Ein Artikel in der Süddeutschen behandelt Frauenfreundschaften und ihre Eigenarten:
. Mädchen sind eher auf wenige, dafür enge Kontakte mit Gleichaltrigen aus, Jungen fügen sich lieber in eine größere Gruppe ein. Dafür sind die Freunde eines kleinen Jungen häufiger untereinander befreundet, als es in vergleichbaren Mädchengruppen der Fall ist. Im Gegensatz zu Jungen neigten zehnjährige Mädchen in Experimenten der Psychologin Joyce Benenson vom Emmanuel College in Boston dazu, Aufgaben lieber zu zweit als in einer größeren Gruppe zu lösen. Sehen Mädchen die Exklusivität ihrer Freundschaft aber in Gefahr, werden sie schnell eifersüchtig, sagt Benenson.
Eifersucht, Exklusivität – bringt man beides nicht eher mit einer Partnerschaft zusammen als mit zwei befreundeten Mädels? „Es gibt große Überschneidungen zwischen einer Partnerschaft und einer engen Freundschaft in Bezug auf das, was sich Mädchen von diesen beiden Arten von Beziehungen erhoffen“, bestätigt Benenson: „Loyalität, Exklusivität, Intimität.“
Danach würden Frauen ihre Freundschaften also eher auf einen sehr direkten, exklusiven Kontakt aufbauen, während Männer sich breiter aufstellen, eher in Gruppen befreundet sind, dafür aber weniger eng. Dass passt ganz gut zu den Gruppenbildungstheorien bei den Männern nach Geary, dort ist man eben auf eine Zusammenarbeit angewiesen und befindet sich gleichzeitig in einer gewissen Konkurrenzsituation.
Interessant wäre es, warum bei Frauen der Trend zu einer höheren Exklusivität vorhanden sind – ich könnte mir vorstellen, dass eine festere Zusammenarbeit insoweit auch ein Schutz vor Ausnutzen ist und mehr Vertrauen generiert, was beispielsweise bei einer Kinderbetreuung besonders wichtig wäre. Insoweit könnte ein solcher Zusammenhalt eben auch die klassische Reziprozität verbessern:
„In sozialen Netzwerken ist es von großer Bedeutung, soziale Akzeptanz darzustellen und dadurch an Image zu gewinnen“, sagt die Medienwissenschaftlerin Ulla Autenrieth von der Uni Basel. Freundschaft wird so zum Wettbewerb, zu einer Inszenierung, deren Misslingen einer Katastrophe gleichkäme. Um Chancen auf einen Sieg zu haben, braucht es ein wohlwollendes Publikum, das jedes neue Profilfoto innerhalb von Minuten lobend kommentiert, das eigene Gästebuch mit langen Liebesbeteuerungen füllt und an der virtuellen Pinnwand in Erinnerungen an all die gemeinsam erlebten Zeiten schwelgt.
Eine mitunter tagesfüllende Beschäftigung, für die sich niemand besser eignet als die beste Freundin. „Bei ihr kann man sich darauf verlassen, dass sie mithilft, den eigenen Status zu verbessern“, sagt Autenrieth. Schließlich macht man es umgekehrt genauso – und auf diese Gegenseitigkeit kommt es an.
Was heute Facebook ist, dass wären früher dann eben Klatsch und Tratsch gewesen oder andere Aktionen, die den jeweiligen Status verbessern. Auch hier käme es eher auf Vertrauen an, denn Gerüchte sind schwer zu kontrollieren. Hier wären gegenseitige Geheimnisse dann gleichzeitig Costly Signals der eigenen Verbundenheit, weil sie eben auch benutzt werden können, den anderen zu verletzten.
Die beste Freundin wird zur Ersatzfamilie erklärt, ohne die das eigene Leben sinnlos wäre: „Ich liebe dich so sehr, dass das Wort Freundin gar nicht mehr reicht“ und „Ohne dich kein mich“ nennt Voigt als Beispiele. Garniert werden diese Sätze mit Herzzeichen (<3) und einer eigenwilligen Schreibweise, bei der Vokale wie i, e, a immer mehr in die Länge gezogen werden: „Hab dich gaaaanz doll liiiieeeeeb <33333“. „Online gibt es eine sehr starke Theatralisierung von Freundschaft“, sagt Autenrieth. „Weil man nichts über Gestik und Mimik ausdrücken kann, muss man alles über Sprache regeln. Das führt zu einer Spirale der Emotionalität.“
Kennt wohl jeder mit einer gewissen Anzahl weiblicher Freunde bei Facebook.
Auffällig häufig thematisieren sie in ihren Online-Postings die Angst vor dem Bruch mit der besten Freundin. Spricht daraus schon die Ahnung, dass die ersehnte Ewigkeit schnell enden könnte? Immerhin haben zahlreiche Studien ergeben, dass enge Freundschaften zwischen Mädchen kürzer halten als zwischen Jungen.
Wer keine anderen Freundinnen neben sich duldet, muss damit rechnen, selbst den Status der „best friend forever“ und damit die gesamte Freundschaft zu verlieren, sobald eine neue allerbeste Freundin auftaucht. Dabei setzt Mädchen der Gedanke an das Ende ihrer engsten Freundschaft weit mehr zu als Jungen. Andererseits erzählten sie der Psychologin Benenson in Interviews häufig, schon einmal etwas getan zu haben, was ihrer engen Freundschaft geschadet hat.
So zeigt sich die Kehrseite des Privilegs, eine allerbeste Freundin fürs Leben zu haben. Dieses Leben kann zur Hölle werden, wenn nicht mehr innigste Verbundenheit, sondern die sprichwörtliche Stutenbissigkeit das Verhältnis beherrscht. Wer erlebt hat, wie übel und unter welch lautem Geschrei sich weibliche Pferde gegenseitig zurichten können, der weiß: Da geht es um alles, mindestens aber um das Ansehen in der Gruppe. Ruhe kehrt erst ein, wenn die Geprügelte still in einer Ecke bleibt.
Was sehr intensiv geführt wird, kann eben auch schneller kaputt gehen, wenn einer der beiden das Gefühl hat, dass er mehr investiert oder der andere nicht genug zurückgibt. Und es wird auch deutlich, dass hier eine gewisse Konkurrenz herrscht, um die besten besten Freundinnen, um Exklusivität, darum der höherwertige Bezug für den anderen zu sein.
Zu den Ursachen noch einmal:
Warum ist deren Beziehung zur besten Freundin so fragil? „Mädchen machen sich mehr Gedanken über die Qualität ihrer engen Freundschaft und darüber, was die anderen über sie denken“, schreiben die amerikanischen Psychologinnen Amanda Rose und Karen Rudolph. Diese Gedanken münden in hohe Ansprüche an die beste Freundin. Sie soll – unter anderem – zuhören, Probleme verstehen und lösen helfen, ohne Abstriche loyal sein und praktische Lebenshilfe geben. Wird ein Mädchen den zahlreichen Erwartungen nicht gerecht, wird aus der allerbesten Freundin schnell die ärgste Feindin.
Hier werden Konflikte eben häufig auf einer sehr emotionalen Ebene ausgetragen, wo sie bei Männern vielleicht eher auf einer Sachebene ausgetragen werden. Wer etwas anders sieht, der ist nicht mehr ohne Abstriche loyal, der schränkt die Fähigkeit als beste Freundin ein.
Bei den Jungs soll es dann wie folgt aussehen:
Verglichen damit wirken enge Freundschaften unter männlichen Teenagern wie ein Kinderspiel. Jungs bestätigen sich ihrer Freundschaften eher beim Fußballspielen. Von einem engen Freund erwarten sie nicht primär seelische Unterstützung, sondern dass er die Bälle der gegnerischen Mannschaft hält. Viel Persönliches muss er nicht von sich preisgeben, um ein guter Kumpel zu werden.
Dort soll es also eher um die Erfüllung einer funktionaleren Funktion gehen als darum, seelische Unterstützung zu geben. Wobei das natürlich auch bei Männern eine Rolle spielt. Ich würde aber zustimmen, dass man häufig nicht so viel Persönliches preisgeben muss. Beste Freundinnen wissen meist sehr viel voneinander, alle Sorgen und Nöte, die Penisgröße der Freunde, was er dann und dann gesagt hat und wie man das auslegen könnte oder was er ihr letzten Geburtstag geschenkt hat und welchen anderen Jungen sie noch toll findet. Dieses Wissen (in der für Jungs angepassten Form) ist bei Jungs meist geringer ausgeprägt.
Zu evolutionären Erklärungen findet sich auch noch was in dem Artikel:
Evolutionär gesehen, hätten Frauen wenig Vorteile von einem weniger komplizierten Verständnis von Freundschaft, argumentieren viele Forscher. Von gleichgeschlechtlichen Verbündeten profitierten Frauen nur in wenigen Fällen – nämlich dann, wenn die andere sehr angesehen ist und etwas von ihrem Glanz auf ihre Umgebung abstrahlt. Ansonsten aber stellten andere Frauen vor allem eine latente Bedrohung dar, könnten sie doch knapp bemessene Ressourcen wie Platz, Nahrung und natürlich Männer für sich beanspruchen. Da erscheint es nur sinnvoll, genau zu schauen, wem man eine enge Freundschaft anbietet – und damit nicht allzu leichtfertig umzugehen.
Männer hingegen tun dieser Argumentationslinie zufolge gut daran, jeden um sich zu scharen, der mit ihnen die Keule schwingen kann – egal, ob es gegen den Säbelzahntiger, eine benachbarte Sippe oder den Gegner beim nächsten Fußballturnier geht. Ein großer Freundeskreis bedeutet zwar auch für Männer mehr Konkurrenz, fördert aber auch die Schlagkraft. Wenn dabei keine Zeit für tiefsinnige Zweiergespräche über die Ungerechtigkeit der Welt bleibt, ist das eben der notwendige Preis.
Dass sich für Männer größere Gruppen mehr lohnten kann ich mir auch gut vorstellen – im Krieg mit steinzeitlichen Waffen ist Gruppengröße ein sehr wichtiger Faktor und die Anzahl der Unterstützer kann über Leben und Tod entscheiden. Bei Frauen ist dieser Vorteil geringer – die Frauengruppe bietet allerdings auch dort Schutz und kann den sozialen Einfluss erweitern.
Interessant auch die beste Freundin im Verhältnis zum Freund:
Was aber, wenn auch zwischen besten Freundinnen diese Zeit nicht mehr bleibt, weil eine von beiden einen Mann kennengelernt hat? Solange die Sache noch nicht ernst ist, muss die beste Freundin wenig befürchten. Schließlich wird sie gebraucht, um ausgiebig über den potenziellen Partner zu reden. In dieser Zeit können die Freundinnen ihre Beziehung sogar als noch inniger empfinden, hat eine Befragung von knapp 450 Amerikanerinnen zwischen 15 und 19 Jahren ergeben. Wird aus dem Flirt jedoch Ernst, kühlt das Interesse an der besten Freundin meist merklich ab.
Noch schneller geht das, wenn sich die Dinge entwickeln wie in Funny van Dannens Lied: „Und nichts könnte uns trennen / gar nichts auf der Welt“, singt er am Schluss, „bis uns eines Tages / derselbe Mann gefällt.“
Hier kann häufig auch schon ein Zeitdefizit auftreten, weil die Zeit mit dem Mann eben von der Zeit mit der Freundin abzuziehen ist. Das ermöglicht wieder anderen Frauen, den Platz als beste Freundin einzunehmen.
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