Medizinertest in Wien und unterschiedliche Bewertung nach Geschlecht

An der Universität Wien hat man ein Problem: Männer schneiden im Schnitt in dem Medizinertest besser ab als Frauen und müßten daher eigentlich mehr Studienplätze erhalten. Die Lösung der Univerität Wien: Frauen erhalten auch mit einer geringeren Punktzahl einen Studienplatz.

Jahrelang hatten sich mehr Frauen als Männer um einen Studienplatz an der Medizinischen Universität Wien beworben. Doch stets hatten die Männer beim Aufnahmetest besser abgeschnitten. Das ist unfair, fand die Hochschule, und reformierte ihr Testverfahren. Zum ersten Mal wurden Bewerberinnen dieses Jahr besser bewertet als ihre männlichen Konkurrenten.

Da ist es natürlich interessant zu sehen, was nun eigentlich abgeprüft wird:

Die Universität fragt in ihrem fünfstündigen Eignungstest unter anderem das medizinisch-naturwissenschaftliche Grundverständnis, das räumliche Vorstellungsvermögen und den Umgang mit Zahlen ab.

Das räumliche Denken und die Naturwissenschaften. Welch Überraschung, dass Männer in diesem Bereichen besser abschneiden!

Was genau hat man nun gemacht:

Diesmal berechnete sie den Mittelwert der Testergebnisse getrennt nach Geschlechtern. Das hatte zur Folge, dass Frauen mit weniger Punkten weiterkommen konnten als Männer. „Die genderspezifische Auswertung war unsere Lösung, um dem bestehenden Gender-Gap entgegenzuwirken“, sagt Universitätssprecher Klaus Dietl im „Kurier“. Das habe sich die Meduni Wien auch rechtlich absichern lassen.

Ein von der Studentenvertretung beauftragter Jurist kam im April hingegen zu einem anderen Schluss: Die „umgekehrte und indirekte Diskriminierung“ sei rechtswidrig, zitierte „Die Presse“ aus dem Gutachten. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht gute Chancen für eine studentische Sammelklage. „Im Studium und später als Ärzte müssen beide die gleiche Leistung bringen, daher muss auch die Leistung des Eignungstests gleich bewertet werden.“, sagte er im „Kurier“.

Die Hochschule ist anderer Meinung: „Es ist in der angewandten Psychometrie durchaus üblich, unterschiedliche Mittelwerte für unterschiedliche Gruppen, also auch geschlechterspezifische, anzuwenden“, teilte sie mit. Die drei österreichischen Medizin-Unis in Wien, Innsbruck und Graz arbeiten derzeit gemeinsam an einem neuen Testverfahren, das nächstes Jahr erstmals an allen drei Hochschulen angewandt werden soll.

Meiner Meinung nach ist die Vorgehensweise der Universität falsch. In Deutschland zumindest würde eine Studienplatzvergabe bei mehr Studenten als Studienplätzen gerechte Auswahlkriterien erfordern, die gerichtlich überprüfbar sind. Geschlecht sollte hierbei keine Rolle spielen dürfen. Wenn die Universität eine Vergabe der Plätze mit Hilfe eines Tests, abfragt, der Fähigkeiten überprüft, die aus deren Sicht eine besondere Qualifikation für das Studium deutlich machen, dann muss sie sich auch an diesem Kritierium festhalten lassen und dann eben nach den dort ermittelten Ergebnissen vorgehen.

Allerdings läßt sich natürlich durchaus hinterfrage, ob räumliches und naturwissenschaftliches Denken tatsächlich die Kriterien sind, die einen besonders befähigt für das Studium bzw. den nachfolgenden Arztberuf machen. Wenn die Universität hier irgendwo hätte einharken wollen, dann hätte sie zusätzliche Kriterien anführen sollen, die eben mehr auf den sozialen Aspekt des Arztberufes abstellen.

Wie wäre es mit einem Wortassoziationstest (Weil man ja mit den Patienten reden muss und sie verstehen muss)? Oder anderen Tests, die eher sprachliche Fähigkeiten abdecken? Das kann man alles in den Test einbringen, ohne dass man die Geschlechterproblematik großartig ansprechen muss

So wird man wohl rechtfertigen müssen, warum die Frauen schlechter abschneiden. Will man nicht auf die Biologie abstellen, dann bleibt nur ein „Frauen gehen aufgrund ihrer Sozialisierung davon aus, in diesen Bereichen schlechter zu sein, dieser gesellschaftliche Nachteil wird aufgehoben“. Mal sehen, ob man etwas von dem sicherlich stattfindenden Prozess erfahren wird. Könnte eine gute Gelegenheit sein, diese Streitfragen einmal kritisch durchzugehen.