„Was genau ist dein anliegen, was willst du bewegen mit den biologischen Erklärungen?“

Endolex schreibt nach einer Twitterdiskussion zwischen @diekadda, ihm und mir das folgende:

Lass mich einfach mal kurz annehmen, dass es stimmt, wovon du ausgehst: Dass geschlechtsbedingt im Schnitt verschiedene spezifische kognitive Leistungsverteilungen existieren (und immer existieren werden, davon scheinst du auch auszugehen).

Was genau wäre dein Anliegen damit? Du lehnst nach eigener Aussage Essentialismen ab und gibst Überlappungen zu, kannst also deine statischen Informationen nie auf das Individuum anwenden. Was davon lässt sich das aus deiner Sicht konkret auf den Alltag übertragen? Welche Erklärungen für gesellschaftlich beobachtbare Sachverhalte entstehen für dich daraus?

Was genau versuchst du zu beweisen, zu bewegen? Wenn ich mir dein About auf WordPress ansehe und mal fies unterstelle: Hat es irgendwas mit PickUp zu tun? Ich hoffe nicht.

Die Antwort hierfür, wenn du eine geben magst, fällt vermutlich auch etwas länger aus, und ich werde morgen nicht groß Tweets checken können. Gern lese ich einen Blogpost von dir dazu

Solche Fragen kommen ja häufiger. Ich finde sie nach wie vor komisch. Was ist das Anliegen, wenn man sagt, dass die Welt eine Kugel und nicht eine Scheibe ist? Was will man damit bewegen? Reicht es aus, dass man Männer und Frauen verstehen will, ein Interesse an dem Thema hat, die Forschung überzeugend findet und merkt, dass etwa poststrukturalistische Theorien keinerlei Grundlage haben?

Selbst wenn unsere Welt mit den biologischen Erklärungen die absolute Hölle auf Erden wäre würde es sie genau so wenig falsch machen wie es die Erde flach macht, wenn dies zu einer besseren Welt führen würde.

Und was ist damit gemeint, dass die Theorien nicht auf das Individuum anwendbar sind? Sie sind sehr wohl auf das Individuum anwendbar:

  • Aus biologisch begründeter Homosexualität, die durch pränatale Hormone fixiert wird, ergibt sich, dass man Homossexuelle nicht umerziehen kann und man daher solche Bemühungen lassen sollte
  • aus dem Umstand, dass einige Mädchen, die zB viele pränatales Testosteron abbekommen haben, eher wild und „unmädchenhaft“ sind, ergibt sich für diese, dass man diese dann eben nicht in eine Mädchenrolle zwingen kann.
  • aus dem Umstand, dass Männer und Frauen nur im Schnitt bestimmte Fähigkeiten haben folgt, dass man prüfen muss, welche Fähigkeiten bei einer bestimmten Person vorliegen und nicht nach ihrem Phänotyp entscheiden kann, auch wenn man davon ausgehen kann, dass sich im Schnitt eine gewisse Verteilung nach Geschlecht ergeben kann.

Richtig ist, dass einem Möglichkeiten verloren gehen, sich utopische Welten auszudenken, in denen Männer und Frauen absolut gleich sind. Aber da das eh im Fiasko enden würde, ist das kein wirklicher Verlust.

Ich habe bisher kein Erklärungsmodell gesehen, dass alle auftretenden Fallgruppen in gleicher Weise erklären kann. Das mag daran liegen, dass die für mich interessanten Fallgruppen in den anderen Theorien kaum aufgegriffen werden, aber sie sind nach meiner Meinung dort auch nicht einzubauen.

Wenn andere Theorien, auch gerne gesellschaftliche, mir ein ebenso schlüssiges Gesamtkonzept vorstellen können, dann werde ich es mir natürlich gerne anschauen und die Argumente gegeneinander abwägen.

Sicher neige ich mitunter dazu, alles in die mir bisher am schlüssigsten erscheinenen Theorien einbauen zu wollen. Aber wer versucht das mit seinen Theorien nicht? Meiner Meinung nach gelingt dies durchaus häufig.

Vielleicht ist es einfacher darzustellen, was ich nicht will:

1. Eine Überlegenheit des Mannes darstellen

Nach meiner Auffassung sind die Männer in den biologischen Theorien nicht besser gestellt. Sie sind im Schnitt in einigen Kategorien besser, in anderen schlechter. Ich könnte mir für eine Überlegenheit des Mannes wesentlich bessere Theorien vorstellen, die beim Mann keinen stärkeren Sexualtrieb, keinen Wunsch nach Statusaufbau und keine intrasexuelle Konkurrenz vorsehen.

2. Traditionelle Rollen absichern

Auch das ja ein beliebter Vorwurf. Aber die biologischen Theorien sehen eben gerade keinen Essentialismus vor und aus den evolutionären Theorien folgt, dass „weiblichere Männer“ lediglich eine andere Ausdrucksform und genau so natürlich sind. Den Schnitt oder gar die Extreme insofern für alle verbindlich zu machen wäre unlogisch, aus der biologischen Ausrichtung im Schnitt etwas moralisches zu folgern ein naturalistischer Fehlschluss.

Natürlich ergeben sich aber aus den biologischen Theorien einige Konstanten. Etwa die stärkere Betonung von Wettbewerb bei Männern, die Vorliebe für bestimmte Körperformen, die Vorliebe der Frauen für bestimmte Männertypen im Schnitt und andersherum. Vieles davon stützt in der Tat die Geschlechterrollen, die eben eine Ausprägung davon sind. Allerdings lehne ich viele der traditionellen Rollenverteilungen ab. Ich möchte keine Frau, die unselbständig ist, sich nur für Küche, Kinder, Kirche interessiert (was als Atheist eher schlecht wäre), sondern eine selbstbewußte Frau, die mit mir einvernehmlich die Arbeitsverteilung innerhalb der Familie vornimmt und sich dabei auch am Erwerbsleben beteiligt. Ich finde die traditionellen Rollen in vielen Punkten nicht so erhaltenswert, auch wenn ich der Auffassung bin, dass man einige Punkte zumindest im Schnitt wohl nicht ändern können wird.

3. Mir eine Welt schaffen, in der ich besonders erfolgreich bei Frauen bin und es mir besonders leicht fällt, sie kennenzulernen

Wenn ich mir eine Welt schaffen könnte, wie ich sie wollte, dann wären die Frauen sicherlich nicht so wie sie sind. Sie wären wahrscheinlich wesentlich sexbesessener, weniger emotional, in vielen Bereichen eher wie Männer, nur eben trotzdem sexuell interessant. Es überrascht mich, dass Leute meinen, dass die Gegenwart meine Idealvorstellung von Frauen ist. Warum sollte ich es mir so kompliziert machen

4. weiteres

Vielleicht könnt ihr ja mal darlegen, was alles noch mein Anliegen ist, was ich bewegen will mit den biologischen Erklärungen. Ich werde versuchen dann dazu Stellung zu nehmen.

Also: Fröhliches Christian-Bashing!

(Gerne könnt ihr natürlich auch darstellen, was ihr mit den von euch bevorzugten Erklärungen für Geschlechtergleichheit oder Unterschiede erreichen wollt, was man erreichen wollen sollte oder wie eine perfekte Welt aussehen würde, wenn ihr das erreicht habt, was ihr erreichen wolltet)