Alice Schwarzer zur Frage, warum emanzipierten Frauen die Männer weglaufen

Alice Schwarzer schreibt in der Emma über die Probleme emanzipierter Frauen  bei der Liebe:

Je emanzipierter die Frauen sind, umso schwerer scheinen sie sich heute zu tun mit der Liebe.

Sie schildert wie einige Frauen ihr berichten, dass die Männer heute Angst hätten vor den Frauen, weil diese zu emanzipiert sind.

Und dann scheint sie sogar so etwas wie Macht von Frauen anzunehmen:

Sie ist nicht die erste, die den Verdacht hegt, dass die einstige ökonomische und rechtliche Herrschaft von Männern über Frauen abgelöst wurde von einer subtileren und darum sehr viel gefährlicheren, von einer „emotionalen Dominanz“. Eine Dominanz, bei der die Frauen selbst in größerem Ausmaß denn je Mittäterinnen sind.

Frauen Mittäter bei einer emotionalen Dominanz? Hört, hört. Ihre weitere Schilderung der heutigen Lage:

Wo aber stehen wir heute? In der letzten Zeit häufen sich in meiner Umgebung diese Fälle durchaus emanzipierter junger bis mitteljunger Frauen, irgendwo zwischen 20 und 40, die allesamt darüber klagen, dass sie „keinen Mann finden“, beziehungsweise die „Männer keine echten Männer“ mehr seien. Was immer auch ein echter Mann sein mag in der Vorstellung dieser Töchter der Emanzen und Enkelinnen der „echten“ Männer, in der Tat belegen zahlreiche Studien: Die Männer sind irritiert. Und sie zeigen Fluchttendenzen. Was nicht weiter verwunderlich ist.

Es ist interessant, wie sie über diesen aus meiner Sicht sehr wichtigen Punkt hinweggeht. Da beschweren sich Frauen, dass Männer keine „echten Männer“ mehr sind und sie lässt es einfach unter den Tisch fallen. Was soll schon echte Männlichkeit heißen? Eben nicht, dass er zuhause bleibt und die Kinder pflegt, während sie das Geld verdient, sondern wohl eher ein selbstbewusstes, positive dominantes Auftreten. Männlich sein ist eben für viele Frauen nach wie vor sexy, egal, was Gender Mainstreaming und Genderfeminismus an Rollenaufgaben planen. Gut, Emma ist eher 2. Welle als 3. Welle, sie vertritt ja keinen modernen Genderfeminismus, sondern eher einen Beauovirfeminismus, aber dennoch eine Aussage, die so bei genug Feministinnen auf Protest stoßen würde, ganz zu schweigen von Profeministen.

Es ist verständlich, dass viele Frauen das so sehen. Denn das klassisch männliches Verhalten, sexy ist passt eben gut zu unseren eingespeicherten Attraktivitätsmerkmalen, von denen wir Menschen nicht so schnell weg kommen werden. Das zeigt auch schön, wie die Geschlechterrollen sich gegenseitig erzeugen und es keineswegs damit getan ist, dass die Männer sich einfach ihrer Privilegien entledigen.

Schwarzer trauert dann noch etwas den alten Zeiten nach:

In den 1970er Jahren, als wir Feministinnen den Männern die Liebeshörigkeit aufkündigten und so die wahre sexuelle Revolution anzettelten, da hatten wir immerhin die Verdopplung der Möglichkeiten durch die Öffnung für homosexuelle Beziehungen zur Verfügung. Du hast keine Lust mehr? Macht nichts, ich habe mich eh gerade in eine Frau verliebt. Doch die Zeiten sind vorbei.

Ach ja, die gute alte Zeit des politischen Lesbischseins. Ich würde ja vermuten, dass diejenigen, die da tatsächlich gewechselt sind entweder nicht wirklich glücklich gewesen sind, weil sie ihre Heterosexualität verleugnet haben oder bereits lesbisch oder bi waren. Gibt es da eigentlich Langzeiterfahrungen zu?

Die Kritik an der (kulturellen) „Zwangsheterosexualität“ inklusive ihrer Sexualpraktiken ist passé, ja verpönt. Und zu der einen Schublade ist jetzt eine zweite hinzugekommen: die Zwangshomosexualität. Man bzw. frau ist so oder so, dazwischen gibt es nichts (sehen wir von der auf die Queer-Szene begrenzten „Multisexualität“ ab). Sogar die homosexuell lebenden Frauen und Männer argumentieren heute mehrheitlich nicht minder biologistisch als ihr heterosexuelles Pendant: alles angeboren! Oder aber frühkindlich und irreversibel geprägt. Keine Rede mehr von Freuds „polymorpher Sexualität“, die nicht ausgerichtet ist auf ein bestimmtes Geschlecht, sondern individuell je nach Lust und Interesse gelebt werden kann.

Tja, Freud ist in der Tat nicht mehr aktuell. Hauptsächlich, weil seine Theorien wenig überzeugend und durch weitere Forschung hinfällig geworden sind. Wir haben keine polymorphe Sexualität, wir sind eher auf ein bestimmtes Geschlecht, meist das Andere, ausgerichtet.

Um aber zur Ursprungsfrage zurückzukehren: Ich glaube nicht, dass Männer per se Angst vor emanzipierten Frauen haben. Mitunter ist es vielleicht auch einfach nur die Frau, die emanzipiert mit dominant und unnötig fordernd verbindet. Natürlich: Eine Frau mit hohem Status hat das Problem, dass viele Männer annehmen werden, dass sie für sie nicht interessant sind und das ist eine Form der Angst. Ein weiterer Nachteil ist, dass Status Frauen weit weniger interessant macht als Männer. Ein anderer Punkt ist eben, dass auch die Frauen noch nicht herausgefunden haben, was sie wollen. Der „echte Mann“ ist begehrt, aber er lässt sich eben auch nicht alles gefallen und stellt selbst Forderungen an die Frau.

Vielleicht sollten sich auch einige Frauen eingestehen, dass es weniger ein Weglaufen als ein Hinlaufen zu anderen Frauen ist.