„(Evolutionäre) Anpassung gibt es nicht für die Zukunft“

Leser David und Hottehü hatten folgenden Dialog in den Kommentaren:

“Warum sollte nicht ein Geschlecht besser an eine bestimmte zukünftige Umweltveränderung angepasst/ihr zugeneigt sein, noch dazu wenn dieses Geschlecht die Entwicklung hauptsächlich selbst hervorgebracht hat?”

die frage ist unsinn. anpassung gibts es nicht für die zukunft.

Das ist ein häufiges Argument, so dass sich ein Artikel dazu lohnt.

1. Gibt es gezielte evolutionäre Anpassung an die Zukunft

Die Antwort ist simpel: Natürlich nicht.

Evolution hat kein Ziel und kann daher nicht ein zukünftiges Ziel ansteuern. Sie arbeitet über Mutation und Selektion und Selektion kann nur anhand der gegenwärtigen Zustände erfolgen.

2. Kann eine evolutionäre Anpassung zu Vorteilen in anderen Umständen führen?

Auch hier ist die Antwort simpel: Ja, sie kann

Eine evolutionäre Anpassung an eine bestimmte Situation kann dazu führen, dass man diese dort genutzten Eigenschaften auch in einer anderen Situation gut verwerten kann.

Weil Delphine Gruppentiere sind, die eine gewisse Lernfähigkeit entwickelt haben, können sie auch Techniken lernen wie für Futter durch einen Reifen zu springen.

Weil Hunde Rudeltiere sind, die einem Alphatier folgen und einen fein entwickelten Geruchssinn haben um Beute aufzuspüren, können sie auf das Finden von Drogen abgerichtet werden. Ihre Eigenschaften sind nicht evolviert, um Drogen zu finden, sie ist aber für diese Tätigkeit nützlich.

Wer ein besseres räumliches Denken entwickelt, um Wurfbahnen zu berechnen und sich besser zu orientieren, der kann besser in bestimmten anderen Fähigkeiten sein, die ebenfalls diese Anforderungen an das Gehirn stellen und das kann dann ein gewisses Technikverständnis oder Mathematik sein.

Natürlich ist hier – wie so häufig bei der Evolution – ein gewisses Glück erforderlich. Wenn bestimmte Eigenschaften, die aus anderen Gründen nützlich wären, uns nicht ebenfalls zur höheren Mathematik befähigt hätten, dann könnten wir sie eben nicht verstehen. Die Zeit für eine eigene evolutionäre Anpassung und der Selektionsvorteil über die gesamte Menschheit, höhere Mathematik zu beherrschen dürfte dafür zu klein gewesen sein.

Wobei hier vielleicht auch viele Wege zum Erfolg führen können. Würden Fledermäuse intelligenter werden, dann würden sich vielleicht nützliche Anwendungen für ihr Radarsystem und die „Zielauswertung“ mit der die Radarimpulse verarbeitet werden, ergeben. Vielleicht würde ihnen dieser Zielcomputer helfen, noch viel komplexere Denkvorgänge durchzuführen oder solche, die wir nicht begreifen.

3. Motivation muss nicht auf einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Technik bezogen sein

Diese Punkte betreffen bestimmte Eigenschaften, die nicht zu ihrem evolutionären Zweck eingesetzt werden. Gerade im Bereich von Interesse und Motivation ist jedoch häufig das Objekt, auf das sich diese Motivation oder dieses Interesse richtet, relativ egal.

Wer einen inneren Wunsch hat zu verstehen, wie bestimmte Sachen funktionieren, der wird sich mit der Verbindung einer Steinaxtklinge mit dem Schaft genauso auseinander setzen wie mit einer komplexen Maschine. Der Wunsch, solche Sachen zu verstehen, wird sich vielleicht an Werkzeugen entwickelt haben, die in der Steinzeit wichtig waren, etwa der Frage, wie ein Feuerstein absplittert oder wie man eine perfekte Klinge aus ihm herausschlägt. Aber ein solches Interesse für Vorgänge lässt sich als geistiges Rätsel auf heutige technische Geräte übertragen. In dem Interesse geht es ja gerade darum, dass man sich dafür interessiert, wie etwas funktioniert, die Evolution ist nicht darauf ausgerichtet, dass man einen ganz bestimmten Gegenstand oder Elektronik an sich versteht.

Und auch eine Vorliebe für Tätigkeiten mit Leuten oder eine Vorliebe für positive Reaktionen von Leuten, denen man hilft, lässt sich problemlos in die heutige Zeit übertragen und kann gleichzeitig dazu führen, dass ein geringes Interesse daran besteht, dass man sich mit „Nichtpersonenbezogenen Jobs“ beschäftigen möchte.