Asexualität

Wenn Sexualität und Begehren biologisch begründet ist und insbesondere auch, wenn es hierfür spezielle Zentren oder Module im Gehirn gibt, dann ist es leicht vorstellbar, dass diese nicht richtig ausgebaut werden können und ein Mensch entweder keinerlei sexuelle Lust oder aber kein Begehren empfinden kann.

Sind beispielsweise keinerlei Attraktivitätsmerkmale abgespeichert oder kann auf diese nicht zugegriffen werden, dann können die passenden Begehren nicht entstehen, wenn das „Lustmodul“ nicht angesprochen werden kann, dann kann keine Lust auf Sex entstehen.

Gerade bei einer „modularen Bauweise“ des Gehirns, wie sie in der Evolutionären Psychologie vertreten wird, könnte dann dieser Bereich nicht funktionieren, alle anderen Bereiche aber wunderbar ihrer Arbeit nachgehen. Wie soll ein Mensch, der das passende Organ nicht hat es letztendlich vermissen? Sein Selbstbild errichtet sich ohne die entsprechenden Wünsche und Vorstellungen sexuellen Begehrens und dem Wunsch nach Sex.

Ähnlich einem Kind findet er vielleicht einfach die Vorstellung sich die Zunge eines anderen Menschen in den Mund stecken zu lassen einfach nur ekelig oder findet die Vorstellung Sex zu haben sinnlos.

Eine Schilderung findet sich aktuell in einem Spiegelartikel:

Schon mit 14 Jahren merkte sie, dass sie anders war als ihre Mitschüler. „Plötzlich fingen alle an, einen Freund oder eine Freundin zu haben. Es ging nur noch darum, wer gerade mit wem zusammen war“, erzählt Sarah. Die Jugendliche verstand das nicht, sah keinen Grund, sich einen Freund zu suchen. Sie hatte auch keine Lust, jemandem ihre Zunge in den Mund zu stecken. Im Kino schaute sie bei Sexszenen einfach weg und wenn in der Pause schlüpfrige Witze die Runde machten, wechselte sie rasch das Gesprächsthema. Erotik gibt es für Sarah nicht. Noch heute bleibt ihr Blick auf den Kopf geheftet, wenn irgendwo ein nackter Körper zu sehen ist; bei DVDs überspringt sie Szenen, wenn es zu nackt wird.

Gleichzeitig ist die Sexualität und das sexuelle Begehren so ein wesentlicher Teil unseres Selbst (was angesichts der Bedeutung von Fortpflanzung innerhalb der Evolution nicht verwundert), dass die Vorstellung, das Begehren, sei es in direkter sexueller Form oder in schüchternerer romantischerer Form, auszublenden uns kaum möglich erscheint.

Das erklärt wohl dann auch die Reaktionen ihrer Mitschüler:

die Teenagerin beobachtete das Balzverhalten ihrer Klassenkameraden, als ginge sie das alles nichts an. „Meine Mitschüler hat mein Desinteresse an Sex regelrecht geärgert. Sie fingen an, mich zu hänseln, aus der Gruppe auszuschließen.“

Sie hatte also erhebliche Nachteile dadurch Asexuell zu sein, konnte aber eben die fehlende Biologie nicht kulturell ersetzen, weil Sex für sie eben nur ein fremdes unverständliches Konzept ist, zu dem sie keinen Zugang hat.

Wer von einem überaus plastischen Gehirn ausgehen würde, der müsste davon ausgehen, dass man ihr auch so etwas beibringen können müsste, dass sie lernen können müsste, zu begehren. Ich vermute, dass dies nicht der Fall ist, sondern bestimmte Fälle von Asexualität schlicht nicht zu ändern sind.