Eine Studie versucht mittels inhaltsgleichen Bewerbungen, die einmal mit männlichen und einmal mit weiblichen Namen abgegeben werden, nachteilige Vorurteile gegen Frauen in der Wissenschaft nachzuweisen:
Despite efforts to recruit and retain more women, a stark gender disparity persists within academic science. Abundant research has demonstrated gender bias in many demographic groups, but has yet to experimentally investigate whether science faculty exhibit a bias against female students that could contribute to the gender disparity in academic science. In a randomized double-blind study (n = 127), science faculty from research-intensive universities rated the application materials of a student—who was randomly assigned either a male or female name—for a laboratory manager position. Faculty participants rated the male applicant as significantly more competent and hireable than the (identical) female applicant. These participants also selected a higher starting salary and offered more career mentoring to the male applicant. The gender of the faculty participants did not affect responses, such that female and male faculty were equally likely to exhibit bias against the female student. Mediation analyses indicated that the female student was less likely to be hired because she was viewed as less competent. We also assessed faculty participants’ preexisting subtle bias against women using a standard instrument and found that preexisting subtle bias against women played a moderating role, such that subtle bias against women was associated with less support for the female student, but was unrelated to reactions to the male student. These results suggest that interventions addressing faculty gender bias might advance the goal of increasing the participation of women in science.
Quelle: Science faculty’s subtle gender biases favor male students (Volltext, PDF)
In der Einleitung machen die Forscher deutlich, dass sie davon ausgehen, dass es keine besonderen biologischen Unterschiede gibt:
With evidence suggesting that biological sex differences in inherent aptitude for math and science are small or nonexistent (6 – 8), the efforts of many researchers and academic leaders to identify causes of the science gender disparity have focused in- stead on the life choices that may compete with women ’ s pursuit of the most demanding positions.
Eine der Fußnoten, auf die sie sich berufen, ist dann allerdings Halper et al 2007:
Sex differences in science and math achievement and ability are smaller for the mid-range of the abilities distribution than they are for those with the highest levels of achievement and ability. Males are more variable on most measures of quantitative and visuospatial ability, which necessarily results in more males at both high- and low-ability extremes; the reasons why males are often more variable remain elusive. Successful careers in math and science require many types of cognitive abilities. Females tend to excel in verbal abilities, with large differences between females and males found when assessments include writing samples. High-level achievement in science and math requires the ability to communicate effectively and comprehend abstract ideas, so the female advantage in writing should be helpful in all academic domains. Males outperform females on most measures of visuospatial abilities, which have been implicated as contributing to sex differences on standardized exams in mathematics and science.
Halper stellt also darauf ab, dass gerade in den höheren Anforderungsbereichen durchaus Unterschiede vorhanden sind und die Geschlechter hier zumindest verschiedene Wege nutzen, um erfolgreich zu sein.
Insofern wäre vielleicht bereits die Prämisse falsch, dass es keine Unterschiede gibt.
Aus der Diskussion der Studie:
Our results revealed that both male and female faculty judged a female student to be less competent and less worthy of being hired than an identical male student, and also offered her a smaller starting salary and less career mentoring. Although the differences in ratings may be perceived as modest, the effect sizes were all moderate to large (d = 0.60 – 0.75). Thus, the current results suggest that subtle gender bias is important to address because it could translate into large real-world dis- advantages in the judgment and treatment of female science students (39). Moreover, our mediation fi ndings shed light on the processes responsible for this bias, suggesting that the female student was less likely to be hired than the male student because she was perceived as less competent. Additionally, moderation results indicated that faculty participants ’ preexisting subtle bias against women undermined their perceptions and treatment of the female (but not the male) student, further suggesting that chronic subtle biases may harm women within academic science.
Interessanterweise waren die Frauen dabei genau so negativ eingestellt, wie die Männer:
It is noteworthy that female faculty members were just as likely as their male colleagues to favor the male student. The fact that faculty members ’ bias was independent of their gender, scientific discipline, age, and tenure status suggests that it is likely un- intentional, generated from widespread cultural stereotypes rather than a conscious intention to harm women (17). Addi- tionally, the fact that faculty participants reported liking the female more than the male student further underscores the point that our results likely do not reflect faculty members ’ overt hostility toward women. Instead, despite expressing warmth to- ward emerging female scientists, faculty members of both gen- ders appear to be affected by enduring cultural stereotypes about women ’ s lack of science competence that translate into biases in student evaluation and mentoring.
Man hat sie also mehr gemocht, es war unabhängig von dem Geschlecht oder sonstigen Faktoren, es scheint auf einem unterbewußt angenommenen Stereotyp zu beruhen.
Leider wird nicht direkt untersucht, welches Stereotyp es genau ist. Das ist meiner Meinung nach der Knackpunkt der ganzen Sache. Hier bekommt auch wieder die Frage Bedeutung, ob es Geschlechtsunterschiede gibt:
Nimmt man an, dass es Geschlechtsunterschiede gibt, die sich sowohl auf Fähigkeiten als auch auf Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere auswirken, dann ist die zusätzliche Angabe des Geschlechts keineswegs einfach nur eine neutrale Angabe, die man auch durch „Gruppe A“ und „Gruppe B“ ersetzen könnte.
Vielmehr wäre es so, dass man Leute für eine bestimmte Tätigkeit aussucht und dabei weiß, dass Gruppe A und Gruppe B verschiedene Häufungen aufweisen. Nehmen wir eine einfache negative Eigenschaft, sagen wir mal ein gewisser Erfahrungssatz würde besagen, dass in der Gruppe B ein überaus hoher Anteil an Alkoholikern ist, Gruppe A hingegen kaum Mitglieder hat, die trinken, sie sind eher als etwas unsoziale Stubenhocker bekannt.
Nun stellen wir uns vor, dass wir zwei gleiche Bewerbungen vorgelegt werden, in denen jeweils steht, dass der Bewerber gerne mit Leuten abends weggeht. Bei dem Vertreter der Gruppe B ist die Wahrscheinlichkeit, dass er zu den Trinkern gehört, gerade gestiegen, bei dem Vetreter der Gruppe A ist hingegen die Wahrscheinlichkeit gesunken, dass er ein unsozialer Stubenhocker ist.
In dem Fall ist also der gleiche Text ein Vorteil für A und ein Nachteil für B, einfach weil bestimmte Häufungen in der Gruppe bestehen, der sie angehören und andere Informationen zu den jeweiligen Eigenschaften nicht zur Verfügung stehen. Bei gleicher Qualifikation erscheint der Kandidat der Gruppe B der bessere Kandidat.
Welche Häufungen bestehen nun in den Gruppen „Mann“ und „Frau“?
Bei Gruppe Frau ist die Gefahr höher, dass sie später wegen Kindern aussetzen oder allgemein aus familienbezogenen Gründen kürzer tritt. Ebenso kommt es häufiger vor, dass Frauen in einen personenbezogeneren Job wechseln wollen. Alle Anzeichen, dass ihr der Job nicht gefällt sind bei ihr daher von größerer Bedeutung.
In dem beigefügten Empfehlungsschreiben heißt es dazu:
although Jennifer admittedly took a bit longer than some students to get serious abouther studies earlyin college,she has impressed me by improving over the last two years ofher science course work and has made every effort to make up for lost ground
Das kann man in Richtung einer fleissigen, aber nicht unbedingt begeisterten Forscherin ansehen und es kann eben bei Frauen negativere Implikationen wecken als bei Männern, was sie zu einem unsichereren Kandidaten macht, was dafür sorgt, dass man weniger in sie investieren will, was dafür sorgt, dass man ihr weniger anbietet und sie weniger unterstützen will.
Ein weiterer Punkt wäre evtl. die Nettigkeit. Die Frauen wurden als sympatischer wahrgenommen. Sie wurden aber als Leiterinnen gesucht. Wenn man jetzt will, dass sich ein solcher Leiter durchsetzen kann und seine Mitarbeiter im Griff hat, dann wäre zuviel Nettigkeit evtl. ein Problem. Vielleicht ist auch Durchsetzungsfähigkeit gerade in Verbindung mit dem Durchsetzen gegenüber anderen eine Eigenschaft, bei der man bei Frauen mißtrauischer ist. Erscheint diese dann nett und lieb, dann fehlt die Entkräftung dieser Angst. Hingegen mag man bei einem Mann befürchten, dass er zu dominant auftritt und sich daher über eine gewisse Nettigkeit freuen.
Ist das gerecht? Natürlich nicht. Ist es logisch? Wenn die Häufungen vorhanden sind schon.
Für mich spricht für solche Faktoren der Umstand, dass sich die „Vorurteile“ bei allen Fakultäten und auch gerade bei Männern und Frauen aus dem Fachbereich halten. Wenn es lediglich gesellschaftlich erlernte Vorurteile sind, dann würden zumindest die Frauen eigentlich ein gewisses Gefühl dafür haben müssen, dass diese nicht auf Frauen generell zutreffen. Geht es aber um Wahrscheinlichkeiten, die bestimmte Eigenschaften betreffen, dann ist es gut möglich, dass diese von allen ungefähr gleich wahrgenommen werden und als Faktoren in die Berechnung einfliessen.
„Na und?“ mag man dann sagen „Vorurteile sind Vorurteile, ihre Anwendung gegen den Einzelnen ist ungerecht und benachteiligt Frauen“. Sicher. Aber solange gewisse Häufungen bestehen, werden sie wahrgenommen. Und damit auch zur Grundlage einer Personalentscheidung gemacht. Man kann diese Grundlagen nicht verbieten, gerade dann nicht, wenn sie zutreffend sind (und Frauen zB tatsächlich die schlechtere „Inverstition“ sind, weil sie schneller wieder ausscheiden).
Es bleibt dann nur die Grundlagen so zu ändern, dass die Beobachtungen nicht mehr in dieser Richtung anfallen. Sie nur zu übertünchen hilft nicht. Den Frauen dürfte mehr gedient sein, wenn man ermittelt, welche genauen Faktoren negativ ausgelegt werden und ihnen Tipps zu geben, wie sie diesbezügliche Ängste oder Sorgen gegenüber ihrer Person entkräften können.