Starke Frauen in Führungspositionen vs. zur Schwäche sozialisierte Frauen, die die Frauenquote brauchen

Ich habe mit @dieKadda, also Katrin Roenicke, eine Diskussion über Twitter geführt.

Sie hat argumentiert, dass die Piraten eine Quote bräuchten, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass es auch bei ihnen die Frauen nicht nach oben kommen, weil das Klima zu wettbewerbsorientiert ist.

Ich hatte auf die Grünen verwiesen, die zeigen, dass die Quote da ebenfalls nicht zu Veränderungen geführt hat, sondern immer noch nach Frauen gesucht werden muss und bei Wegfall der Quote wieder sinken würde.

Daraufhin verwies Kathrin darauf, dass die grünen Frauen eben auch noch entsprechend sozialisiert wären, sich weiblich zu verhalten und es eben ein langer Prozess wäre, man Vorbilder präsentieren müsse und das einige jahrzehnte lang.

An dieser Stelle habe ich dann nachgefragt, ob das gleiche dann nicht auch bedeuten würde, dass es wenig Frauen geben würde, die so sozialisiert sind, dass sie einen Vorstandsjob oder einen hohen Posten in der Wirtschaft ausüben können und wollen und man dann da dem Wettbewerb noch weniger entfliehen könne, weil es eben in diesem Bereich immer einen Wettbewerb zumindest mit anderen Firmenchefs gibt.

Aus meiner Sicht kann man schwer beides argumentieren:

Die Sozialisierung der Frauen in ihrer Frauenrolle macht jahrzehntelange Frauenquotenprogramme erforderlich, damit Frauen aus dieser Sozialisierung ausbrechen können.

und

Weibliche Führungskräfte stehen im gleichen Umfang wie männliche Führungskräfte zur Verfügung. Es beruht auf Diskriminierung, dass sie nicht nach oben kommen.

Denn die erste Auffassung schildert ja gerade eine Sozialisierung, die bei Frauen insgesamt wirkt und sie von wettbewerbsorientierten Jobs abhält, sie andere Jobs suchen läßt und damit genau diesen Mangel an Kandidatinnen erklären würde, auf den die Wirtschaft sich beruft. Eine weibliche Sozialisierung würde stets ein Ausbrechen aus dieser für die Übernahme solcher Jobs erfordern, was ein Risiko für den Arbeitgeber ist.

Die zweite Auffassung hingegen legt gerade dar, dass diese Sozialisierung von den starken Führungsfrauenkandidatinnen bereits abgeschüttelt wurde und diese quasi auf Abruf stehen.

Es ist letztendlich der Gegensatz zwischen einer Argumentation, die auf Schutzwürdigkeit der Frau aufbaut und diese daher als schwach und gefangen in einer starken, weiblichen Sozialisation gefangen ansieht und einer Argumentation, die auf Stärke der Frau abstellt, aus der gleiche Leistung angeboten wird, die bei einer entsprechenden Sozialisation nach der obigen Argumentation aber gerade nicht gegeben ist.

Die biologischen Theorien bieten hier darüber, dass es Normalverteilungen gibt, bei der bestimmte Frauen eben eher auf der wettbewerbsorientierten Seite Seite sind, eine eigentlich günstigere Variante, auf die sich Führungsfrauen berufen können. Es erlaubt auch schnellere Rollenwechsel als eine tiefe Sozialisierung zu „weichen weiblichen Eigenschaften“.

Wer darauf abstellt, dass Frauen auf eine bestimmte Art und Weise den fixen Gesellschaftsrollen unterliegen, die sie auf „das weibliche“ festlegen, der läuft erhebliche Gefahr, dass genau diese Sozialisierung dann auch ernst genommen wird und negativ angerechnet wird. Es verringert dann eben den Kandiatenpool an zur Verfühung stehenden Frauen für Jobs, die nicht der „weiblichen Sozialisierung“ entsprechen, deutlich.

Gegenmittel sind dann:

  1. Die Forderung, die Unternehmenskultur so zu ändern, dass sie zu einer weiblichen Sozialisierung passt (gerade an der Spitze eine schwer umsetzbare Forderung, da dort eben Wettbewerb mit der Konkurrenz herrscht)
  2. Die Sozialisierung zu ändern (was aber gleichzeitig den heutigen Frauen nicht mehr hilft und dann eben auch anerkennen muss, dass der heutige Kandidatenpool geringer ist).

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass Sozialisierungs-Theorien gegen biologischen Modellen mit fließenden Geschlechtergrenzen und lediglich Häufungen bei bestimmten Mittelwerten wesentlich essentialistischer und determinierter sein können.

Danach unterliegen dann eben ALLE Frauen einer bestimmten Sozialisierung, weil die gesellschaftlichen Normen, die weiblichen Identitäten, die Geschlechterrollen jeder einzelnen Frau kraft Phänoptyp zugewiesen werden und Druck auf sie in diese Richtung ausgeübt wird.

  • Wer von einer starken Sozialisation ausgeht, die Frauen und Männer betrifft, der muss auch gleichzeitig davon ausgehen, dass es eine geringere Individualität bezüglich dieses Sozialisationsaspektes gibt.
  • Wer von einer schwachen Sozialisation ausgeht, dem fehlt das Argument, warum Frauen sich nicht so leicht von dieser frei machen können.