Ein Artikel bei Katrin Rönicke erinnert mich daran, dass ich schon länger mal etwas zu Feminismus und Verschwörungstheorien schreiben wollte.
Sie stellt in ihrem Artikel auf zwei klassische Merkmale einer Verschwörungstheorie ab:
Ein klassisches Muster bei Verschwörungstheorien ist die Feststellung, wer der Theorie nicht anhänge, sei vermutlich entweder a) schon zu sehr manipuliert oder b) selbst ein Teil der Verschwörung, Nutznießer_in – Profiteur_in
Ein zweites, nahezu allen Verschwörungstheorien zugrundeliegendes Element ist die übergeordnete Annahme, meistens in Form der Konstruktion von “die Mächtigen” und “die Regierung”, denen man nicht trauen könne, die korrupt seien. THEM. In aller Regel wollen “die da Oben” eine “neue Weltordnung” und haben sehr ausgefeilte Pläne, die nur darauf abzielten, die Mehrheit der Menschen zu unterdrücken.
Also wären die Elemente:
- nur diejenigen, die von einer Verschwörung ausgehen, erkennen die Wahrheit, die anderen sind unwissentlich oder wissentlich Teil der Verschwörung
Das trifft gerade auf die Privilegientheorien ganz deutlich zu. Wer privilegiert ist, erkennt es nicht, ihm werden die Privilegien zugewiesen, er profitiert von Ihnen und stützt damit das System. Wer erst einmal ordentlich darüber reflektiert erkennt dann nahezu überall Privilegien, bis auf bei Frauen natürlich.
- Es gibt eine Gruppe von Menschen, die das alles steuert und insoweit die Macht in der Hand hat
Da sehe ich Parallelen zum Patriarchat/der Phallokratie/der hegemonialen Männlichkeit. All dies sind nebulöse Konzepte, die irgendwie die Macht sichern und erhalten.
Auch der Wikipediaartikel zu Verschwörungstheorien enthält interessante Passagen:
Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist aufgrund seiner beiden Bestandteile problematisch: „Verschwörung“ ist ein negativ besetztes Wort, welches im angelsächsischen Rechtsbereich sogar strafrechtliche Aspekte umfasst; „Theorie“ bezeichnet eine modellhafte, korrekturfähige Vereinfachung der Wirklichkeit, die von Einzelereignissen oder Umständen abstrahiert, um übergreifende Zusammenhänge zu beschreiben. Genau das leistet eine Verschwörungstheorie aber nicht, da sie zwar vereinfachende Muster anbietet, aber kein Modell.[1] Verschwörungstheorien leisten keine Abstraktion, sondern nehmen im Gegenteil eine Konkretisierung vor, die unzulässigerweise verallgemeinert wird. Während die Abstraktion Komplexität erhält und nur die Beobachtungsebene verändert, ist die unzulässige Konkretisierung verlustbehaftet. Die nachgelagerte Verallgemeinerung basiert also auf einer Vereinfachung bzw. Vereindeutigung (Disambiguierung). Verschwörungstheorien vermengen bei ihrer Simplifikation zudem die Kategorien Sein und Sollen. Wenn Begriffe unterschiedlicher Kategorien durch Konjunktionen verknüpft werden, spricht man von einem Kategorienfehler. Ein wesentliches Merkmal von Verschwörungstheorien ist also das Vorhandensein eines normativen Maßstabes. Die als „Verschwörung“ bezeichneten Vorgänge werden nicht wertneutral konstatiert, sondern von einem normativen Standpunkt aus kritisiert. Verschwörungstheorien beschränken sich also nicht auf eine Diagnose, sie enthalten immer auch eine mitlaufende, aber nicht explizierte, meist weltanschauliche Beurteilung der Ereignisse.[2] Abweichungen werden als absichtliche Manipulationen verstanden, die ihrerseits manipulativ verändert werden müssen.
Das vereinfachte Muster, nach dem der Opferfeminismus/Genderfeminismus abläuft ist die Opferstellung der Frau und die Schuldzuweisung an den Mann. Auch hier fehlt es häufig an einem konkreten Modell, wie das genau ablaufen soll, es ist eher ein grobes Muster vorhanden, welches dem vorgenannten Schema folgt. Der Mann ist insoweit der Schuldige, männliches schlecht besetzt, das Weibliche das gute, und insoweit gut besetzt. Vorgänge werden insoweit in dieses einfache normative Modell gepresst, indem alles an Unterdrückung dem Mann angelastet werden kann.
Vertreter von Verschwörungstheorien weigern sich – anders als Wissenschaftler, die Modelle vertreten –, ihre Hypothesen zu explizieren und überprüfbare Bedingungen zu nennen, bei deren Nachweis sie ihre Hypothesen für widerlegt betrachten.[3] Es ist gerade das Charakteristikum von Verschwörungstheorien, dass sie von Gegenständen handeln, die sich tatsächlich oder vermeintlich jeder Nachprüfbarkeit entziehen. In diesem Sinne sind Verschwörungstheorien nicht deskriptiv, sondern präskriptiv, wobei ihnen das Ziel der empirischen Verifizierung fehlt. Das unterscheidet Verschwörungstheorien von wissenschaftlichen Hypothesen. Aufgrund der hochgradig stereotypen und festgefügten Struktur sind Verschwörungstheorien in der Theorie von erklärungsbezogenen Deutungsmustern abgrenzbar. Die Deutungsmuster einer Verschwörungstheorie sind nämlich nicht auf korrekturbasierte Weiterentwicklung hin angelegt.
Dazu passt die Ablehnung aller objektiven Erklärungen und ein reines Abstellen auf das subjektive innerhalb der feministischen Theorie. Beispiele sind aus meiner Sicht die feministische Standpunkttheorie, das Abstellen auf den Diskurs statt auf Fakten, die poststrukturalistischen Theorien nach denen es eben gerade keine Struktur und keine Fakten gibt, das Bevorzugen von Subjektivität gegenüber Objektivität, das epistemische Privileg etc.
Die Ablehnung der empirischen Wissenschaft in großen Teilen des Feminismus bestätigt dieses Bild.
Eine Zentralsteuerungshypothese[9] sieht hinter bestimmten Ereignissen oder Entwicklungen das gezielte, verborgene Wirken von Personen oder Personengruppen, etwa von Geheimbünden oder Geheimdiensten. Dafür kann es gute Gründe geben, da solche Verschwörungen in vielen Bereichen der Wirklichkeit tatsächlich vorkommen. Als Beispiele können mafiose Strukturen, verschiedene Formen der Wirtschaftskriminalität und Lobbyismus angeführt werden. Auch wenn sie das Geschehen in der Regel nur als ein Faktor von vielen beeinflussen, können verborgene Steuerungszusammenhänge für manche Ereignisse von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Hier müsste man wohl auf die verschiedenen Ansichten verweisen, die entweder ein Patriarchat sehen, dessen genaue Arbeitsweise und Funktion nie wirklich beschrieben wird oder die hegemoniale Männlichkeit. Es ist die Frage, ob man noch von einer Zentralsteuerung sprechen kann, wenn nahezu alle Männer von den entsprechenden Vorteilen profitieren. Jedenfalls hat es aber etwas geheimes, wie die Regeln aufrechterhalten und durchgesetzt werden und auch in der Wirtschaft ist gerne von alten Männerbündnissen die Rede, die eben einfach keine Frauen reinlassen. Die Steuerzusammenhänge erstrecken sich hier über die gesamte Gesellschaft.
Bei der Kadda findet sich auch noch ein Zitat, warum solche Verschwörungstheorien so interessant sind:
Jemand ist eher versucht, an Verschwörungstheorien festzuhalten, wenn er das Gefühlt hat, keine Kontrolle mehr über sein Leben zu haben. Keine Kontrolle zu haben bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jemand das Gefühl hat, Dinge würden willkürlich geschehen, und er sich als Opfer dieser Vorgänge fühlt. Als Ausweg macht man sich auf die Suche nach einer Struktur, einer Erklärung, warum Dinge passieren. Eine Verschwörungstheorie kann auf diesem Weg beruhigend wirken.
Ich denke, dass solche Theorien hier schon auf einer gefühlten Machtlosigkeit beruhen, eben beispielsweise auf dem Umstand, dass wenig Frauen in Spitzenpositionen vorgedrungen sind. Hinzu kommt vielleicht etwas allgemeiner bei den Geschlechterrollen gerade der Wunsch aus diesen rauszukommen bei denjenigen, die nicht in sie hineinpassen, die dem Schnitt insoweit nicht entsprechen und sich deshalb als abweichend von der Gruppe wahrnehmen und so über die Verschwörungstheorie eine gewisse Beruhigung erfahren, weil sie nicht mehr Außenseiter sind, sondern diejenigen, die die Verschwörung erkannt haben.
Natürlich gibt es auch genug Verschwörungstheorien im radikalen Maskulismus „die Frauen wollen uns nur ausnehmen, sie haben alle Macht“ ginge für mich in diese Richtung.