Gender Studies, Voreingenommenheit und Wissenschaftlichkeit

Leser Peter schreibt in einem Kommentar zum Thema Objektivität in der Wissenschaft:

Absolute Objektivität gibt es nicht, schon klar. Wenn aber eine Geschlechterforschung zentrale Fragen, die es zu beantworten gilt, schon in ihren Glaubensdogmen abschliessend beantwortet, dann befinden wir uns nicht mehr im Bereich der Forschung, sondern (im Fall der GenderStudies) im Bereich der Gesellschaftspolitik. Nicht etwas zu beweisen ist primär ihr Anliegen, sondern etwas zu erreichen. Die “Forschung” hat sodann primär das Ziel, Forschungsergebnisse zu generieren, die dem politischen Ziel dienen und Ergebnisse, die das politische Ziel in Frage stellen, zu ignorieren.

Die Einseitigkeit der GenderStudies, insbesondere ihre Weigerung, kritische Fragestellungen überhaupt zuzulassen, zeigt, dass keinerlei BEMÜHEN vorhanden ist, einen objektiven Standpunkt einzunehmen. Dieser Einwand wird, wie von Joachim vorexerziert, mit der saloppen Feststellung gekontert, dass es (absolute) Objektivität nicht gäbe. Dies ist eine grundsätzliche Absage an wissenschaftliche Methodik.

Die GenderStudies sind bekanntlich von den Analysen Focaults beeinflusst:
Eher ist wohl anzunehmen, dass die Macht Wissen hervorbringt […]; dass Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; dass es keine Machtbeziehung gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert.

Die feministische Schlussfolgerung zu Focaults Ansicht der Verschränkung von Wissen und Macht ist naheliegend: Wer Macht hat, der konstituiert Wissen, wer Wissen konstituiert, der bestimmt, was als wahr und was als falsch zu gelten hat. Genau so operieren Feministen. Nicht das Argument zählt, sondern die Macht, “Wissen” zu generieren und Anschauungen gesellschaftlich zu etablieren. Ein solches “Wissensgenerierung” nenne ich politische Propaganda, die vortäuscht, Wissenschaft zu sein.

In der Tat scheint mir in den Genderwissenschaften ein sehr großer Druck zu herrschen, zu den richtigen Ergebnissen zu kommen, also eine Gleichheit der Geschlechter zu ermitteln und eine Benachteiligung der Frau.

Hingegen müssen andere Wissenschaftler keineswegs bezüglich der Geschlechterfrage und auch nicht bezüglich eine Anlage-Umwelt-Debatte so vorbeeinflusst sein. Wer zB über Transsexualtiät forscht, der will als Mediziner eben neue Methoden finden, die den Wissenstand weiterbringen. Er muss nicht unbedingt eine Ungleichheit von Mann und Frau feststellen.

Zumal hier eben der Vorteil ist, dass man die Zusammenhänge mit bestimmten Genen etc gut überprüfen kann. Was bei dem philosophischen Ansatz der Genderwissenschaften in der Regel nicht gemacht wird.

43 Gedanken zu “Gender Studies, Voreingenommenheit und Wissenschaftlichkeit

  1. „saloppen Feststellung gekontert, dass es (absolute) Objektivität nicht gäbe. Dies ist eine grundsätzliche Absage an wissenschaftliche Methodik.“

    Was habe ich diesen Satz oft von einigen Mitstudenten damals im Studium, meist von Lehramtsstudenten, gehört. Wenn denen nichts mehr einfällt, dann, dass es keine absoluten oder endgültigen Wahrheiten gibt.

    Nur tut das nicht in jedem Fall etwas zur Sache. Und ja, diese Mentalität kann eine Absage an wissenschaftliche Methodik sein, je nach dem, um was es geht. Natürlich muss ein Wissenschaftler einschätzen können, was überhaupt wie gut erforscht ist, welches Modell und welche empirischen Ergebnisse welche Aussagekraft haben – da fällt dann auch leicht mal der Satz, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt, gerade dann, wenn eine Widerlegung bisheriger Ergebisse noch möglich ist oder erscheint. Nur: Genau das instrumentaliiseren z. B. Feministinnen, um mit einem Schlag solche wissenschaftlichen Ergebnisse, deren Wahrheitsgehalt unbestreitbar ist, die ihnen aber nicht gefallen, für ungültig zu erklären.

    Ja, und so kommt es halt, wenn Politaktivistinnen so erfolgreich durch die Institutionen marschieren, dass sie hinterher sogar als „Wissenschaftlerin“ oder „Professorin“ deklariert werden – meiner Meinng nach sind die nämlich nur als solche deklariert.

  2. Es genügte ja, wenn diese Relativisten und Relativierer ihre „kritischen“ Überzeugungen auf die EIGENEN Anschauungen anwendeten, würde sie nicht unbedingt weiser machen, aber bescheidener.

    Genau das tun sie nicht.

    Sie WISSEN, dass alle Unterscheide im Verhalten der Geschlechter soziokulturell konstruiert sind.

    Woher sie das wissen?

    Gute Frage.

    Ich weiß es nicht.

    Sie glauben es, tief und fest.

    Und wer das nicht glaubt, der ist ein schlechter Mensch, der nur seine Privilegien verteidigen will, der sich gegen die Heraufkunft des Wahren, Guten, Schönen wehrt, das wir schon längst hätten, wenn wir nur ihren Weisheiten folgten.

    Die darum auch als absolute Glaubenswahrheiten zu gelten haben, auf die das Relativieren und In-Frage-Stellen als machtdienliche Konstruktionen keine Anwendung finden darf.

    Denn sie, die „Guten“, sind ja frei von der Erbsünde, wollen keine Macht ausüben, sondern nur der Gerechtigkeit dienen.

    Glauben sie.

    Was ist übrigens Gerechtigkeit?

    Wiederum eine gute Frage.

    • Es genügte ja, wenn diese Relativisten und Relativierer ihre “kritischen” Überzeugungen auf die EIGENEN Anschauungen anwendeten, würde sie nicht unbedingt weiser machen, aber bescheidener.

      Genau so gut kannst Du den Papst zu überzeugen versuchen, dass Marias unbefleckte Empfängnis biologisch unmöglich ist.

      Genau das tun sie nicht.
      Sie WISSEN, dass alle Unterscheide im Verhalten der Geschlechter soziokulturell konstruiert sind.

      Dieses Glaubensdogma ist ein konstitutives, ohne das das gesamte Glaubensgebäude in sich zusammen fiele.

      Wie bereits erwähnt sind die GenderStudies im Wesentlichen politische Agitation, die sich als Wissenschaft tarnt. Wer die (Gesellschafts-)Politik bestimmen will, der strebt nach Macht, um seine Ziele zu verwirklichen. Die politische Maxime der Genderisten lautet Gleichstellung. Diese Maxime erschliesst ein unendliches Feld politischer Einflussnahme und schliesst prinzipiell alle Felder sozialer Interaktion ein.

      Geschlechtsspezifische signifikante Unterschiede, insbesondere in der Berufswahl, müssen, um die politische Maxime „Gleichstellung“ zu rechtfertigen, als Beweis für Missstände gelten. Dies ist nur möglich, wenn Frauen und Männer in jeder Hinsicht als gleich postuliert werden und die Differenzen damit als zu behebender sozialer Missstand gelten.

      Wenn die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, dass sich Männer und Frauen unterscheiden und sich diese Unterschiede in der Berufswahl und anderen Dingen widerspiegelt, dann gelten geschlechtsspezifische Differenzen nicht mehr per se als Mangel oder sozialer Missstand und die politische Maxime „Gleichstellung“ würde nicht mehr als unhinterfragbare Maxime gelten. Sie würde im konkreten Fall erklärungsbedürftig. Damit wäre der potentiell totalitäre Machtanspruch der Genderisten nicht mehr zu rechtfertigen.

      • @ Peter

        *Genau so gut kannst Du den Papst zu überzeugen versuchen, dass Marias unbefleckte Empfängnis biologisch unmöglich ist.*

        Warum sollte ich?

        Der Papst lehrt glauben, nicht wissen.

        Es herrscht Glaubensfreiheit.

        Das Problem ist nicht, dass Genderfeministen glauben, sondern dass sie behaupten, ihre Säkularreligion sei Wissenschaft.

        Wenn sie sich als Kult registrieren ließen und bekennten, ihr Reich sei nicht von dieser Welt – kein Problem für mich.

        Gott, der mich (und nebenbei, auch Dich 🙂 ) toleriert, verpflichtet mich durch sein Beispiel zu Toleranz.

        Aber nicht dazu, den Papst oder mich selbst davon zu überzeugen, es gäbe keine Wunder.

      • @ Peter

        „Genau so gut kannst Du den Papst zu überzeugen
        versuchen, dass Marias unbefleckte Empfängnis
        biologisch unmöglich ist.“

        Dass Frauen noch ein intaktes Hymen haben
        und auch ohne Penetration schwanger
        werden passiert ab und zu, hat also mit
        Wunder nichts zu tun und ist somit
        nicht im Widerspruch mit der Biologie.

        • @ Red Pill

          Na ja, zur unbefleckten Empfängnis gehört schon noch ein wenig mehr (unbefleckt bezieht sich übrigens nicht auf die sexlose Empfängnis Jesu, sondern auf die erbsündelose Zeugung Mariens, der einzige Mensch ohne Erbsünde, deshalb befähigt, Gottes Sohn zu empfangen und zum Menschen werden zu lassen – sie konnte sagen: „Mir geschehe nach Deinem Willen.“)

          Die meisten Menschen (sogar Katholiken) verwechseln „unbefleckte Empfängnis = erbsündelosigkeit Mariens mit der Jungfrauengeburt, das nächste große Wunder im Leben des jüdischen Mädchens Maria.

          Wenn schon, dann aber gleich in die Vollen – keine halben Sachen.

          Da hat Peter schon recht: Ohne Wunder ist das alles nicht möglich.

          Jedoch keine große Sache für den Geist, der all das, was wir Univerum nennen, geschaffen hat, der unvorstellbar schrecklich und schön ZUGLEICH ist, unvorstellbar groß und klein zugleich, alles in allem.

          Wenn wir schon von Maria reden, das ist meine Lieblingsmadonna, von einem meiner Lieblingsmaler, ein Venezianer, Giovanni Battista Tiepolo, also warhscheinlich eine Schöne aus der Lagunenstadt, die Madonna mit dem Stieglitz

          Sie lässt mich begreifen, warum sich Gott in ein Mädchen verliebte und mit ihr ein Kind machte.

          Das macht ihn menschlich.

        • @ Alexander

          „Wenn wir schon von Maria reden, das ist meine
          Lieblingsmadonna, von einem meiner
          Lieblingsmaler, ein Venezianer, Giovanni
          Battista Tiepolo, also warhscheinlich eine
          Schöne aus der Lagunenstadt, die Madonna
          mit dem Stieglitz“

          Der Marienkult der katholischen Kirche
          ist ja nicht unschuldig daran, dass wir
          immer noch die Tendenz haben Frauen in
          zwei Kategorien zu unterteilen:
          Madonna und Hure, was evolutionsbiologisch
          gesehen völlig falsch ist.

          Female sexuality indeed exists on a spectrum.
          Inside every woman is the “good girl” and the
          “dirty slut”. What you see depends on what she
          decides is compatible with her strategy at
          that moment and what is in her interest to
          show you, depending on the moment,
          circumstances, etc.

          Alpha seed und Beta need

          Wenn sich Frauen schon einem biologischen
          Alpha nicht zu verwehren mögen, wie sollten
          sie das bei einem göttlichen Alpha
          können.
          Joseph der klassische Beta Provider
          kann sich wenigstens einreden, dass
          er einem göttlichen Plan dient.

  3. Ich glaube, hier ist Foucault wieder einmal der falsche Gewährsmann, um z.B. eine Standpunkttheorie, die ev. gewisse Feministinnen propagieren, herzuleiten.
    Für Foucault gibt es die Wahrheit, die objektiv und allgemeingültig ist und hier unterscheidet er sich ganz offensichtlich von gewissen postmodernen, konstruktivistischen oder poststrukturalistischen Vertretern. M.E. vertritt Foucault einen Sozialkonstruktivismus (also ein empirisches Programm), das der Frage nachgeht, welche Wirklichkeitsdeutungen (oder auch welches Wissen) soziale Verbindlichkeit erlangt. Ein empirisches Programm, das dieser Frage nachgeht, geht davon aus, dass es Wahrheit und somit Objektivität gibt.
    Abgesehen davon, sind natürlich auch andere Wissenschaften, wie die Naturwissenschaften aber auch gewisse Zweige der Sozialwissenschaften „ideologisch“ voreingenommen. Es ist daran zu erinnern, dass quasi nur die quantitativ nomothetischen Methoden als Wissenschaft akzeptiert und qualitative Methoden ausgeschlossen wurde.

    Und zudem: Ich glaube, Foucault als Nominalist steht Popper näher, als dies gewissen Anhängern eines Kritischen Rationalismus überhaupt bewusst ist.

    Ausserdem: Wie viel Blödsinn wohl auch Hirnforscher erzählen, würde sich wohl gut an Manfred Spitzer zeigen, sollte er seine Aussagen in dieser überspitzten Form für richtig halten. Ich vermute, da wird ihm wohl 90% der seriösen Medienwirkungsforschung widersprechen:

    „Manfred Spitzer ist einer der führenden deutschen Gehirnforscher. Er warnt vor dem schlechten Einfluss des Fernsehens und der digitalen Medien auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Provozierend sagt er: „Fernsehen macht dumm, dick und gewalttätig“, und der übermäßige Gebrauch des Internets führe zu digitaler Demenz.“

    http://www.swr.de/swr1/bw/programm/leute/-/id=1895042/nid=1895042/did=10077032/fwnryj/index.html

      • @hottehü

        Zum Gewalthandeln/Aggressivität und Medien:

        Bei einer Metaanalyse wird der Beitrag der Mediengewalt bei 9% zur Erklärung des Gewalthandels veranschlagt.
        Und dies dürfte wohl auch noch kein kausaler Mechanismus sein, sondern verstärkt oder vermindert durch intervenierende Variablen.

        Klicke, um auf Kunczik_und_Zipfl_Medien_und_Gewalt.pdf zuzugreifen

        Aber ich frage mich gerade: Ob bei solchen Studien auch die positiven Befunde des TVs miteinbezogen wurden?? Weil wenn Medien Effekte zum Negativen haben, dann sollten sie ja auch Effekte zum Positiven haben.

        • @hottehü

          Nöö, habe ich noch nie gehört. Ist zwar in einem anderen Zusammenhang, aber mir gefällt der folgende Satz von Noam Chomsky sehr gut:

          „Die Fähigkeit zu lügen erfordert ein gewisses Ausmass an Kompetenz; man muss wissen, wie die Wahrheit beschaffen ist.“ 🙂

        • ups, ich hab ein wort vergessen:

          fernsehen macht die dummen dümmer und die klugen klüger.

          ich glaube jedenfalls, dass an dem, was spitzer da behauptet, was wahres dran ist. es trifft gewiss nicht auf jeden mediennutzer zu, keine frage. aber wenn menschen den größten teil des tages mit onlinespielen verbringen, dann hat das ganz sicher auswirkungen. selbst wenn sie nur tetris spielen.

          im prinzip ist das die gleiche debatte wie beim alkohol. aber nur weil die meisten damit klarkommen, heißt es nicht, dass nicht einige schwere probleme haben.

    • Ich glaube, hier ist Foucault wieder einmal der falsche Gewährsmann, um z.B. eine Standpunkttheorie, die ev. gewisse Feministinnen propagieren, herzuleiten.

      Möglicherweise tut man Focault Unrecht. Diese Kritik wäre aber an die Feminsiten zu richten.

      • @ Peter, Chomsky

        Ganz recht.

        Du, Chomsky, bezichtigst Feminist.I.nnen der missbräuchlichen Verwendung Foucaultschen Denkens.

        Dann wäre es doch Sache der Foucaultianer, hier für Klarheit zu sorgen.

        Die, die am guten Ruf Foucaults interessiert sind, müssten seine Gedankenarbeit verteidigen gegen den Schindluder, der feministischerseits mit ihr Dir und Leszek zufolge getrieben wird.

        • Foucault ist auf theoretischer Ebene sehr gut dazu geeignet, den Aspekt der Erzeugung von Schuldgefühlen und irrationaler normativer Soll-Vorgaben, mit dem der Genderismus/Radikalfeminismus (und die Political Correctness) arbeiten, kritisch zu analysieren und zurückzuweisen.

          Er interessierte sich stark für solche Machttechiken, die auf die „Regierung von Seelen“ abzielen und versuchte ihre Funktionsweise herauszuarbeiten und offenzulegen, um solche Machttechniken kurzschließen zu können.

          Das schreit ja eigentlich nur so auf Anwendung auf den vorherrschenden Feminismus. Itsme hatte in mehren Beiträgen auf diesen Aspekt von Foucaults Denken hingewiesen (Stichwort: Pastoralmacht).

          Insofern ist Foucaults Weltsicht in manchen Aspekten tatsächlich fundamental mit dem Genderismus unvereinbar und kann leicht gegen ihn verwendet werden.

          Man muss bei Foucault auch stets berücksichtigen, dass er kein Dogmatiker war und kein endgültig abgeschlossenes Gedankengebäude liefern wollte. Es gibt mehrere „Paradigmenwechsel“ in seinem Werk, die darauf zurückzuführen sind, dass ihm bestimmte Dinge in seinen früheren Werken zu einem späteren Zeitpunkt aus machtkritischer Perspektive als problematisch erschienen. So auch der Wahrheitsrelativismus, der sich in einer früheren Phase in seinem Werk findet und dann später verworfen wurde oder die Idee der völligen Dezentrierung des Subjekts, das ganz durch Diskurse konstituiert wird, die Foucault in seinem Spätwerk wieder verwarf.

          Im Allgemeinen verwenden die Genderisten bestimmte Aspekte aus früheren Phasen von Foucaults Werk und ignorieren dann Foucaults eigene „Korrekturen“ daran und sie haben den Aspekt von Foucaults Analyse und Kritik der „Regierung der Seelen“ eben überhaupt nicht verstanden, sondern praktizieren genau das, wogegen sich Foucaults Kritik richtete.

        • Die Beiträge von Itsme fand ich auch sehr interessant. Insbesondere die Bezüge zur Geschichte der Sowietunion.

          „Pastoralmacht“ scheint mir ziemlich gut die Mechanismen zu beschreiben, mit denen der vorherrschende Feminismus „forscht“ und Herrschaft ausübt.

          Harmlose, nebensächliche, völlig unpolitische Aussprüche wurden ins Riesenhafte vergrößert und verzerrt, so dass charakterliche Eigenschaften und politische Konzeptionen erkennbar schienen. Danach wurden diese (nie formulierten) politischen Konzeptionen mit (ebenfalls nie ausgeführten) politischen Handlungen gleichgesetzt und schließlich die grauenhaften Konsequenzen vor Augen geführt.

          (Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt ihre Kinder, S. 184)

          http://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_und_Selbstkritik

          Warum nur kommt mir das so bekannt vor?

          Vielleicht haben sie ihren Foucault sehr genau gelesen, und daraus gelernt wie man diese Macht entfaltet.

          Welches Einstiegswerk würdest du denn bzgl. Pastoralmacht empfehlen?

        • @ Leszek

          Danke für Deine Ausführungen.

          Jetzt musst Du es nur noch schaffen, das bei der Mädchenmannschaft, der hottesten Girlietruppe im Netz, zu posten, ohne verbrannt zu werden 🙂

        • @Alexander

          Nun, ich muss sagen, so gut kenne ich den Feminismus auch nicht. Also hatte in meinem Studium genau ein Modul, das sich explizit mit der Geschlechterforschung befasste. Hier wurden unterschiedliche Ansätze diskutiert: M.E. gibt es bei der heutigen Geschlechterforschung zwei Paradigmas, die hegemonial sind: Auf der einen Seite eben eher das interpretative/interaktionistische Paradgima (Anlehnung an die ethnomethodologische Soziologie) kombiniert mit einem Verschnitt aus Poststrukturalismus (Diskurse und das Performative a la Butler) Sozialpsychologie und auf der anderen Seite die Leute, die eher die Kritische Theorie bemühen: also eher als Grundlage die ökonomischen Verhältnisse im Blick haben.

          Foucault ist vor allem für den Queer-Feminismus aus folgenden Gründen interessant:

          1) Subjektkonstitution (Identitätsbildung/Selbstbild) : Hier wird ein radikaler Konstruktivismus vertreten. Das Subjekt konstituiert sich quasi durch hegemoniale Diskurse/hegemoniales Wissen. Das heisst auch: Wir haben eben keinen Essenzialismus, also keine ontogenetischen oder psychdynamischen Strukturen, die quasi ein wahres Ich oder eine wahre Identität bilden. Das führt trotz den Machtmechanismen (hegemoniale Diskurse) dazu, dass das Subjekt die Möglichkeit hat, sich quasi in einem voluntaristischen und konstruktivistischen Akt neu zu erfinden und sich selbst zu konstituieren (also eben auch queere Identitäten).

          2. Weiter ist eben der Normalismus ein wichtiges Element bei Foucault, das sie gut als Machtanalytik gebrauchen können. Gewisse Praktiken, Identitäten, Klassifikationen etc. gelten als normal und das andere als anormal und somit wird es ausgegrenzt oder ausgeschlossen. Queer wendet sich also gegen alles Normative und alles Normalisierungsmechanismen und Klassifikationen.

          3. Auch der Nominalismus von Foucault passt super in dieses Schema: Nicht irgendwelche Gegenstände in der Realität haben eine Essenz, sondern eben der Diskurs bildet die Gegenstände. Wer die Realität beschreibt, begeht keine Deskription, sondern eben er konstituiert einen Gegenstand.

          Ich selbst finde gewisse Konzepte von Foucault auch hilfreich:

          – Normalismus
          – Diskurstheorie/Diskursanalyse
          – Selbsttechniken
          – Biomacht/Biopolitik
          – Gouvernementalität
          – Nominalismus/Sozialkonstruktivismus

          Aber eben: Man sollte nicht meinen, mit Foucault die gesamte Welt analysieren zu können. In der Soziologie nimmt er einen Platz ein, aber eben, er ist einer unter vielen und hat keine sonderlich dominante Stellung inne. Das sieht man z.B. gut, wenn man die die Rangliste (soziologische Bücher des Jahrhunderts) anschaut, die von der International Sociological Association mal gemacht wurde und wo ich finde, die ist doch noch recht repräsenttiv, ausser dass sie ein bisschen die Autoren aus den USA zu fest herausstellt:

          http://translate.google.ch/translate?hl=de&langpair=en%7Cde&u=http://www.isa-sociology.org/books/

        • „Queer wendet sich also gegen alles Normative“

          … und ist damit mehrheitsfeindlich, denn mehrheiten bilden quasi automatisch normen. auch „queer“ bildet normen, wo „queer“ die mehrheit stellt.

        • Jetzt musst Du es nur noch schaffen, das bei der Mädchenmannschaft, der hottesten Girlietruppe im Netz, zu posten, ohne verbrannt zu werden 🙂

          Der Hauptanklagepunkt wäre dabei, dass er von sich aus hätte erkennen müssen, dass er seine Gedanken der reinigenden Kraft des Feuers hätte übergeben müssen.

        • @ Chomsky

          Die Lesart von Foucault, die Du darstellst, ist für mich genau jenes Wunschdenken der Selbstermächtiger, die unbedingt eine säkulare Hoffnungsperspektive brauchen (Konstitution des Neuen Menschen, den es braucht zur Heraufführung des Ganz Anderen), weil ihnen jede transzendente Hoffnung abhanden gekommen ist.

          Sie können nicht ertragen, dass der Menschen Bedingtheiten unterliegt, die außer seiner Macht liegen.

          Sie können das „Mir geschehe nach Deinem Willen!“ nicht ertragen.

          Doppelt tragisch, denn sie entgehen dem ja nicht.

        • @ Chomsky

          „Das heisst auch: Wir haben eben keinen Essenzialismus, also keine ontogenetischen oder psychdynamischen Strukturen, die quasi ein wahres Ich oder eine wahre Identität bilden.“

          Wobei das natürlich selbstwidersprüchlich ist, denn irgendeinen „Ort des Widerstands“ muss es ja geben, von dem aus überhaupt eigene Wünsche und Bedürfnisse empfunden und artikuliert werden können – und wenn wir dies weiter denken, sind wir ganz schnell wieder bei der Biologie.

          Darüber hinaus ist die queer-feministische Ablehnung der Einbeziehung biologischer Erklärungen für geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierungen stets in Gefahr einen konservativen Umschlag zu begünstigen, der Forderungen nach Umerziehungstherapien für sexuelle Minderheiten den Weg ebnet. Je mehr es den Gender/Queer-Ideologen gelänge, die Welt davon zu überzeugen dass alles „sozial konstruiert“ ist, Identitäten „fließend“ und sexuelle Orientierungen „frei wählbar“, desto mehr würden sie dadurch bewirken, dass reaktionäre Kräfte nur umso lauter die Forderung stellen, dass z.B. Homosexuelle und Bisexuelle dann doch eben die heterosexuelle Orientierung „wählen“ sollten – notfalls mit therapeutischer Hilfe und natürlich „zu ihrem eigenen Besten“.
          Auch hier gilt der Grundsatz, der für die gesamte Political Correctness gilt – diese Diskurse sind stets so angelegt, dass sie darauf hinauslaufen das Gegenteil von dem zu fördern, was eigentlich als Ziel formuliert wird.

  4. @ Nick

    Mir war das Konzept der Pastoralmacht bekannt aus dem ersten Band von Foucaults „Geschichte der Gouvernementalität – Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“ sowie aus einer kleinen Sammlung von Vorlesungen von Foucault unter dem Titel „Der Staub und die Wolke“. Vermutlich gibt es aber noch bessere Einführungen zu diesem Thema. Müssten wir Itsme mal fragen, falls er mal wieder hier auftaucht.

    Ich persönlich vermute, wenn Foucault heute noch leben würde, würde er sich ähnlich vehement gegen die Instrumentalisierung seines Werkes durch die politisch korrekten Fanatiker wenden, wie es die poststrukturalistische Psychoanalytikerin Julia Kristeva tat:

    (Arne Hoffmann hatte in seinem ausgezeichneten Artikel „Eckpfeiler einer linken Männerpolitik“ ja auch schonmal auf Julia Kristeva verwiesen.)

    Ich vermute Foucault und Kristeva würden mir vermutlich zustimmen, dass es sich bei der Instrumentalisierung von Teilen ihres Werkes durch die PC- Verrückten wesentlich um eine Form der „emotionalen Kraft des falsch verstandenen Arguments“ handelt.

    Es ist wie gesagt eigentlich kein Problem bzw. es ist sehr naheliegend, die poststrukturalistischen analytischen Instrumente (Diskursanalysen, Dekonstruktion, Lacans Psychoanalyse, verschiedene Formen von Machtanalysen) auf die Diskurse und den gesellschaftlichen Einfluss der Genderisten/Radikalfeministinnen und andere PC-Fanatiker selbst anzuwenden und sie auf diese Weise zurückzuschlagen.

    U.a. deshalb habe ich ja auch stets betont, dass man – trotz des Relativismus und der Biologieblindheit, die man in der Tat als die Schattenseiten poststrukturalistischen Denkens kritisieren und verwerfen muss – dennoch die positiven Aspekte und Errungenschaften der großen Denker des Poststrukturalismus bewahren muss.

  5. Bei Sanczny gibt´s gerade mal wieder Aufforderungen zu mehr Privilegienreflektionen:

    http://sanczny.wordpress.com/2012/10/01/white-privilege-den-unsichtbaren-rucksack-auspacken/

    Ich persönlich habe nun beschlossen, jeden Tag mindestens 6 Stunden über meine vielfältigen Privilegien zu reflektieren und vorher nicht vor die Tür zu gehen. Ich denke, dass es nicht zuviel verlangt ist, dieses kleine bißchen Zeit pro Tag auf diese Weise dem Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung zu widmen.

    Hätte die klassische Arbeiterbewegung nur genauso gehandelt – und sich der beständigen Privilegienreflektion anstatt dem konkreten Kampf gegen Ungerechtigkeit gewidmet – die Revolution hätte schon lange gesiegt.

    Für mehr Privilegienreflektionen!

    • @Leszek

      Wenn ich als Weisser z.B. in Angola lebe, dann werde ich mit vielen Color-Privilege konfrontiert werden, wie sie nun Peggy McIntosh z.B. für PoC in Deutschland aufzählen würde. Also ein wesentlicher Teil des Katalogs ist ein Witz!

      Wenn ich mit einer Katze zusammenlebe, dann hat entweder die Katze oder ich gewisse Privilegien, fragt sich nur, wer privilegierter ist, die Katze oder ich! 😀

      • Mooment, auch in Angola gehörst du als HetenCisPrivilegienpenis zur dominierenden Gruppe, d.h. das sind keine Privilegen, es ist der Preis, den du für die Aufrechterhaltung deiner Pivilegien bezahlst.

        Es ist schließlich eine soziale Konstruktion, dass du dort als „anders“ giltst, und solche sozialen Konstruktionen entstehen immer aus Dominanzverhältnissen.

        Wenn dich die Menschen dort anders behandeln, dann sind das Widerstandshandlungen gegen deine Privilegien.

    • Ich hab das Privileg einer Wasserklospuelung. So mancher Inder hat das nicht. Darueber muss ich mal reflektieren und lasse mir die Sache deshalb beim naechsten Stuhlgang durch den Kopf gehen.

  6. wenn ich z.b. bäcker wäre, könnte ich diese „privilegien“ für alle nichtbäcker aufzählen und mich marginalisiert fühlen. wann ist schon mal ein bäcker auf der esten seite einer zeitung? wann kommt ein bäcker im film oder roman vor? ganz sicher muss ich als bäcker auskunft über das leben als bäcker geben und werde gebeten, für alle bäcker zu sprechen.
    oder nehmen wir radfahrer, linkshänder, menschen mit chronischem meteorismus oder mit großen füßen. aus allen möglichen eigenschaften kann man einen nachteil für sich und ein privileg für die anderen herleiten. desweiteren stotzt diese liste von unterstellungen. wer würde denn ernsthaft das sprechen mit offenem mund auf die hauptfarbe zurückführen? all das sind reine befindlichkeiten, die viel mehr mit dem eigenen minderweirtigkeitskomplex zu tun haben als mit tatsächlicher benachteiligung. diese leute führen jede schwierigkeit, jede ablehung, die ihnen im leben begegnet, auf ihre hautfarbe (oder ihre sexualität, ihr geschlecht, ihr dicksein usw.) zurück. völlig klar, das diese kultivierung der eigenen weinerlichkeit eines konzeptes wie der defma bedarf, denn es ist leuten ohne minderwertigkeitskomplex nicht plausibel zu machen.

    und wie sollte man die privilegien nun abbauen? man müsste quasi jedem wunsch eines dicken nachgeben, damit er nicht auf die idee kommt, man würde ihn wegen seines dickseins verweigern.

  7. @ Chomsky

    *all das sind reine befindlichkeiten, die viel mehr mit dem eigenen minderweirtigkeitskomplex zu tun haben als mit tatsächlicher benachteiligung. diese leute führen jede schwierigkeit, jede ablehung, die ihnen im leben begegnet, auf ihre hautfarbe (oder ihre sexualität, ihr geschlecht, ihr dicksein usw.) zurück. völlig klar, das diese kultivierung der eigenen weinerlichkeit eines konzeptes wie der defma bedarf, denn es ist leuten ohne minderwertigkeitskomplex nicht plausibel zu machen.*

    Bei Anwendung von Occams Rasiermesser käme man dahinter, dass ihr Doofsein alle Misshelligkeiten vollumfänglich erklären könnte.

    Aber weil Männer immer noch viel zu höflich sind, wird das viel zu selten offen angesprochen.

    Was feministische Erkenntnisfähigkeit nicht befördert.

    • Bei Anwendung von Occams Rasiermesser käme man dahinter, dass ihr Doofsein alle Misshelligkeiten vollumfänglich erklären könnte.

      Allerdings.

      Man lese den ersten Absatz des Textes, und den letzten. Dann wird sofort klar worum es bei dieser Über-Ich Konzeption von „Antirassismus“ geht: Eine saturierte, sozial inkompetente weiße Privilegenmumu tut sich selbst so unermesslich leid, dass sie den Opferstatus derjenigen haben möchte, die den Großteil der Armen und der Gefängnispopulation stellen.

      Weshalb ihr Privilegienkitsch auch die gravierendsten Aspekte des Schwarzseins in den USA geflissentlich ausklammert.

      „Seht her, ich schäme mich auch, weil ich weiß bin, also schämt euch _endlich_ auch, ihr pösen Männer, dafür, dass ihr mich nicht prinzessinnengerecht behandelt! *schluchz*“

  8. Die bei der Gender-Ideologie fehlende Natur- und Geisteswissenschaftlichkeit zeigt sich auch darin, dass eigentümlicherweise
    über die wunderbaren Ergänzungsmöglichkeiten von Frau und Mann kaum oder nicht gesprochen wird, denn das Gehirn ist das größte „Geschlechtsorgan“. Dort finden sich die wichtigsten, prägendsten und auch bereicherndsten Unterschiede zwischen Frau und Mann in den Bereichen „physiologische Abläufe“, „zentralnervöse Informationsverarbeitung“ und „genuinen, also angeborenen Denk- und Bewertungsprinzipien“. In Denk- und Bewertungsprinzipien, welche sich eben nicht einfach beispielsweise mit unterschiedlichen sozialen Erfahrungen in der Kindheit oder sonstigen sozio-kulturellen Einflüssen erklären lassen.
    Frauen haben z. B. mehr graue Gehirnzellen und weniger verknüpfende Nervenfasern im Gehirn: „Frauen können die einen Dinge besser, Männern die anderen; wir müssen lernen, einander zu helfen“.
    Damit und mit weiteren Unterschieden in den männlichen und weiblichen Gehirnen ist eine optimale Ergänzungsmöglichkeit der beiden Geschlechter trotz Konfliktstoff gegeben; Gleichheit kann sich höchstens addieren, Verschiedenheit kann wesentlich mehr erreichen (siehe Buch: „Vergewaltigung der menschlichen Identität; über die Irrtümer der Gender-Ideologie“)

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