Gerade findet sich sowohl bei der Mädchenmannschaft als auch bei Helge Hansen texte dazu, dass man natürlich Heterosexuelles Knutschen nicht verbieten wolle, es aber unsolidarisch sei und man es insofern lassen solle.
Ich habe dazu eigentlich bereits alles gesagt.
- Mich nervt es, wenn Menschen mit Kindern sich als HeteroKleinfamilie inszenieren müssen vor anderen”
- Kritische Heterosexualität: “Küssen kann man auch zu Hause”
- Hetenperformance und Raum einnehmen
Es ist aus meiner Sicht der alte Fehler, dass angenommen wird, dass Heterosexuelle, die rumknutschen, es schwerer machen für Homosexuelle oder das diese dadurch eingeschränkt werden. Das eine sexualfeindliche Haltung es eher allen noch schwerer macht und Homosexuelle dann erst recht negativ auffallen, scheint man dort nicht zu sehen.
Begründet wird dies immer wieder mit einem „Raum einnehmen“, etwa wie folgt bei der Mädchenmannschaft:
Der springende Punkt ist: Ob ich will oder nicht – durch meine Hetero(pärchen)performance demonstriere ich nicht nur den Normalzustand und erinnere (schmerzhaft) an ihn, ich stelle ihn auch aktiv her und re_produziere ihn. Heteronormativität ist keine Einbahnstraße: Weil hetero “normal” ist, stelle ich mein Hetendasein unhinterfragt zur Schau (nicht im Sinne von “seht alle her, ich bin hetero und finde das ganz toll!”, sondern im Sinne von “ich muss nicht verstecken, was selbstverständlich für mich ist”) und ermutige andere, dies auch zu tun – und weil so viele ihr Hetendasein unhinterfragt und selbstverständlich zur Schau stellen, ist hetero sein “normal”. Ich inszeniere mich – möglicherweise ungewollt – als einen Teil der “Normalität” und schaffe sie damit erst. Ich trage aktiv dazu bei, ein Klima aufrecht zu erhalten, einen Raum zu schaffen, in welchem lesbische, schwule, queere Zärtlichkeit deutlich als “Abweichung” sicht- und fühlbar ist. Selbst, wenn in der konkreten Situation vielleicht keine konkrete Gefährdung, aktive Ausgrenzung oder exotisiertende Kommentierung befürchtet wird – aber Diskriminierung ist mehr als verbale oder physische Gewalt. Mit meiner Hetero- und Paarperformance nehme ich anderen Ausdrucksformen und Beziehungsweisen den Raum. Auch wenn ich das gar nicht will. Auch, wenn ich “alternative” Beziehungsformen gut finde oder gar lebe, ich mich selbst gar nicht als hetero verorte, Paarsein mir doch gar nicht so wichtig ist und_oder ich mich gegen Homophobie und Heterosexismus engagiere. Und auch, wenn ich das nicht hören will.
Der Gedanke des Raumnehmens scheint also zu sein, dass der Raum die öffentliche Wahrnehmung ist und jede Ausrichtung in ihr gleichwertig oder wohl noch besser gar nicht wahrgenommen werden sollte. Wenn eine Ausrichtung deutlicher auftritt, also Männer prägender wirken als Frauen, Heterosexuelle prägender wirken als Homosexuelle, dann werden diese Ausrichtungen nicht mehr als gleichwertig wahrgenommen, sondern die dominantere, mehr Raum einnehmende Ausrichtung wird „Normalität“ und die andere wird „Abweichung“, was in dieser Vorstellung zwingend mit einer Abwertung verbunden ist.
Der erste Fehler dabei ist aus meiner Sicht, dass bereits das Grundkonzept nicht stimmt. Es gibt genug Fälle, in denen etwas mehr Raum einnimmt, deswegen aber die Abweichung nicht negativ sein muss. Es gibt sicherlich mehr Golfs als Porsches, was aber nicht bedeutet, dass ein Porsche eine negative Abweichung ist, auch wenn der Golf Normalität darstellt. Bei Schokolade mag einfache Vollmilchschokolade der häufigste Fall sein, aber das bedeutet nicht, dass man Nuss-Nougat-Schokolade als negative Abweichung sieht. Es mag sein, dass einzelne Nuss-Nougat-Schokolade nicht essen wollen, aber daraus muss nicht folgen, dass sie etwas dagegen haben, dass andere sich diese Schokolade kaufen uns sie gerne essen. Man kann neben einem Nuss-Nougat-Schokolade-Esser eine Vollmilchschokolade essen, ohne diesem damit als Abweichler zu sehen.
Natürlich kann man dagegen anführen, dass Nuss-Nougat-Schokolade im Gegensatz zu Homsoxualität auch nicht umstritten ist und würden eher anführen, dass es vergleichbar damit ist, ein paar mit Schokolade überzogene Insekten zu essen, was negative Reaktionen betrifft. Aber auch hier wird man kaum erwarten, dass ein Schokoladennichtessen aus Solidarität die Lage irgendwie verbessert. Ungewöhnliches wird dann akzeptiert, wenn man es häufiger wahrnimmt, nicht wenn man weitere Verhaltensweisen abschottet. Wer solche weiteren Verhaltensweisen abstellt, der erzeugt kein Verständnis, sondern nur eine striktere Sexualmoral, die eher das Leben für Homosexuelle erschweren wird („wir halten uns ja auch zurück, da könnt ihr es auch lassen“).
Der zweite Fehler ist aus meiner Sicht die Auffassung, dass man durch ein solidarisches Nichtküssen auch nur im geringsten etwas daran ändern kann, dass Homosexualität nicht als Normalfall wahrgenommen wird. Selbst bei günstigen Prognosen sind 90% der Menschen heterosexuell und es dürften eher noch mehr sein. Die Vermutung, dass jemand, den man trifft heterosexuell ist erfordert keine Heteronormativität, sondern ist eine meist zutreffende Erfahrung, die noch dadurch verstärkt wird, dass wir bei denen, auf die es nicht zutrifft, zu einem gewissen Teil erkennen können, dass es nicht zutrifft. Bei bestimmten Personen wird man keine Heterosexualität vermuten, sondern eben direkt tippen, dass sie Homosexuell sind und wahrscheinlich auch dort mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit richtig liegen. Homosexualität ist eben nicht etwas, was bei hinreichender Akzeptanz den gleichen Raum einnehmen kann wie Heterosexualität in dem Sinne, dass es 50% Homosexuelle gibt, weil die sexuelle Orientierung biologische Ursachen hat und nicht einfach ein soziales Konstrukt ist.
Ein Miteinander erfordert nicht, dass man nicht knutscht, sondern das der andere das Gefühl hat, dass man ihn akzeptiert und dafür eintritt, dass er auch knutschen kann.
Kurzum: Wenn niemand knutscht, dann kann homosexuelles Knutschen nicht etwas werden, was man kennt und insoweit akzeptiert. Alle anderen Einschränkungen bringen aus meiner Sicht wenig.