Auf dem Blog Rumbaumeln schreibt eine lesbische Feministin über die heteronormative Welt.
Aber bevor ich auf ihren Text zu sprechen komme hier erst einmal ein Text vorneweg mit der Bitte um Wertung über die fiktive Person, die ihn so vertreten würde:
Ich war beim Arzt und er meinte mein Problem könne nur über eine Darmspiegelung gelöst werden. Der liberale Mistkerl wollte mich nur zum Schwulen machen. Mich von meiner Vorliebe für Frauen durch die Penetration meines Hinterns befreien. Warum kann er nicht akzeptieren, dass ich hetero bin? Warum muss er mich rektal vergewaltigen? Wie kann er überhaupt eine solche Untersuchung vorschlagen und mich dazu überreden wollen statt sofort einen Alternativweg vorzuschlagen, der keine Penetration erfordert?
Ich denke man würde ihn für homophob und unter leichten Verfolgungswahn leidend halten. Es ist sicherlich verständlich, wenn Leute keine Darmspiegelung mögen, aber damit gleich ein politisches Statement zu verbinden und zu meinen, dass es dem Arzt gerade darum geht, einen zu penetrieren und den ärztlichen Hinweis darauf, dass dies die beste Methode ist als weiteres Indiz zu sehen, dass er heterophob ist, würde uns weit hergeholt erscheinen.
Jetzt Bäumchen:
Szene 2: Wir reden über Frauen*ärzt*innen. Heterafreundin hat tolle Ärztin und schwärmt, ich brumme etwas über beschissener Typ und nie wieder. Wasdennwasdenn, meint Hetera. ,,Was ist denn das für ne Scheiße, dass ich da halb vergewaltigt werden muss für ne Untersuchung“, meine ich. Und meine damit das kalte Ding, mit dem Menschen penetriert werden, um sie vaginal zu untersuchen. Freundinnen hatten mir davon erzählt, wie ihre Ärzte mit ihnen dabei umgegangen war, und ich entschied mich, die Untersuchung für mich abzulehnen. Mein Arzt war auch so scheiße. Wie lustig. Als ich es ablehnte, kam die Assistentin zu mir und fragte mit Piepsstimme, ob ich Jungfrau sei
JUNGFRAUSEIN. Ahahaha. Auch so ne Heteroscheiße mit diesem ,,Jungfernhäutchen“, blödes Konstrukt alá echter Frauen* aus Kindheitsstadium herausreißender Erlösersex über Penisconnection
Von einer älteren Frau*, die mich wohl beraten wollte und gar nicht darauf eingehen, dass ich es NICHT WILL, hörte ich dann, ich solle versuchen, mich zu entspannen und durch den Bauch zu atmen während einer solchen Untersuchung. Das klingt verdächtig nach ,,Close your eyes and think of England.” Auch sie schaute mit einem hochzufriedenen Blick dabei, als sei sie amüsiert über mein für Frauen* ihrer Ansicht nach unreifes Verhalten.
Ich sehe da deutliche Parallelen zu meinem oben geschilderten Fall. Sie scheint wirklich der Auffassung zu sein, dass es den Leuten darauf ankommt, sie in einer Analogie zum hetereosexuellen Sex zu penetrieren und so eines Teils ihrer lesbischen Identität zu rauben. Für sie scheint die Untersuchung bereits ein Angriff auf ihre Sexualität zu sein, weil jedes Eindringen nur die Macht des Patriarchats festigen und sie der männlichen Herrschaft unterwerfen soll. Dass eine bestimmte Untersuchung auf diesem Weg am schnellsten und einfachsten durchzuführen ist und es dem Arzt (man fragt sich warum sie mit einer solchen Einstellung überhaupt einen Arzt gewählt hat) genau darum geht, sie effektiv zu untersuchen, dass scheint ihr keinen Gedanken wert zu sein. Dass die ältere Frau ihr einen guten Tipp geben möchte, dass sieht sie auch nicht, es ist alles nur ein Sinnbild weiblicher Unterwerfung durch Sex und im ganzen eine Vergewaltigung.
Nochmal: Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass jemand eine bestimmte Untersuchung nicht möchte, gerade eine so intime. Aber von einem halbwegs denkenden und empathischen Menschen sollte man erwarten können, dass er die Motive des Arztes richtig deutet, einmal aus seiner Sicht die Sache durchdenkt und vielleicht auch einmal überlegt, dass ihre Ansichten relativ extrem sind und insofern eine gewisse Erklärung erfordern: Ich vermute mal, dass die meisten Lesben eine solche Untersuchung durchaus mitmachen, weil sie auf diese Weise medizinisch sinnvoll durchzuführen ist und vielleicht sogar noch Dildos etc einsetzen oder mit Fingern in einander eindringen, wenn ihnen danach ist. Auch bei einer lesbischen Frau dürften diese Vorhalte in dieser Form eher nicht zu erwarten sein. Die Vermutung des Arztes bzw. seiner Helferin, dass sie Angst hat, ist insofern nahe liegend.
Auch ihr erstes Beispiel zeigt, dass sie aus meiner Sicht etwas zuviel Heteronormativität bei den Menschen vermutet:
Szene 1: Ich werde gefragt, ob ich Tampons habe, da eine der Mädels ihre Tage hat. Nein, sage ich, ich benutze nur Binden. Aber warum?, fragt das Mädel sofort. Und redet eindringlich auf mich ein. Gibt es denn einen Grund wieso? Und die sind doch viel besser als Binden! Hast du etwa ein Problem damit, die dir einzuführen? Na? NA?
Warum müssen Menschen mit Vaginas immer stets bereit sein, sich irgendwas in ihre Vagina einzuführen?
Ich würde wiederum vermuten, dass auch genug Lesben Tampons benutzen. Und ich würde vermuten, dass es schon eine gewisser Glaubenskrieg sein kann, ob man Tampons oder Binden benutzt und es Frauen gibt, die einfach nicht verstehen können, warum man nicht die aus ihrer Sicht bessere Methode benutzt. Denen wird es weniger darum gehen, dass man irgend etwas in sich einführt. Sondern sie verstehen einfach nicht, wo das Problem ist und sehen im Gegenzug die aus ihrer vorhandenen Vorteile einer solchen Methode.
Bei ihr ist es aber anscheinend einfach die Vorstellung, dass alle Frauen von der Gesellschaft angehalten werden, sich penetrieren zu lassen, damit sie der Herrschaft des Mannes unterworfen werden.
Aus meiner Sicht ist es ein schon recht extremes Feindbild und etwas Verfolgungswahn. Wenn man nur in Heteronormativitätsabwehr denkt, dann führt das eben dazu, dass man überall einen Angriff sieht, auch wenn er gar nicht vorhanden ist.