„Es ist kein Wunder dass Frauen mitunter wütend genug sind, um den Wunsch zu haben, dass ihre Unterdrücker tot sind“

Kurzzeitig hatte der Tag „#killallmen“ bei Twitter eine gewisse Popularität, auch wenn man davon nicht so viel mitbekommen hat. Jedenfalls schwappte er größtenteils nur mit Ablehnung in meine Timeline. Eine dazu verbreitete Erklärung fand ich (wie auch schon Genderama) aber interessant:

Part of the power of SCUM is the effect it has on men. At my reading group, the men present were allies, and I remember vividly one saying “I don’t think she went far enough at the end, letting some of the men live and act as the Men’s Auxilliary”. All of the other men nodded along. They got that this idea is just fantasy, just a satire.

On the other hand, it’s pretty difficult to mention SCUM (or indeed just cry “kill all men”) without the misogynists crawling in, crying misandry

Auf was SCUM eigentlich eine Satire sein soll, es bliebe ja nur der Männerhass oder radikaler Feminimus, bleibt hier offen. Aber immerhin wird die Idee, dass es eine insoweit überzogene Fantasy ist, weiter ausgebaut:

And this is because misogynists completely fail to understand how power works. They miss the fact that in this society, violence against women and girls is rife, that it is an everyday occurrence which is seen to at best utterly unremarkable and at worst funny or aspirational. Saying “kill all men” and violence against women and girls are completely different. There is no serious threat of the women rising up and actually killing all men, all the while the hum of background noise of another women raped, murdered or beaten by a man. That this culture of violence is gendered, and the system is set up in favour of keeping things that way.

So is it any wonder that sometimes women are angry enough to express a wish to see their oppressors dead? And that this violent revenge fantasy remains just that–a revenge fantasy?

Es ist also nicht ernst gemeint, weil Frauen nicht die Macht haben, die Männer umzubringen. Das ist ein interessantes Argument, weil es ja auch sonst keinerlei Gruppen gibt, die an die Macht gekommen sind und dann Gewaltfantasien, die sie hatten, ausgelebt haben. Wenn es tatsächlich einen solchen tiefen Hass bei Frauen gibt, dann wäre das immerhin Anlass alle Frauen, die bereits Macht haben, sehr kritisch zu überwachen.

Allerdings leben wir in den friedlichsten Zeiten jemals, alle Gewaltverbrechen, auch Vergewaltigung, sind rückläufig. Und es wird auch nur ein geringer Teil der Frauen, vergewaltigt, ermordet oder geschlagen. Tatsächlich werden eher Männer von Männern ermordet oder geschlagen. Hier sieht man auch wieder die drei Grundgedanken des Genderfeminismus, wie sie Pinker darstellte:

Gender feminism is an empirical doctrine committed to three claims about human nature.

The first is that the differences between men and women have nothing to do with biology but are socially constructed in their entirety.

The second is that humans possess a single social motive — power — and that social life can be understood only in terms of how it is exercised.

The third is that human interactions arise not from the motives of people dealing with each other as individuals but from the motives of groups dealing with other groups — in this case, the male gender dominating the female gender.

Die Frauen haben keine Macht, sie werden als Gruppe unterdrückt und jede einzelne Vergewaltigung, jeder Mord und jedes Schlagen einer Frau ist in diesem Zusammenhang nicht eine Tat gegen die einzelne Frau, sondern ausüben männlicher Macht gegen die Gruppe Frau, die damit auch als Unterdrückung von allen Frauen gespürt wird und insofern einen kollektiven Hass aufbauen kann.

Gerade im radikalen Feminismus ist dieser Hass, die daraus folgende Wut eben auch ein wichtiger Faktor: Wut ist irrational wie der radikale Gender Feminismus selbst, der von der Identifikation mit dem Feindbild Mann lebt, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern als Nullsummenspiel um die Macht sieht.  Wut ist damit der beste Weg entgegenstehende Fakten auszublenden, sich ganz den Gefühlen hinzugeben und jedes berufen auf Fakten als Angriff sehen zu können

I suppose it is hardly surprising that utterances of killing all men draw such ire, even from feminists. Under patriarchy, violence is the domain of men. It is no coincidence that when women fight back, it is seen as disgusting: it allows the system to thrive. This is why more column inches are given to women who kill their partners who have abused them every day; this is why we see such sexualised depictions of women being violent in films, defanging the raw aggression; why patriarchy freaks the fuck out over Rihanna or Christina Aguilera singing about vengeance. And it’s why even merely uttering “kill all men” is seen as so shocking: we’ve internalised this sentiment, and the idea that women are not violent or angry. It is unthinkable that we can think violent thoughts.

Hier haben wir ein schönes Reframing des Sachverhaltes in die Ideologie: Der eigentliche Grund, dass man Gewalt durch Frauen ablehnt. ist, dass sie für Männer reserviert ist. Sie wird abgewertet um die Frauen bei dem Kampf gegen ihre Unterdrückung zu behindern und das System zu erhalten.

Die Rolle verbietet es, um den Widerstand klein zu halten. Foucault lässt insofern grüßen. Den nach diesem wird ein Herrschaftssystem die gesellschaftlichen Normen stützen und errichten, die der eigenen Machtsicherung dienen. Eine Frau, der Gewalt durch ihre Rolle verboten wird, die dadurch unweiblich wird, wird eben keine Gewalt anwenden. Damit ist der Aufruf zu Gewalt und Gewalt an sich gleichzeitig eine Form der Bekämpfung der Geschlechterrollen, das Lesen von Valerie Solanas S.C.U.M nicht mehr als ein rebellischer Akt, der die Geschlechterrollen durchbricht und insoweit zur Befreiung der Frau beiträgt.

Die Aufforderung, alle Männer zu töten, ist hier wie dort nur ein harmloser Ausdruck der Unterdrückung und ein Aufbegehren gegen Geschlechterrollen. Dass man darauf so sensibel reagiert nur eine Maßnahme des Patriarchats zur Machterhaltung. Wer darauf sensibel reagiert zeigt insofern auch gleichzeitig, dass er eigentlich die Macht des Patriarchats erhalten möchte.

Wer der Kritik vorhalten möchte, dass sie zu extrem ist, muss für die Gegenseite sein.

Es ist recht einfach sich nach diesen Prinzipien gegen Kritik zu immunisieren.