Machtmittel im Diskurs: Derailing durch Differenzierung (DdD)

Lucas Schoppe hat in einem Artikel auf einen interessanten Vorwurf aufmerksam gemacht, der in der Geschlechterdebatte häufiger auftaucht:

so war es auch kein Zufall, dass eine der effektivsten Gruppenempörungen der neueren Zeit, die Aufschrei-Kampagne, dort ihre Heimstatt hatte. Die Knappheit der 140 Zeichen verhindert jedes Hin- und Herreden, arbeitet klar das Wesentliche heraus und räumt damit eines der größten Hindernisse aus dem Weg, dem die aufrechte Erhebung des reinen inneren Menschen begegnen kann: dem Derailing durch Differenzierung (DdD).

Ob nun ein Spruch über die Brüste einer Frau, ein patriarchal-paternalistisches Türaufhalten, eine Vergewaltigung oder ein Mann, der mehr öffentlichen Raum einnimmt, als ihm von Rechts wegen zusteht: Die Knappheit der Empörung arbeitet die gemeinsame Struktur dieser Phänomene mühelos heraus und hält sich nicht mit irritierenden Unterscheidungen auf.

Derailing durch Differenzierung tritt dann ein, wenn man darauf hinweist, dass es eben nicht unbedingt so klar ist mit der einfachen Struktur, wenn man auf Unterschiede hinweist und wenn man zu starke Verallgemeinerungen als solche benennt.

Das kommt natürlich auf beiden Seiten vor. Wer Aussagen wie die, dass alle Feministen Männerhasserinnen sind oder alle Frauen Männer ausbeuten wollen gerne verwendet, wird eine Differenzierung auch häufig als Derrailing empfinden, ebenso wie eine radikale Feministin den Hinweis darauf, dass man bei dem Gender Pay Gap von 23% schon etwas drauf schauen muss, was die jeweilige Frau genau macht, wie viel sie arbeitet und ob sie überhaupt Karriere will oder wenn man darauf verweist, dass „Männer sind privilegiert, Frauen nicht“.

Sprich: Differenzierung ist etwas, was man in vielen Punkten beachten muss. Wer zu wenig differenziert, wird sich die Welt meist zu einfach machen.

Man sollte sich insofern den vorschnellen Verweis darauf, dass durch die Differenzierung nur Derailing betrieben wird gründlich überlegen.

Sonst verwendet man es als reines Machtmittel im Diskurs.