Bei Schoppe gab es anlässlich seines sehr guten Artikels über eine Rede von Nicole von Horst eine kurze Diskussion über das Konzept des „Raum einnehmens“ im Feminismus:
Schoppe schreibt:
ung aus der poststrukturalistischen Theorie problematisch ist: Es geht bei Derrida und anderen um Texte und ihre Auslegung (wenn auch der Textbegriff extrem weit ist), und er ist nach meiner Erinnerung – ich hab lang nichts mehr von Derrida gelesen – stark konzentrioert auf das Verhältnis von Zentrum und Rand, und auch von der Möglichkeit, Texte nicht über das vermeintlich Zentrale, sondern über das Marginale zu auszulegen.
Schon bei Derrida sind diese Strukturen natürlich mit dem Thema „Macht“ verbunden, aber es ist doch etwas anderes, sie schnurstracks auf Menschen zu beziehen, und dann auch noch auf Gruppen, die dann auch noch stur zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden (wobei diejenigen, die dazwischen stehen, eher den Frauen zugerechnet werden, weil sie anders als die Männer keinen zentralen Raum einnehmen).
Es geht dabei dann nicht mehr um Verstehen als Spiel, um Interpretieren und Um-Interpretieren – sondern um Ressentiments. Denn die nach meinem Eindruck obsessive Konzentration auf das männliche „Raumeinnehmen“, die ein leicht breitbeinges Sitzen oder ein öffentliches (Hetero-)Küssen mit der Beanspruchung politischer und wirtschaftlicher Machtpositionen umstandslos parallel schaltet, ist deutlich moralisierend grundiert: Dort sind die, die sich viel mehr nehmen, als ihnen eigentlich zusteht – und hier sind die Bescheidenen, die dabei zu kurz kommen.
In der Tat tritt die eigentlich Ursache der unterschiedlichen Raumeinnahme vollkommen in den Hintergrund bzw. steht schon von vorneherein fest: Es muss anscheinend eine Machtfrage sein.
Gut erkennt man das auch daran, dass auch bei Heterosexualität und Homosexualität davon gesprochen wird, dass Heterosexualität zuviel Raum einnimmt, was gerade wenn man den biologischen Erklärungen folgt ja auch recht einfach zu erklären ist: Die allermeisten Menschen sind heterosexuell, weil Gene eben auf Fortflanzung hin selektiert sind und Sex zwischen Mann und Frau nun einmal mehr Gene in die nächste Generation bringt als Sex zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts. Weil aber Hetersexualität mehr Raum einnimmt, muss dieses Verhältnis an Diskriminierung liegen (nicht, dass es in diesem Bereich keine Diskriminierung gibt, aber sie erklärt sich eben nicht daraus, dass Heteroexualität mehr Raum einnimmt, es ist vielmehr aufgrund der hohen Zahl von Heterosexuellen schlicht zu erwarten, dass diese mehr Raum einnimmt).
Weil es anscheinend nicht auf eine tatsächliche Analyse ankommt bleibt letztendlich ein Mittel übrig, ein Gefühl der Ungerechtigkeit zu erzeugen – der eine nimmt Raum, der andere verliert ihn dadurch. Das in Verbindung damit, dass jeder Anspruch auf gleichen Raum haben könnte lässt ein sehr einfaches moralisieren zu.
Ich kann mir vorstellen, dass davon innerhalb des Feminismus durchaus eine gewisse Versuchung ausgeht. Bequemerweise sind auch hier die anderen, zB die Männer, die Verantwortlichen, indem sie eben zuviel Raum einnehmen. Diejenigen, die keinen Raum einnehmen sind hingegen Opfer. So fügt sich die Theorie über die Raumeinnahme gut in andere feministische Theorien ein. Sie gibt ebenfalls Gelegenheit, Schuldzuweisungen zu machen und Forderungen aufzustellen. Zu dem gibt es die Gelegenheit Kleinigkeiten wie zu breites Sitzen aufzublähen und in ein Unterdrückungssystem mit hoher Bedeutung einzubauen