Doch wenn es etwas Vorbildliches gibt, das auch wissenschaftlicher Überprüfung bislang standgehalten hat, dann ist es das größere Maß an Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die relativ hohe Geburtenrate. Das eine bedingt das andere im modernen Wohlfahrtsstaat. Ein Blick in den Alltag norwegischer Familien zeigt auf, was anderswo fehlt, oder besser: verlorengegangen ist im Hochgeschwindigkeitstakt der modernen Arbeitswelt
Schnell essen, früh nach Hause gehen
Der Arbeitstag beginnt in Norwegen früher als in Deutschland. Wenn Lillian Krumbacher um kurz nach acht ins Büro kommt, dann ist sie nicht die Erste. „Ein Kollege sitzt dann schon seit sieben Uhr am Arbeitstisch“, erzählt sie. Ihre Mittagspause fällt denkbar knapp aus. Meist isst die 45-Jährige nur ein Brot am Platz. „Diese langen Mittagessen wie in Deutschland gibt es nicht“, sagt die Frau mit den braunen, glatten Haaren. Stattdessen arbeiten Norweger konzentriert, ohne größere Unterhaltung an der Kaffeemaschine – und kurz.
Für die Krumbachers beginnt der Feierabend schon am Nachmittag: Um 17 Uhr steht das Essen auf dem Tisch. Seit die bayerische Familie nach Norwegen ausgewandert ist, lebt sie quasi stressfrei. Beide Eltern machen Karriere – und beide haben Zeit für die Kinder. Erfahrungen aus einem Traumland.
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Jeden Nachmittag um fünf, wenn alle zusammen am Tisch sitzen und essen, dann wissen die Krumbachers, dass sie es richtig gemacht haben. Dass es gut war, nach Oslo zu ziehen und dafür seinen Job als Top-Jurist in einer Anwaltskanzlei und ihre Boutique für Kindermode aufzugeben. Denn nun haben sie etwas Kostbares gewonnen, das ihnen vorher fehlte: Zeit.
Die drei Kinder, ein Sohn, zwei Töchter, gingen in Bayern auf die Grundschule. Helena, die Älteste, sollte nach den Sommerferien aufs Gymnasium. „Mir fehlte einfach Zeit für meine Kinder“, sagt Florian Krumbacher – und seiner Frau Lillian die Karriere. Und so fassten sie an einem lauschigen Abend auf der Terrasse ihres Hauses am Ammersee den Beschluss, ihr Leben noch einmal vollkommen umzukrempeln.
Dass sie sich für Oslo entschieden, lag nicht nur daran, dass Lillian gebürtige Norwegerin ist. Ihnen ging es vor allem um eines: „Wir wussten, dass wir dort unser Familienleben und die Arbeit in eine bessere Balance bringen können“, sagt Lillian Krumbacher. Sie hatten in ihrer Heimat schon einmal zusammen gelebt, aus der Zeit kannten sie die familienfreundlichen Lebensbedingungen in dem Staat, der viel Land hat und wenig Leute.
Kulturschock: Arbeiten in fremden Welten
Fast fünf Jahre sind seit ihrer Entscheidung vergangen, und der Umzug hat sich gelohnt. Ihr Haus am Ammersee haben sie eingetauscht gegen eine gediegene Stadtwohnung in Oslo, ganz in der Nähe der deutschen Schule. Florian Krumbacher, 46, arbeitet seitdem bei einem Solarunternehmen. Lillian ist Managerin bei der größten norwegischen Bank DNB. Dort betreut die studierte Ökonomin, die an der London School of Economics ihren MBA-Abschluss machte, das Auslandsgeschäft.
Über Norwegen gibt es so einige Vorstellungen im Rest der Welt, die meisten davon sind romantische: von der Erhabenheit der Fjorde und dem ehrlichen, unbeschwerten Leben seiner Bewohner; von dem Reichtum an Öl und an Fisch; von Sicherheit, Solidarität und dem Vertrauen der Menschen untereinander.
Schamhafter Umgang mit Luxus
Vieles davon findet sich bestätigt in Statistiken und Rankings. Norwegen als Land der Glückseligen, so lesen sich diese, auch wenn sich vieles wandelt: So wie im Sommer Hunderte Kreuzfahrtschiffe die Fjorde vollqualmen, so nagen die Ölgelder am Gemeinsinn, und die Zuwanderung verändert das Idyll.
Schon Hans Magnus Enzensberger zeigte in seinen „Norwegischen Anachronismen“ die Widersprüche eines Landes auf, das quasi über Nacht vom armen Bauernstaat zur superreichen Ölnation aufgestiegen war. „Die Staatsquote, gemessen am Volkseinkommen, die Säuglingssterblichkeit, die mittlere Lebenserwartung, die Zahl der Arbeitslosen, der Kindergärten und der Altersheime – das sind die Größen, an denen man in Norwegen das gute Leben misst“, schrieb er 1984, durchaus bewundernd. Und meinte: „Nicht der private, sondern der vergesellschaftete Reichtum ist es, der zählt.“
Genüsslich berichtet der politische Dichter vom schamhaften Umgang mit Luxus, den er bei dem protestantischen Volk beobachtet hatte: „Eher wird der wohlhabende Bürger in einer versteckten Bucht eine 200.000-Kronen-Yacht vertäuen, als dass er es riskieren würde, seine Nachbarn mit dem ostentativen Knall eines Champagnerkorkens zu belästigen.“ Das kann man auch heute noch finden.
Doch wenn es etwas Vorbildliches gibt, das auch wissenschaftlicher Überprüfung bislang standgehalten hat, dann ist es das größere Maß an Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die relativ hohe Geburtenrate. Das eine bedingt das andere im modernen Wohlfahrtsstaat. Ein Blick in den Alltag norwegischer Familien zeigt auf, was anderswo fehlt, oder besser: verlorengegangen ist im Hochgeschwindigkeitstakt der modernen Arbeitswelt.
Schnell essen, früh nach Hause gehen
Der Arbeitstag beginnt in Norwegen früher als in Deutschland. Wenn Lillian Krumbacher um kurz nach acht ins Büro kommt, dann ist sie nicht die Erste. „Ein Kollege sitzt dann schon seit sieben Uhr am Arbeitstisch“, erzählt sie. Ihre Mittagspause fällt denkbar knapp aus.
Ähnliche Arbeitszeiten gibt es ja in Deutschland auch, wenn auch wohl eher im öffentlichen Dienst und bei Gleitzeit. In höheren Positionen in der Privatwirtschaft sind sie wohl eher unüblich.
Scheint also, als würde sie einen Teil der Arbeit dann von zuhause erledigen, jedenfalls noch erreichbar sein. Ich kann mir schon vorstellen, dass ein striktes Ablehnen von Konferenzen nach 15 Uhr gerade für das Familienleben einiges bringt, weil man dann eben Arbeit und Beruf besser miteinander verbinden kann.
Allerdings scheint ja auch in Norwegen kein so wesentlich anderes Bild zu herrschen und eine Frauenquote erforderlich zu sein, damit genügend Frauen in einen Aufsichtsrat kommen. Ich vermute, dass auch hier ähnlich wie in Schweden eine Trennung besteht, nach der mehr Frauen im öffentlichen Dienst arbeiten und mehr Männer in der Privatwirtschaft