Über Sanczny bin ich auf einen Artikel bei „kulturelle Praxis“ gestoßen, der „gute Antworten“ auf „Evolutionsgedöns“ zur Zweigeschlechtlichkeit vorschlägt.
1. Zweigeschlechtlichkeit und Queertheorie
Zweigeschlechtlichkeit scheint in queeren Kreisen und damit auch in Teilen des Feminismus als problematisch zu gelten. Die Betonung der Geschlechter und die Einordnung in ein starres Zweierschema wird hier wohl als zu heteronormativ angesehen und damit natürlich als schlecht. Es gibt daher zahlreiche Bemühungen die Zweigeschlechtlichkeit zu „dekonstruieren“.
Butler wäre ein entsprechender Vertreter, ich hatte dazu bereits in meinem Artikel „Judith Butler“ über sie das Folgende angeführt:
Butler überträgt diesen Gedanken, wie Foucault bereits vor ihr auf das Geschlechterverhältnis, wo nach ihrer Auffassung ebenfalls bestimmte Geschlechternormen errichtet worden sind, die die Errichtung der Geschlechter und deren Verhalten bewirken. Diese knüpfen an die unterschiedlichen Körper von Mann und Frau an, die aber insoweit lediglich das Unterscheidungsmerkmal bilden, dass dann über verschiedene kulturell geschaffene Regeln zur Errichtung der Geschlechterrollen führt. Körper materialisieren sich nie unabhängig von ihrer kulturellen Form, sind also immer an ihre kulturspezifische Wahrnehmung gebunden.
Diese kulturspezifischen Merkmale der Geschlechterrollen werden dann durch beständige Wiederholung gleichsam eingeübt.
Nach dieser Vorstellung gibt es ersteinmal keine Frau als Subjekt, sondern das was als Frau definiert wird ist beständig einer kulturellen Betrachtung und Veränderung unterworfen. Eine “Frau” mit einem männlicheren Körper ist in dieser Hinsicht teilweise schon wieder den männlichen Regeln unterworfen, ist also nicht per se Frau, sondern irgendwo dazwischen. (…)
Für Butler schafft der Diskurs damit auch gleichzeitig den Körper -durch die Sprache materialisert sich das Geschlecht, Diskurs und Materie sind insofern miteinander verbunden. Die Sprache und der Diskurs stehend damit auf einer Stufe mit der Materie. Das Sprache und Diskurs die Materie nicht verändern und die Materie unterschiedlich bleibt ist nicht relevant, weil das übergeordnete Subjekt aus den drei Elementen, Diskurs, Sprache und Materie, eben durch diese alle drei geschaffen wird. Eine Frau kann nicht Frau sein, wenn die Eigenschaft Frau nicht durch den Diskurs in seiner gerade gültigen Form geschaffen, dies durch Sprache vermittelt wird und die Unterscheidung zu anderen Geschlechtern anhand körperlicher Faktoren, an denen diese Normen ansetzen können, erfolgen kann.
Andere Betrachtungen sind die von Fausto-Sterling, die erst eine 5-Geschlechtertheorie entwickelte (male, female, merm, ferm, and herm, also im wesentlichen zwei Abstufungen von Männlich und weiblich und eine hermaphroditische Kategorie), dafür aber ebenfalls stark kritisiert wurde und ihre Theorie dann aufgegeben hat und nun mehr darauf abstellt, dass es viele Abstufungen gibt.
2. Zweigeschlechtlichkeit und Evolution
Aus Sicht der Biologie gibt es dennoch lediglich zwei Geschlechter, weil hier ein fortpflanzungsbezogener Begriff verwendet wird. Die zwei Geschlechter, Mann und Frau, sind hier die beiden für die Fortpflanzung wichtigen Einteilungen, die damit auch den zentralen Punkt bilden und nicht ausgeblendet werden können. Nach diesem Modell kann nur ein eigenes Geschlecht sein, was an der Fortpflanzung beteiligt ist. Alles andere kann aus meiner Sicht bei dieser Betrachtung kein Geschlecht sein. Es sind dann eher Mischformen der Geschlechter, die aufgrund der Art, wie die Geschlechter entstehen, auftreten.
Natürlich spricht das nicht dagegen, sprachliche Bezeichnungen zu bilden, die einen größeren Umfang haben, etwa in dem man Intersexuelle mit dazunimmt oder eben Sonderformen für bestimmte Mischformen oder Ausprägungen bildet, aber das ändert nichts daran, dass unsere Biologie auf zwei Geschlechter ausgelegt ist.
Die Zweigeschlechtlichkeit ist dabei einige Zeit ein Rätsel für die Biologie gewesen, weil sie gar nicht so einfach zu erklären ist. Bei einer ungeschlechtlichen Fortpflanzung benötigt man lediglich ein Lebewesen, um ein anderes Lebewesen herzustellen, bei der jetzt bestehenden Zweigeschlechtlichkeit kann sogar nur eines dieser beiden eines der neuen Lebewesen produzieren, der andere, also das Männchen ist insofern eine ungenutzte Produktionskapazität, die Nahrungskonkurrenz etc darstellt. Bei dieser Betrachtung müsste man davon ausgehen, dass asexuelle Fortpflanzung wesentlich schneller ist und daher einen Selektionsvorteil hat:
Während ein Mensch, der 2 Nachkommen hat, hierzu einen weiteren Menschen benötigt, der dann auch zwei Nachkommen hat, was also lediglich eine Arterhaltung wäre, würde eine asexuelle Fortpflanzung zu einer Verdoppelung statt einer Arterhaltung führen.
Es gibt jedoch Vorteile einer sexuellen Fortpflanzung, die dies aufwiegen:
- Geschlechtliche Fortpflanzung erlaubt es einen Genpool zu bilden, in dem verschiedene Gene unterschiedlich miteinander kombiniert werden können. Asexuelle Fortpflanzung lässt nahezu keinen Genaustausch zu, so dass alle Mutationen innerhalb einer Linie erfolgen müssen. Bei sexueller Fortpflanzung kann sich eine günstige Mutation in einer Linie, eine andere günstige Mutation in einer anderen Linie entwickeln und bei einem Treffen dieser beiden Linien beide Mutationen in einem Körper zusammenkommen und entsprechend weitergegeben werden
- Ein Genpool erzeugt verschiedene Körper, auf die sich Parasiten schwerer einstellen können als bei einer eingeschlechtlichen Fortpflanzung, bei der ein Nachkomme genauso ist wie sein Vorgänger (zuzüglich einer eventuellen Mutation im geringen Umfang). Dies gibt einen Vorteil, gerade für Lebewesen mit einer längeren Reproduktionsdauer, die eine geringere Anpassungsrate gegenüber Wesen mit einer kurzen Reproduktionsdauer (etwa Bakterien und Viren) haben. Da sich Parasiten und Wirte immer in einem Red Queen-Rennen befinden (beide müssen sich immer wieder anpassen um auf der gleichen Stelle zu bleiben), wird dieser Effekt als sehr wichtig angesehen
- Transsexualität, Androgenrezeptoren und Gene
- Geschlechterunterschiede und Homosexualität: Soziologische vs. biologische Erklärungen
- Männliche und weibliche Hormone
- Biologische Gründe für Homosexualität
- Vererbbare Faktoren in der sexuellen Orientierung bei Frauen
- Höhere Fruchtbarkeit der weiblichen Verwandten als Vorteil der Homosexualität und der Bisexualität?
- Warum die sexuelle Identität biologisch sein muss
- Geschlechtliche Differenzierung des menschlichen Gehirns in Bezug auf geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung
- Die Organisation des Gehirns durch Testosteron
a) Was? Hab’ gerade nicht zugehört, mußte an Analverkehr denken
Dass es Analsex gibt ist kein Gegenargument, dafür, dass es zwei Geschlechter gibt. Die Theorien arbeiten nicht damit, dass Sex immer Fortpflanzung ist und es deswegen keinen Analsex geben dürfte. Sex ist natürlich Spass und Erregung, weil das das Mittel ist, mit dem wir zum Sex angehalten und motiviert werden. Dass es dabei viele Formen gibt, die nicht zu einer Fortpflanzung führen und trotzdem Spass machen, steht dem nicht entgegen, genau so wenig wie Süssstoff dem Gedanken entgegensteht, dass uns Süsses schmeckt, weil es ein guter Energielieferant ist. Der selektive Nachteil von Analsex scheint nicht so groß gewesen zu sein, dass dies zu einer Selektion zu Ausscheidungsorganen führte, in die man keinen Penis einführen kann. Viele Menschen, die passiven Analsex ausprobieren, werden allerdings durchaus der Auffassung sein, dass es einem auch nicht zu leicht gemacht wird.
b) Stimmt, nach Rule 34 müßte es auch Bratenspritzen- oder Reagenzglas-Pr0n geben
Weil sie der Fortpflanzung dienen? Auch da ist wieder anzuführen, dass nicht Fortpflanzung sexy ist, sondern Sex, die Natur es aber so eingerichtet hat, dass ein Großteil des Sex die Fortpflanzungschance entsprechend erhöht. Dass man künstliche Befruchtungen vornehmen kann ist dabei nicht weiter störend.
c) Sagt eine Zelle zur anderen nach der Teilung: “Und … wie war ich?”
Das einige Lebewesen sich ohne Sex fortpflanzen können stellt die Zweigeschlechtlichkeit bei sich sexuelle fortpflanzenden Wesen nicht in Frage. Es sind verschiedene Wege zur Fortpflanzung, die auf verschiedenen Vorzügen dieser aufbauen.
(mir ist bewusst, dass die Anmerkungen eher schnippisch/lustig sein sollen, aber ich wollte sie dennoch kurz besprechen, gerade auch, weil ich sie eben nicht für pfiffig, sondern schlicht an der Sache vorbeigehend, halte)