Vergewaltigungen, Feminismus und Männerhass: Was „darf“ ein Vergewaltigungsopfer?

Mitunter habe ich das Gefühl, dass viele Frauen den Weg zum Feminismus nach einer Vergewaltigung finden. Das wäre ja durchaus verständlich, gerade dann sieht man das Thema sexuelle Gewalt besonders kritisch und findet daher schneller Anschluss an einen Bereich, der hier besonders viel  Kritik äußert. Mich würde da der Anteil interessieren.

Ich kann auch verstehen, dass es ein traumatisierendes Ereignis ist, dass man nicht so leicht verkraftet und das einen durchaus zentralen Lebensbereich, nämlich die Sexualität und die Beziehung betrifft und ich könnte mir auch vorstellen, dass eine solche Vergewaltigung Frauen vielleicht noch stärker trifft als einen Mann, weil eine Verhinderung einer Vergewaltigung für eine Frau evolutionär wesentlich schwerer wiegt.

Was mir dennoch nicht in den Kopf will, ist das in diesem Bereich wenig Abstraktionsbereitschaft herrscht. Auch jemand, der Vergewaltigt wurde sollte die Vorzüge eines Rechtsstaates verstehen können und von seiner eigenen Erfahrung trennen können. Auch jemand der vergewaltigt wurde, sollte in der Lage sein zu erkennen, dass es der Vergewaltiger war, der ihn vergewaltigt hat und nicht alle Männer. Auch jemanden, der vergewaltigt wurde, sollte bewusst sein, dass die Rape Culture ein enormer Vorwurf ist, der zudem reichlich verschwörungstheoretisch ist.

Man sollte von einem Verbrechen, das gegen einen begangen wurde nicht auf eine Gruppe von Menschen schließen, die das Verbrechen nicht begangen hat.

Ich schulde einem Vergewaltigungsopfer nichts, was ich nicht auch anderen Menschen schulde, denn ich habe es nicht vergewaltigt. Eine Kollektivhaft für das Handeln andere nur aufgrund einer Geschlechtszugehörigkeit lehne ich ab.

Mir scheint, dass das häufig vergessen wird.

Ich kann verstehen, dass jemanden das Thema belastet. Dennoch sollte man auch hier erwarten können, dass derjenige sich in die Position des anderen begibt, also etwa eines Mannes, der zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt wird, und dessen Position durchdenkt.

Es muss zumindest möglich sein, dass man kurz darüber reflektiert, wie sich Kachelmann wohl fühlt, wenn seine Version richtig ist und er tatsächlich keine Vergewaltigung begangen hat. Selbst wenn man nur von Falschbeschuldigungsraten von 3% ausgehen würde, dann könnte es ja sein, dass Kachelmann darunter ist.

Es muss möglich sein, einfach mal objektiv zu durchdenken, warum es eine Unschuldsvermutung gibt. Es muss möglich sein, sich einmal vorzustellen, dass andere Menschen anders über Sex denken als man selbst.

Es muss möglich sein, trotz eigener Vergewaltigung frei von einem Männerhass zu sein und diesen auch bei anderen zu verurteilen.