Ein paar Auszuge aus Andrea Dworkins „Pornographie„
(S. 29) In den Händen von Frauen bleibt Geld was es ist. Es wird gezählt und erkauft Waren zum tatsächlichen Wert oder darunter. In den Händen von Männern kauft Geld Frauen, Sex, Status, Würde, Achtung, Anerkennung, Loyalität und alles mögliche mehr. In den Händen von Männern ist Geld nicht nur zum Kaufen da. Es verleiht ihnen Charakter, Erfolg, Ehre, Respekt. (…) Arme Frauen geben ihr Geld im allgemeinen für ihr Überleben und das ihrer Kinder aus. Arme Männer geben erstaunlich viel Geld für ihr Vergnügen aus. Reiche Frauen benützen Geld in erster Linie zur eigenen Verschönerung, um für Männer begehrenswerter zu sein. Geld befreit sie nicht vom Diktat der Männer. Reiche Männer geben ihr Geld für ihr Vergnügen aus und um mehr Geld anzuhäufen. Geld in den Händen eines Mannes bedeutet Anerkennung und Leistung. In den Händen einer Frau ist es ein Beweis dafür, daß etwas faul ist an der Sache, ein Beweis für unweiblichen Ehrgeiz oder Gier.
Knapp vorbei, man könnte auch sagen: Einige richtige Gedanken ins falsche, negative gedreht. Richtig wäre, das Ressourcen bei Männern attraktiver sind als bei Frauen, weil Frauen diejenigen sind, die schwanger werden und daher potentielle Versorgereigenschaften bei einem Mann interessanter sind als bei einer Frau. Insofern ist das Darstellen großer Ressourcen bei einem Mann etwas anderes als bei einer Frau. Es ist aus dieser Sicht falsch, dass nur Frauen Geld benutzen, um schöner zu werden, Geld an sich ist bereits ein Mittel des Mannes um dadurch zumindest subjektiv schöner zu werden. Es wirkt natürlich auch in der intrasexuellen Konkurrenz als Machtmittel, stellt also gegenüber anderen Männern dar, dass man Ressourcen hat und damit wahrscheinlich Verbündete, Macht, Möglichkeiten. Und natürlich ist auch bereits die These, dass Frauen Geld nur ausgeben, um besser auszusehen, falsch, sie geben es ebenso für Luxus, Bequemlichkeit, Reisen und vieles weiteres aus, was nichts mit Schönheit zu tun hat. Ihre These, dass mit reichen Frauen nur Gier verbunden wird teile ich auch nicht.
(S. 32) Frauen haben sexuelle Macht, weil die Erektion unfreiwillig erfolgt. Der Frau wird unterstellt, Verursacherin zu sein. Deshalb ist der Mann wehrlos, die Frau aber mächtig. Der Mann reagiert nur auf eine Stimulierung, für die er nicht verantwortlich ist. Das ist nunmal seine Natur. Was immer er tut, er tut es aufgrund einer Provokation, die vom Weib ausgeht, ihr angeboren ist. (…) Sexualität, ein potentiell so umfassender und anregender Begriff, wird vom Mann so lang herabgesetzt, bis sie nur noch das Eindringen des Penis bedeutet. (…)
Der erste Satz ist erst einmal richtig. Die Möglichkeit einen Mann recht einfach zu erregen gibt Frauen Macht. Und natürlich ist die Frau in gewisser Weise auch Verursacherin dieser Erregung. Aber das macht den Mann nicht per se wehrlos und muss dazu führen, dass er die Frau auf das Eindringen des Penis reduzieren muss.
Dworkins versteht vielleicht einfach nicht, wie viel Spass Sex haben kann und das wir ihn deswegen gerne haben. Es ist eben sexfeindlicher (Radikal-)Feminimus in seiner deutlichsten Art. Ich glaube nicht, dass Männer in die Frau eindringen wollen, um ihr Macht zu rauben (das mag bei einigen Vergewaltigern durchaus eine Rolle spielen, aber nicht für den Mann an sich), sondern weil wir sexuelle Wesen sind. Natürlich kann einen eine sehr schöne Frau wütend machen, wenn man meint, dass sie einen eben nicht will, man nicht gut genug ist. Aber daraus einen umfassenden Wunsch zur Erniedrigung der Frau herzuleiten, indem man in sie eindringt, ist wohl eher einfach ein Ausdruck von Männerhass als eine These, die in der Wirklichkeit verankert ist.
Für Kinder sind alle Dinge lebendig. Wie Jean Piaget’s Arbeit in der Entwicklungspsychologie zeigt, hören Kinder den Wind flüstern und die Bäume weinen. Bruno Bettelheim beschreibt das so: „Für das Kind gibt es keine scharfe Trennungslinie zwischen leblosen Gegenständen und lebendigen Wesen; und was lebendig ist, hat ein unserem eigenen sehr ähnliches Leben.“ Aber erwachsene Männer behandeln Frauen, Mädchen und manchmal andere Männer wie Gegenstände. Erwachsene Männer meinen es völlig aufrichtig und ehrlich, wenn sie Frauen, besonders erwachsene Frauen, als Gegenstände begreifen. (…) Wie kann ein männliches Kind, dessen Sinn für das Leben so wach ist, daß es der Sonne und dem Stein Menschlichkeit zugesteht, zu einem Mann heranwachsen, der den Frauen die gemeinsame Menschlichkeit aberkennt, ja sie sich nicht einmal mehr vorstellen kann? (…)
Da ist sie wieder die Objekttheorie. Ich habe da schon einige Artikel zu und verlinke insofern der Einfachheit halber auf einen: „Abwertung der männlichen Sexualität und Frauen als Objekte“. Ihre Thesen sind hier im übrigen auch nicht belegt, sie fabuliert im leeren Raum. Für sie erkennen Männer den Frauen die Menschlichkeit ab, was aber aus meiner Sicht keineswegs der Fall ist. Nur weil die männliche Sexualität eine stärkere Ausrichtung auf den Körper hat, bedeutet das nicht, dass man damit den Menschen ausblenden muss. Zu ihrer Frage, wie es dazu kommt, dass ein junge ohne sexuelles Interesse zu einem Mann mit sexuellem Interesse wird: Testosterone in der Pubertät (ich helfe ja gerne).
(S. 36) In Frauenbefreiung und sexuelle Revolution zeigt Shulamith Firestone, daß der Knabe die Wahl hat: der Mutter gegenüber loyal zu bleiben, die in Wirklichkeit degradiert ist (…); oder aber ein Mann zu werden, einer, der über die Macht und das Recht verfügt, zu verletzen, Gewalt anzuwenden, seinen Willen und seine körperliche Stärke über und gegen Frauen und Kinder einzusetzen. (…) Um ein Mann zu werden, muß der Knabe lernen, dem Schicksal der Frauen Gleichgültigkeit entgegenzubringen. Um gleichgültig zu werden, muß der Knabe lernen, Frauen als Gegenstände wahrzunehmen.
Hier zeigt sich sehr schön, dass man Biologie zumindest im Groben kennen muss, wenn man über die Geschlechter schreiben will. Natürlich kann man die Pubertät und die erwachende Sexualität als losgelösten Entscheidungskonflikt zwischen der guten Weiblichkeit der Mutter und der Macht der Männer, die nur über Frauenunterdrückung möglich ist, darstellen.
Oder man kann sich die Veränderungen innerhalb der Pubertät anschauen und findet dort auch eine Erklärung, warum Jungs in der Pubertät plötzlich der Körper einer Frau interessiert. Das die Verknüpfung zwischen „ich interessiere mich für weibliche Körper und weniger für meine Mutter“ und „Ich will Frauen emotionslos als Objekte sehen, damit ich sie besser ausbeuten kann *diabolisches Lachen*“ eher dünn ist, ist dann eben wieder ihrem Männerhass geschuldet.
(S. 65) Die erste Regel der Männlichkeit lautet: was immer er ist, sind Frauen nicht. (…) Ältere Männer machen Kriege. Ältere Männer töten junge Männer, indem sie Kriege auslösen und finanzieren. Junge Männer kämpfen in Kriegen. Junge Männer sterben in Kriegen. Ältere Männer hassen
Die alte These, dass Frauen das Andere sind. Die Regeln lautet meiner Meinung nach eher, dass Frauen vieles dürfen was Männer nicht dürfen und umgekehrt auch. Die beiden Geschlechter definieren sich gegenseitig teilweise als das Andere. Ältere Männer führen keine Kriege um keine Frauen zu sein. Es ist eher eine Form der intrasexuellen Konkurrenz und des Statusaufbaus.
(S. 66) junge Männer, weil sie noch der Geruch von Frauen an sich haben. Der Krieg reinigt, wäscht den weiblichen Gestank weg. Das ach so geheiligte und gepriesene Blut des Todes überwindet das ach so verabscheute und diffamierte Blut des Lebens. (…) Männer werden zu loyalen Befürwortern von Gewalt. Männer müssen mit der Gewalt ins Reine kommen, weil sie die wichtigste Komponente männlicher Identität ist. Institutionalisiert in Sport und Militär, in der kulturell vorgeschriebenen Sexualität, in Geschichte und Mythologie des Heldentums, wird den Männern so lange Gewalt beigebracht, bis sie deren Befürworter werden – Männer, nicht Frauen. Männer werden zu Befürwortern dessen, was sie am meisten fürchten. Indem sie Gewalt befürworten, meistern sie ihre Furcht. (…)
Was für ein schlichtes Weltbild! Den Gestank der Frau abzuwaschen? Natürlich kann es in einem Krieg auch darum gehen, sich als Mann zu beweisen, Mut zu zeigen, und das konnte man zu einem gewissen Grad vor der Einführung des Maschinengewehrs als perfekte Abwehrwaffe auch eine lange Zeit. Aber das dient nicht der Abwertung des Weiblichen, sondern genau so geht es darum, die (vermeintlichen) Anforderungen von Frauen zu genügen, bei denen „Feiglinge“ eben auch nicht hoch im Kurs stehen. Den ganzen weiblichen Anteil, das Zusammenspiel der Geschlechter und ihre gegenseitige Beeinflussung, das fällt hier weg. Es ist bei ihr einfach nur der Wunsch, den „weiblichen Gestank“ abzuwaschen um Mann zu sein, warum sie Mann sein wollen, welchen Einfluss dabei der Wunsch nach Akzeptanz bei Mann und Frau spielt, geht unter.
So verkündet der Philosoph Norman O. Brown, ein Vertreter der „sexuellen Revolution“ innerhalb des männlichen Systems, in Love’s Body: „Liebe ist Gewalt. Das Königreich des Himmels erduldet Gewalt, aus heißer Liebe und lebendiger Hoffnung.“ Im selben Text definiert Brown Freiheit ebenso: „Freiheit ist Dichtung, sich die Freiheit mit Worten zu nehmen, die Regeln der normalen Sprache zu brechen, den gesunden Menschenverstand zu verletzen. Freiheit ist Gewalt.“
Das ist natürlich ein guter Beleg. Ein paar Aussagen eines Philosophen, in der er darüber spricht, dass man Regeln bricht und das als Gewalt definiert. Naja.
(S. 70) Mailer beklagt hier nicht den Beginn der Empfängnisverhütung, obwohl er auch diesen beklagt. Er beklagt vielmehr Ignaz Semmelweis‘ Entdeckung der Ursachen des Kindbettfiebers, einer Epidemie, die Massen von Frauen bei der Niederkunft dahinraffte, einschließlich Mary Wollstonecraft.
Und auch wenn das so wäre: Es ist ein Mann, die meisten Männer hingegen wollen Kindbettfieber sicherlich nicht zurück. Sie wollen gesunde Frauen, gesunde Kinder, eine glückliche Beziehung.
(S. 71) In der gesamten männlichen Kultur wird der Penis als Waffe gesehen, besonders als Schwert.
Insbesondere wird der Penis in der gesamten männlichen Kultur als Penis gesehen. Als Waffe sehen ihn denke ich die wenigsten Männer, es scheint mir eher eine sehr radikalfeministische Betrachtung zu sein. Welcher Mann hier hat denn bisher seinen Penis als Waffe gesehen?
(S. 80) „Sie sagen, große Teile Ihrer Zeitschrift würden sie beleidigen. Warum machen Sie sie dann überhaupt? – Weil Männer im ganzen Land Hustler brauchen. Sie fühlen sich minderwertig und sie sind es. Frauen sind von Natur aus überlegen. Sie sind unsere einzige Hoffnung. Also, meine Mutter lebt bei mir. Ich habe mich ihr immer nahe gefühlt. Sie ist eine Heilige. Und ich unterstütze die Frauenbewegung. Nur übernimmt sie keine Verantwortung dafür, daß sie den Männern Angst einjagt. Warum glauben Sie denn, daß es auf den amerikanischen Universitäten so viel Bisexualität gibt? Warum glauben Sie denn, belästigen Männer Kinder? Weil sie sich davor fürchten, mit befreiten Frauen Beziehungen einzugehen.“ Larry Flynt, interviewt von Jeffrey Klein
Interessant, dass sich Dworkins auf Flynt beruft. Es mag durchaus so sein, dass gerade sehr hübsche Frauen Männern Angst einjagen. Denn eine solche Frau anzusprechen bedeutet eben mit hoher Wahrscheinlichkeit Ablehnung, was Spannung erzeugt. Aber das betrifft nicht alle Frauen überhaupt. Sondern sehr hübsche Frauen. Natürlich gibt es auch Männer, die vor allen Frauen Angst haben, aber das ist nicht der Schnitt. Es gibt auch Männer, die keine Angst vor Frauen haben. Und es wird auch Frauen geben, die nervös werden, wenn ein sehr hübscher Mann oder ein Star in ihrer Nähe ist. Daraus einen allgemeinen Frauenhass zu entwickeln oder daraus abzuleiten, dass die Nacktheit der Frauen dies kompensiert halte ich für falsch.
(S. 109) Sade gilt als Gesetzloser im mythischen Sinne, als ein großer Rebell im Leben und in der Literatur, dessen sexueller Hunger wie die Bombe des Terroristen die etablierte Ordnung in Stücke zu reißen drohte. Die Einkerkerung Sades wird als Demonstration des Despotismus eines Systems gesehen, daß Sexualität unterdrücken, kontrollieren und manipulieren muß und ihr nicht gestatten kann, sich zum Zwecke einer anarchischen Selbsterfüllung frei zu entfalten. Sade gilt als Opfer dieses grausamen Systems, als einer, der wegen der Kühnheit seines Widerspruchsgeistes bestraft wurde. (…) Sade-Apologeten sind sowohl von seinem Leben wie von seinem Werk fasziniert, und es ist unklar, ob Sades Legende lebendig geblieben wäre, wenn es das eine ohne das andere gegeben hätte. (…) Die Bücher und Aufsätze über Sade sind Kreuzzüge, Romantisierungen, Mystifizierungen im buchstäblichen Sinne (also mit der Absicht verfaßt, den Geist zu verwirren).
Sade-Verherrlichung wäre mir jetzt als breites Phänomen neu. Ich habe ja sogar einiges von ihm gelesen und das allermeiste hat aus meiner Sicht nichts mehr mit Sex zu tun. Ich denke so werden es die meisten Männer sehen. Natürlich wird es auch welche geben, die ebenso denken wie Sade. Aber das ist eine andere Sache.
(S. 113) Sades Ethik als Vergewaltiger-Ethik zu beschreiben, wäre unzureichend. Für Sade war Vergewaltigung eine bescheidene, nicht voll befriedigende Form der Mißhandlung. In Sades Werk ist die Vergewaltigung bloß Vorspiel, Vorbereitung auf den Hauptakt der Verstümmelung, die zum Tode führt.
Richtig, aber daraus folgt eigentlich rein gar nichts für andere Männer.
(S. 116) Viel Aufhebens wird um die Tatsache gemacht, daß zwei von Sades wichtigsten Charakteren, Justine und Juliette, Frauen sind. Besonders Juliette wird als emanzipierte Frau geschildert, weil sie sich mit derselben spektakulären Leichtigkeit wie Sades männliche Charaktere dem Verstümmeln und Morden hingibt. Sie ist eine Frau, die zu genießen versteht, die Schmerz in Lust, Sklaverei in Freiheit umzumünzen weiß. Es handelt sich, nach der Meinung von Sades literarischen Freunden, um eine Frage der Einstellung: Auf der einen Seite haben wir Justine, vergewaltigt, gefoltert, mißbraucht, und sie haßt es – also ist sie Opfer. Auf der anderen Seite haben wir Juliette, vergewaltigt, gefoltert, mißbraucht, und sie liebt es – also ist sie frei. Mit den Worten Roland Barthes: „Der Schrei ist die Markierung des Opfers: es konstituiert sich als Opfer, weil es sich entschließt, zu schreien. Wenn es bei derselben Verletzng Lust empfände, würde es aufhören, Opfer zu sein, und Libertine zu werden: schreien/sich entladen, dieses Paradigma ist der Beginn der Wahl, daß heißt im Sadeschen Sinn.“ (…) Nach Sade, Barthes und ihresgleichen können und sollen sich Frauen dafür entscheiden, ihre Vergewaltigung so zu erleben, wie Männer sie erleben: als Vergnügen.
Die Erotik einer Unterwerfung können denke ich durchaus einige Frauen nachvollziehen. Maskuline, attraktive und dominante Männer bringen Frauen schneller und häufiger zum Orgasmus. Was nichts damit zu tun hat, dass Sade pervers ist und das Maß an dort erduldeten Leiden wohl nur etwas für extreme Masochistinnen ist, die gerne sterben wollen. Dworkins überzieht. Und das maßlos.
(S. 117) Justine und Juliette sind die beiden weiblichen Prototypen aller Formen männlicher Pornographie. (…) eine leidet und provoziert durch ihr Leiden. Je mehr sie leidet, desto mehr provoziert sie die Männer, sie noch mehr zu quälen. Ihr Leiden erregt die Männer; je mehr sie leidet, desto erregter werden ihrer Folterer. Sie wird für ihr Leiden selbst verantwortlich gemacht, weil sie durch ihr Leiden zur Folterung anregt. Die andere suhlt sich in allem, was Männer ihr antun.
Es ist ja mal interessant, ihre Herleitung zu lesen. Sade ist also die männliche Pornographie. Die Männer quälen die Frauen, weil sie Angst vor ihnen haben und das weibliche, was sie per Definition nicht sein dürfen, ablegen wollen.
Erregung nackter Haut etc, die Umsetzung einer sexuellen Fantasie, dass alles hat keinen Platz bei Dworkin. Für sie ist der Penis tatsächlich eine Waffe gegen die Frau.
Ich hatte hier ja schon ein paar Artikel zu Pornos:
Zudem einen weiteren Artikel, der eine eher
biologische Sicht enthält, aus denen wir Pornos mögen. All dies passt meiner Meinung nach mit ihren Theorien nicht zusammen. Pornos verursachen keine Sexualverbrechen, sie reduzieren sie. Sie stehen wie man an dem Artikel zu Testosteron und Pornokonsum sieht auch eher in einem Zusammenhang mit dem für die Regulierung des Sexualtriebs sorgenden Testosteron. Aber all das sind eben Überlegungen, die nicht in Dworkins Männerhass passen.
(S. 119) Sade rühmte den sexuellen Wert von Mord und sah Abtreibung als eine Form von Mord. Für Sade war Abtreibung ein sexueller Akt, ein Akt der Lust. In seinem System verlangte Schwangerschaft immer Mord, meistens den Mord an der schwangeren Frau, der aufregender wurde, je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft war. Nichts konnte Sade mehr erfreuen, als der gräßliche Tod von Frauen, die bei illegalen Abtreibungen abgeschlachtet wurden. Das ist die Verwirklichung Sadescher Sexualität, richtig verstanden. (…) Geoffrey Gorer schreibt: „Laut de Sade sind sehr kleine Kinder schamlos, sexuell neugierig und mit starken sexuellen Gefühlen ausgestattet. Kinder sind von Natur aus polymorph pervers.“ In Wirklichkeit finden es laut Sade erwachsene Männer besonders befriedigend, Kinder zu entführen, zu vergewaltigen, zu foltern und zu töten. Sade besonderes Augenmerk gilt auch der Abwertung der Mutter – nicht nur als Ehefrau ihres Mannes, sondern auch als Opfer ihrer Kinder. Immer wieder schildert Sade in seiner gesamten Prosa Väter als wundersame sexuelle Wesen und Mütter als dumme, verklemmte Puritanierinnen, denen es als Huren (oder als die Huren, die sie in Wirklichkeit sind) besser ginge. Als Philosoph betont Sade mit Nachdruck, daß man seiner Mutter nichts zu verdanken habe, weil der Vater der Quell des Lebens sei
Es reicht nicht, dass Männer eigentlich alle Frauen vergewaltigen wollen, sie wollen eigentlich noch lieber Kinder vergewaltigen, foltern und töten. Wer wäre dafür ein besserer Beleg als Sade, auf den man sich als feministische Denkerin gerne berufen kann? Es ist schon ein sehr armseliges Fundament mit armseligen Vorwürfen.
(S. 120) Frauen sollen Dirnen sein: „euer Geschlecht dient der Natur niemals besser als wenn es sich unserem prostituiert; kurz, ihr seid dazu geboren, gefickt zu werden“
Evolutionstechnisch kann man ihm da ja durchaus zustimmen, schließlich gibt es, wenn man überhaupt einen Sinn des Lebens sehen will, nur die Fortpflanzung. Aber das ist eben ein Ultimate Cause. Es gibt natürlich viel mehr zwischen den Geschlechtern. Es ist das gleiche Niveau wie Frauen vorzuwerfen, dass sie davon ausgehen, dass Männer nur dazu da sind, Frauen zu versorgen.
(S. 121) Sade führte diese Ideen zu ihrem logischen Ende: Staatsbordelle, in denen alle Frauen von Kindheit an gezwungen wären, ihre Dienste anzubieten. Der Gedanke des uneingeschränkten Zugangs zu einer absolut verfügbaren weiblichen Bevölkerung, die dazu da ist, vergewaltigt zu werden, und mit der man alles tun kann, fasziniert die männliche Phantasie, besonders die der Linken, und wurde in die euphemistische Forderung nach „freier Liebe“ und „freien Frauen“ übersetzt. (…) Als Variante des linken Themas sieht Christoph Lasch in Das Zeitalter des Narzißmus Sade zwar nicht als den Erfinder einer neuen Ethik sexueller Kollektivität, aber doch als einen, der den Zerfall der bürgerlichen Familie mit ihrer „sentimentalen Einstellung gegenüber Frau und Familie“ und den Zusammenbruch des Kapitalismus selbst voraussah. Nach Lasch antizipierte Sade eine „Verteidigung der sexuellen Rechte der Frau – ihres Rechts, über den eigenen Körper verfügen zu können, wie Feministinnen das heute ausdrücken würden (…) Er nahm deutlicher wahr als die Feministinnen, daß im Kapitalismus alle Freiheiten letztlich auf dasselbe hinauslaufen, nämlich auf die universale Verpflichtung, zu genießen und genossen zu werden.“
Sade erscheint immer mehr als feministische Vordenker. Allerdings sind wir bei den allermeisten Männern weit davon entfernt, an staatliche Zwangsprostituition für alle Frauen zu denken.
(S. 122) De Beauvoir hatte verstanden, daß „die grundlegende Einsicht, auf der Sade seine ganze Sexualität und dementsprechend seine ganze Ethik aufbaute, (…) die Erkenntnis [ist], daß der Koitus und die Grausamkeit im Grunde identisch sind“ (…) Nichts in Sades Werk spielt sich außerhalb des Bereichs der gewöhnlichen Männermeinung ab. In Handlung und Sprache sieht Sades Konzeption von Romantik so aus: „(…) Der einzige Weg zum Herzen einer Frau folgt dem Pfad der Qual. Ich kenne gewiß keinen anderen.“ Sades Konzeption von Sexualität sieht so aus:
„(…) es gibt keine egoistischere Leidenschaft als die Wollust, keine, die in ihren Forderungen strenger wäre. Starr vor närrischer Lust mußt du dich einzig und allein mit dir selbst beschäftigen, während das Objekt, das dich bedient, immer als eine Art Opfer gesehen werden muß, auserkoren für das Feuer deiner Leidenschaft. Erfordern nicht alle Leidenschaften Opfer?“
Nichts außerhalb in Sade Werk spielt sich außerhalb der normalen Männermeinung ab? Wirklich? Sex mit Leichen ist eine normale Männermeinung? Eine Frau beim Sex zu töten ist eine normale Männermeinung?
(S. 123) Würde Sades Werk – langweilig, repetitiv und häßlich wie es ist – nicht diese ganz gewöhnlichen Werte verkörpern, wäre es schon längst vergessen. Hätte Sade selbst – ein Sexualterrorist und Sexualtyrann – in seinem Leben nicht eben diese Werte verkörpert, hätte er nicht die verdrehte, selbstgerechte Bewunderung jener erregt, die ihn als Revolutionär, Helden oder Märtyrer feiern (oder, in der banalen Sprache Richard Gilmans, als den „ersten in der modernen Zeit, der mit zwingender Überzeugungskraft verkündete, daß das Begehren von den Forderungen der Gesellschaft abweichen und die Taten sich nicht an das halten sollen, was die moralischen Strukturen vorschreiben“).
Die Behauptung, dass es solche Werte verkörpert und gerade deswegen akzeptiert ist, tritt sie jedenfalls in dem zitierten Text nicht an. Er wurde ja auch keineswegs umfassend als Revolutionär und Held gefeiert und auch heute werden die meisten sein Werk eher mit einer gewissen Verstörung lesen. Sicherlich kann man darauf abstellen, dass de Sade insofern eine Befreiung der Sexualität war, weil er mit seinem Werk den Bereich des krankhaften, des perversen, vollkommen neu gestaltete und damit auch den Weg für „normale Perversitäten“ etwas weiter machte, aber das bedeutet nicht, dass er ein Held der Männer ist. Auch viele Frauen mögen das perverse, gerade auch das devotere. Es ist nicht allein auf Männer ausgerichtet.
(S. 131) Der Pseudofeminist Havelock Ellis schildert die Art, wie der erwachsene Mann agiert, mit subtiler Untertreibung und mit Feingefühl: „Sie ist, körperlich gesprochen, in der Liebe unweigerlich das Instrument. Es sind seine Hand und sein Bogen, welche die Musik zum Klingen bringen.“ Die blindwütigen Antifeministen Ferdinand Lundberg und Marynia F. Farnham sagen dasselbe, nur mit weniger Eleganz:
(S. 132) (…)“Beim Mann ist Sex mit einer objektiven und bewußten Handlung verbunden, bei der Frau nicht. (…) Ihre Rolle ist passiv. Für sie ist es ebenso leicht, wie von einem Holzklotz zu fallen. Ja, es ist sogar leichter. Es ist so leicht, als wäre sie selbst der Klotz.“ (…) Männer können objektiv sein, (…) weil sie eben keine Objekte sind. (…) Eine Frau, die sich dagegen wehrt, ein Klotz zu sein, ist definitionsgemäß keine Frau.
Auch hier wieder: unbelegtes Geschwafel. Heutzutage können Frauen durchaus aktiv sein. Die wenigsten Männer werden einen Klotz im Bett haben wollen. Eher ein aktive Frau, die bläst, reitet, aktiv beim Sex dabei ist. Nur weil sie meint, dass eine Frau ein Klotz sein muss, muss dies eben nicht der Wirklichkeit entsprechen.
(S. 134) Anthony Ludovici: „Sie hat keine „Identität als Frau“, die es erst zu suchen und zu finden gilt, während wir sie in Ruhe lassen. In dem Augenblick, in dem wir sie alleine lassen, kann sie kein echtes Weib mehr sein (…)“
Warum sollte sie keine Identität haben?
(S. 135) Otto Weiniger: „Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib. Daß das Weib da ist, heißt also nichts anderes, als daß vom Manne die Geschlechtlichkeit bejaht wurde. Das Weib ist nur das Resultat dieser Bejahung, es ist die Sexualität selber. (…)“
Auch das ist natürlich aus Sicht der Evolution natürlich falsch. Der Mann schuf nicht das Weib. Mann und Frau gibt es weit länger als den Menschen. Und Mann und Frau schufen sich in ihrer heutigen Form gegenseitig, im Wege der sexuellen Selektion. Beide Geschlechter haben „ihre Sexualität bejaht“, aber eben auf verschiedene Weisen, die jeweils zu den von ihnen beim Sex zu tragenden Kosten und Risiken entsprachen. Die Frau ist nicht die Sexualität selbst, sie ist eben das, was ein heterosexueller Mann begehrt, genau wie eine heterosexuelle Frau eben den Mann begehrt. Die Sexualität des Mannes mag dabei anders ausgerichtet und körperlicher sein, aber auch die Frau stellt Anforderungen und bezieht auf vielen Ebenen Punkte über den Mann ein, die ihn ebenfalls nicht unbedingt als Mensch betreffen, sondern als Versorger, Beschützer oder Repräsentant guter Gene.
(S. 136) Der Antifeminist H.L. Mencken biete in seiner Antwort auf die erste Welle des Feminismus folgende großzügige Lösung an: „Eine Methode, den geschmacklosen Verbrechen, von denen die schwarzseherischen Suffragetten reden, ein Ende zu bereiten, wäre, die Köpfe aller hübschen Mädchen auf der Welt zu rasieren, ihre Augenbrauen auszuzupfen, ihnen die Zähne zu ziehen, sie in Khaki zu stecken und ihnen zu verbieten, auf dem Tanzboden mit den Hüften zu wackeln, Parfüm zu verwenden, Lippenstift aufzulegen oder mit den Augen zu rollen.“
Sicherlich ein Weg sexuelle Macht einzuschränken. Wobei dennoch die hübscheste der dann vorhandenen Mädchen sexuelle Macht ausspielen könnte. Aber auch wenn dem so wäre: Der Vorschlag hat wenig Anhänger, die meisten Männer wollen schöne Frauen um sich haben, keine hässlichen. Sicher gibt es immer wieder welche, die meinen, dass es unfair von Frauen ist, sich so herauszuputzen, aber sie sind in der Minderheit. Und auch in Pornos geht es nicht darum, Frauen möglichst schlecht aussehen zu lassen, sondern sie sexuell ansprechend darzustellen.
(S. 138) Die Liebe für ein Sexualobjekt oder das Begehren eines Sexualobjekts oder die Besessenheit von einem Sexualobjekt werden in der männlichen Kultur als eine Reaktion auf die Eigenschaften des Objekts selbst gesehen.
Wohingegen Frauen pure Liebe empfinden können, vollkommen unabhängig von irgendeiner Eigenschaft des „Objekts Mann“. Es scheint mir sehr naiv zu sein, dass Begehren vollkommen ohne Anforderungen an das „Objekt“ entstehen kann. Attraction is not a Choice, weder bei Männern noch bei Frauen. Es sind eben beide Geschlechter ein Produkt ihrer Evolution und gegenseitigen Zucht.
(S. 143) Poe: „Der Tod einer schönen Frau ist also fraglos der dichterischste Gegenstand auf Erden. (…) Schönheit wird begehrt, um sie zu beschmutzen; nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen des Vergnügens, das aus der Gewißheit entsteht, sie zu entweihen“.
Das mag für den Dichter so sein, weil er eben eine schöne Frau und ihr Leiden nutzen kann um besondere Tragik und besondere Gefühle wiederzugeben. Aber ansonsten halte ich den Gedanken für wenig ausgereift: Zwar mag für viele Männer das erste Rumbekommen einer Frau etwas besonderes sein, weil es der schwierigste Teil ist, aber das als Wille zur Abwertung aller Frauen durch aller Männer aufzubauschen ist ein sehr schlechtes Argument. Die meisten Männer begehren Schönheit, weil sie damit den Vorgaben ihrer biologisch abgespeicherten Attraktivitätsmerkmale, die im Wege der Evolution entstanden sind folgen und bereits deswegen Erregung fühlen.
(S. 145) Prostitution symbolisiert das gesamte Spektrum männlicher Macht und bildet ein festes Fundament sexueller Erregung. Flaubert sah das so: „Vielleicht ist es ein perverser Geschmack, aber ich liebe die Prostitution um ihrer selbst willen, unabhängig davon, was darunter steckt.“ (…) Die Prostituierte wird als Antithese des Mannes gesehen. In Baudelaires Sprache ist der Mann zivilisiert, ein Dandy; die Frau (S. 146) ist natürlich, das Abscheuliche. Die Sprache wechselt je nach Autor, konstant aber bleibt, daß dieses intensive Gefühl der Entfremdung von der Frau für das Entstehen sexueller Erregung notwendig ist. Die Frau, die der Mann als Person kennt und nicht als Objekt, kann niemals – in den Worten von Havelock Ellis – „ein richtiges Mädchen“ sein.
Die Prostituierte ist keine Antithese des Mannes. Sie ist auf der einen Seite unkomplizierter Sex, was die meisten Männer wollen, und auf der anderen Seite ein gewisses Eingeständnis auf anderem Wege keine Frau zu bekommen und ebenso mit einem gewissen Unbehaben versehen, weil es eben vorgetäuschter Sex ist, sie einen nicht wirklich will, sondern das Geld, sie hat natürlich auch den instinktiven Nachteil einer „geringen Vaterwahrscheinlichkeit“, der sie als Partnerin gleichzeitig wieder unattraktiver machen kann. Die meisten Freier wären wahrscheinlich froh, wenn sie sich nicht entfremdet, wenn sie ihn gerade so toll findet, dass sie auf „echten Sex“ umschaltet und „girlfriendsex“ bietet. Die Grenzen wird hier wohl häufig weniger der Mann als vielmehr die Prostituierte setzen.
(S. 150) Fetischismus wird als unangebrachte Einschränkung der sexuellen Reaktionsfähigkeit betrachtet; Objektivierung wird als angebrachte Einschränkung der sexuellen Reaktionsfähigkeit betrachtet. Die beiden unterscheiden sich eigentlich überhaupt nicht voneinander. Sie verraten ein Kontinuum von Unfähigkeit.
Also Objektifizierung ist das, was Männer machen und es verrät Unfähigkeit. Man konnte auch nicht wirklich erwarten, das Dworkin ein positives Verhältnis zu männlichen Sexualität hat. Aber was sie unter Objektifizierung versteht muss eben nichts schlechtes sein. Wie sagte es Adrian so schön: „Nackte Frauen sind kein Sexismus. Heterosexualität ist kein Sexismus. Merkt Euch das„
(S. 151) Da es so gut wie keinen Körperteil, kein Kleidungsstück und keine Substanz gibt, die nicht irgendwo von irgendwelchen Männern fetischisiert wurden, ist es für eine Frau in der Tat schwer, keine Fahne rauszuhängen – außer sie läuft nackt herum, was nun wieder eindeutig als Fahne interpretiert würde.
Also: Männer, die geilen Schweine sexualisieren eh alles, deswegen wird eine Frau immer zum Objekt gemacht, selbst wenn sie sich züchtig anzieht, dann werden eben die Fingerspitzenfetischisten zuschlagen und sie ist doch wieder ein Sexualobjekt. Es gibt eben kein Entkommen.
(S. 153) Der sexuelle Fetisch hat oft eine Funktion, die seine Bedeutung als magischer Verursacher von Erektionen verschleiert. Der Schuh etwa wird von Frauen verschiedenartig gesehen, aber fast nie als magische Ursache männlicher Erektionen.
Oder: Ein Fetisch ist einfach ein Fetisch.
(S. 154) Doch mit Sicherheit ist Fetischismus eine logische Folge von Objektivierung: Denn wenn die Wahrnehmung von Personen als Gegenstände kein Verbrechen gegen die so wahrgenommene Person ist, dann gibt es kein Verbrechen, weil jede Verletzung der Frau von diesem sogenannt normalen Phänomen ausgeht. (…) In Marcuses Worten (…): „Das ist es. Die Frau, das Land ist hier auf Erden, um hier auf Erden gefunden zu werden, lebend oder sterbend, die Frau für den Mann, erhaben, einzig, eine stets erneuerbare Spannung, Romeos und Don Juans, man selbst und das andere, Dein oder Mein, Erfüllung in Entfremdung.“
Wenn die Wahrnehmung von Personen als Gegenstände kein Verbrechen ist, dann gibt es kein Verbrechen. Hübsch gesagt. Aber reichlich sinnleer, insbesondere weil eben weibliche Partnerwahl ebenfalls als Objektwahl, nur nach anderen Kriterien, angesehen werden kann. Wie bereits dargestellt ist sexuelle Erregung beim Mann eben anders ausgerichtet als bei einer Frau. Frauen werden nicht als Gegenstände wahrgenommen, sondern ihre Körper spielen eine größere Rolle. Durchaus ein Unterschied.
(S. 160) Havelock Ellis: „Bei den abnormen sadistischen Erscheinungen, die von Zeit zu Zeit bei zivilisierten Menschen auftreten, handelt es sich fast immer darum, daß das Weib ein Opfer des Mannes ist. Beim normalen Sadismus hingegen, dem wir in einem großen Teil des Tierreichs begegnen, ist fast immer das Männchen das Opfer und das Weibchen der Tyrann.
Beim normalen Sadismus ist das Männchen das Opfer und das Weibchen der Tyrann? Das ist dann „Normaler Sadismus“ und er ist besser, weil „natürlich“? Selbst wenn es stimmen wäre, dann wäre es natürlich ein naturalistischer Fehlschluss. Allerdings habe ich bereits meine Zweifel, dass sie mit dieser Aussage überhaupt recht hat. Denn welches Geschlecht einen „Sadismus“ entwickeln kann hängt natürlich von den biologischen Grundlagen ab. Bei einer Spezies, die in Gruppen lebt und eine gewisse intrasexuelle Konkurrenz besteht wird Status und Macht der Männer wichtig. Was Ausdrücke von Macht sexy machen kann. Im übrigen wären auch viele unser direkten Verwandten keine Kinder von Traurigkeit: Vergewaltigungen sind bei Schimpansen nicht ungewöhnlich und auch ein Gorilla wird seinen Harem nicht erobern, wenn er nicht brutal ist.
(S. 161/162) Wenn es vielleicht manchen erstaunen mag, daß wir im Laufe unserer Untersuchungen dazu kommen, ein gewisses Maß an Grausamkeit beim Mann als ein natürliches Phänomen mit Gleichmut zu bezrachten, so mögen sie nicht vergessen, daß diese männliche Grausamkeit nur ein geringes Gegengewicht bildet gegen die Brutalitäten, die von langer Zeit het, seit der Zeit, ehe noch an Menschen zu denken war, von dem weiblichen Geschlecht am männlichen ausgeübt wurden.“
Das ist wohl ihr Folgerung daraus, das die guten Sadisten eigentlich Frauen waren.
(S. 163) Die „Ex-und-Hopp“-Sexualität des menschlichen Männchens erscheint in diesem Zusammenhang als ein vernünftiger Versuch, Leib und Leben vor der sadistischen Hinterlist des Weibes zu retten.
Oder: Sie ist eine recht logische evolutionäre Entwicklung aus den hohen Fixkosten der Frau und den vergleichsweise geringen Minimalkosten des Mannes. Die wir auch ansonsten überall im Tierreich beobachten können. Es ist nicht die Ex und Hopp Sexualität, die schwer zu erklären ist, sondern eher die aktive Vaterschaft und die Bindung. Vorsicht vor der sadistischen Hinterlist des Weibes wäre da eher das kleinere Problem. Auch aufgrund der höheren Körperkraft der Frau.
(S. 165) Der Käfig ist gerechtfertigt, weil das Tier darin wild und gefährlich ist. Die Sexualphilosophen brauchen ebenso wie die Pornographen den Glauben, Frauen seien gefährlicher als Männer, um ihre gesellschaftliche und sexuelle Herrschaft über sie rechtfertigen zu können. (…) Ebenso wesentlich für das männliche System ist aber auch die Illusion, daß Frauen nicht von Männern kontrolliert werden, sondern frei handeln. (…) Was Frauen in ihrer Privatheit tun wollen, stimmt zufällig mit dem überein, was Männer von ihnen verlangen. Das ist der mieseste Aspekt der Pornographie: Die Beschwörung dessen, was Männer ale die geheime, versteckte, echte Fleischlichkeit der Frauen bezeichnen, freier Frauen. (… ) Coleridges „gewollte Aufhebung des Zweifels“ funktioniert bei der Betrachtung von Pornographie besser als je bei der Lektüre von Literatur. Die gewollte Aufhebung des Zweifels ist entscheidend.
Nette Verschwörungstheorie. Die Frau wird als wild und gefährlich dargestellt um ihr die Illusion von Freiheit zu geben, während sie in Wahrheit allerdings nur das macht, was der Mann ohnehin will. Wie frei ist eigentlich der adelige Landarzt in einem Frauenroman oder der verwegene Piratenkapitän? Können sich nicht beide am Ende auch nur in die Heldin verlieben, so wie die Frau im Porno nur Sex mit dem Mann/Männern/anderen Frauen haben kann? Wird nicht auch hier der Zweifel aufgehoben. Im Endeffekt setzt jedes Geschlecht schlicht seine Wunschvorstellungen um, die beim Mann eben sexueller und optischer ausgerichtet sind. Viel mehr braucht es gar nicht, um Pornos tatsächlich zu verstehen.
(S. 166) Als Pornographie-Konsument muß man in der Tat fähig sein, den Zweifel aufzuheben. Sollte sich der Zweifel als hartnäckig und schwer aufzuheben erweisen, dann liefert das Wissen um die Bezahlung der Modelle die Bestätigung, daß sie Huren sind, und dann sind die Fotografien der einfache Ausdruck einer allgemeinen Wahrheit. Für den Betrachter, der daran denkt, daß die Fotografien künstliche Konstrukte sind, beweisen sie, was sie zeigen: daß Frauen Huren sind, stumpfsinnige und böse noch dazu; daß die Hurerei den Frauen gefällt; das Frauen sich für die Hurerei entscheiden.
Natürlich braucht man eine gewisse Illusion, um sich von der Szene anregen zu lassen und die Vorstellung von willigen Frauen ist eben für viele Männer attraktiv. Das Wissen um die Bezahlung spielt dabei meiner Meinung nach eher eine geringe Rolle. „Gestohlene“ Promivideos mit einer hübschen Frau sind ebenso beliebt, obwohl es da um echten Sex geht, der unbezahlt ist. Es ist sexuelle Verfügbarkeit und Lust auf Sex der Frau, die Männer aus recht nahe liegenden Gründen anregt: Weil sexuelle Verfügbarkeit und Lust auf Sex eine gute Gelegenheit sind, unkompliziert Sex zu haben und dabei dann unter Steinzeitlichen Bedingungen eine Chance zu haben, seine Gene weiterzugeben. Es wäre eher erstaunlich, wenn dies auf Männer nicht anregend wirken würde.
(S. 167) „Das Wesentliche an der Vergewaltigung“, schreibt Suzanne Brogger, „liegt meiner Erachtens nicht im Grad der angewendeten geistig-physischen Gewalt (…), sondern in dem Bild von der Frau, das sich die Männer machen und das Vergewaltigung überhaupt erst ermöglicht. Eine Frau muß schon tot oder blutig zugerichtet sein, ehe man ihr glaubt, daß sie einer Gewalttat zum Opfer gefallen ist.“ Das Wesen der Vergewaltigung liegt also in der felsenfesten Überzeugung, daß keine Frau Opfer ist, egal wie sehr sie durch das, was sie tut, entwürdigt wird.
Meiner Meinung nach liegt das Wesentliche einer Vergewaltigung darin, dass etwas gegen ihren Willen geschieht und dies dem Täter bewusst ist. Eine entwürdigende Behandlung oder eine Frau, die sich grün und blau schlagen lässt, ist keine Vergewaltigung, wenn dies mit Einwilligung der Frau erfolgt. Dworkins scheint hier eine Vergewaltigung konstruieren zu wollen, die nicht mehr auf den Willen desjenigen, mit dem etwas gemacht wird, abstellt, sondern auf eine abstrakte Frage, ob sie so etwas generell zustimmen sollte, wobei Maßstab nicht mehr ist, ob es ihr Spass macht, sondern eine abstrakte Wertung, ob es ihr unter Berücksichtigung der Verhinderung solcher Taten Spass machen sollte,
(S. 172) Die Bedeutung von Pornographie für den Mann wird in Gold aufgewogen; die Gefahr für Frauen in Federn.
Wenn es denn eine Gefahr für Frauen geben würde. Die Statistiken zeigen aber, dass Pornographie die Gefahr von Gewalttaten eher senkt. Weil der Trieb eben auf anderer Weise befriedigt werden kann.
(S. 180) Ellis: „Wenn man beim Manne die Tendenz nachweisen kann, dem Weib, das er liebt, Schmerz zuzufügen, oder doch ein Scheinbild des Schmerzes bei ihr hervorzurufen, so ist es noch leichter, umgekehrt zu zeigen, wie es für das Weib es Genuß ist, sich von ihrem Geliebten körperliche Schmerzen zufügen zu lassen und sich seinem Willen zu unterwerfen. Diese Tendenz ist ohne Frage etwas Normales.“
Das klingt erst einmal nach einem sehr essentialistischen Bild von Mann und Frau. Die Tendenz, dem Weib Schmerzen nachzuweisen, wird man wohl kaum bei allen Männern nachweisen können, ebenso wenig umgekehrt den „Genuß körperlicher Schmerzen“ bei dem Weib. Meiner Meinung nach sind solche Tendenzen, wenn sie denn bestehen, weit eher unter dem Gesichtspunkt Status und Dominanz sind attraktiver für Frauen im Schnitt einzuordnen. Denn beides sind Eigenschaften, die in der intrasexuellen Konkurrenz, also der Mann-Mann-Konkurrenz, sehr wichtig sind und daher auch in einem Attraktivitätsmerkmal bei der Partnerwahl für Frauen interessant sein können, schon wegen der Sexy Son Hypothese.
(S. 181) Aber da der Masochismus (…) auch bei einigen Männern auftritt, muß der weibliche Masochismus, selbst dieser noch, als dem männlichen Masochismus unterlegen angesehen werden. (…) Theodor Reik: „Aber wie kommt es, daß beim weiblichen Masochismus die Wildheit und Entschlossenheit, die Aggressivität und Kraft des männlichen Masochismus fehlt? Ich persönlich glaube, daß die Anatomie der Frau eine Kultivierung starker sadistischer Gefühle unmöglich macht. Es fehlt die unabdingbare Voraussetzung des Penis als Träger von Aggressionen.“
Eine gute Domina wird dem entgegenhalten, dass die männliche Anatomie durchaus sehr schmerzempfindlich ist, aber in der Tat kann mit einem Penis leichte vergewaltigt werden als mit einer Vagina. Aber das gilt auch nur dann, wenn man voraussetzt, dass Masochismus ein Eindringen des Penis in die Vagina erfordert, was eben nicht der Fall ist.
(S. 182) Es besteht unter Psychiatern und Psychologen die verbreitete Annahme, daß es einen freien Geist in einem kolonisierten Körper geben kann. (..) Die grenzenlosen Möglichkeiten weiblicher Entscheidung werden mit einem etwas anderen Schwerpunkt von Georges Bataille beschrieben: „(…) Prostitution ist die logische Konsequenz der weiblichen Einstellung. Wenn sie attraktiv ist, ist eine Frau die Beute männlicher Lust. Abgesehen von der völligen Verweigerung, weil sie entschlossen ist, keusch zu bleiben, bleibt die Frage offen, zu welchem Preis und zu welchen Bedingungen sie bereit ist, sich zu ergeben. Wenn aber die Bedingungen erfüllt werden, dann bietet sie sich immer als Objekt an. Die eigentliche Prostitution fügt nur das kommerzielle Element ein.“
Da ist bereits die Auffassung, dass eine attraktive Frau immer Beute ist, falsch. Sie ist begehrt bei Männern und Männer wollen mit ihr schlafen, natürlich. Aber gleichzeitig kann sie nicht nur fordern, sondern sie muss auch bei den besonders begehrten Männern etwas leisten. Beide Geschlechter haben hohe Partnerschaftsanforderungen und in beiden Fällen sind die Extrembereiche rar und begehrt. Die Frau muss sich nicht ergeben, sie steht in einem intrasexuellen Wettbewerb mit den anderen Frauen um die aus ihrer Sicht begehrten Männer und dort insbesondere nicht nur deren sexuelles Interesse, sondern eben auch dessen Bindungswillen. Es ist falsch, dass eine Frau sich aufgrund ihrer Schönheit zwangsläufig prostituieren muss. Sie kann es natürlich, sie kann sich also mit ihrer Schönkeit und der damit bewirkten Beeinflussung von Männern allerlei Vergünstigungen erkaufen. Aber es ist nicht zwangsläufig der Fall, sondern sie kann ihre Schönheit auch nutzen, um einen Mann, der ihrem Partnerwert entspricht, zu erlangen.
(S. 183) Jede sogenannte Entscheidung für Sexualität ist eine Entscheidung für Prostitution. Da sie Beute ist, „wenn sie attraktiv ist“, kann sie sich nur dann für Keuschheit entscheiden, wenn sie nicht attraktiv ist. Sobald sie vergewaltigt wird, ist sie schon allein deshalb attraktiv, weil sie ein Raubtier angezogen hat. Sobald sie vergewaltigt ist, hat sie sich, rückwirkend gesprochen – entschieden – für ihre dirnenhafte Natur entschieden. (…) Wenn ein Mann sie will und sie nimmt, ist sie eine Hure und hat eine Entscheidunggetroffen. Egal, was man ihr antut oder mit ihr tut, es bleibt, daß sie sich für ihren „Preis“ und ihre „Bedingungen“ entschieden hat.
Das sieht man schön das sexfeindliche an dieser Art von Feminismus. Die Zwanghaftigkeit, die Dworkin hier aufbaut, besteht keineswegs. Denn heutzutage ist es kein Problem für eine Frau Sex zu haben, ohne eine Hure zu sein. Wenn eine Frau in einer Beziehung keinen Sex hat, wird man das als merkwürig ansehen und wenn sie zu lange wartet auch. Sex ist dabei nicht der Preis, sondern etwas was sie selbst will, mit einem für sie interessanten Partner. Es ist insoweit einfach von der Prostitution abzugrenzen.
(S. 199) Die Pornographie geht davon aus, daß die normale Frau den Zwang, die Gewalt, den Schmerz verlangt. Diese pornographische Phantasie findet sich haargenau in den Werken der meisten anerkannten Sexualphilosophen wieder, die als Ideologen männlicher Vorherrschaft notwendigerweise die in ihr implizierten Werte akzeptieren. Diese pornographische Phantasie erklärt, warum Männer im allgemeinen nicht glauben, daß Vergewaltigungen und Schläge Verletzungen weiblichen Willens sind.
Hier wird also dargelegt, warum Dworkins Pornographie als so schädlich ansieht. Pornographie gaukelt Männern vor, dass Frauen Gewalt und Schmerz mögen, weswegen sie diese nicht als Verletzung weiblichen Willens ansehen und damit als unproblematisch. Problem daran ist nur, dass dies eben genau nicht der Fall ist. Weder stimulieren Pornos Gewalt noch glauben Männer, dass Vergewaltigung und Schläge den weiblichen Willen nicht verletzen. Genauso wenig, wie ein Betrachter eines Aktionfilmes meint, den nächstbesten Menschen einen in die Fresse hauen zu können bewirkt dies ein Porno. Weil die Reaktionen realer Frauen hinzukommen und wir zudem zwischen fiktiver und tatsächlicher Handlung unterscheiden könnne.
(S. 201) Der Mann hat die Macht zu benennen, und er benützt diese Macht in der Pornographie, um die Frau Schlampe zu nennen: ein geiles, liederliches, schamloses Ding, eine Hure, die sich immer anbietet, die danach verlangt oder darum bittet, als das benützt zu werden, was sie ist. Frauen, die jahrhundertelang keinen Zutritt zur Pornographie hatten und heute den Anblick des Drecks in den Regalen nicht ertragen, sind verblüfft. Frauen glauben nicht, daß Männer glauben, was die Pornographie über Frauen sagt. Aber Männer glauben es. Von den schlechtesten bis zu den besten unter ihnen, sie glauben es. — ich nehme an, Du hast nicht nur de Sade nicht gelesen (gut so, dieses dumm-dumpfe Sammelsurium voll Brutalität ist wirklich niemandem zu empfehlen), sondern kennst auch das hier nicht: http://www.amazon.de/Das-obsz%C3%B6ne-Werk-Geschichte-Edwarda/dp/3499128934 ??? —
Das ist eben genau nicht der Fall, Fiktion und Realität lassen die Realität deisen Verdacht möglich€ ist.
(S. 209) In der Welt der hochwertigen literarischen Pornographie, für die Die Geschichte des Auges ziemlich typisch ist, ist Gewalt von (S. 210) Bedeutung getränkt, weil sie ein Mittel zum Tod ist. Der Tod ist die überwältigende Essenz von Sexualität.
Weder ist Tod in der Pornographie üblich noch verleiht gerade dies der Gewalt Bedeutung. Der Tod ist nicht die überwältigende Essenz von Sexualtität, sondern letztendich das Leben, denn es geht um Fortpflanzung
(S. 211/212) Der intellektuelle Anspruch, der an das Werk gestellt wird, ist Batailles Enthüllung eines sexuellen Geheimnisses: die authentische Verbindung zwischen Sexualität und Tod. (…) Er hat die Tatsache verschleiert, daß es keinen männlichen Begriff von Sexualität gibt ohne Zwang als ihren wesentlichen Antrieb. Er hat dies erreicht durch die Romantisierung des Todes. (…) Die Sprache stilisiert die Gewalt und leugnet ihre fundamentale Bedeutung für Frauen, die ja tatsächlich getötet werden, weil Männer glauben, was Bataille glaubt und als reizvoll hinstellt: daß der Tod das schmutzige Geheimnis von Sexualität ist.
Es gibt keinen männlichen Begriff von Sexualität ohne Zwang als ihren Antrieb. Ein einfacher auf beider seitigen sexuellen Wollen beruhender Akt sexueller Lust scheint es als bei Dworkins nicht zu geben.
(S.214) Die Vorstellung von der Frau als sexuelle Provokateurin oder Dirne, durchgehend postuliert in der Pornographie als das erste Prinzip der Sexualität, sei – so heißt es – nicht wirklich weit verbreitet, werde nicht geglaubt. Die Vorstellung, daß Frauen Sexualität nicht mögen oder brauchen, sei stärker. Zu viele Migräneanfälle über zu viele Jahrhunderte hinweg hätten die Glaubwürdigkeit sowohl der Pornographen wie der ähnlich eingestellten Sexualphilosophen untergraben. Ja, die Idee der Frau als sexuelller Provokateurin mag bei Vergewaltigungsfällen wie der mythische Phönix aus der Asche emporsteigen. Sie mag sich bei Inzestfällen magisch einstellen, wo die Frau, die es will, ein vorpubertäres Kind ist. Für Frauen ist das plötzliche Auftauchen dieses Gedabkens, auf sie selbst angewendet, immer unglaublich und unerklärlich, besonders weil die meisten Frauen der Macht dieser Idee dann begegnen, wenn sie selbst körperlich mißhandelt wurden und danach beschuldigt und verurteilt werden. (…) Einmal angegriffen, wird sie beschuldigt, und die Idee bestimmt den unmittelbaren Verlauf ihres Lebens: In Vergewaltigungs- oder Inzestfällen ebenso wie bei Schlägen unterscheidet sich nämlich das sogenannte Opfer von anderen Frauen durch ihr provokantes Auftreten, was ihren individuellen Opferstatus erst auslöste, der nicht als Opferstatus bezeichnet werden kann, weil sie es provoziert hat.
Das Bild von der Frau als sexuelle Provokateurin wird meiner Meinung nach sehr gerne geglaubt, weil eine Frau damit eben auch sehr gut provozieren kann. Männer haben eben den stärkeren Sexualtrieb und sind dazu noch optischer ausgerichtet, so dass eine Frau wesentlich leichter und schneller sexuelle Erregung erzeugen kann und nutzen kann (im Schnitt natürlich). Das ist zu trennen von dem Umstand, dass diese Frau dann tatsächlich auch in dem Moment Sex will. Sexuelle Erregung zu erzeugen ist eben Macht und Fluch zugleich, wer sie erzeugen kann ist begehrt, kann sich aber nicht aussuchen, von wem. Eine Frau, die das Gefühl mag, erregen zu können und begehrt zu sein, muss deswegen nicht sogleich Sex haben wollen, aber das sind letztendlich Binsenweisheiten, die sie hier aber missachtet. Zu Provokation und sexuellen Übergriffen verweise ich auf den Slutwalk – Artikel, da ist das wesentliche gesagt.
(S. 215/216) Aber trotzdem gibt es auch noch eine andere Vorstellung, die näher an der Oberfläche liegt und in dem Sinne oberflächlich ist: daß Frauen verklemmt sind oder einen geingeren Sexualtrieb haben oder Sexualität nicht wollen oder brauchen. Vielleicht ist das ein Eingeständnis, wie pervers auch immer, daß niemand das, was Männer mit Frauen tun, jemals mögen oder wollen kann. Diese Idee, die ebenfalls als universelle Wahrheit verkündet wird, scheint der Idee zu widersprechen, daß Frauen von Natur aus Huren sind, die darum betteln, die es wollen, die es verlangen. Aber in Wirklichkeit ist sie die perfekte Ergänzung. (…) Das System ist idiotensicher. Die Frau, die es ja doch will, will Zwang. Sie drückt ihren Wunsch nach Zwang aus, indem sie Widerstand leistet, was Zwang provoziert, als das, was sie eigentlich will. Die Frau, die es nicht will, muß gezwungen werden. Sobald die Frau, die es nicht will, gezwungen wurde, ist sie nicht mehr unterscheidbar von der Frau, die Widerstand leistete, weil sie es wollte. Die Männerherrschaft ist schwindelerregend in ihrer ewigen Zirkularität. Kinsey ist der Sexualphilosoph, der beanspruchte, das heutige Sexualverhalten zu quantifizieren und also exakt zu beschreiben. Er und seine Anhänger schließen, daß Frauen einen geringeren Geschlechtstrieb haben und sich in ihrer Persönlichkeit, ihrem Verhalten und ihren Werten von Hemmungen bestimmen lassen. Kinseys Sexualideologie, die von jenen, die seine Arbeit fortsetzen, ohne wesentliche Änderungen übernommen wurde, benützen das Konzept (…), um Zwang gegen die Frau zu rechtfertigen, die es nicht will – ausgenommen solche Fälle, wo der Zwang ohnehin gerechtfertigt ist, weil sie es ja doch will, aber nicht die Anständigkeit hat, es zuzugeben (wobei sie beim Mann, der sie zwingt, tragische Probleme verursacht, weil er nicht gehemmt ist und das tut, was natürlich ist).
Ein Einverständnis, dass niemand das, was Männer mit Frauen tun, jemals mögen oder wollen kann? Sexfeindlicher Feminismus at its best! Ich dachte eigentlich schon, dass einige Frauen sehr gerne Sex mit Männern haben.
Im Folgenden baut sie auch wieder ein nettes männerbelastendes Zwangssystem auf. Frauen wollen keinen Sex, eine Frau, die doch Sex will, will eigentlich nicht den Sex, sondern die Unterdrückung. Das wird hier als männliches Denken über Sex wiedergeben. Und anscheinend auch von Dworkin-Anhängern geglaubt. Es passt natürlich gut in eine Rape Culture. Es ist aber vollkommen lebensfremd. Männer wollen, dass Frauen Sex wollen. Sie wollen sie nicht dazu zwingen. Die Herleitung ist hier mal wieder sehr dünn. Es ist einfach eine Aneinanderreihung von Behauptungen, die nur den überzeugen können, der sie glauben will.
(S. 217) Kinsey hatte einen Gutteil seines Lebens als Wissenschaftler mit dem Sammeln und Klassifizieren von Gallwespen zugebracht, die von männlichen Wissenschaftlern „Killerwespen“ genannt werden. Er nahm die Methoden, die er bei der Beschreibung der Gallwespe anwandte, und übertrug sie auf die menschliche Sexualität.
Ich bin jetzt kein großer Kinsey-Experte. Aber meines Wissens nach fiel ihm beim Studium der Gallwespen lediglich auf, dass deren Sexualität besser erforscht ist, als die der Menschen und daraufhin führte er intensive Befragungen von Gallwespen ..äh Menschen durch und nahm dann deren Aussagen als Basis für seine Ausführungen zur menschlichen Sexualität. Aber schon auch die Betonung von Gallwespen als „Killerwespen“ im Zusammenhang mit der Übertragung auf die menschliche Sexualität. Killerwespen! Auf die menschliche Sexualität übertragen! Der Mistkerl! Kein Wunder, dass Männer vergewaltigen!
(S. 218) Wissenschaftler neigen dazu, bei der Informationsbeschaffung über Insekten rigoroser und interessierter vorzugehen, als bei jener über Frauen, und Kinsey bildet keine Ausnahme. (…) Sein Hauptinteresse bei den Menschen galt den schichtspezifischen Unterschieden bei Männern.
(S. 219) Kinsey charakterisierte die sexuelle Reaktion als physiologisches Phänomen sowohl bei Frauen als auch bei Männern folgendermaßen: „Das Bild der sexuellen Reaktion findet seine engste Parallele in der Physiologie des Zorns.“ Er war der Meinung, daß die physiologischen Reaktionen bei Männern und Frauen gleich, die psychischen Reaktionen hingegen völlig unterschiedlich seien.
(S. 220) Für Kinsey sind die Frauen für die unnatürlichen sozialen Beschränkungen der Männer verantwortlich.
Rigoroses Vorgehen bei der Informationsbeschaffung klingt auch schon wieder nach Feindbild.
(S. 222) Die Verweigerung des Zutritts der Männer zum Körper der Frau wird an keiner Stelle in Kinseys Arbeit als Recht der Frau anerkannt. (…) Stumme Hingabe würde im Kinsey’schen System schon als „Reaktion“ gewertet werden
Hier mögen ebenfalls Kinsey-Experten noch einmal mehr zu schreiben, aber es ging ihm ja auch gar nicht um Rechte des Mannes oder der Frau, sondern um eine Beschreibung des Sexuallebens beider.
(S.223/224) Unter diesen Umständen sei es „unmöglich, eine Trennungslinie zwischen der offensichtlich gewerblichen Prostitution und den Beziehungen zwischen Ehegatten zu ziehen.“ Die grundlegende Gleichheit zwischen Ehefrau und Hure (Kinseys Version von „alle Frauen sind Huren“) ist Kinseys Argumentationslinie bei der Verteidigung der Prostitutuon als einer Institution, die akzeptiert werden muß, weil der Mann ein uneingeschränktes sexuelles Ventil braucht, das ihm seine Frau nicht bietet, weil sie einen geringen Sexualtrieb hat und verklemmt ist, das sie ihm jedoch trotz des geringen Sexualtriebes bieten würde, wenn sie nicht verklemmt wäre. (…)
Das ist ja eine klassische These, die ich in dem Artikel „Ein Mann zahlt immer für Sex, so oder so“ aufgegriffen habe. Da letztendlich für viele Männer Sex einer der Hauptgründe für eine Beziehung ist und viele das Gefühl haben in der „Partnerwerbung“ Geld ausgeben zu müssen und im Gegenzug viele Frauen sich auch gerne einladen lassen oder es als knauserig auslegen, wenn ein Mann nicht zahlt, kann dieser Eindruck leicht entstehen. Der geringere Sexualtrieb der Frau liegt meines Erachtens nach nicht an einer Verklemmtheit, wenn diese bei einigen Frauen auch einiges dazu beiträgt, sondern eben eher an der Verschiedenheit von Mann und Frau und dem höheren Testosteronspiegel, der ein wesentliches Element unseres Sexualtriebes darstellt. In der Tat scheint mir Prostitution ein einfaches Mittel für einen Ausgleich zu sein, der aber nicht nur den höheren Sexualtrieb, sondern eben auch die meist unkompliziertere Einstellung von Männern zum Sex, deren körperliche Einstellung und deren höhere Bereitschaft zu Sex ohne gefühlsmäßige Bindung berücksichtig.
Die sexuell natürliche Frau würde nie nein sagen, eben weil ihre sexuelle Natur apathisch ist. (…) Selbstverständlich hat Vergewaltigung keine authentische Existenz in Kinseys System, außer als repressives soziales Konstrukt, mit dem die Frauen den Mann verfolgen, bestrafen oder einschränken. Alles – Gesetz, persönlicher Protest oder Abwehr -, was den Mann davon abhält, die Frau so zu benützen, wie er die Frau benützen möchte, ist Moralismus oder sexuelle Hemmung oder soziale Einschränkung und leugnet oder verletzt die sexuelle Natur des Mannes, die darin besteht, zu nehmen und zu benützen, wie es ihm beliebt. Kinsey hat großen Sinn für Tragik, wenn unnötige soziale Schranken (also alle) die sexuelle Natur des Mannes behindern: „Die sexuellen Betätigungen selbst richten nur selten äußeren Schaden an, aber eine fehlende Ünereinstimmung in der Bewertung des sexuellen Verhaltens kann Persönlichkeitskonflikte, Verlust der sozialen Stellung, Gefängnis, Schande und selbst den Verlust des Lebens zur Folge haben.“ Hier ist der Mann das Opfer: er hat wegen einer Vergewaltigung Persönlichkeitskonflikte, er verliert seinen sozialen Status, er kommt ins Gefängnis, er wird entehrt und manchmal sogar getötet. Kinseys Aussage ist, daß es Vergewaltigung, sollte sie überhaupt existieren (denn meistens ist sie eingebildet), nicht geben würde, wenn sich Frauen fügten; und das täten sie, wären sie nicht verdreht. (…) In Kinseys System sind Vergewaltigungsklagen fast immer gefälscht, das Ergebnis von weiblicher Hysterie und nicht von männlicher Gewalt.
Alles, was den Mann abhält, die Frau so zu benutzen, wie er die Frau benutzen möchte ist Moralismus? Wiederum kenne ich Kinseys genaue Position nicht, aber ich bezweifele doch, dass er sich für Zwangsprostitution ausgesprochen hat. In der Tat kann man meiner Meinung nach fragen, warum man genau einem Mann verbieten soll, mit einer Frau gegen Geld Sex zu haben, wenn die Frau gerne gegen Geld mit ihm Sex haben will. Wer das aus rein moralischen Gründen (in Abgrenzung zu Gründen wie „Die Frauen wissen nicht was sie tun“ „Es gibt keine Freiwillige Prostitution“, das wären Argumente, die ich zwar nicht für richtig halte, die aber nicht auf reiner Moral, sondern einem Schutzgedanken aufbauen) verbietet, der muss sich einen Moralismus durchaus ankreiden lassen.
Für eine freie Sexualität einzutreten ist im übrigen nichts verkehrtes.
(S. 235) Vorausgesetzt wird, daß der Zutritt zum weiblichen Körper ein männliches Recht sei, und die Wahrnehmung dieses Rechtes selbst ohne Einwilligung immer noch nicht gesellschaftsschädigend sei. Überraschung und List sind kein Zwang. (…) Bei 91 Prozent der Fälle (…) war die sexuelle Handlung vom Mann geplant. Auch gezielte Planung stellt keinen Hinweis auf Zwang dar, weil natürlich beim normalen Mann „Interesse, Hoffnung und Planung unentwirrbar verschmolzen sind, wenn er sich einer sozial geeigneten Frau gegenübersieht“. Auch das Bündnis zweier oder mehrerer Männer gegen eine einzige Frau läßt nicht notwendigerweise auf erzwungenen Geschlechtsverkehr schließen: Das sind „polyandrische Situationen“.
Die Planung einer sexuellen Handlung macht eine Handlung auch nicht zu einem Zwang. Möglicherweise geht der Plan einfach auf und sie will auch Sex oder fühlt sich gerade durch das Ergebnis der Planung entsprechend angezogen. Warum ein Dreier mit zwei Männern automatisch Zwang sein soll kann ich auch nicht erkennen. Für einen Zwang muss insoweit schon eben ein Nachweis des Zwanges vorliegen
(S. 236) „Unsere Gesellschaft erwartet vom Mann, in heterosexuellen Beziehungen der Aggressor zu sein, und ein gewisses Maß an körperlichem Zwang und Nötigung ist deshalb akzeptabel und vielleicht sogar sozial notwendig. Mädchen [sic] werden oft ziemlich intensiven und wirksamen Nötigungen ausgesetzt: der Drohung, nicht mehr mit ihnen auszugehen; der Drohung, ihre Popularität durch negative Bemerkungen zu schmälern; ja selbst der Drohung, sie zu Fuß heimgehen zu lassen – all das ist nicht nur üblich, sondern wird auch als Teil des sozialen Lebens akzeptiert. Dasselbe gilt auch für körperlichen Zwang, aber hier bedarf es eines differenzierteren Urteilsvermögens.“ (…) „Bezüglich des Zwangs würden wir den Fall einschließen (in die Kategorie von Tätern, in der von der Definition her kein Zwang angewendet wurde), bei dem ein Mann eine unwillige Frau berührte oder kurz festhielt oder an sich zog; wir würden aber jene Fälle ausschließen, wo sie geschlagen oder körperlich überwältigt wurde.“
Intensive und wirksame Nötigungen, wie sie zu Fuß nach Hause gehen zu lassen. Okay, das Buch wurde 1981 geschrieben, aber auch dort konnten Frauen schon alleine nach Hause gehen. Die Erwartung, dass der Mann sie zwingend nach Hause bringen muss ist aus heutiger Sicht nicht nachzuvollziehen. Richtig ist, dass vom Mann verlangt wird, dass er den ersten Schritt macht und dominantes Verhalten wird durchaus belohnt. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Frau festgehalten und gezwungen wird. Ein solches Verhalten unterliegt vielmehr einer starken Ächtung. Im Gegenzug vergisst Dowkin auch aufzuzählen, dass auch von weiblicher Seite genug Druck ausgeübt werden kann um das zu erreichen, was die Frau will.
(S. 237) Vorausgesetzt wird, daß die Frau sich weigert, und der Mann als selbstverständliche Reaktion zum Zwang übergeht, und daß ihr Widerstand und ihre mangelnde Bereitschaft nur insofern von Bedeutung sind, als sie moralische Wertvorstellungen verraten, ohne die sie sich nicht weigern würde, oder aber einen versteckten inneren Konflikt, weil sie in Wirklichkeit das tun will, wogegen sie sich wehrt.
Dowkins stellt es hier als Teil einer Vergewaltigungskultur dar, die den Willen der Frau unbedeutend sein lässt. Das ist meiner Meinung nach aber tatsächlich nicht der Fall. Tatsächlich wird vom Mann ein Werben verlangt und Zurückhaltung durchaus strategisch von Frauen genutzt, damit sie anhand des Werbens des Mannes etwas über ihn schließen können. Es geht heute häufig nicht mehr darum, dass sie anständig ist, sondern auch, dass sie testen kann, wie ernst es ihm ist und ihr die passende Sicherheit zu geben, dass er der richtige ist. Natürlich mögen auch Überlegungen eine Rolle spielen, dass sie „nicht so ein Mädchen ist“ oder „nicht so leicht zu haben ist“, aber das ist zu einem nicht geringen Teil eben auch Konkurrenz und Statusbildung unter den Frauen, also intrasexuelle Konkurrenz.
(S. 238) da „ein Standard-Trick beim weiblichen Flirtverhalten darin besteht, den Mann zu irritieren und zu einem körperlichen Kontakt zu provozieren (…)“ ist es schwer, dem Mann auch die Anwendung grober Gewalt gegen die Frau zum Vorwurf zu machen (…) Nichtobjektive Personen, die keine Wissenschaftler sind, nennen das manchmal „Vergewaltigung“. Also werfen die Wissenschaftler dem Mann nichts vor, ja machen ihn nicht einmal für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Die masochistische Frau mit ihrem geringen Sexualtrieb oder den Hemmungen oder der Moral, die sich zum Schein wehrt, oder die wirklich, wenn auch zu Unrecht unwillig ist, ist in Wirklichkeit selbst für den Schaden verantwortlich, der ihr zugefügt wird, der kein echter Schaden ist, da sie in angemessener Weise benützt wird, weil sie eine Frau ist. (…) Niemals kann sie den Anspruch auf eine authentische körperliche Integrität stellen oder eine solche gar besitzen. Sie wird durch Gewalt weder verletzt noch zum Opfer, weil sie nur unter Zwang von der Natur das bekommt, was sie eigentlich will.
Ein körperlicher Kontakt ist in der Tat noch keine Vergewaltigung. Dennoch kann man natürlich unproblematisch grobe Gewalt gegen eine Frau kritisieren und bestrafen. Die Anschuldigungen sind von Dworkin hier schlicht aus der Luft gegriffen. Der Gedanke von Frauen als Opfer ist nicht abwegig, sondern drängt sich den meisten Leuten eher auf.
(S. 241) Das Wort Pornographie hat keine andere Bedeutung als (…) die schriftliche und bildliche Darstellung der niedrigsten Huren. (…) Huren kann es nur im Rahmen männlicher sexueller Herrschaft geben. Außerhalb dieses Rahmens wäre der Begriff der Hure absurd, die Benützung von Frauen als Huren undenkbar.
Dowkins unterschätzt denke ich hier, wie verbreitet das Konzept der Prostitution ist. Biologisch gesehen ist es schlicht der Tausch von Ressourcen gegen Fortpflanzungsmöglichkeiten. Schimpansen kennen das Konzept der Zahlung gegen Sex und es ist davon auszugehen, dass unsere Vorfahren es auch kannten, weit vor dem modernen Menschen, also vielleicht durchaus ein paar Millionen Jahre. Ob man über diesen Zeitraum durchgehend von einer männlichen Herrschaft ausgehen kann, wäre eine andere Frage. Prostitution kann man genauso als ökonomische Verwertung des höheren Sexualtriebes durch die Frau sehen, die dafür Ressourcen eintauschen kann, die sie sich sonst selbst besorgen müssten. Es steht dabei die Erfüllung des Sexualtriebs im Vordergrund, nicht die Unterdrückung der Frau.
(S. 242) Die Tatsache, daß man unter Pornographie allgemein die „Wiedergabe sexueller Dinge“ oder die „Darstellung von Sexualität“ versteht, belegt bloß, wie weit die Bewertung von Frauen als niedrige Huren verbreitet ist, und daß die weibliche Sexualität an sich als niedrig und verhurt angesehen wird.
Pornographie wird nicht als die Widergabe weiblicher Sexualität gesehen. Sondern als Umsetzung männlicher Sexualität. Als solche gilt sie als niedrig. Die weibliche Sexualität wird aus meiner Sicht weit weniger mit Pornographie in Verbindung gebracht, eher mit Liebesromanen und anderen gefühlsbetonten sexuellen Erlebnissen. Mit der Pornographie wird eher die männliche Sexualität abgewertet, so dass Dowkins Übertragung auch hier ins Leere läuft.
(S. 245/246) „Keine Prostituierte mit auch nur einem Anflug von Intelligenz“ schreibt Mencken, „steht unter dem geringsten Zwang“. „Was ist eine Prostituierte?“ fragt William Acton in seinem klassischen Werk über Prostitution. „Sie ist eine Frau, die für Geld gibt, was sie nur aus Liebe geben sollte“.
Das dürfte in der Tat ein häufiger Vorhalt sein. Weil die meisten Menschen nicht nachvollziehen können, dass man etwas so intimes verkauft. Was aber nicht bedeutet, dass man von einer Prostituierten tatsächlich erwartet, dass sie die gleichen Tatigkeiten mit jedermann kostenlos durchführt. Man würde es eben verständlicher finden, wenn sie Sex nur mit jemanden hat, mit dem sie um des Sexes willen Sex haben will. Nur Sex mit jemanden zu haben, mit dem man auch Sex haben will, ist evolutionstechnisch gerade bei Frauen ein hoher Wert. Denn es macht deutlich, dass sie ihre Fortpflanzungsinteressen umsetzen kann und sie nicht zugunsten kurzfristiger anderer Interessen, wie Ressourcen, opfert.
Jane Addams, die sich gegen den sogenannten weißen Sklavenhandel engagierte, bemerkt: „Der Prozeß gegen mehrere Zuhälter ließ in unserer Erinnerung den Eindruck zurück, daß alle an der Strafverfolgung beteiligten Männer zwar entrüstet waren über die zur Beschaffung des Mädchens angewandten Methoden [Entführung]; das Leben, das sie führen sollte, hätte ihrer Meinung nach aber durchaus der Ordnung der Dinge entsprochen, wenn sie sich freiwillig dazu entschieden hätte.“ Nur das Mütterliche kann das Verhurte abschwächen, ein eher konzeptioneller als realer Gegensatz, der sich der Annahme bedient, daß die mütterliche oder ältere Frau ohnedies nicht mehr begehrt wird. (…) „Das sexuelle Parasitentums“, schreibt Guyon, „ist der Frau angeboren.(…) Wie heuchlerisch ist es doch, im Weißen [sic] Sklavenhandel bloß ein Mittel zur Rekrutierung von Prostituierten zu sehen. Der Weiße [sic] Sklavenhandel ist universell und wird mit Einverständnis der „Sklavinnen“ getätigt, da jede Frau einen spezifischen sexuellen Wert besitzt. Sie muß sich dem Meistbietenden verkaufen, auch wenn es bezüglich der Qualität der Ware ein Betrug ist.“
„Sexuelles Parasitentum der Frau“ kennt man ja leider von Radikalmaskulistischer Seite. Das macht es allerdings noch nicht zu einer allgemein anerkannten These. Natürlich kann man die Auffassung vertreten, dass die Frau in einer Partnerschaft mit einem Mann immer ihren sexuellen Wert verkauft, im Gegenzug muss man dann aber auch das, was der Mann im Gegenzug bietet als Ware ansehen. Wer von beiden dann tatsächlich Käufer und wer Verkäufer ist und wer den besseren Deal bekommt kann dann sicher Gegenstand hitziger Debatten sein.
(S. 247) Der Wolfenden-Bericht aus Großbritannien, bekannt für seine Empfehlung, die Strafverfolgung einvernehmlich handelnder männlicher Homosexueller aufzuheben, war auch ein Bericht über weibliche Prostitution. Der Wolfenden-Bericht betont, daß „es Frauen gibt, die sich auch ohne ökonomische Notwendigkeit für dies Form des Broterwerbs entscheiden“. Der Wolfenden-Bericht empfiehlt eine Verschärfung der Strafverfolgung von Prostituierten und plädiert für eine striktere Anwendung der gegen Prostituierte gerichteten Gesetze.
Ich würde insoweit zustimmen, dass es Frauen gibt, die sich freiwillig für die Prostitution entscheiden. Ich wäre dafür beide Straffrei zu lassen. Die Lösung, bei der die Freier bestraft werden, die Prostituierten aber ihrem Beruf frei nachgehen können, erscheint mir sehr problematisch. Es ist schon sehr unfair einer Frau zu gestatten, dass sie einen Mann Sex gegen Geld anbietet, ihn lockt, vollkommen selbstbestimmt erscheint und sich ersichtlich freuen würde, wenn er ihre Dienste annimmt um ihn dann dafür zu bestrafen, wenn er dieser Versuchung nachgibt.
(S. 248) Die natürliche Frau ist eine Hure, die professionelle Prostituierte aber ist eine gierige Hure (…) „Hat eine Frau nicht einen winzigen Zug von Dirnenhaftigkeit,“ schreibt D. H. Lawrence, „dann ist sie in der Regel staubtrocken.“ Die Winzigkeit von Lawrence „Zug“ sollte nicht mißverstanden werden: „In Wirklichkeit haben sich in der Vergangenheit die meisten Frauen verkauft, und viele Dirnen haben sich auch kostenlos hingegeben, wenn ihnen danach war.“
Es gilt im Prinzip das oben bereits gesagte: Natürlich verkauft sich jedes Geschlecht für das, was es will an das andere Geschlecht. Und natürlich haben auch Huren einen Sexualtrieb, den sie ausleben wollen.
(S. 249) Die konservative Ideologie behauptet, daß die Trennung zwischen Mutter und Hure ein reales Phänomen sei. Die Jungfrau ist die potentielle Mutter. Die linke Ideologie behauptet, daß sexuelle Freiheit die schrankenlose Benützung von Frauen sei (…) Die Metaphysik ist rechts wie links gleich: Die Sexualität der selbstverwirklichten Frau ist die Sexualität der Hure (…) Rechte wie linke Männer fühlen sich der Prostitution als solcher aufs tiefste verpflichtet, egal wie sie theoretisch zur Ehe stehen. (…) Die alte Porno-Industrie war eine konservative, rechte Industrie: geheimes Geld, geheimer Sex, geheime Promiskuität, geheimes kaufen und Verkaufen von Frauen, geheimer Profit, geheimes Vergnügen nicht nur am Sex, sondern auch am Kaufen und Verkaufen. Die neue Porno-Industrie ist eine linke Industrie: gefördert besonders von den Jungs der sechziger Jahre als einfaches Vergnügen, lustvoller Spaß, öffentlicher Sex, die Hure aus dem bürgerlichen [sic] Heim auf die Straße geholt zum demokratischen Konsum für alle Männer. (…) Das schmutzige kleine Geheimnis der linken Porno-Industrie ist nicht die Sexualität, sondern das Geld. Die neue Porno-Industrie gilt bei den linken Männern als grundsätzlich radikal (…) wesentlich für die Politik der Befreiung ist die Massenvermarktung von Material, das Frauen abbildet, die als Huren benützt werden. Die Porno-Zuhälter werden von der Linken als Retter und Weise bejubelt.
Heutzutage behauptet meines Wissens nach niemand, dass sexuelle Freiheit bedeutet, dass man Frauen schrankenlos benutzen darf. Natürlich: Aus Sicht des Mannes wäre es schön, wenn Frauen sich von ihm schrankenlos benutzen lassen würden (weil sie ihn wollen). Aber das wird jedenfalls nicht als sexuelle Freiheit der Frau verstanden, auch wenn es ihre Sexuelle Freiheit ist, Sex zu haben, mit wem sie will und auch mit so vielen Männern wie sie will (wenn sie auch nicht – ebensowenig wie ein Mann – verlangen kann, dass man dies nicht in eine Bewertung über sie mit einbezieht). Eine Verpflichtung der Pornographie gegenüber sehe ich weder in der linken noch in der rechten. Richtig ist, dass Pornos die Schmutzecke etwas mehr verlassen haben: Das ist eine direkte Folge der Freizügigkeit der Frau, die es auch dem Mann erlaubt seinen Wunsch nach Sexualität anders zu handhaben und es ist sicherlich gleichzeitig auch eine Umsetzung neuer Medien und neuer Lebenssituationen: Wer eng an eng mit seiner Familie wohnte der mag es schwerer gehabt haben, einen Porno zu sehen als jemand, der eine Singlewohnung bewohnt. Und natürlich ging mit diesen neuen Medien auch eine Massenvermarktung einher, weil das neue Medium eben entsprechend eingesetzt werden konnte. Es hat aber nicht neue Bedürfnisse geschaffen, sondern lediglich neue Wege gefunden alte Bedürfnisse zu befriedigen. Porno-Zuhälter, die als Retter und Weise bejubelt werden scheinen mir auch nur in der Fantasie von Dworkin zu existieren.
(S. 251) Kapitalismus ist nicht bösartig oder grausam, wenn die Ware eine Hure ist; Profit ist nicht bösartig oder grausam, wenn der entfremdete Arbeiter ein weibliches Stück Fleisch ist; blutsaugerische Konzerne sind nicht bösartig oder grausam, wenn es sich bei den Konzernen um organisierte Verbrechersyndiakte handelt, die Votzen verkaufen (…) Armut ist nicht bösartig oder grausam, wenn es um die Armut von enteigneten Frauen geht, die nur sich selbst zu verkaufen haben; die Gewalt der Mädchtigen gegen die Machtlosen ist nicht bösartig oder grausam, wenn sie Sex genannt wird; Sklaverei ist nicht bösartig oder grausam, wenn sie sexuelle Sklaverei ist; Folter ist nicht bösartig oder grausam, wenn die Gemarterten Frauen sind, Huren, Votzen.
Hier baut sie einfach nur ein Schreckgespenst auf, indem sie negative Formulierungen verwendet. Die Frau an sich wird nicht verkauft, sie bietet eine Dienstleistung an und erhält dafür Geld. Sie wird nicht als Fleisch verkauft, sie profitiert selbst davon. Die Frauen in der Pornoindustrie sind keineswegs ohne Rechte, vielmehr sind sie es die in den Filmen den Ton angeben, denn sie sind die Stars der Filme und der männliche Darsteller meist unbekannter und leichter zu ersetzen. Es mag für Dwokin unvorstellbar sein, aber heute haben Frauen eigene Pornolabels und vertreiben dort Pornoprodukte. Sie schalten die Mittelpersonen aus und vertreiben ihre Pornos selbst über das Netz. Sie arbeiten im Pornobereich, weil dort schnelles Geld zu holen ist ohne das man – wenn man mit Sex mit fremden Männern zurechtkommt – viel dafür arbeiten muss.
Pornografie ist ein Geschäft für die Darsteller und die Produzenten. Es ist kein Mittel der Unterdrückung der Frau, es ist die Kapitalisierung des männlichen Sexualtriebs.
Interessant finde ich, dass man bei Dwokin doch so einiges findet, was auch heute noch im sexnegativen Feminismus vertreten wird. Das Buch selbst finde ich -zumindest diesen Auszügen nach, wenig überzeugend.
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