Häusliche Gewalt: Frauen und Männer als Täter

Noch gar nicht Thema eines Beitrags hier war „Häusliche Gewalt durch Frauen“. Ein sehr umstrittenes Thema, bei dem einiges darauf hinzudeuten scheint, dass Frauen in einem wesentlich größeren Umfang Täter sind als dies so wahrgenommen wird.

Arne Hoffmann schreibt dazu in einem NOVO-Artikel:

Tatsächlich aber geht körperliche Gewalt in der Partnerschaft zum überwiegenden Teil von Frauen aus, nicht von Männern. Insgesamt 95 wissenschaftliche Forschungsberichte, 79 empirische Studien und 16 vergleichende Analysen in kriminologischen, soziologischen, psychologischen und medizinischen Fachzeitschriften aus den USA, Kanada, England, Dänemark, Neuseeland und Südafrika zeigen auf, dass in Beziehungen die Gewalt entweder überwiegend zu gleichen Teilen von beiden Partnern oder aber hauptsächlich von der Frau ausging. Die Studien stimmen in ihren Erkenntnissen so deutlich überein, dass in der Fachwelt an diesen Verhältnissen nicht der geringste Zweifel mehr existiert. Dass weder Öffentlichkeit noch Politik diese wissenschaftlichen Ergebnisse bisher zur Kenntnis genommen haben, ist vermutlich einer der größten Skandale in der Geschlechterdebatte überhaupt.

Das Ergebnis überrascht bereits, weil Männer das körperlich stärkere Geschlecht sind und üblicherweise auch ansonsten aggressiver auftreten. Die meisten Frauen haben in einem direkten Kampf bereits aufgrund der höheren Körpergröße, dem damit verbundenen höheren Gewicht und dem mehr an Kraft wenig Chancen gegen einen Mann. Natürlich kann dies durch soziale Faktoren ausgeglichen werden: Die Frau kann eine Waffe nutzen, Überraschung oder auch einfach den Umstand, dass man eine Frau nicht schlägt und Gewalt von Frauen gegen Männer wesentlich weniger geächtet ist, weil man eben davon ausgeht, das der Mann sich eher wehren kann.

Ein von mir beobachtetes Beispiel von Frau-Mann-Gewalt verlief wie folgt:

Ich war bei einem Freund zu Besuch. Dessen Wohnung hatte einen Balkon hin zu einer Parkfläche, die ruhig und relativ leer dort lag und auf der kein Betrieb war. Ich stand kurz auf diesem Balkon, mit einem Bier in der Hand und bemerkte ein geparktes Fahrzeug, in dem eine angeregte Unterhaltung, eher ein Streit, zwischen einem Mann und einer Frau stattfand. Ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber es war recht deutlich, dass sie ihm diverse Vorhaltungen machte und er in irgendeiner Form nach Entschuldigungen suchte und ihm etwas leid tat. Es war eine Szene, an der ich hängen blieb, mir kurz ausmalte, was er verbrochen hatte und warum sie sich für die Diskussion hier auf dem Parkplatz trafen. Konnten sie zuhause nicht streiten, vor den Kindern oder wem auch immer? Hatte er sie betrogen oder waren sie selbst die verbotene Liebesgeschichte und dies das Ende dieser? Man merkte, dass sie sich immer mehr in ihre Wut hineinsteigerte, immer emotionaler wurde, während er immer stiller wurde, unter dem Ansturm ihrer Emotionen verstummte und sich zurückzog. Sie wollte eine Emotion, eine Reaktion, fing an ihn leicht zu schlagen, sein Gesicht herum zu drehen, ihn zu einer Rechtfertigung zu zwingen, aber er wehrte weiter ab. Schließlich schlug sie wütend immer wieder auf ihn ein, steigerte sich immer mehr, man sah, wie er sich mit seinen armen zu schützen versuchte und das es ihm weh tat, man sah, dass sie das, was sie an Kraft hatte in ihre Schläge steckte. Er schien seine Bestrafung hinzunehmen, vielleicht als angemessene Sühne seiner Schuld, welche auch immer es war. Wie sollte ich mich verhalten? Bei einer Frau in der gleichen Situation hätte ich auf mich aufmerksam gemacht, vom Balkon heruntergerufen, hätte irgendwie gehandelt. Warum sollte ich hier nicht genau so einschreiten? Aber, auch wenn er in einer defensiven Haltung war, die Schläge auf ihn einprasselten und ein Abschnallen und Aussteigen in dieser Situation für ihn wahrscheinlich gar nicht so einfach gewesen wäre, hatte ich Hemmungen mich einzumischen. Eben weil er stärker war, man das Gefühl hatte, dass er sich wehren kann, wenn er denn will, weil ich mich nicht in einen Streit einmischen wollte, bei dem er anscheinend selbst die Einstellung hatte, dass sie sich immerhin zu recht aufregte. Es war ihm gewiss peinlich genug, ich hatte nicht das Gefühl es durch die Einmischung besser zu machen. Dann war es schon vorbei. Sie brach keuchend ab, schmollend, drehte ihren Kopf weg. Er gab seine defensive Haltung auf, sprach noch ein paar Worte in ihre Richtung. Sie antwortete kurz und ohne ihn anzuschauen. Anscheinend ging es darum, hier wegzufahren. Er startete den Motor und sie verschwanden in der Dunkelheit.

Genauso kenne ich auch genug Schilderungen von Gewalt gegen Frauen. Frauen, gerade ältere, die von ihrem Männern schlecht behandelt werden, die einen Haustyrann haben, der sie schlägt, wenn sie nicht das machen, was er will. Auch hier bekommt man meist die Gewalt nicht mit, was nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt. Männliche Gewalt wirkt auch auf mich gefährlicher, weil man sich natürlich einen gewalttätigen Mann einfach besser vorstellen kann. Einen gewalttätigen Mann, der eine Frau einschüchtert, der sehr dominant ist, passt gut zu unserer sonstigen Wahrnehmung, während wir bei einer Frau eher andere Machtmittel in einer Beziehung verorten, die weniger körperlich ausgerichtet sind. Gleichzeitig muss man sich denke ich schon bewusst machen, dass der soziale Faktor, dass man als Frau als schwächere einen stärkeren schlagen darf und ein „echter Mann“ sich eben wehren kann diese Form der Gewaltausübung wesentlich einfacher und folgenloser für den Täter machen kann

Gerade der persönliche Faktor in einer Beziehung mag hier dazu führen, dass Gewalt durch die Täterin als gefahrloser angesehen wird, weil sie eben einschätzen kann, wie er sich wehrt oder es eher zu einem schleichenden Übergang mit immer mehr Gewalt kommt.

Zum Einstieg in das Thema noch ein paar Studien:

To study the potential differences that distinguish homicides involving women as victims or offenders from those involving men, we analyzed Federal Bureau of Investigation Uniform Crime Reports data on homicides that occurred in the United States between 1976 and 1987. Only cases that involved victims aged 15 years or older were included. Persons killed during law enforcement activity and cases in which the victim’s gender was not recorded were excluded. A total of 215,273 homicides were studied, 77% of which involved male victims and 23% female victims. Although the overall risk of homicide for women was substantially lower than that of men (rate ratio [RR] = 0.27), their risk of being killed by a spouse or intimate acquaintance was higher (RR = 1.23). In contrast to men, the killing of a woman by a stranger was rare (RR = 0.18). More than twice as many women were shot and killed by their husband or intimate acquaintance than were murdered by strangers using guns, knives, or any other means. Although women comprise more than half the U.S. population, they committed only 14.7% of the homicides noted during the study interval. In contrast to men, who killed nonintimate acquaintances, strangers, or victims of undetermined relationship in 80% of cases, women killed their spouse, an intimate acquaintance, or a family member in 60% of cases. When men killed with a gun, they most commonly shot a stranger or a non-family acquaintance.

Quelle: Men, women, and murder: gender-specific differences in rates of fatal violence and victimization.

In der Biologie würde man wohl davon sprechen, dass es extreme Fälle von „Mate guarding“, also der Kontrolle und des Bewachen von Partnern, damit diese in der Beziehung verbleiben, sind. Ein toter Partner verbleibt natürlich auch nicht in der Beziehung, aber die realistische Androhung von Gewalt erfordert eben biologisch eine Einstellung, die zu Gewalt führen kann, ein „wenn du Mist baust, dann kann ich mich nicht mehr kontrollieren“. Zur Funktion solch starker Gefühle hatte ich schon einmal etwas geschrieben.

Background

Few population-based studies have assessed the physical and mental health consequences of both psychological and physical intimate partner violence (IPV) among women or men victims. This study estimated IPV prevalence by type (physical, sexual, and psychological) and associated physical and mental health consequences among women and men.

Methods

The study analyzed data from the National Violence Against Women Survey (NVAWS) of women and men aged 18 to 65. This random-digit-dial telephone survey included questions about violent victimization and health status indicators.

Results

A total of 28.9% of 6790 women and 22.9% of 7122 men had experienced physical, sexual, or psychological IPV during their lifetime. Women were significantly more likely than men to experience physical or sexual IPV (relative risk [RR]=2.2, 95% confidence interval [CI]=2.1, 2.4) and abuse of power and control (RR=1.1, 95% CI=1.0, 1.2), but less likely than men to report verbal abuse alone (RR=0.8, 95% CI=0.7, 0.9). For both men and women, physical IPV victimization was associated with increased risk of current poor health; depressive symptoms; substance use; and developing a chronic disease, chronic mental illness, and injury. In general, abuse of power and control was more strongly associated with these health outcomes than was verbal abuse. When physical and psychological IPV scores were both included in logistic regression models, higher psychological IPV scores were more strongly associated with these health outcomes than were physical IPV scores.

Conclusions

Both physical and psychological IPV are associated with significant physical and mental health consequences for both male and female victims.

Quelle: Physical and mental health effects of intimate partner violence for men and women

Hier eine Studie von Strauss:

The methodological part of this chapter analyzes the discrepancy between the more than 100 „family conflict“ studies of domestic physical assaults (those using the Conflict Tactic Scales and similar approaches), and what can be called „crime studies“ (i. e. the National Crime Victimization Survey and studies using police call data). Family conflict studies, without exception, show about equal rates of assault by men and women. Crime studies, without exception, show much higher rates of assault by men, often 90% by men. Crime studies also find a prevalence rate (for both men and women) that is a small fraction of the rate of assaults found by family conflict studies. The difference in prevalence rates and in gender differences between the two types of studies probably occur because crime studies deal with only the small part of all domestic assaults that the participants experience as a crime, such as assaults which result in an injury serious enough to need medical attention, or assaults by a former partner. These occur relatively rarely and tend to be assaults by men. The theoretical part of the chapter seeks to provide an explanation for the discrepancy between the Iow rates of assault by women outside the family and the very high rates of assault by women within the family. The sociology of science part of the chapter seeks to explain why the controversy over domestic assaults by women persists and is likely to continue. I argue that neither side can give up their position because it would be tantamount to giving up deeply held moral commitments and professional roles. I conclude that society needs both perspectives. Neither side should give up their perspective. Rather they should recognize the circumstances to which each applies.

Aus dieser Studie:

Family conflict Studies. The near equal rates of assault found by family conflict studies has been attributed to a different set of methodological problems. These include purported defects in the Conflict Tactics Scales or CTS (Straus, 1979; Straus, 1990a; Straus, Hamby, Boney-McCoy, & Sugarman, 1996), under reporting of assaults by male respondents, and failure to take into account self-defensive violence by women and injury. Family conflict studies often interview one partner to find out about the relationship, i.e., what the respondent has done and also what the partner has done. When men are the respondents, they may minimize their own violence and exaggerate violence by their partner. However, that cannot be the explanation for the equal rates because, regardless of whether the information comes from a male or female respondent, family conflict studies have found about equal rates of assault by the male and female partner. Most of the family conflict studies used the Conflict Tactics Scales or CTS, and the near equality in assault rates of assault by men and women has been attributed to purported biases in the CTS (See Straus, 1990a; Straus, 1997, for a discussion of the purported biases). Consequently, it is important to examine studies that used other methods. An early study by Scanzoni, (1978) asked a sample of 321 women what they did in cases of persistent conflict with their husband. Sixteen percent reported trying to hit the husband. Sorenson and Telles’s (1991) analysis of 2,392 households in the Los Angeles Epidemiological Catchment Area Study found that „Women reported higher rates …(than men).“ The National Survey of Families and Households asked „During the past year, how many fights with your partner resulted in (you/him/her) hitting, shoving, or throwing things at (you/him/her)“. (Zlotnick, Kohn, Peterson, & Pearlstein, 1998) analyzed this data for the 5,474 couples in the sample and found very similar rates for assaults by men and women (5% rate for assaults by men and 4% for assaults by women). In my early research, it seemed so obvious that women were injured more often and more seriously than men, and that domestic assaults by women were primarily in self defense, that I did not collected data on injury and self defense. I simply asserted it as a self-evident fact (Straus, Gelles, & Steinmetz, 1980). So, when, in the 1985 National Family Violence Survey, I did ask who was the first to hit, I was surprised to find that half of the women respondents reported they had hit first (Stets & Straus, 1990). Several other studies (Bland & Om, 1986; Carrado, George, Loxam, Jones, & Templar, 1996; Demaris, 1992; Gryl, Stith, & Bird, 1991; Sorenson & Telles, 1991) also found about equal rates of initiation by men and women. Family conflict studies rarely measure who is injured. The original CTS did not obtain data on injury. The CTS2 (Straus, Hamby, Boney-McCoy, & Sugarman, 1996) includes a supplemental scale to measure injury, but retains the system of measuring assaults regardless of injury. However, when injury data has been obtained along with the CTS and this is used as a criterion for estimating „violence,“ the rate drops to a rate that is similar to the extremely Iow rate found in crime studies, and the percentage of assaults by men also increases to approximately the ratio found in crime studies (Straus, 1991; Straus, 1997). These findings further support the idea that one of the main reasons cdme studies find that domestic assaults are overwhelmingly committed by men is because they tend to omit so many assaults that do not result in injury.