Das Bateman-Prinzip, feministische Wissenschaft und das Unwissen der Mädchenmannschaft bezüglich der Biologie

Die Mädchenmannschaft feiert feministische Erfolge:

Das Batemannprinzip sei jetzt endlich, dank der Prinzipien der feministischen Wissenschaft, androzentrische Forschung zu hinterfragen, als falsch erkannt worden. Oder jedenfalls mache das deutlich, dass es feministische Wissenschaft brauchen würde, denn die könne jedenfalls entsprechendes leisten.

Dabei ruft feministische Wissenschaftskritik eigentlich nur in Erinnerung, was jede_r Wissenschaftler_in bedenken sollte: Dass ihre Interpretation von Daten hakt oder es bereits in der These grundlegende Fehl­annahmen gibt.

Ach, wie schön wäre es, wenn der Genderfeminismus diese weisen Worte einfach auf sich selbst anwenden würde. Wenn er einfach mal hinterfragen würde, ob das denn wirklich sein kann mit der Gleichheit der Geschlechter. Dass da die moderne Forschung bereits viele Fallgruppen gefunden hat, die damit nicht kompatibel sind. Aber nein, da sei IDPOL vor.

Aber auf dem Auge ist man eben blind. Dort stellt man lieber auf das Folgende ab:

[…] dass feministische Kritik eine Art notwendiges Tool, ein Hand­werks­zeug darstellt, um bei jedem Forschungsprojekt nochmals eine Qua­li­täts­kon­trolle durchzuführen. Spätestens bei den Ergebnis­inter­pre­tationen sollte also z.B. gefragt werden, ob sich andro­zen­trisch geprägte ge­schlechts­spezifische Einflüsse oder kulturelle Muster eingeschlichen haben könnten. Diese sind dann zu korrigieren.

Ich nehme an die Begründung dafür, dass man nur auf androzentrische Begründungen hin überprüft und nicht auf gynozentrische ist, dass solche in einem patriarchalischen System gar nicht auftreten können, weil Frauen eben keine Macht haben und damit selbst feministische Forschung keine entsprechenden Strukturen produzieren kann.  (vgl. „Warum es keine sexuelle Diskriminierung von Männern geben kann„)

Aber ganz abgesehen davon, hat der Artikel meiner Meinung nach  zwei wesentliche Schwächen:

1. Das Batemannprinzip ist hier nicht durch feministische Forschung hinterfragt worden. Es wurde durch ganz klassische Wissenschaft, die nochmalige Durchführung eines Versuches und die Hinterfragung des ursprünglichen Versuchsaufbaus, hinterfragt.

Es handelt sich um die folgende Studie:

We are unique in reporting a repetition of Bateman [Bateman AJ (1948) Heredity (Edinb) 2:349–368] using his methods of parentage assignment, which linked sex differences in variance of reproductive success and variance in number of mates in small populations of Drosophila melanogaster. Using offspring phenotypes, we inferred who mated with whom and assigned offspring to parents. Like Bateman, we cultured adults expressing dramatic phenotypes, so that each adult was heterozygous-dominant at its unique marker locus but had only wild-type alleles at all other subjects’ marker loci. Assuming no viability effects of parental markers on offspring, the frequencies of parental phenotypes in offspring follow Mendelian expectations: one-quarter will be double-mutants who inherit the dominant gene from each parent, the offspring from which Bateman counted the number of mates per breeder; half of the offspring must be single mutants inheriting the dominant gene of one parent and the wild-type allele of the other parent; and one-quarter would inherit neither of their parent’s marker mutations. Here we show that inviability of double-mutant offspring biased inferences of mate number and number of offspring on which rest inferences of sex differences in fitness variances. Bateman’s method overestimated subjects with zero mates, underestimated subjects with one or more mates, and produced systematically biased estimates of offspring number by sex. Bateman’s methodology mismeasured fitness variances that are the key variables of sexual selection.

Quelle: No evidence of sexual selection in a repetition of Bateman’s classic study of Drosophila melanogaster

Hier fand keine feministische Forschung statt, es wurde nicht gefragt, ob hier ein besonders androzentrischer Blickwinkel überwunden werden muss, es handelt sich um normale „patriarchalische“ Wissenschaft. Allenfalls legt dies dar, dass diese sich ganz hervorragend selbst überprüfen kann

2. Das Batemannprinzip ist bereits seit langer Zeit hinterfragt und in dieser Hinsicht nicht mehr aktuell. Dazu hätte die werte Mädchenmannschaftsautorin, wenn sie schon nicht auf dem Stand der biologischen Forschung ist, wenigstens mal den Wikipediaartikel dazu lesen sollen:

Als Bateman-Prinzip wird in der Fortpflanzungsbiologie die von A. J. Bateman 1948 aufgestellte Theorie bezeichnet, nach der Männchen um die Gunst der Weibchen konkurrieren und versuchen, so viele Weibchen zu befruchten wie möglich. Als Ursache hierfür sieht er vor allem, dass die Gameten des Männchen – die Spermien – im Vergleich zu den weiblichen Gameten kleiner und zahlreicher sind. Damit erklärt er seinen experimentell ermittelten Befund, dass die Varianz des Paarungs- und Fortpflanzungserfolgs bei Männchen größer als bei Weibchen ist, also die Bandbreite des Fortpflanzungserfolgs innerhalb der Männchen größer ist als bei Weibchen. Somit seien Männchen einem stärkeren Selektionsdruck ausgesetzt.

Bei dem Experiment, aus dem Bateman 1948 seine Theorie folgerte, brachte er je vier Weibchen und Männchen einer Taufliegen-Art (Drosophila melanogaster) zusammen. Nach heutigem Stand der Wissenschaft gelten die statistischen Verfahren, die Bateman für seine Schlussfolgerungen anwandte, nicht mehr als hinreichend.[1]

Da es einige Tierarten gibt, bei denen dieses Prinzip in dieser einfachen Form nicht anzuwenden ist, wurde es in der Folgezeit erweitert und verallgemeinert, insbesondere durch Robert Trivers. Im Jahr 1972 machte Trivers deutlich, dass die geschlechtsspezifische Form des elterlichen Investments in die Nachkommen – und nicht das Geschlecht an sich oder die Gametengröße – dafür ausschlaggebend sind, ob sich ein Individuum im klassischen Sinne männlich oder weiblich verhält.

Das hat auch der dem Mädchenmannschaft Bericht zugrundeliegende Wired-Bericht übersehen, aber warum in der ach so kritischen feministischen Wissenschaft auch etwas mehr lesen als den Bericht, der der eigenen Ideologie entspricht? Dabei hat die Autorin Helga sogar Biochemie studiert.

Im Wired-Artikel übrigens wird ein Bild (Quelle) eines Halsbandarassari gezeigt, eine Vogelart, bei der beide Geschlechter bunt sind.

Collared Aracari

Collared Aracari

Der Text dazu:

Among aracaris, a relative of the toucan, males and females possess equally exaggerated, colorful features. Traditional ideas of sexual selection don’t seem to explain why

Schauen wir uns nun einmal das Paarungsverhalten dieser Vögel an:

Als Nistplatz nutzt der Vogel Baumhöhlen, aus denen er gelegentlich bereits dort brütenden König- und Linienspechten abspenstig macht. [6] Häufig handelt es sich aber auch um eine der Übernachtungshöhlen.[7] Sowohl Männchen wie Weibchen beteiligen sich an der Brut, die etwa 16 Tage dauert. Die Küken sind nach ungefähr 6 Wochen flügge, werden allerdings noch einige Wochen nach Verlassen des Nests gefüttert. Neben den Eltern beteiligen sich auch andere Artgenossen an der Fütterung der Küken. Dabei handelt es sich vermutlich um noch nicht geschlechtsreife Jungvögel, die von den Elternvögeln abstammen. Halsbandarasaaris sind bislang die einzige Tukanart, bei der man ein solches kooperatives Brutsystem eindeutig nachweisen konnte. Da aber bei einer Reihe anderer Tukanarten – darunter insbesondere die Schwarzarassaris – die Fortpflanzungsbiologie noch nicht hinreichend untersucht ist, ist nicht auszuschließen, dass dieses Verhalten auch bei weiteren Arten vorkommt.[8] Halsbandarassaris gelten als monogam.

Da beide Geschlechter jeweils gute Versorger für die monogame Beziehung suchen, müssen beide sich einer entsprechenden Selektion stellen und dafür die entsprechenden Zeichen bereit halten.

Wer etwas mehr dazu lesen will, den verweise ich auf Geary, Male Female, der in Kapitel drei ausführlich darstellt, unter welchen Bedingungen Spezien dazu neigen einen Selektionsdruck zu erfahren oder in eine intrasexuelle Konkurrenz um das andere Geschlecht zu treten. Ich zitiere einmal den Passus zu male Choice:

Although male choice has not been found i n all species in which i t has b e e n studied, discriminating males have been found i n dozens of species of insect (Bonduriansky, 2001; LeBas, Hockham, & Ritchie, 2003), many species offish (Amundsen 6k Forsgren, 2001; Berglund 6k Rosenqvist, 2001; Widemo, 2006) and bird (Amundsen 6k Parn, 2006; Pizzari, Cornwallis, 1.0vlie, Jakobsson, 6k Birkhead, 2003; Roulin, Jungi, Pfister, 6k Dijkstra, 2000), and in some mammals ( M . N . Muller, Thompson, 6k Wrangham, 2006; Szykman et al., 2001). Across these species, the traits males use to make i heir mate choices include indicators of female sexual receptivity, the risk of sperm competition, social dominance as determined by female-female compel it ion, female quality, and the quality of parental care the female is likely to provide. A n intriguing possibility is that some of these traits may be honest signals of the quantity or quality of eggs the females carry. The female barn owl (Tyto alba) provides one example. Females display a Varying number of black spots on their breast plumage, and male mate choice indicates the more the better (Roulin, 1999). Although males do not have as many plumage spots as females, they do have some and, again, t h e more the better. Sexy females lend to pair with sexy males and males with sexy mates work harder to provision their offspring. An immune challenge experiment demonstrated that the robustness of the immunsystem is predicted by the number of black breast spots for females but not for males. These spots are indeed an honest indicator of female but not male health and an apparent indicator of the general health and immunocompetence of her offspring (Roulin, Ducrest, Balloux, Dijkstra, 6k Riols, 2003; Roulin, Riols, Dijkstra, 6k Ducrest, 2001). Pizzari et al. (2003) also found evidence for condition-dependent female ornaments in red jungle fowl as well as for direct and cryptic male choice. Female jungle fowl sport red combs, although smaller and less colorful than those described earlier among males; when females have ornaments, they are typically less conspicuous than those of conspecific males (Amundsen 6k Parn, 2006). Females with relatively large combs produce larger eggs with more yolk than their peers, and male mate choices indicate they prefer these females to females w i t h smaller combs. Cryptic male choice was demonstrated by the finding that males transfer more sperm when copulating w i t h females with larger combs; this effect is particularly pronounced for high-status males. Another interesting twist on male choice is found for the paternal pipefish (Syngnathus typhle); in this species males copy the mate choices of other males (Widemo, 2006). Copying presumably reduces the costs of finding a mate, but scientists do not know how often this happens in other species. As I describe i n the Paternal Investment section of chapter 4, the conditions associated with male parenting and male choice differ in important ways from female parenting and female choice. My point for now is that when males shift reproductive effort from mating to parenting, they compete less intensely with one another and become choosier when it comes to mates. This is not to say that male choice is always associated with male parenting. Male choosiness can evolve when females vary greatly in the quantity and quality of eggs they carry or when there are limitations—other than parenting— on males‘ reproductive potential (e.g., as a result of sperm depletion; Saether, Fiske, 6k Kalas, 2001).

Danach folgt ein ebenfalls interessantes Kapitel zu female-female competition, also den Wettbewerb von Frauen um Männer. Ich empfehle insofern das Buch nochmals.

Auch in einen anderen Artikel bin ich darauf schon einmal eingegangen:

Ein Beispiel intrasexueller Konkurrenz ist der Gorilla: Ein Männchen lebt mit einem Harem von Weibchen und dem Nachwuchs, um den er sich durchaus liebevoll kümmert. Er kann sich ziemlich sicher sein, dass es sein Nachwuchs ist, weil er als dominanter Silberrücken des Harems jeden anderen Gorilla vertreibt, der sich seinem Harem nährt. Die Folge sind sehr kräftige und kampfstarke Männchen. Diese Kraft hat sich entwickelt, weil sich jeweils die Gorillamännchen, die die Kämpfe mit anderen Gorillamännchen gewonnen haben, fortgepflanzt haben, gehalten haben.

Ein Beispiel intrasexueller Konkurrenz der Weibchen findet sich beispielsweise bei den Odinshühnchen. Bei diesen übernehmen die Männchen die Brutpflege, die etwa 3 Wochen dauert, während das Weibchen etwa 1 Woche braucht um ein neues Gelege produzieren zu können. Dadurch wird es für die Weibchen interessant um die Männchen zu werben, da für jedes Weibchen, dass zwei Gelege mit 2 Männchen produziert ein anderes Weibchen leer ausgeht.

Ordnet man in dieses Schema den Menschen ein, dann sieht man, dass wir eine Spezies sind, in der väterliche Unterstützung bei der Aufzucht nicht obligatorisch ist. Damit lohnt sich für Männchen das „Genestreuen“ biologisch mehr als für die Weibchen. Und auch wenn Menschenweibchen in Konkurrenz um „gute Männer“ stehen wird dieser Wettkampf bei ihnen nicht um die Darstellung der Versorgungseigenschaft geführt, sondern eben um körperliche Vorzüge (weswegen Frauen Brüste entwickelt haben als Zeichen guter Gene). Wenn die Mädchenmannschaft diesen Gedanken tatsächlich einmal zu Ende denken würde, statt sich einfach nur zu freuen, dass ein aus ihrer Sicht schlechtes Konzept widerlegt wurde, dann würden sie sehen, dass dieser Auslese eine sexuelle Selektion zugrundeliegt und die erfordert in der Biologie zwingend abgespeicherte Attraktivitätsmerkmale, weil sie sonst nicht evolutionär wirken kann. Das aber steht im Widerspruch zu allen genderfeministischen Theorien, die mir bekannt sind. Echte kritische Wissenschaft würde demnach auch eher in den feministischen Theorien selbst aktiv werden als in den Naturwissenschaften.

Deren Selbstüberwachungsmechanismen funktionieren, wie man sieht, auch außerhalb feminstischer Wertungen