eigene akzeptierte Körperlichkeit iSv mit ihrem Bewegungsdrang, Raufen etc brauchen? Und die die – sicherlich dominierende! – pauschale Dämonisierung der Aggression nicht mitmachten, sondern ihren wichtigen, positiven Anteil betonten?

Ich muss mal schauen, ob ich dazu noch was finde.

@virtual-cd

“Für uns als junge Männer in dieser Zeit waren zwei Dinge grundsätzlich problematisch und mussten ständig “hinterfragt” werden: Unsere Nationalität / Staatsangehörigkeit und unsere Geschlechtszugehörigkeit.”

Ich erinnere mich auch an diesen Zeitgeist. Hatte wohl glücklicherweise etwas andere Gesprächspartner: Es gab im inner circle aus genug aktuellen Anlässen die Auseinandersetzung mit den Vätern.

Aber eines hatten wir dann doch bald kapiert: Dass da zwei Seiten quaken, wie Männer doch zu sein hätten – eine gewisse Männer- und eine gewisse Frauenfraktion. Und dass das, was die uns da hinstellten, eine Wahl zwischen Pest und Cholera ist. Ein autoritätes Arschloch oder ein domestiziertes weichgespültes Irgendwas zu sein, fanden wir beides nicht so anturnend.

Beide Seiten standen unter dem Verdacht, diesen Begriff manipulierend zu verwenden, um ihre eigenen Vorteile daraus zu ziehen.

Und oft genug stellte sich das als richtig heraus.