Wurffähigkeiten bei Männern und Frauen

Im Spiegel ist ein interessanter Bereich über die unterschiedlichen Wurffähigkeiten von Männern und Frauen:

Um das Phänomen zu ergründen, verglich der Sportwissenschaftler Jerry Thomas von der University of North Texas die Wurftechnik fünf Jahre alter US-Boys und US-Girls. Bereits hier beobachtete er große Unterschiede: Die Jungs beschleunigten einen Tennisball im Durchschnitt auf etwa 42 Kilometer pro Stunde, die Mädchen brachten es auf nur knapp über 30. Mit wachsender männlicher Kraft und dem Alter wurde der Unterschied noch größer.

Mit 13 warfen Jungs im Schnitt mit 85 Kilometer pro Stunde, die Mädchen hingegen nur mit 61. Mit 15 Jahren warf selbst der schlechteste Junge noch weiter und härter als das beste Mädchen in seiner Klasse, fand Thomas heraus.

Wir haben hier also sehr große Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die so hoch sind, dass selbst der schlechteste Junge besser war als das beste Mädchen. Also keine Überlappung in den Normalverteilungen.

Grund ist wohl zu einem großen Teil die Wurftechnik:

Vor allem in der Technik unterscheiden sich die Geschlechter. Bis zu einem Alter von vier Jahren werfen Jungen und Mädchen beide mit einem recht steifen Arm. Um mehr Schwung und damit auch größere Weiten zu erzielen, muss aber eine koordinativ schwierigere Bewegung ausgeführt werden – eine sehr komplexe Angelegenheit, die Jungen ab etwa vier Jahren besser beherrschen. Viele Frauen: Schlechtes Timing, wenig Wumms

Experten unterteilen Würfe in drei Phasen. Dabei werfen Rechtshänder im Idealfall, indem sie zunächst den linken Fuß vorsetzen. Während des Ausholens rotiert die Hüfte, in der letzten Phase die Schulter. Der ganze Körper ist im Einsatz, der Arm vollführt eine Bewegung wie eine Peitsche, bevor der Ball die Hand verlässt. Bei den meisten Mädchen ist die Wurfbewegung statischer. Viele Rechtshänderinnen stellen statt den linken Fuß automatisch den rechten voran. Die Bewegung kommt nur aus dem Arm. Aber das Hauptproblem ist: Das Timing bei der Schulter-Hüft-Rotation stimmt nicht. Wenn überhaupt erfolgt es oft gleichzeitig – eine gute Beschleunigung ist so nicht möglich. Sogar bessere und ältere Sportlerinnen haben dieses Problem oft.

Die Kinder haben also eine verschiedene Technik, wobei die Jungs die effektivere Technik schneller bzw. überhaupt erlernen. Interessant ist insoweit, dass sich die Geschlechtsunterschiede erst ab etwa 4 Jahren zeigen. Bei einem rein kulturellen Unterschied wäre das eher nicht zu erwarten.

Zu den Gründen dafür:

Jerry Thomas vermutet die Ursache im weiblichen Nervensystem. Auch evolutionsbiologische Erklärungen könnten möglich sein: Während der männliche Urmensch auf der Jagd seine Wurffähigkeiten trainiert habe, hätten die Frauen den Urzeit-Haushalt geschmissen und den Nachwuchs aufgezogen. Mit einem Baby auf dem Arm sei eine einwandfreie Schulter-Hüft-Rotation nicht möglich gewesen, mutmaßt Thomas. Wissenschaftlich gesichert ist das nicht.

Nur kurz sei darauf hingewiesen, dass eine Ursache im Nervensystem und eine evolutionsbiologische Erklärung sich nicht ausschließen, sondern vielmehr ergänzen: Auch das Nervensystem ist durch Evolution entstanden.

Legt man die gängigen Evolutionstheorien zugrunde, dann wäre ein Unterschied im Werfen geradezu zu erwarten. Alle Forschung weist darauf hin, dass unsere evolutionären Vorfahren die Arbeiten nach Geschlecht aufgeteilt haben und insbesondere die Männer jagten. Hinzu kommt, dass auch der Kampf eine männliche Domäne gewesen sein dürfte. Bei all diesen Tätigkeiten war die Wurfwaffe von enormer Bedeutung: Ein Wurfspeer ermöglicht die Jagd ohne sich in die Nähe des Tieres zu bewegen und somit vor seiner Gegenwehr weitgehend gefeit zu sein. Ebenso ergibt sich ein enormer Vorteil bei einem Kampf: Wer sich in einen Nahkampf begibt, der hat eine höhere Chance auf eine Verletzung als jemand, der den anderen mittels einer Fernkampfwaffe zu besiegen versucht.

Wenn dieses Bild zutrifft, dann würden Wurfeigenschaften und das schnellere Erlernen dieser einen erheblichen Selektionsvorteil gerade für Männer bewirken. Diese hätten hierdurch in vielen Bereichen sowohl ein bessere Chance auf eine gute Jagd als auch bei einem Kampf. Gute Werfer werden sich daher eher fortgepflanzt haben als schlechte Werfer.

Interessant auch die weitere Studie zu den Aboriginis:

Ein Vergleich mit Aborigine-Kindern dürfte den Mädchen aber Mut machen: In der Kultur der australischen Ureinwohner werden von Beginn an beide Geschlechter für die Jagd trainiert. Entsprechend besser werfen die Mädchen, fand Thomas heraus. Kaum irgendwo auf der Welt kommen sie so nah an die Leistungen der Jungen heran – bei den Tests von Thomas erreichten sie immerhin 78,3 Prozent der Wurfgeschwindigkeit ihrer männlichen Konkurrenz.

Also selbst dann, wenn beide Geschlechter für die Jagd trainiert werden werfen die Jungs besser. Dass spricht für eine biologische Komponente.