Erbschuld und der Nutzen unbestimmter Schuldvorwürfe im Feminismus

Bei Susanne14 gibt es einiges Interessantes zu Selbstpositionierungen, Identitäten und IDPOL:

Für Menschen, die schuldig geworden sind, ist Vergebung eine große Befreiung – für Menschen, die unschuldig sind, ist es keine. Falls ihnen eingeredet wurde, sie seien schuldig, ist es für sie eine Befreiung, wenn sie hören, dass sie nicht schuldig sind.

Menschen einzureden, sie seien schuldig, und anschließend dafür zu sorgen, dass sie auf die Vergebung, die man selbst ihnen anbietet, angewiesen bleiben, ist eine wirksame Methode, sie zu unterwerfen und von sich selbst abhängig zu machen.

Das ist meiner Meinung nach in der Tat eine der Prinzipien, nach der alle „Privilegientheorien“ letztendlich funktionieren. Es ist ein Machtinstrument und erlaubt einem selbst Kontrolle auszuüben. Ich hatte so etwas schon einmal in dem Artikel „Macht durch Anfordern des perfekten Verhaltens, Selbstüberwachung und Profeminismus“ dargestellt

Sie werden sich ihrer selbst und ihres Urteils unsicher bleiben und stattdessen Bestätigung von außen brauchen. Dies gilt gerade dann, wenn es nichts Konkretes gibt, wegen dessen die Menschen schuldig geworden sind. Wenn jemand etwas Konkretes getan hat, ist es möglich, dieses Konkrete zu benennen, der betreffende Mensch kann die Vorwürfe bedenken und entweder akzeptieren, wenn er einsieht, dass er etwas falsch gemacht hat und dann sein Verhalten ändern. Sein Urteilsvermögen wird nicht in Frage gestellt. Wenn die Vorwürfe dagegen diffus sind, weiß man nicht, wo man ansetzen soll, und beginnt an sich selbst zu zweifeln.

Das ist wohl der Grund, warum im Feminismus die meisten Konzepte nebenhaft bleiben. Gerde in dieser Unbestimmtheit liegt eben die Stärke, gerade auch in Verbindung damit, dass man die Definition immer mehr erweitert. Da kein konkreter Vorwurf vorhanden ist, sondern alles irgendwie als Stütze des Patriarchats/der Heteronormativität/der hegemonialen Männlichkeit gewertet werden kann, kann man in diesen Theorien nicht mehr frei von Schuld sein. Das zeigt sich auch gerade an Theorien nach denen zB Männer keine Feministen sein können, sondern nur profeministen oder Verbündete, weil sie eben immer die Erbschuld tragen oder Weiße nicht antirassistisch sein können, weil sie eben „von den Strukturen profitieren“, also behaftet mit der Erbsünde sind.

Der Punkt, dass die Gruppe, die sich als unterdrückt sieht, gleichzeitig die Bestätigung erteilen kann, dass man gut war, dass man nichts falsch gemacht hat, ist dabei aus Machtgesichtspunkten die perfekte Ergänzung zu vagen Konzepten: Genau wie Susanna sagt kann dann eben nicht widersprochen werden, sondern es muss akzeptiert werden. Um so mehr man die Vergebung oder auch nur Nichtverachtung von dem Willen der Gruppe abhängig macht, um so besser wird deren Position. Hinzu dürfte kommen, dass die Gruppenmitglieder ein starkes Gefühl aufbauen, dass sie tatsächlich Richter über richtig und falsch sind und daher einen Anspruch auf diese Entscheidungshoheit haben.

Die Abwärtsspirale zeigt sich auf den feministischen Blogs gerade in der Selbstzerfleischung bei der Critical Whiteness. Dort sind sie selbst  Leidtragende der Vorwürfe und Privilegienträgerinnen. Ich hoffe, dass durch diesen Prozess vielen die Radikalität dieser Theorien deutlich wird  und sie erkennen, dass sie auf Männer angewandt nicht gerechter sind als auf dem Gebiet der Critical Whiteness.