Kann man Männern vertrauen?

Die in der Überschrift genannte Frage wirft Katrin Rönicke in einem Artikel auf. Sie stellt das Problem wie folgt dar:

Männern als der Hälfte der Gesellschaft zu vertrauen, fällt angesichts der Lage gerade vielen bewegten Frauen irre schwer.

Das finde ich schon einmal eine gewaltige Aussage. Generelles Mißtrauen gegen Personen aufgrund ihres Geschlechts. Passt natürlich gut zu der dritten Grundannahme des Genderfeminismus, nach der Menschliche Interaktionen von Gruppeninteressen bestimmt sind , nicht von Einzelinteressen.

Feministinnen haben einen Begriff für ihr Misstrauen geprägt: Das Patriarchat. Eine Herrschafts-Diagnose. Unterdrückung von Frauen und auch Gewalt – das seien die allgegenwärtigen Symptome. Sexuelle Gewalt und auch häusliche Gewalt gehen zu einem großen Teil von Männern aus.

Immerhin sagt sie da etwas interessantes: Das Patriarchat ist nur eine Konstruktion, mit der man ein generelles Mißtrauen in Worte fasst. Schade nur, dass sie dann meint, dass es eine Herrschaftsdiagnose ist. Das ist es nämlich aus meiner Sicht gerade nicht. Es ist eher eine Verschwörungstheorie, die Schuld durch Schaffung eines nebulösen Konstrukts auf Männer verlagert und damit eine allgemeine Verlagerung dieser Schuld bewirkt

Ein weiterer Begriff: „Rape Culture“, der aussagt, unsere Gesellschaft sei tendenziell dabei, Vergewaltigungen als Problem zu verharmlosen, oder gar den Opfern die Schuld zuzuschreiben.

Auch das eine verharmlosende Darstellung von Rape Culture. Die  Theorie sagt ja nicht nur, dass Vergewaltigungen verharmlost werden, sondern das Vergewaltigung ein Machtinstrument des Patriarchats ist, um Frauen in Schrecken zu versetzen und sie damit zu unterdrücken. In der jeder Mann die Verantwortung hat, per Gruppenzugehörigkeit, dieses Machtmittel zu bekämpfen und nicht Schweigen dazu Zustimmung ist.

Drittens: Hegemoniale Männlichkeit – sie ist für Frauen eine permanente potenzielle Bedrohung.

Die hegemoniale Männlichkeit ist insbesondere eine Zuschreibung negativer Attribute zu Männern und die Unterschlagung des weiblichen Anteils an diesen Zuständen. Aber gut.

Wer einmal die Geschlechterbrille aufgesetzt hat und mit offenen Augen die Welt betrachtet – ein bisschen wie im Film Matrix: Wer einmal die rote Pille geschluckt hat – kann die Welt nicht mehr mit anderen Augen sehen. Wie soll man da „einfach vertrauen“?? Das ist häufig schlichtweg nicht möglich. Vorauseilender Ungehorsam – damit fahren viele Frauen gefühlt sicherer.

Eine Möglichkeit wäre zu erkennen, dass die Geschlechterbrille ein falsches Bild zeigt und nicht die „rote Pille“ ist. Sie verzerrt die Wahrnehmung, bis jeder Geschlechterunterschied eine Diskriminierung ist, eine Absicherung der hegemonialen Männlichkeit, bei der darum gekämpft wird, wer mehr benachteiligt ist und man sich in Feindbilder hineinsteigert.

Das Problem ist: Die eben genannten Begriffe haben mit Sicherheit ihre Legitimation, sie beschreiben reale Probleme. Aber sie beinhalten einen Generalverdacht gegen Männer.

Die genannten Begriffe haben in dieser Form eben leider keine Legitimation. Schon WEIL sie einen Generalverdacht gegen Männer voraussetzen, der so eben nicht haltbar ist.

Wie will Katrin das Problem lösen?:

Das Problem ist deutlich: Je „mächtiger“ eine Gruppe ist oder wird, desto schwerer ist es, ihr zu vertrauen. Weil es so schwer ist, in einer durch und durch gegenderten Gesellschaft noch Vertrauen zu haben, ist es ratsam, klein anzufangen: Legt die Verantwortung auf den Tisch. Da, lieber Mann, liebe Frau, da liegt sie. Nimm sie, ich lass sie dir auch. Ich hol sie mir nicht mehr zurück. Denn ich weiß: Du wirst jetzt mitmachen und wir teilen uns diese Welt jetzt friedlicher, auf Augenhöhe, respektvoll. Dass alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, diese Verantwortung tragen, das ist die Mindestvoraussetzung, das muss default sein. Das impliziert natürlich auch, dass wir all jene, die sie nicht wahrnehmen, zur Rechenschaft ziehen.

Klassische feministische Lösung: Weil die Gruppe Männer ja die Macht hat muss der Mann einfach nur die Verantwortung auf den Tisch legen und schon wird sie die Frau auch nehmen. Schon teilen wir uns die Welt friedlich, auf Augenhöhe und respektvoll. Was aber, wenn viele Frauen bestimmte Formen von Verantwortung gar nicht wollen und lieber eine andere Aufteilung vornehmen wollen? Was wenn bestimmte Mitglieder der Gruppe Mann überhaupt keine Macht hat, die er abgeben kann? Was ist wenn bestimmte Männer hart gegen alle Konkurrenz daran gearbeitet haben, eine bestimmte Macht zu erreichen und nunmehr gar nicht einsehen, sie an andere Personen, schon gar nicht einfach nach Geschlecht aufgeteilt, abzugeben, weil sie sich nicht als für die Gruppe Mann im Verhältnis zu der Gruppe Frau verantwortlich sehen, sondern sich eher als Individuum sehen, dass seiner eigenen Familie und seinen eigenen Interessen verpflichtet ist?

Dann geht es wie folgt weiter:

Momentan liegt die Verantwortung für die Emanzipation vor allem bei den Frauen – und daran sind nicht nur die Männer schuld. Wir Frauen wollen gerne die Kontrolle darüber haben, dass es auch wirklich „richtig“ läuft.

Frauen haben also eine gewisse Kontrolle darüber, aber daraus folgt anscheinend auch nichts für die oben verwendeten Kampfbegriffe. Es ist eben nur der Wunsch, dass es richtig läuft. Dabei ist die Ausübung von Kontrolle nach allen „Doing Gender“ Theorien ja klassische hegemoniale Männlichkeit.

Mit dem Argument, dass Männer privilegiert sind, grenzen wir sie tendenziell davon aus, aktiv mitzugestalten, wie die Sache laufen könnte.

Das ist immerhin mal eine interessante und erfrischende Ansicht einer Feministin. Allerdings auch eine sehr schwammige Positionierung gegenüber der Privilegientheorie, die ja letztendlich auch in die hegemoniale Männlichkeit hineinspielt. Hier müsste sie schon etwas deutlicher werden, was sie eigentlich will: Lehnt sie die Privilegientheorie ab oder soll sie nur zugunsten von Mitspracherechten etwas aufgeweicht werden?

Wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, in der man Frauen und Männer nicht nur biologisch, sondern auch an ihrem Handeln unterscheiden kann. Sie alle tun ihr Geschlecht. Permanent. Sie unterscheiden sich in diesem tun massiv. Das Paradoxe ist, dass wir diese Differenz erst thematisieren, dann auch „aushalten“ können müssen, um in der Inklusion des „Anders-Tuns“ in die Reihe legitimer Handlungen einander mehr und mehr auf Augenhöhe begegnen zu können.

Auch hier: Hauptsächlich schwammiges. Männer und Frauen sind zwar nicht aufgrund der Biologie anders, wie sie oben feststellt, auch wenn sie sich – ich nehme an dem Phänoptyp nach – biologisch unterscheiden kann, sondern nur ihrer Sozialisierung nach, die sie auf ihre Geschlechterrollen festlegt. Das soll anscheinend abgebaut werden, was grundsätzlich auch, wenn auch aus anderen Gründen durchaus vorteilhaft sein kann, wenn man dabei berücksichtigt, dass man geschlechtliches Handeln nie abbauen können wird. Es kann nur darum gehen einen Essentialismus zu vermeiden und Menschen, die eben nicht dem Stereotyp entsprechen, ein Leben zu ermöglichen, dass ihnen gefällt.

Gleichzeitig sehe ich auch den Zusammenhang zwischen den von ihnen aufgelisteten „Kampfbegriffen“ und der Lösung „Verantwortung abgeben“ noch nicht so richtig. Was ändert es zB an der „Rape Culture“, wenn man Verantwortung abgibt? Logisch ist das nur, wenn sie mit Verantwortung abgeben bereits eine Aufweichung der Geschlechterrolle verbindet, die dann eben die Gesellschaft ändert und damit zB das Machtmittel Rape Culture irgendwie einschränkt.

Klingt etwas nach „wenn ihr weniger Verantwortung habt, dann könnt ihr auch weniger anrichten“.