Gleichmacherei im Feminismus?

Joachim meint, dass dem Feminismus Unrecht getan wird:

„Wann immer das Gespräch auf Gleichstellung, Feminismus, oder auch nur Kritik an offensichtlichen Sexismus kommt, wirft jemand dem Feminismus pauschal Gleichmacherei vor. (…) Aber der Vorwurf einer Gleichmacherei der Geschlechter steht im Raum. Und überrascht mich. (…)

Als ich erstmals von Queer-Feminismus und Genderstudies hörte und las, war ich begeistert, wie viel Freiheit diese Ansätze den Menschen bringen.

Die Reproduktion von Genderrollen ist keine Freiheit. Es gibt ja nur zwei klassische Geschlechterrollen, die zudem noch fest mit dem körperlichen Geschlecht verbunden sind. Deshalb ist die Aufweichung oder Auflösung dieser Geschlechterrollen keine Gleichmacherei sondern Befreiung. Thema der meisten FeministInnen (jedenfalls derer, die ich kenne) ist nicht die Zusammenführung der Genderrollen zu einer einzigen. Es geht vielmehr um Gleichstellung und Auflösung männlicher Privilegien. Es geht also darum, allen Menschen die gleichen Chancen zu geben. Dadurch werden sie nicht gleichgemacht.

Ich habe schon bei Joachim etwas diskutiert, aber da dort recht schnell Kommentare nicht mehr freigeschaltet werden, wenn sie Joachim nicht gefallen, lohnt es sich dort nicht so.

Meiner Meinung nach ist das Argument bereits nicht sehr schlüssig. Nur weil etwas Befreiung von einer Geschlechterrolle sein soll, schießt das nicht aus, dass man Leute gleich oder zumindest gleicher machen soll.

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass die Grundeinstellung zwar ist, dass jeder frei ist und leben können soll wie er will, gleichzeitig aber bestimmte Rollen stark negativ besetzt sind, eben als Privilegiennutzung, Mackerverhalten, hegemoniale Männlichkeit oder Schlicht als Verhalten, welches Geschlechterrollen reproduziert.

Wenn bereits ein rosa Überraschungsei eine nicht hinzunehmende Reproduktion von Geschlechterrollen ist, dann kann jedenfalls für Leute, die diese Leben wollen, nicht von einem mehr an Freiheit gesprochen werden. Wenn männliches Verhalten abgewertet wird, dann kann auch nicht davon gesprochen werden, dass dies mehr Freiheit gibt.

Letztendlich scheint mir der Weg des Aufbrechens der Geschlechterrollen nur erreichbar zu sein, wenn eine gewisse Gleichmacherei weg von Geschlechterrollen erfolgt. Das Ziel ist insoweit ein ungeschlechtliches Verhalten oder zumindest eine starke Reflexion und ein begleitendes „Ich könnte mich auch jederzeit neutral verhalten, aber ich wähle jetzt gerade mal ganz bewusst und in Kenntnis der Hintergründe ein vermeintlich geschlechtliches Verhalten“.

Die Auflösung von Zwang ist sicherlich ein richtiger Weg, was ja aus meiner Sicht direkt aus den biologischen Theorien folgt. Wenn bestimmte Menschen im Gehirngeschlecht abweichend von ihrem Phänotyp sind, dann wäre es falsch sie in Geschlechterrollen einzuordnen. Er würde innerhalb der biologischen Theorien eh nichts bringen. Es gäbe dann nur keine gesellschaftlichen Geschlechterrollen (bzw. es gäbe nur kulturelle Ausprägungen der biologischen Dispositionen). Wer jemanden befreit, der nicht befreit werden möchte und nicht befreit werden kann, der unterdrückt.

Die Mittel der Befreiung gefallen mir hier auch nicht. Es mag sein, dass dieser Teil des Feminismus letztendlich Freiheit erreichen möchte, aber um die Geschlechterrollen aufzuheben will er ja die bisherigen Geschlechternormen mehr oder weniger radikal sabotieren. Da nach den dortigen Auffassungen solche gesellschaftlichen Vorgaben dadurch wirken, dass Leute sich auf eine bestimmte Weise verhalten, muss das breite Verhalten der Menschen geändert werden, damit die Normen an Wirkung verlieren.

Wer gesellschaftliche Normen verändern will muss zunächst ihre Ursprünge erforschen. Er sollte dabei nicht dabei stehen bleiben, was er mag, sondern von sich abstrahieren und nicht so egoistisch sein, lediglich eine Welt zu formen, in der er sich wohl fühlt, sondern eben bedenken, dass der Mensch nicht gleich ist, sondern höchst verschieden. Andere Menschen mögen andere Vorstellungen davon haben, wie man lebt. Der Versuch, ihren Vorstellungen aufgrund der eigenen Wahrnehmung die Richtigkeit abzusprechen, ist gefährlich.

Hier sollte man doch einmal die in der Wissenschaft aufgestellten Theorien und Studien werten, und nicht nur die Ergebnisse von wissenschaftsfeindlichen Poststrukturalisten wahrnehmen, die einer strikten Ideologie folgen, die kein anderes Ergebnis als die Gleichheit und kulturelle Prägung im Sinne eines Blank Slate zulässt.

Würden wir bei solcher Umerziehung über Tiere reden, etwa Bonobos zu sittsamen Verhalten erziehen wollen oder Schimpansen zu Hippies oder eben Gorillas zur Monogamie, dann wäre das ein unmenschliches Unterfangen, auch wenn die Ziele je nach politischer Ausrichtung als gut angesehen werden könnten. Wir Menschen sind auch Primaten. Das sollte man nicht einfach ausblenden

Die Auflösung von Geschlechterrollen kann natürlich insofern bUnterdrückung sein. Wenn die Häufungen eben aus biologischen Gründen vorhanden sind, dann ist es nicht weniger falsch jemanden aus der von ihm gewünschten Geschlechterrolle herauszubringen (um diese gesellschaftlich auflösen zu können) als etwa einen weiblichen Schwulen auf die Militärakademie zu schicken, damit er „männlicher“ wird.

Ich denke es wird unterschätzt wie viel Freiheit moderne biologische Theorien dem Menschen lassen. Denn es geht ja nicht mehr um einen binären Ansatz, sondern lediglich um Häufungen. Es gibt jedes Spektrum menschlichen Verhaltens eben auch in diesen Theorien, den sehr weichen Mann, die sie männliche Frau, den männlichen Schwulen und den eher weiblichen Schwulen, den Bisexuellen etc.

Sie alle sind zwangsläufig wie sie sind, weswegen eine Umerziehung, eine Formung des Menschen hin zu einem Rollenbild nicht sinnvoll ist.

Jeder Mensch hat insofern die individuelle Freiheit so zu sein, wie er ist.

Im Gegensatz zum konstruktivistischen Ansatz gibt es insofern zwar Häufungen, aber keine Umerziehung.