Griechenland: Ein paar Anmerkungen

Ein paar Bemerkungen zu Griechenland, wie ich das Land aus Urlauben verstehe.*

  • Mitunter bin ich erstaunt, dass ein Land, dass in Europa liegt teilweise noch so traditionelle Gedanken hat. Es ist aber gleichzeitig eine interessante Mischung aus Tradition und Umgehung dieser.
  • Grundsätzlich hat der traditionelle und wohl auch etwas ältere Grieche (Kretaner) noch die Vorstellung, dass eine Frau als Jungfrau in die Ehe gehen sollte. Mir wurden einige Fälle geschildert, bei dem der Vater bei Herauskommen einer sexuellen Beziehung seiner Tochter sowohl sie verprügelt hat als auch ihm das Gleiche angedroht hat, wenn sie nicht heiraten. Es verwundert mich wenig, wenn solche Geschichten dann einhergehen mit einer schlechten Beziehung und drohenden Scheidungen.
  • Demnach mögen traditionelle Griechen auch nicht, wenn ihre Töchter modern gekleidet ausgehen. Griechinnen allerdings sind sehr modebewusst und sehr darauf bedacht, gut auszusehen. Meiner Meinung nach machen sie mitunter etwas viel des Guten und sind etwas überstylt, aber im Gegenzug meinen Griechninnen durchaus, dass deutsche Frauen zuwenig aus sich machen. Wenn Griechinnen ausgehen, dann ist es meist schick.
  • Dabei werden die gleichen Tricks verwendet, wie wohl überall auf der Welt: Wer zu jung ist und traditionelle Eltern hat, der zieht sich bei der Freundin mit liberaleren Eltern um, wenn man ausgeht.
  • Natürlich kann im Gegenzug der Sohn soviel Sex haben wie er möchte. Solange die eigene Tochter/Schwester anständig ist, ist die „Entehrung“ anderer Töchter das Problem derer Familie
  • Die Gefahr sei allerdings, dass eine solche Entehrung der Tochter durchaus eine Fehde auslösen könne. Bei einer Tour ins bergige Landesinnere wurde mir geraden, Männern nicht zu lange in die Augen zu schauen und Frauen nicht hinterher zu schauen, es könnte ebenfalls als Beleidigung aufgefasst werden.
  • Aus gleichen Gründen bringt man in ländlicheren Gegenden (in Athen, so wurde mir berichtet, mag es moderner sein) seinen Freund nicht unbedingt zu sich nach Hause. Sex im Haus der Eltern oder ein Übernachten geht vor einer Verlobung auch nicht, gilt wohl als Beleidigung der Eltern und ein Zeichen mangelnden Respekts.
  • Viele Griechen heiraten daher jung, dann braucht man nichts mehr zu verstecken, kann aus der Wohnung und der Überwachung der Eltern entfliehen, vieles, was man sonst nicht kann. Natürlich bringen solche jung geschlossenen Ehen auch wieder viele andere Probleme mit sich, dennoch ist die Scheidungsrate aufgrund der traditionellen Ausrichtung immer noch sehr niedrig und in der Krise wohl sogar noch gesunken, weil Scheidungen eben teuer sind. Ich könnte mir aber vorstellen, dass diese Zahlen steigen werden, weil die Leute eben immer weniger traditionell sind.
  • Griechenland hat nach meiner Auffassung einen höheren Anteil an Machos. Es ist eben ein patriarchales Land, indem man noch ungestört Macho sein kann, es teilweise sogar erwartet wird. Gleichzeitig ist es eben auch in eine Kultur eingebettet, die im Singleleben für Männer viele Freiheiten bietet, ihnen aber als Ehemänner auch die passenden Pflichten auferlegen. Gleichzeitig hat Griechenland eine Kultur, in der Mann teilweise Gefühle sehr offen zeigt und auslebt. Es gibt eine Tradition sehr trauriger, gefühlsbetonter Lieder, Streitigkeiten werden intensiv geführt, in einem guten Beziehungsstreit wird zumindest einmal Schluss gemacht und ein geliebte Frau mit Gefühlen und Liebesbekundungen überschüttet. Es liegen hier daher erstaunlicherweise Macho sein und Beta sein recht dicht beieinander.
  • Auch der griechische Mann ist aus meiner Sicht häufig sehr modebewußt gestylt. Der Bart ist hier wesentlich mehr in Mode als in Deutschland, was vielleicht auch mit dem stärkeren Bartwuchs und dem dunkleren Haar zusammenhängt. Ein griechischer Dreitage-Bart fehlt das struppige unvollständige, was viele Deutsche zu einer baldigen Rasur veranlasst.
  • Die Gestik und Mimik der Griechen finde ich erstaunlich. Viele Männer haben hier die Statusgesten wesentlich mehr drauf, verbinden sie aber durchaus mit einem sozialen Touch. Der Kellner setzt sich zu einem an den Tisch, wenn er die längere Bestellung aufnimmt, nickt huldvoll-bestätigend, wenn man ein genehmes Gericht ausgewählt hat, statt dienstfertig zuzustimmen, plaudert noch etwas mit einem. Das breite Sitzen, relaxtes Alphamannsein, scheint mir hier häufiger vorzukommen. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, weil ich die Sprache nicht verstehe und daher andere Signale überinterpretiere.
  • Es gibt in Griechenland noch Kneipen nur für Männer. Natürlich sind die Zeiten moderner geworden und es wird keiner Frau verboten hineinzugehen. Ältere Frauen bleiben aber tatsächlich noch draussen stehen und rufen hinein, ob ihr Mann drin ist, wenn sie ihn sprechen wollen. Ältere Frauen würden in diesen Gegenden auch keine Hosen tragen, sondern lange Röcke, als Witwen dann ganz in schwarz.
  • In Griechenland ist ausgedehnter Körperkontakt auch normaler. Freunde und Bekannte fassen sich eher an. Wer seine Hemmungen in dieser Hinsicht abbauen möchte, der ist in Griechenland im richtigen Land. Ein Freund kann mit der Mutter eines Freund auf eine Weise stehen, bei der man in Deutschland denken würde, sie hätten eine Affäre. Natürlich der Gegenvorwurf: Ihr Deutsche seid eben zu kalt!
  • In Griechenland zählt der persönliche Kontakt. Wer Beziehungen hat kommt weiter, aber auch ansonsten läuft vieles darüber persönliche Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Ein Supermarktbesitzer erzählte mir, dass er beständig Überstunden macht in der Krise und lange  Zeit arbeitet, weil in der Krise die Kundenpflege  noch wichtiger geworden sei. Er müsse sich mit seinen Stammkunden unterhalten, mit ihnen schwatzen, dass sei der Weg, wie man dort Kunden halten kann, sie kommen nicht in einen anonymen Laden, sie kommen zu Georgios, weil sie ihn kennen und er sich Zeit für sie nimmt, die dann allerdings bei seiner Familie und seinem neugeborenen Kind wieder fehlt. Aber jetzt in der Krise und mit einem Kind…
  • Überhaupt ist Familie eine große Sache. Griechen ziehen nicht gern von ihrer Familie weg, idealerweise zieht man in eine Wohnung in dem gleichen Haus wie die Eltern, bleibt dich bei ihnen, nachdem man geheiratet hat. Die Mutter hat eine starke Funktion in der Familie, auch hier kann der Vater aber noch ein ziemlicher Patriarch sein.
  • Es  fällt einem schnell auf, dass Griechenland vergleichsweise korrupt ist und die Verwaltung nicht funktioniert. Du willst mit einem Jetski fahren? „Eigentlich braucht man einen Motorbootführerschein, aber wir sind hier in Griechenland, gib mir vierzig und fahr am Anfang nicht zu schnell“. Oder in einem Laden „das kostet 80 €, aber wenn du keine Quittung willst, dann kostet es 70 €“ oder „Eigentlich durfte ich hier keine zusätzlichen Stühle aufstellen, aber wir sind hier in Griechenland, die Strafe ist niedriger als der Gewinn und die Stadt braucht das Geld“.  Man erzählt sich die Anekdote, dass den zur Überprüfung von der EU entsandten bei der Anmietung einer Wohnung gesagt wurde „Die Hälfte überweist ihr, die andere Hälfte gebt ihr mir so, dann kann ich euch eine günstige Miete machen“. Zur Veranschaulichung der Härte der Sparmaßnahmen wurde mir mitgeteilt, dass die Steuerbehörden nunmehr sogar die Angaben der Steuerpflichtigen überprüfen können sollte (!) und evtl sogar Schätzungen vornehmen können sollte (!). Warum ich dies als Beispiel für Härte lustig fand wurde nicht recht verstanden (es handelte sich allerdings auch um Gespräche in einer Bar mit leicht angetrunkenen Griechen, ob diese vertiefte Kenntnisse des griechischen Steuerrechts hatten, kann ich nicht beurteilen)
  • Die Krise ist dort voll angekommen. Viele haben etwas zu erzählen über kürzere Arbeitszeiten, gekürzte Löhne, gestiegene Preise: In Griechenland zahlt man Beispielsweise die Heizungskosten nicht an den Vermieter, die Mieter kaufen zB Öl selbst als Gemeinschaft ein. Viele konnten sich letzten Winter das Heizöl nicht mehr leisten und die Heizung blieb aus. Ein typisches Gehalt liegt dort teilweise bei 600 €, bei etwa gleichen sonstigen Preisen wie in Deutschland. Die Gegenden, die noch viele Touristen haben, sind froh darüber. Man greift auch zurück auf die Landwirtschaft: Viele Griechen haben irgendwo noch jemanden in der Verwandtschaft, der sie über eigenen Anbau mit Lebensmitteln versorgt. In Athen sei es schlechter, so sagen sie, dort hat man so etwas nicht.

*Hauptsächlich stammen diese aus Kreta, das wohl nach Aussage von Griechen eines der traditionellsten Gebieten Griechenlands ist. Vielleicht sind sie falsch, ich bin kein Griechenlandexperte und es sind insoweit einige Einzelerlebnisse, die mir auch nach Gesprächen mit Griechen eine gewisse Verallgemeinerung zuzulassen scheinen. Ich will damit auch keinem Griechen auf die Füße treten, es ist ein Land, dass ich gerne mag, einschließlich seiner Bewohner.