Allgemein besteht eine erhebliche Zurückhaltung bei der Annahme, dass durch Evolution ein Gehirn entstanden sein kann, dass bestimmte verhalten bevorzugt oder auf evolutionär stabile/vorzugswürdige Strategien hin optimiert ist.
Dabei ist das Gehirn natürlich auch nur ein Organ, dass den gleichen evolutionären Regeln unterliegt und vollständig nach diesen entstanden ist.
Wenn man Menschen fragt, was wohl wichtiger für den Erfolg eines Menschen ist, dann werden viele recht schnell antworten, dass sein Gehirn der wichtigste Faktor ist. Gerade bei intelligenten Gruppentieren, die zu Koalitionen in der Lage sind, besteht sehr häufig die Möglichkeit pure Muskeln durch Gehirn zu übertrumpfen.
Wir haben auch bei allen anderen Tieren kein Problem damit, Verhalten, selbst sehr kompliziertes Verhalten, als durch deren Biologie bedingt zu sehen.
Dass Ameisenparasiten sich in das Lager von Ameisen einschleusen und ihrer Königin gezielt den Kopf abschneiden um deren Platz einzunehmen und die Nachkommen von deren bisherigen Volk versorgen zu lassen führen wir auf ein dafür entwickeltes Nervensystem zurück.
Dass Herdentiere nicht plötzlich Gruppentiere werden ist ebenfalls Biologie.
Dass Löwen bei der Übernahme eines Rudels die Jungtiere töten erscheint uns in seiner Schrecklichkeit logisch und als Umsetzung einer biologisch erfolgreichen evolutionären Strategie.
Dass Bonobos nicht plötzlich schamhaft werden und Gorillas nicht plötzlich monogam bereitet uns – trotz ihrer engen Verwandtschaft mit uns und sehr hoch entwickelten Gehirnen – kein Kopfzerbrechen.
Wenn Schimpansen Machtspiele spielen um in der Hierarchie aufzusteigen und erbittert untereinander um die zur Verfügung stehenden Plätze an der Spitze kämpfen, dann werden die meisten Leute interessiert lauschen, wenn man dies als Ausdruck intrasexueller Konkurrenz erklärt, die letztendlich der Partnerwahl dient und mit einer biologischen Einordnung keine Probleme haben.
Bisher habe ich noch von keiner Forschung gelesen, die meint, dass man Menschenaffen dekonstruieren kann.
Wir wissen und akzeptieren, dass das Gehirn auch beim Menschen, der mit den anderen Primaten gemeinsame Vorfahren hat, nicht komplett neu entworfen wurde (wie auch im Rahmen der Evolution, die nur kleine Schritte kennt, die stets im laufenden Betrieb einen Vorteil bieten müssen), sondern eher ein Schichtensystem darstellt, bei der das Stammhirn ein Kleinhirn und ein Großhirn aufgesetzt bekommen hat. Und selbst innerhalb dieser wissen wir, dass die Gehirnarealle bei Mensch und anderen Primaten im wesentlichen gleich sind, sie sind beim Menschen nur anders aufgebaut und mit mehr Leistungskraft versehen.
Wir haben kein „neues Menschengehirn“, sondern ein „getuntes Primatengehirn“, das ein „getuntes Säugetiergehirn“ ist und so weiter.
Wer bei einem Primaten wie den Schimpansen oder den Gorillas biologisch beeinflusstes Verhalten annimmt, dem sollte ein kompletter Umbau des Gehirns bei Menschen hin zu vollkommener Freiheit schwer fallen. Es fehlt auch ein diesbezüglicher selektiver Druck, aus dem heraus Attraktivitätsmerkmale für eine gute Fortpflanzung oder der Wunsch in einer Hierarchie einen guten Platz zu erlangen, weggefallen sein sollen, gerade wenn sie dann durch ein genau gleiches soziales Konstrukt, dass genau diese Merkmale vorteilhaft macht, ersetzt.
Auch Charles Darwin erhielt den meisten Widerstand gegen seine Thesen nicht dafür, dass er die Evolution der Tiere darlegte, sondern dem Menschen gerade in Bezug auf sein Verhalten die Sonderstellung raubte. Die Entstehung der Tiere durch Mutation und Selektion wurde bald akzeptiert, die Evolution des Menschen, gerade des Verhaltens des Menschen, durch diese Mechanismen stieß aber auf erbitterten Widerstand.
Hier wollte man den Schöpfungsakt, das besondere, das Untierische. Und auch heute, wo in Europa die meisten Leute zustimmen würden, dass der Mensch durch Evolution entstanden ist und einen gemeinsamen Vorfahren mit den anderen Primaten hat, wird man bei der Anwendung genau der gleichen evolutionsbiologischen Regeln, die man auf das gesamte Tierreich anwendet und die bei Primaten akzeptiert sind, häufig entsetzte Blicke ernten.
Es ist mit unser Selbstwahrnehmung nicht kompatibel uns als Überlebensmaschine unser egoistischen Gene zu sehen, weil diese die Matrix auf unserem Gehirn laufen lassen, die uns die diesbezügliche Unbeeinflusstheit vorgaukelt, weil uns die Optionen, die wir für eine Entscheidung zur Verfügung haben und unsere Abwägungsmatrix unabhängig vorkommt, obwohl sie auf den Wünschen und Vorlieben beruht, die uns unsere Biologie vorgibt.
Meiner Meinung nach liegt hier die Beweislast für ein wegfallen biologicher Einflüsse, gerade in den Bereichen Partnerwahl und sexuelle Selektion deutlich auf Seiten der Befürworter eines Wegfalls.
Es ist nach unserer Evolutionsgeschichte zu erwarten, dass unser Verhalten umfangreich durch unserer Biologie beeinflusst ist.
Wir finden auch genug Verhalten, bei denen dies unproblematisch angenommen wird. Von Hunger und Durst bis zu der Frage der Recht- oder Linkshändigkeit haben wir wenig Probleme damit, biologische Faktoren anzunehmen. Aber bei Sex und Fortpflanzung soll dies dann nicht mehr der Fall sein, obwohl gerade in diesem Bereich der evolutionäre Druck eher gestiegen ist, an biologischen Modellen festzuhalten, weil die Fortpflanzung aufgrund der hohen Unselbständigkeit des menschlichen Kindes für beide Geschlechter teurer geworden ist als für das erste Säugetier vor etwa 200 – 270 Millionen Jahren, bei dem ebenfalls bereits die Weibchen einen „Fixkostennachteil“ hatten, der nur über Beteiligung des Männchens auszugleichen war, so dass auch hier bereits ein entsprechender evolutionärer Druck für eine Auseinanderentwicklung vorhanden war.
Aber auch Wettbewerb, reziproker Altruismus, starke Gefühle wie Eifersucht, Liebe, Hass und Nachtragen von bestimmten verhalten lassen sich problemlos in ein evolutionärer Modell einordnen und sind bei unserer Biologie nicht nur zu erklären, sondern sogar zu erwarten. Sie sind spieletheoretisch erklärbar und durch entsprechende Modelle und Berechnungen nachzuvollziehen.
Eine Theorie, nach der der Mensch frei ist von seiner Biologie muss viel erklären, gerade in Hinblick auf die Evolution und die Nähe zu den anderen Primaten, die vieles an menschlichen Verhalten zeigen.
Bisher sind die diesbezüglichen Bemühungen meiner Meinung nach nicht zum Kern vorgedrungen.
@Christian
Du bewegst Dich in einer Endlosschleife und käust wider und wider, was doch bereits längst abgehandelt worden ist.
Es dürfte ja nun wohl einsichtig gemacht worden sein, dass ausser den Radikalkonstrutivisten und ev. noch gewissen Poststrukturalisten niemand biologische Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten negiert. Aber, je nach Ebene haben biologische Faktoren eine grössere oder geringere Erklärungskraft.
a) Intrapersonelle Ebene
b) Mikroebene (Interaktionen)
c) Mesoebene (Gruppen/Organisationen/Institutionen)
d) Makroebene
Je mehr es zur Makroebene geht, umso weniger haben biologische Faktoren eine grosse Erklärungskraft.
Ehrlich gesagt weiss ich nicht, was Dir diese Endlosschleife gibt. Offenbar kennst Du Dich in der Evolutlionspsychologie und Spieltheorie aus, aber das ist leider ein bisschen wenig! 😀
@Chomsky
„Es dürfte ja nun wohl einsichtig gemacht worden sein, dass ausser den Radikalkonstrutivisten und ev. noch gewissen Poststrukturalisten niemand biologische Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten negiert.“
Ich denke es gibt da immer noch erhebliche Vorbehalte. Das merkt man in vielen Diskussionen. Ich wollte daher mal einen Artikel dazu schreiben, dass wenig verständlich ist, warum diese Vorbehalte eigentlich bestehen
„Je mehr es zur Makroebene geht, umso weniger haben biologische Faktoren eine grosse Erklärungskraft.“
Ich denke, dass diese Einstellung eher an deiner eigenen Schleife liegt 🙂
Die biologischen Faktoren haben auch auf diesen Ebenen erhebliche Erklärungskraft, da sie unser gesamtes Denken beeinflussen und man sich davon nicht ohne weiteres lösen kann. Auch Organisationen untereinander sind nicht frei von den Auwirkungen intrasexueller Konkurrenz oder Statusdenken oder überhaupt der Art und Weise, wie wir Bündnisse schließen und absichern. Und gerade im Makrobereich spielt natürlich auch Spieletheorie eine große Rolle.
Ehrlich gesagt weiss ich nicht, was Dir diese Endlosschleife gibt. Offenbar kennst Du Dich in der Evolutlionspsychologie und Spieltheorie aus, aber das ist leider ein bisschen wenig!“
Mich interessiert ja auch hauptsächlich das Geschlechterthema. Für diesen Themenbereich und die da relevanten Auswirkungen des durch Evolution entstandenen Gehirns ist es absolut maßgeblich sich mit diesen Bereichen zu beschäftigen, wenn man sie wirklich verstehen will.
@Christian
Du schreibst:
Die biologischen Faktoren haben auch auf diesen Ebenen erhebliche Erklärungskraft, da sie unser gesamtes Denken beeinflussen und man sich davon nicht ohne weiteres lösen kann. Auch Organisationen untereinander sind nicht frei von den Auwirkungen intrasexueller Konkurrenz oder Statusdenken oder überhaupt der Art und Weise, wie wir Bündnisse schließen und absichern. Und gerade im Makrobereich spielt natürlich auch Spieletheorie eine große Rolle.
Kommentar:
Ja, aber das sind doch Allgemeinplätze. Ich habe auf einem anderen Blog gerade das Thema zwischen Konkurrenzdemokratie und Konkordanzdemokratie erörtert. Was für eine Erklärungskraft gibt mir die Evolutionspsychologie, dass wir es in Deutschland mit einer Konkurrenzdemokratie und in der Schweiz mit einer Konkordanzdemokatie zu tun haben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Konkurrenzdemokratie
http://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie
M.E. hat die Evolutionspsychologie hier quasi überhaupt keine Erklärungskraft. Aber wenn Dir was Schlaues in den Sinn kommt, dann klär mich bitte auf.
@Chomsky
(Konkordanzdemokratie vs. Konkurrenzdemokratie)
Bereits für die Frage, warum wir überhaupt solche Modelle benötigen kann unsere Entwicklungsgeschichte sehr hilfreich sein, insbesondere die Frage, zu wieviel Altruismus wir eigentlich in der Lage sind.
Und der Grundkonflikt, der bei dieser Entscheidung besteht, ist ja auch ein klassischer nach der Natur des Menschen:
Bei der Konkurrenzdemokratie besteht die Gefahr, dass Mehrheiten ihre Meinung gegenüber Minderheiten durchdrücken.
Bei dem Konkordanzprinzip besteht die Gefahr, dass Minderheiten sich zuviele Sonderrechte einräumen lassen, die nur ihnen dienen, damit sie zustimmen.
Bei den jeweiligen Abstufungen dazwischen verschieben sich diese Gefahren je nach Abstufung.
Wer bei Menschen ein hohes Maß an Altruismus sieht, der wird bei einem Konkordanzsystem hervorheben, dass es besser ist, jedem zuzuhören, damit man nichts übersieht und die dort gebildete Meinung als die dann für alle gerechte ansehen.
Wer bei Menschen ein geringes Maß an Altruismus sieht, der wird den Konkordanzanteil mehr zu einer Anhörung machen und nicht zu einer Mitbestimmung ausbauen, um eine Zergliederung zu vermeiden.
Auch bei der Frage, wie man ein Konkurrenzsystem so ausgestaltet, dass die Leute sich nicht übergangen fühlen, wird man nur unter Berücksichtigung der menschlichen Natur klären können. Wann akzeptieren Menschen beispielsweise einen Vertreter und wann nicht? Die meisten Wahlsysteme haben ja kein reines Listenverfahren, weil sie genau wissen, dass Wahlkreise ein stärkeres „Einer von uns“ Gefühl auslösen, dass die Konkurrenzdemokratie erträglicher machen kann, wenn man das Gefühl hat, dass derjenige, der einen vertritt, Mitspracherechte hatte. Das verschiebt sich natürlich, wenn er als Sprachrohr einer Politikerkaste wahrgenommen wird, weil man eben den persönlicheren Kontakt, einen In-Group-Aspekt benötigt.
Und das ist eben auch bezüglich der Bevölkerung so: Um so eher ein Volk eine starke eigene In-Group-Bezogenheit aufbauen kann, um so homogener sie also ausgerichtet ist oder um so eher sie anderweitig ein starkes Wir-Gefühl erzeugen kann, um so unsozialer wird es dem einzelnen erscheinen, seine Interessen gegenüber der Gruppe durchzusetzen. Auch das ist meiner Meinung nach besser zu verstehen, wenn man sich die evolutionsbedingten Probleme der Entwicklung von Gruppen und Zusammenarbeit und die damit in Verbindung stehenden Elemente der Spieletheorie bewußt macht. Im Endeffekt muss man hier die negativen Elemente bei Durchsetzung der eigenen Interessen mit einem Faktor, der die Stärke des Wir-Gefühls berücksichtigt, in den Entscheidungsbaum einbinden. Eben weil wir aus diesem Gruppengefühl schwer herauskommen, wenn es tatsächlich stark ausgebaut ist.
Auch ein Problem bei der Eu und seiner Erweiterung und den abstrakten EU-Abgeordneten. Wir haben zuwenig Bindung zur EU, obwohl diese eine erhebliche Gestaltungsmacht hat. Deswegen überwiegen da auch viele Einzelinteressen, was für Spannungen sorgt.
Eine sinnvolle Abgrenzung zwischen diesen Modellen, die die Natur des Menschen nicht einbezieht, erscheint mir schwierig.
Alle Absicherungen, die man vornehmen muss, sind ja genau auf diese Natur des Menschen abzustimmen.
@Christian
Zu Deinen Erörterungen.
Du kannst nun mit ein paar evolutionspsychologischen Axiomen kommen: Egoismus, Altruismus, Konkurrenz. Hier können wir sagen, sollten diese Axiome richtig sein, dann haben wir eine evolutionspsychologische Grundlage. Aber diese Grundlage haben wir bei allen Menschen, bei Deutschen, Schweizern, Amerikanern. Nun haben aber die Deutschen, die Amerikaner und die USA unterschiedliche politische Systeme. Und genau diese Unterschiedlichkeit kannst Du dann eben mit der Evolutionspsychologie nicht mehr erklären. Du kannst zwar sagen, dass der Mensch biologische Grundlage für Konkurrenz, Altruismus, Aggression etc. hat.
Aber: Die Unterschiede auf der Mesoeben oder der Makroebene zwischen unterschiedlichen Staaten kannst Du eben nicht mehr erklären. Das wollte ich sagen. Die Unterschiede kannst Du nur noch mit sozialwissenschaftlichen (Politikwissenschaft, Soziologie, Ethnologie, Geschichtswissenschaft, Sozialpsychologie etc.) erklären.
@Chomsky
„Die Unterschiede kannst Du nur noch mit sozialwissenschaftlichen (Politikwissenschaft, Soziologie, Ethnologie, Geschichtswissenschaft, Sozialpsychologie etc.) erklären.“
Ich denke du hast ein anderes Verständnis von biologischen Vorgängen als ich. Du siehst sie starr als bestimmte Grundlagen und Schwellen, während es mir darum geht, dass sie gleichzeitig Ziele und Wünsche sind, die das Handeln bestimmen.
Und in verschiedenen Staaten können diese biologischen Ziele und Wünsche anders umsetzbar sein. Eben zB in dem ein kleines Bergvolk wie die Schweiz mehr Altruismus betonen kann als ein Land wie Deutschland mit einer wesentlich heterogeneren Struktur, wobei dies sich durch eine entsprechende Einbindung der Schweiz auch schwerer gestalten lassen wird als früher.
Auch wenn wir alle Grundlagen haben, die eng aneinander liegen (gleich sind sie nicht), haben wir nicht die gleichen Möglichkeiten, sie umzusetzen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir dann auf Grundlage dieser unserer Natur andere Entscheidungen vornehmen.
Was verschiedene Modelle attraktiv macht. Für einen bestimmten Staat kann daher ein Modell attraktiv sein und für den anderen nicht. Dennoch versuchen beide ein Modell zu leben, was ihrer Natur entspricht.
Man kann natürlich versuchen daran vorbeizukommen, wie es etwa der Kommunismus macht. Aber man scheitert dann eben.
Ein Konsensprinzip erfordert Homogenität und ein Gruppengefühl, weil uns unsere Natur vorgibt, dass wir unsere Interessen gegenüber einer In-Group weniger stark vertreten als gegenüber einer losen Ansammlung von Menschen, denen wir uns nicht zugehörig fühlen. Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen. Natürlich kann man das Soziologisch erklären und kommt dann ebenfalls zu einem entsprechenden Ergebnis. Aber es bleibt dann eben nur die halbe Wahrheit, vielleicht verbunden mit der Vorstellung, dass man es doch anders machen könnte, wenn man das System nur gerechter macht.
Sprich: Eine rein soziologische Erklärung ist fehleranfälliger.
@Christian
Du eierst rum!
Auch wenn Du Ziele und Wünsche als biologische Grundlage nimmst, haben alle Menschen, ob Schweizer oder Amerikaner die selben evolutionspsychologischen Grundlagen und wenn die Amis und die Schweizer ebene unterschiedliche politische Systeme haben, sind diese Unterschiede nicht mit der Evolutionspsychologie zu erklären. Wenn Dir das nicht einleuchtet kann ich nix dafür. Du darfst gerne in der Politikwissenschaft einmal eine empirische Arbeit machen, wo Du die Unterschiede der politischen Systeme auf der Welt mit der Evolutionspsychologie zu erklären versuchst, jeder Politikwissenschaftler, der noch alle Tassen im Schrank hat, wird Dir sagen, Du solltest ev. einmal politikwissenschaftliche Literatur zur Kenntnis nehmen oder ein anderes Fach studieren. 😀
@Chomsky
„Du eierst rum!“
Und du weichst aus.
Denn mein eigentliches Argument war, dass wir zwar ähnliche biologische Grundlagen haben, aber nicht gleiche weitere Umstände.
Die Amis haben eben auf der lokalen Ebene den Konflikt über starke Eigenständigkeit gelöst, ist System ist eine Umsetzung der biologischen Grundlagen, die eben darauf beruht, dass sie in diesen Gemeinden ein starkes Wir-Gefühl haben und eine Zentrale ablehnen. In Deutschland hat man dieses dafür benötigte Wir-Gefühl für die Gemeinden wesentlich weniger, wir gehen eher davon aus, dass Aufgaben zu einem großen Teil vom Bund geregelt werden.
Man kann das eine nicht ohne das andere gestalten. Das ist meiner Meinung nach soziologisch schwer zu erklären, warum nicht.
„Du darfst gerne in der Politikwissenschaft einmal eine empirische Arbeit machen, wo Du die Unterschiede der politischen Systeme auf der Welt mit der Evolutionspsychologie zu erklären versuchst“
Natürlich spielt Geschichte und Kultur mit hinein, aber was du dauernd zu meinen scheinst, ist das Evolutionsbiologie und Psychologie sowie allgemeine Biologie/Medizin nicht mit hineinspielen. Sie auszuklammern funktioniert aber nur, weil soziale Erklärungen gebildet worden sind, die die erzeugten Systeme beschreiben. Um ihre Grundlagen und Grenzen zu verstehen, die meiner Meinung nach wichtig für das Verständnis des Gesamtsystems sind, muss man diese Punkte mit einbeziehen. Rein soziologische Beschreibungen übersehen ansonsten schnell die eigentlich wesentlichen Komponenten, die den Handlungsspielraum begrenzen.
Das zeigt sich im Geschlechterverhältnis am deutlichsten. Versuch einmal eine Theorie zu machen, die Biologie nicht mit einbezieht. Jeder mit dem Thema befasste Mediziner/Biologe, der noch alle Tassen im Schrank hat, wird Dir sagen, Du solltest ev. einmal biologischwissenschaftliche Literatur zur Kenntnis nehmen.
Warum sollte man die Unterschiede zwischen den politischen Systemen evolutionspsychologisch erklären? Sozialwissenschaftler können auch nicht erklären, warum der Übergang von der Jäger- und Sammler-Lebensweise zur Sesshaftigkeit sich im fruchtbaren Halbmond im Osten des Mittelmeeres vollzogen hat und nicht in Mitteleuropa.
@El Mocho
Die Eroberung Amerikas durch die Spanier ist unter Einbeziehung von Biologie auch wesentlich besser nachzuvollziehen als bei rein soziologischer Betrachtung.
@Christian
Du schreibst:
Denn mein eigentliches Argument war, dass wir zwar ähnliche biologische Grundlagen haben, aber nicht gleiche weitere Umstände.
Die Amis haben eben auf der lokalen Ebene den Konflikt über starke Eigenständigkeit gelöst, ist System ist eine Umsetzung der biologischen Grundlagen, die eben darauf beruht, dass sie in diesen Gemeinden ein starkes Wir-Gefühl haben und eine Zentrale ablehnen. In Deutschland hat man dieses dafür benötigte Wir-Gefühl für die Gemeinden wesentlich weniger, wir gehen eher davon aus, dass Aufgaben zu einem großen Teil vom Bund geregelt werden.
Kommentar:
Haben die Amis die gleichen evolutionspychologischen Grundlagen wie die Schweizer?? Ja oder nein?
Haben die Deutschen die ähnlichen evolutionspsychologischen Grundlagen wie die Schweizer ja oder nein?
Haben die Bayern die ähnlichen evolutionspsychologischen Grundlagen wie die Hessen? Ja oder nein?
Die Varianz, wie ein unterschiedliche Konflikt auf der lokalen Ebene in Lichtenstein oder in der Schweiz gelöst wird, kannst Du nicht mit der Evolutionspsychologie erklären.
Ergo: Die Varianz kann nur sozialwissenschaftlich erklärt werden.
Ich sage nicht mehr und nicht weniger.
@Chomsky
„Haben die Amis die gleichen evolutionspychologischen Grundlagen wie die Schweizer?? Ja oder nein?
Haben die Deutschen die ähnlichen evolutionspsychologischen Grundlagen wie die Schweizer ja oder nein?
Haben die Bayern die ähnlichen evolutionspsychologischen Grundlagen wie die Hessen? Ja oder nein?“
Ja, natürlich. Ich schreibe ja auch gar nicht, dass ich diese Sachen direkt aus der Natur des Menschen erkläre. Nimm das bitte zur Kenntnis, weil du es mir schon ein paar Mal vorgehalten hast. Es geh also nicht darum, dass Schweizer biologisch anders sind als Deutsche und für sie deswegen nur ein System in Betracht kommen kann.
Es geht darum, dass man bei der Frage, welches System man in einem Land einführt und welche Probleme daraus entstehen die Natur des Menschen und die besonderen Umstände im Land bedenken muss.
Die Schweiz zB hat biologisch die gleichen Grundlagen, also einen Altruismus, der eher auf eine Gruppe ausgerichetet ist zB. Sie haben zudem eine recht hohe Homogenität und über eine verklüftete Landschaft auch kleinere Gemeindeeinheiten, die deutlicher abgegrenzt sind. Sie können aufgrund dieser Gegebenheiten schnell ein Wir-Gefühl aufbauen und daher Ausrichtungen wählen, die dem eher entgegen kommen.
Dabei sind aber die biologischen Grundlagen, dass ein solches Wir-Gefühl erforderlich ist am besten in der Evolutionsbiologie erklärt. Die Soziologie kann es darlegen, aber eben nicht erklären oder? Wenn man es aber nur darlegen kann, dann hat man auch ein geringeres Verständnis davon als wenn man die Gründe dahinter versteht.
„Die Varianz, wie ein unterschiedliche Konflikt auf der lokalen Ebene in Lichtenstein oder in der Schweiz gelöst wird, kannst Du nicht mit der Evolutionspsychologie erklären.“
Ich habe auch gar nicht behauptet, dass die Varinanz direkt aus der Biologie folgt. Diese Deutung unterstellst du mir.
Aber leg doch mal dar, wie du es soziologisch/geschichtlich erklärst. Was sind die wesentlichen Argumente, die zu diesen Unterschieden führen?
Meiner Meinung nach wird man, wenn man die Erklärung sieht, recht schnell auch sehen, dass man bei weiterer Aufschlüsselung nicht nur sozialwissenschaftlich vorgehen können wird.
@Christian
Du schreibst:
Die Eroberung Amerikas durch die Spanier ist unter Einbeziehung von Biologie auch wesentlich besser nachzuvollziehen als bei rein soziologischer Betrachtung
Kommentar:
Nicht durch Biologie oder Evolutionspsychologie kannst Du erklären, weshalb die Spanier und nicht die Portugiesen oder die Engländer oder Iren Amerika erobert haben.
Lässt sich auch wieder nur sozialwissenschaftlich (hier ist natürlich die Geschichtswissenschaft eingeschlossen) erklären. 😀
@Chomsky
Sind wir uns denn einig, dass eine Erklärung des Sieges der Europäer über die Amerikaner wichtige biologische/geographische Komponenten enthält, die zu dem Vorteil „Guns, germs and Steel“ führten, den die Europäer hatten? und das diese bei einer rein soziologischen Komponente verloren gehen?
„Nicht durch Biologie oder Evolutionspsychologie kannst Du erklären, weshalb die Spanier und nicht die Portugiesen oder die Engländer oder Iren Amerika erobert haben.“
Habe ich auch nicht behauptet. Aber ich habe auch nicht behauptet alle Aspekte biologisch begründen zu können. Nicht alle Ereignisse sind wirklich strikt kausal erklärbar.
„Lässt sich auch wieder nur sozialwissenschaftlich (hier ist natürlich die Geschichtswissenschaft eingeschlossen) erklären.“
Auch die können diese Frage nur unzureichend erklären. Sie können sie eben teilweise nur darstellen. Oder willst du behaupten, dass es eine aus der Geschichte zwingend herleitbare Abfolge war, die dazu führte?
@Christian
Ich denke, wichtig ist, dass erkennbar wird, dass es Phänomene gibt, die zwar immer eine evolutlionspsychologische Grundlage haben oder eben eine biologische oder chemische oder physikalische, aber diese Grundlagen erklären überhaupt nichts! Z.B. weshalb ein Staat ein solches politisches System hat und ein anderer Staat ein anderes. Da hilft Dir die Chemie, die Physik, die Biologie und die Evolutionspsychologie nicht weiter.
Und das wäre eben schön, wenn das in Eure Köpfe rein geht. Dass eben gerade Phänomene auf einer Meso- und Makroebene, wenn die Varianz erkärt werden soll, nur sozialwissenschaftliche Theorien eine Erklärungskraft haben.
Auf anderen Ebenen ist das wieder anders: Der Klammerreflex bei Babys etc. ist wohl nur evolutionspsychologisch/biologisch erkärbar, weil er universal ist. Die Sozialwissenschaften haben keinen totalitären Erklärungsanspruch, nur sollte eben auch die Evolutionspsychologie und Soziobiologie ihre Grenzen sehen.
@Chomsky
„aber diese Grundlagen erklären überhaupt nichts!“
Das ist erst einmal eine Behauptung.
„Z.B. weshalb ein Staat ein solches politisches System hat und ein anderer Staat ein anderes.“
Dann erkläre das mal soziologisch. Ich bin gespannt. ich vermute da wird auch nur eine Beschreibung herauskommen.
Im übrigen:
Warum zB China zum Kommunismus übergegangen ist kann man vielleicht nicht erklären (wobei: Der Wunsch nach Gleichheit und der Traum, dass das besser ist durchaus biologische Gründlagen hat). Warum sie jetzt bei einem halben Kapitalismus mit olgigarchischen Pseudeokommunismus angelangt sind kann man hingegen meiner Meinung nach besser aus der Biologie erklären als aus der Soziologie.
„Dass eben gerade Phänomene auf einer Meso- und Makroebene, wenn die Varianz erkärt werden soll, nur sozialwissenschaftliche Theorien eine Erklärungskraft haben.“
Dann bring doch mal ein Beispiel für eine soziologische Erklärung eines solchen Phänomens auf der Meso- und Makroebene. vielleicht kann man an einem solchen das Ganze deutlicher machen.
„Es dürfte ja nun wohl einsichtig gemacht worden sein, dass ausser den Radikalkonstrutivisten und ev. noch gewissen Poststrukturalisten niemand biologische Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten negiert.“
Das wird immer so gesagt, und dann wir doch argumentiert, als wenn Biologie keine Rolle spielen würde; auch du machst das so.
„Je mehr es zur Makroebene geht, umso mehr haben sozialwissenschaftliche Erklärungsmuster eine grössere Erklärungskraft als z.B. biologische, psychologische, medizinische, etc.“
Mag ja sein, aber ich habe Probleme damit, wenn dem „Sozialen“ gewissermaßen eine ontologische Sonderstellung zugewiesen wird.
Alles in der Natur funktionert nach den gleichen strengen Gesezen, nur in der Gesellschaft gelten plötzlich ganz andere? Das müsste man doch zumindest zu erklären versuchen. ich kenne in dieser Richtung wenig überzeugendes und halte den Ansatz von Wilson („Einheit des Wissens“) für überzeugender.
Ich habe das ja schon hier zitiert und wiederhole es mal:
„Der Behaviorismus verkennt in seiner einseitigen Perspektive auf die Umwelt als Verhaltensdeterminante zudem, dass die soziale Umwelt, die auf die Individuen einwirkt und ein bestimmtes Verhalten evoziert, immer das Produkt der Handlungen eben dieser Individuen, dieser Frauen und dieser Männer, ist. Und dann stellt sich die Frage, wovon das Handeln dieser Individuen bei der Gestaltung der sozialen Strukturen, die wiederum genau das Verhalten hervorbringen, das wir beobachten können, letztendlich bestimmt wird.“
http://www.das-parlament.de/2011/37-38/Beilage/008.html
@El_Mocho
Ich würde da zustimmen, was Du über den Behaviorismus sagst, aber der Behaviorismus ist einfach eine Spielart der Lernpsychologie, würde ich sagen und wird wohl von 99,9% der Pädagogen, Psychologen, Soziologen zurückgewiesen, sollte er einen Alleinerklärungsanspruch geltend machen wollen.
Eine wirklich ausweichende Antwort. Sowohl der Behaviorismus wie auch alle anderen Formen von Sozialkonstruktivismus (einschl. Marxismus) gehen von der Voraussetzung aus, dass Menschen nur auf Reize aus der Umwelt reagieren, dass sie ein „unbeschriebenes Blatt“ sind, auf das die Gesellschaft (wo auch immer sie herkommt) erst Eigenschaften einschreibt.
Mir geht es um die ganze Richtung, nicht speziell um den Behaviorismus.
El_Moco
Der Sozialkonstruktivismus schaut, welches Wissen sich konstituiert und durchsetzt und so quasi zum hegemonialen Wissen wird. Das ist eigentlich schon fast alles. Er sagt überhaupt nichts über die anthropologischen Grundlagen des Menschen.
Marxismus ist kein Sozialkonstruktivismus, sondern eine materialistische Theorie. Aber muss sagen, dass ich die genaue Anthropologie von Marx oder irgend einer Spielart des Marxismus nicht genau kenne, habe mich damit noch nicht auseinandergesetzt. Nur interessiert mich der Marxismus eher weniger.
Das ist sehr einfach.
Die Schweizer sind Nachfahren von Bergbauern > wenig Volk in karger Umwelt > auf Zusammenarbeit angewiesen, zumal von Süden die Italomafia dräut und von Norden Goten, Vandalen, Franken und Wikinger, mit einem Wort: Peer Steinbrück und die Kavallerie.
Da ist Zusammenarbeit essentiell > Konkordanzdemokratie.
Zurück zu den Wikingern.
Viel Volk – wenig Schiffe.
Wer mit will – um zum Beispiel die Schweiz zu plündern – der muss erst ein paar vor ihm in der Warteschlange über den Haufen rennen > Konkurrenzdemokratie.
@Alexander
Geile Antwort! 😀
Ist natürlich etwas hart für die Schweizer aber mit Witz und Humor, wie du es machst, durchaus passabel! Ich denke kleinere Länder haben andere Überlebensstrategien als grössere Einheiten. Im Mächteverhältnis der Staaten müssen sie sich anders positionieren und gebärden. Das System Schweiz ist für mich nicht unbedingt mit mehr Demokratie verbunden. Denn das System Schweiz schütz sich gegen aussen aber auch gegen innen. Eine Volksinitiative wird auch immer von einer Kommission begutachtet ob sie mit der Verfassung vereinbart werden kann – da gibt es doch einen grossen Spielraum der Interpretation. Nötigenfalls wird sie auch nur abgeändert und kommt dann vor das Volk. Dann ist es so, dass mehrere Themen gleichzeitig an der Urne abgestimmt werden müssen, also gebündelt werden. Das kann verwirren und auch, wenn man um etwas gutzuheissen, nicht JA stimmen muss, sondern Nein, je nachdem, wie die Fragestellung gestellt ist. Dann die macht der beiden Parlamentskammern, insbesondere der Ständerat, dass auch schon Initiativen wieder verwarf oder es heisst eben, man werde den Volkswillen den Realitäten anpassen müssen. Dann noch die macht der Medien. Zuletzt die oft sehr geringe Partizipation bei den Wahlen. Die Schweiz wird jedenfalls jedes Jahr vom europäischen Strafgerichtshof (falls dem gehör geschenkt werden soll) gerückt, insbesondere wegen der Diskriminierung des Mannes in Sache Besuchsrechte und so weiter. Insofern kommt man mit einem Präsidialsystem manchmal weiter, wenn man jemanden wählen kann, der tatsächlich auch umsetzt, dasjenige, das er versprach und nicht durch das System erstickt wird. Zumindest weiss man dann, wer die Verantwortung trägt. Das ist in der Schweiz auch sehr schwierig, es gibt keine einzelne Verantwortungsmöglichkeiten, was wiederum die Reaktivität das Volkes aushebelt. Die kleine Grösse gibt aber auch gewisse Freiheiten, einem Land wie Frankreich oder Deutschland ist es praktisch unmöglich aus der EU auszutreten. Der geopolitische Druck von aussen wäre derart gross. Bei der Schweiz ist es kein Hindernis, aber würde sich Frankreich wieder der Monarchie berufen und Louis XIV in den Himmel loben, wäre das ein weltumspannendes Grossereignis mit einer geostrategischen Neuordnung aller Staaten.
@Antigone
Mehrheitlich falsch, was Du schreibst.
Eine Verfassungsinitiative ist entweder verfassungrechtlich sauber oder nicht, aber abgeändert darf sie nicht werden.
Es gibt kaum eine Initiative, die vom Parlament nicht angenommen wurde, weil das wäre Selbstmord in der Schweiz und zwar für jeden Politiker, sollte das Begehren bei der Bevölkerung mehrheitsfähig sein.
Blumig ausgedrückt, aber er hat ja recht. Je weitläufiger und bevölkerungsreicher ein Land/Landstrich ist, umso sozial unvorteilhafter sind historisch betrachtet Formen direkter Demokratie. Generell kann man nicht sagen: je mehr man eine gesellschaftliche Makroebene betrachtet, umso weniger Aussagekraft hat Evolutionspsychologie. Sondern nur: umso komplexer sind die Zusammenhänge.
@Luc
Dann dürfte die USA quasi keine direktdemokratischen Elemente haben. Die USA ist aber ein Land, das nach der Schweiz wohl die meisten direktdemokratischen Elemente hat.
Doch, ich würde sagen, dass es mit den Ebenen zu tun hat: Je mehr es zur Makroebene geht, umso mehr haben sozialwissenschaftliche Erklärungsmuster eine grössere Erklärungskraft als z.B. biologische, psychologische, medizinische, etc.
@Chomsky
Die USA hat direktdemokratische Elemente für sehr kleine Einheiten, die dort auch sehr autonom sind, eben die Städte und Gemeinden. Auf der Bundesebene ist das nicht der Fall oder?
An Christian
Meinst du nicht, dass die verschiedenen Ebenen bei deiner Fragestellung verwischt werden? Also die Gene und die Gensteuerung ist eine sehr kleine Einheit, im Vergleich zur Funktion und das Handeln eines Menschen oder ganzen Organismus im Alltag. Ergibt die Summe aller Teile, dasselbe wie die Einzelteile der Summe? Sind Gene nicht primär eine Veranlagung, vorallem der Körperkonstitution und nicht des Verhaltens, des Handeln, an sich? Auch wenn es eine Beeinflussung gibt, ist sie doch relativ klein, sobald sich ein Organismus entfaltet hat. Werden Menschen, nicht Primär von eigenen Motiven geleitet, wenn sie nicht gerade in einer Extremsituation stecken? Ich habe ein Ziel in mir errungen, ein lebendes Motiv, ich mache mir ein Bild davon, wie es sein wird, wenn ich dieses Ziel erreicht habe, jetzt werde ich von diesem Motivbild getragen auf den Weg dorthin.
@Antigone
„Sind Gene nicht primär eine Veranlagung, vorallem der Körperkonstitution und nicht des Verhaltens, des Handeln, an sich?“
Das ist ja gerade das, was ich in dem Artikel anspreche. Wie man an den Beispielen sieht, kann auch komplexeres Verhalten, etwa die Tötung von Jungen nach Übernahme des Rudels oder eben ein starker Wettbewerb um Ressourcen vorgegeben sein, ebenso wie ein Wunsch Status zu erlangen etc.
Wir sehen ja viele der menschlichen Verhaltensweisen bei unseren nächsten Verwandten. Auch da mag einiges Kultur sein, gerade in der Ausgestaltung, aber die verschiedenen dort gezeigten Verhaltensweisen sind eben auch Produkt eines Gehirns, welches sich evolutionär entwickelt hat und das nun nicht einfach zu einem Blank Slate geworden ist.
Soweit ich weiß haben die meisten Tiere nichts, was man „Kultur“ nennen könnte.
Kultur ist etwas, was von Generation zu Generation weitergegeben und modifiziert wird.
Dafür benötigt man die Fähigkeit komplex denken zu können, eine Vorstellung vom Ich zu haben, Vergangenheit und Zukunft vorstellbar und dingbar zu machen, und vor allem: Das alles muss man irgendwie an andere Individuen weitergeben können, durch Kommunikation.
Das heißt: Werkzeuggebrauch unter Schimpansen wird auch an ihre Nachkommen weitergegeben, weil die Kinder zugucken und es dann auch versuchen. Auf der anderen Seite werden wohl Schimpansen, die das nicht gelernt haben, mindestens so klug sein selber nach Problemlösungen zu suchen, wenn sie ein Problem vor sich haben. Was ja nicht heißt, dass sie alle die gleiche Lösung finden bzw alle überhaupt eine brauchbare Lösung finden.
Ich würd sagen, das was „genetisch“ an den Menschen weitergegeben wird ist diese Flexibilität im Denken, dass er Kultur überhaupt aufnehmen und Entwickeln kann.
Das, was „genetisch“ einprogrammiert ist wird eher das sein, was man überall auf der Welt in allen Kulturen finden kann, und seien sie noch so verschieden.
Zum anderen gibt es ja nicht nur einige wenige Gene, das Ganze ist ein komplexer Haufen von verschiedenen Genen die sich Gegenseitig auch stören und beeinflussen können.
Sowohl „Krieg“ als auch „Frieden“ steckt in der Genetik des Menschen drin. Wenn ein Individuum auf ein anderes trifft, muss es erstmal entscheiden ob es sich um Freund oder Feind handelt. Und je nachdem was vorliegt, wird es ein jeweils anderes Programm abrufen und sich dementsprechend verhalten. Hat aber auch die Möglichkeit, Freunde zu Feinden zu machen, oder Feinde zu Freunden.
Erfahrungen werden im Hirn gespeichert, also nicht genetisch festgelegt, aber durch die genetisch bedingte Struktur des Hirns und der genetisch bedingten Lernmethoden eingespeichert.
Diese Erfahrungen bedingen aber, wie das Individuum sich verhalten wird.
War es nicht auch so: je „älter“ der Hirnbereich Entwicklungsgeschichtlich ist, desto mehr hat die Genetik darauf Einfluss? Genetik hat vermutlich vorprogrammiert, wie und wann Stoffwechselvorgänge abzulaufen haben, wann der Mensch athmet, wann er husten muss wenn die Luft knapp wird, was im Körper vor ich geht wenn der Mensch beim Sex ist und wie das vonstatten geht. Darüber hinaus reagiert der Mensch aber auch „nur“ auf seine Umwelt, und zwar mit den Mitteln der Genetik die er hat. Nicht jeder Mensch hat gleichen Sex, nicht bei jedem braucht es die gleiche Mittel um denjenigen zu Orgasmus zu bringen. Auch wenn beim Sex körperlich geilheit „gleich“ entsteht durch Hormone, Neurotransmitter usw, so entscheidet doch die Situation und das Individuum zu einem Teil mit, wann was im Körper abläuft. Das wird bei Tieren auch so sein, und dennoch ist das ganze beim Menschen noch etwas komplexer als bei niederen Tieren. Weil Sex ein sozialer Akt ist, und nicht blos eine Notdurft. Dass Sex beim Menschen ein sozialer Akt ist, lässt sich auch mit der Evolution begründen, hat halt Vorteile. Hätt aber auch anders sein können, ohne dass Nachteile entstehen. In der NAtur gibts diverse Möglichkeiten, wie Fortpflanzung funktionieren kann ohne dass es wie beim Menschen ist, und ohne dass es sich mit der Evolutionstheorie beißt.
Der Mensch ist immer ein Mischprodukt aus Genetik und „ökologischer Nische“. Das ist reine Biologie. Zur Ökologischen Nische gehört für den Menschen aber auch seine Kultur, sein soziales Umfeld und sein persönlicher Hintergrund. Und das fällt bei Tieren zum Teil weg, wenn sie z.B. einzelgängerisch leben, oder nicht fähig sind sich selbst, andere, die Zukunft, die Vergangenheit usw zum „Objekt“ zu machen. Schimpansen können das in Teilen. Schwarmfische wohl eher weniger. Kommt drauf an wie komplex deren Sprachen sind. Die Fähigkeit eine komplexe menschliche Sprache zu erlernen steckt in der Genetik des Menschen, wie diese Sprache dann aber aussieht nicht. Vielleicht gibt es bestimmte grammatikalische Muster die für eine Menschensprache typisch sind, die vielleicht auch in der Genetik zu finden sind. Ohne diese erlernt zu haben bringt das alles aber nichts, da braucht es immer den Reiz von außen. Das gleiche wenn Tierbabys spielen um ihre Fähigkeiten zu erweitern. Oder wenn Tierbabys zu lange von ihrer Mutter getrennt sind, dann kann das ebenso psychische Traumen hinterlassen wie bei Menschenbabys. Und diese werden die Lebewesen unter umständen ein Leben lang begleiten, je nachdem wie tief sich diese Sachen eingeprägt haben und wie wenig zukünftige Ereignisse diese „mildern“ können. Auch diese Traumen fallen anders aus, je nachdem welche genetischen Hintergründe das Baby hat bzw je nachdem in welchem Entwicklunsgstatus sich das Baby befindet (Entwicklungsstatus wäre da wieder genetisch bedingt). Und natürlich je nach Art des Ereignisses, das das Trauma auslöst.
Quasi permanente Wechselbeziehung zwischen Genetik und Umwelt. Dieser Bezug der Umwelterfahrung entspricht damit dann auch der Evolutionstheorie, denn die geht nunmal vom „survival of the fittest“ aus. Also der „Fitteste“ in seiner persönlichen Umwelt überlebt. Die Umwelt enthält nunmal auch kulturelle, psychologische, soziale, politische, physische Begebenheiten, weshalb die ganzen Disziplinen sich eigentlich nur gegenseitig ergänzen können, weil sie nunmal unmittelbar miteinander verbunden sind.
Dass diese Disziplinen voneinander getrennt sind, ist ja eher ein menschliches Ordnungsmittel, weil man sich so eher auf einzelne Bereiche konzentrieren kann,als den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu erkennen.
@ unkraut
Danke für den Beitrag! Guter Schluss…
Hier einen Input aus den frühen Jahre eines vielleicht umstrittenen Denkers Rudolf Steiner, bevor er den Versuch startete eine „Geisteswissenschaft“ zu erstellen. Er geht diese Fragestellung philosophisch an, also vom Begriff der Freiheit und des bewussten Handelns eines Menschen oder eben ob das Handeln frei sein kann oder nicht. Vielleicht kommt er auch zum selben Schlusse, das letztlich auch Gene oder Veranlagungen wirken. Interessant allemal…
@ Chomsky
„Mehrheitlich falsch, was Du schreibst.
Eine Verfassungsinitiative ist entweder verfassungrechtlich sauber oder nicht, aber abgeändert darf sie nicht werden.
Es gibt kaum eine Initiative, die vom Parlament nicht angenommen wurde, weil das wäre Selbstmord in der Schweiz und zwar für jeden Politiker, sollte das Begehren bei der Bevölkerung mehrheitsfähig sein.“
Es wurden Volksinitiativen wieder vor das Volk gebracht oder als Referendum gegen die Volksinitiative. In Bezug auf das EWR Nein, sieht man, dass die Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU trotzdem weiter ausgebaut worden wurde, eben der Realität angepasst. Zudem ist es nicht nur das Volk, das entscheidet sondern auch die „Stände“. Das die Volksinitiative von einer Kommission zunächst begutachtet wird, stimmt auch.
@ Chomsky
El Mocho sagt’s ja immer wieder: Gesellschaft wird nicht von Gesellschaft erzeugt, sondern von Menschen. Menschliches Handeln ist nicht verständlich ohne Betrachtung der Biologie des Menschen, denn auch seine Psyche ist Auswuchs seiner Biologie, das Gehirn ist auch nur ein Organ, wenn auch ein verdammt kompliziertes.
Noch komplizierter wird’s, weil die Gesellschaft, die Menschen sich angepasst an ihre biologisch-psychischen Bedürfnisse schaffen, wiederum zurückwirkt auf die Psyche.
Was ich der Soziologie vorwerfe ist nicht, dass es sie überhaupt gibt, sondern ihre Biologieblindheit, das bewusste Ausblenden des Säugetieres Mensch, ihre Behauptung, der Mensch werde allein durch Soziokultur konstituiert.
Das ist einfach unhaltbar.
Aus diesem Wahn resultieren die großen Experimente der Gesellschaftsingenieure, die glauben, mittels gesellschaftlicher Veränderungen den ganz großen Veränderungswurf landen zu können, den neuen Menschen schaffen zu können – das ist ja auch der Kern der Gender Mainstreaming Ideologie.
Ich glaube, der Widerstand gegen die Wahrnehmung der Säugetiernatur des Menschen, die Ableugnung der Existenz einer menschlichen Natur („Essentialismus!- Ah bäh!!“) resultiert aus der Einschränkung der Veränderungshoffnungen, die das impliziert.
Gibt es eine menschliche Natur, ist nicht mehr alles möglich, ist der Mensch nicht mehr Knetmasse in den Händen der großen Gesellschaftsingenieure, sind sie entmachtet, müssen sie Rücksicht nehmen auf Imponderabilien, die nicht einfach aus dem Weg zu räumen sind.
Dann gibt es keinen neuen Menschen, keine immanente Welterlösung, kein sündenfreies Paradies unter der Sonne > Sinnkrise, gerade für viele Linke, die nur die Immanenz haben, um sich und den Menschen zu vollenden.
Um dieser Sinnkrise zu entgehen, wird die Realität einer menschlichen Natur abgewehrt auf Teufel komm raus.
Die Soziologie der Zukunft muss Soziobiologie sein oder sie wird überhaupt nichts mehr von Bedeutung zu sagen haben.
Allerdings, das sei zugestanden, der „Soziokulturalismus“ (Mensch als unbeschriebenes Blatt ohne eigentliche Natur, allein geformt von Umwelteinflüssen und Lernerlebnissen) stirbt einen zähen Tod, weil sich zu viele Hoffnungen, zu viele Welterlösungshoffnungen und Sinnstiftungen an ihn knüpfen.
Is‘ ja auch bitter, anerkennen zu müssen, dass die Welt immer ein ziemliches Jammertal bleiben wird, wenn man keine Hoffnung hat, ihr je zu entkommen, keine Hoffnung über die Welt hinaus.
@Alexander
Die Mühe der Soziologie mit der Biologie ist insbesondere historischer Natur: Rassismus, Nationalismus, Biologismus, Eugenik, Sozialdarwinismus bis in den Neoliberalismus treibend.
Die Soziologie hat aus politischer Sicht gute Gründe, kritisch gegenüber einem Biologismus zu sein.
Die Soziologie hat aber auch gute Gründe geltend gemacht, gegen die Zurichtung der Natur des Menschen durch gesellschaftliche Verhältnisse. -Bei Adorno und Horkheimer in ihrem Buch der Dialektik der Aufklärung:
»Tendenz zur Naturbeherrschung«(5) hervor. Vernunft ist, so verstanden, das Notwerk der Naturbeherrschung. Natur meint hier beides: das die Vernunft Bedrohende und das von Vernunft Unterdrückte.
Die Rede von Natur bezieht sich aber nicht allein auf das dem Menschen Äußerliche, sondern zugleich auch auf die inwendige Natur, die des Menschen. Die Entwicklung des Subjekts wird in der Dialektik als genaues Komplementärphänomen gesehen: Am aus der Vorwelt heraustretenden Menschen wird an seiner inneren Natur alles unterdrückt, was nicht der intendierten Verfügung über die äußerliche Natur dienlich ist. Überdies erhellt der Zwang zur Selbsterhaltung auch den Urzustand der menschlichen Gesellschaft, erklärt mit anderen Worten den Ursprung sozialer Gewalt. Somit ist Vernunft nicht allein die Form der Herrschaft des Menschen über die innere und äußere Natur, sondern zugleich die Form der Herrschaft des Menschen über andere Menschennaturen, oder in Adornos Worten: setzt sich die Tendenz zur Naturbeherrschung fort »in der Beherrschung von Menschen durch andere Menschen«(6).
http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=730&print=
@ Chomsky
Wenn Soziologen politische Gründe für gute Gründe halten, sind sie keine Wissenschaftler, sondern Politiker.
Dann ist Soziologie keine Wissenschaft, sondern Ideologie.
@Alexaner
Nun, eine Wissenschaft sollte immer kritisch sein!
Aber, die Soziologie sollte auch und gerade dort kritisch sein, wo biologische Gründe für Herrschaft, Unterdrückung, Ausbeutung etc. geltend gemacht werden, weil das ist das ureigenste Terrain der Soziologie. Die Soziologie will u.a. auch Macht und Herrschaft erklären und somit gehören Eugenik, Sozialdarwinismus etc. dazu. Du siehst, das ist kein Widerspruch von Wissenschaftlichkeit.
@Chomsky
„Aber, die Soziologie sollte auch und gerade dort kritisch sein, wo biologische Gründe für Herrschaft, Unterdrückung, Ausbeutung etc. geltend gemacht werden, weil das ist das ureigenste Terrain der Soziologie.“
Es ist nur dann wissenschaftlich, wenn sie sich damit auseinandersetzt, inwieweit die Gründe zutreffend sind. Wenn die biologische Begründung für eine Verhaltensdisposition zutrifft, dann ist dies etwas anderes als wenn diese fälschlich behauptet wird.
Natürlich darf man dann keinen naturalistischen Fehlschluss folgen lassen, nachdem dann aus dem biologischen Zustand ein „Gut sein“ geschlossen wird. Aber das ist strikt von der Frage zu trennen, ob eine biologische Disposition vorliegt.
„Die Soziologie will u.a. auch Macht und Herrschaft erklären und somit gehören Eugenik, Sozialdarwinismus etc. dazu.“
Das sind allerdings recht klar abgegrenzte Bereiche der Biologie. Das rechtfertigt nicht eine Ablehnung der Biologie darüber hinaus. Zumal man von der Soziologie ja das Gleiche behaupten kann.
@Christian
Du kannst ja einmal schauen, was bei Wikipedia unter Biologismus steht. Ich würde dies in etwa unterschreiben, obwohl man be dem eine oder anderen sicherlich noch ein bisschen differenzierter argumentieren könnte etc. Aber die Tendenz würde ich unterschreiben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Biologismus
@CHomsky
Ich zitiere mal aus der Wikipedia
Es fehlen allerdings schlichtweg die Argumente dagegen.
Und das würdest du im wesentlichen auch so sehen? Trotz der ganzen hier bereits zitierten Forschung, trotz CAH, CAIS, genetischen Grundlagen von Transsexualität, den Tierversuchen dazu, Cloacal exstrophy, trotz david reimer etc?
@ Chomsky
Wissenschaft hat festzustellen, was ist.
Nichts anderes.
Ob gefällig oder ungefällig, kritisch oder unkritisch, das sind keine Erwägungen, die in eine empirisch arbeitende Wissenschaft gehören.
Richtig oder falsch, mit Lege-artis-Methoden ermittelt, das allein zählt.
Nicht, ob die Ergebnisse in irgendeiner Weise affirmativ oder kritisch verwendbar sind, um ethisch-moralisch Ungefälliges oder Gefälliges zu stützen oder zu stürzen.
Wer kritische Wissenschaft betreibt oder affirmative Wissenschaft hört auf, Wissenschaftler zu sein.
Der wird zum Politiker/Ideologien, der stellt das Sollen vor die Feststellung des Seins.
Es ist dieses Weltverbesserungswollen, das Soziologie bsi zur Ungenießbarkeit korrumpiert und als Wissenschaft disqualifiziert.
Man merkt immer die (meist „Kritische“) Absicht und ist verstimmt.
Weil so keine Ergebnisse sine ira et studio gesucht werden, sóndern cum.
@Alexander
Kritische Wissenschaft ist nach Bourdieu quasi eine Tautologie. Weil Wissenschaft muss nach Bourdieu kritisch sein. Aber kritisch in dem Sinne, dass sie epistemologisch, methdologisch, ontologisch und wissenssoziologisch kritisch ist. Und wenn ein Gegenstand der Soziologie eben auch Macht, Herrschaft und Ausbeutung und Biologisierungen sind, dann wird sie sich auch kritisch mit diesen Phänomenen auseinandersetzen. Ihre Ergebniesse sind nicht normativ oder präskriptiv, sondern eben deskriptiv: Sie sagt also, was ist. Z.B. wie die Soziobiologie oder die Evolutiospsychologie oder die Eugenik etc. als Ideologie eingesetzt werden können, um Herschaftsverhältnisse zu naturalisieren und somit zu verschleiern! 😀
Wenn man das konsequent durchsetzen wollte, müsste man große Bereiche der Auftragsforschung eliminieren. Ob das nun politische Stiftungen sind, der Staat oder private Unternehmen. Die Feststellung dessen was ist, erfordert sehr wohl einen kritischen Verstand, weil meistens die Fragestellung so gewählt werden kann, dass man meint, man wüsste was ist, ohne es wirklich zu wissen.
So sehr ich dem normativ zustimmen würde, so wenig beschreibt es doch leider das, was tatsächlich passiert.
Weltverbesserungswollen findet sich leider sehr oft auch anderswo. Zum Beispiel möchten Psychiater gern Menschen „helfen“. Und machen nichts anderes, als auf vorhandene gesellschaftliche Zuschreibungen zurückzugreifen. Oder Ökonomen wollen den Menschen nur „helfen“ und verarmen sie systematisch. Mir scheint das Problem ist wesentlich weiter anzusiedeln als nur in der Soziologie.
@ Chomsky
Wie erkennt denn der Soziologe, dass ER SELBST zur Macht drängt, die Dinge in seinem Sinne beeinflussen will?
Kein Mensch, kein Wissenschaftler ist frei von privaten, philosophischen, religiösen, wirtschaftlichen Interessen/Vorlieben, die seiner wissenschaftlichen Arbeit eine entsprechende Schlagseite verleihen können.
Jeder halbwegs reflektierte Mensch ist sich dessen bewusst und wird sich bemühen, seine wissenschaftliche Arbeit so frei wie möglich von solchen Schlagseiten zu halten.
Keinem wird das perfekt gelingen (Mathematikern sicher sehr viel eher als Wirtschaftswissenschaftlern oder Soziologen).
Aber wenn ich von vorneherein den Anspruch erhebe, mit meiner wissenschaftlichen Arbeit einer Weltverbesserungsagenda zu dienen, dann ist ja von allem Anfang an alles verloren.
Wissenschaft hat korrekte Daten zu liefern, so absichtslos wie nur irgend möglich.
Damit dann die Welt zu verbessern, ist Aufgabe der Politik.
Für Objektivität in der Wissenschaft sorgt am ehesten innerwissenschaftlicher Pluralismus.
So dass Konservative Linke kontrolliren und umgekehrt und in offener Diskussion versuchen, die Fehler des jeweils anderen offenzulegen und aus den eigenen zu lernen.
Soziologie ist ein derart monochrom linkes Fach, dass ich von innersoziologischem Pluralismus nichts erkennen kann.
Vor kurzem fragte bei einem Sozialpsychologenkongress in den USA (ca. 1200 Teilnehmer im Saal) der Vortragende, wer sich als Republikaner und konservativ bezeichne.
Der möge die Hand heben.
Weniger als 10 Hände gingen hoch.
Bei 1200 Teilnehmern.
Ich vermute, bei Soziologen hätten wir ein ähnliches Ergebnis.
Es hat keine kritische oder affirmative, linke oder rechte, faschistische oder kommunistische, feministische oder maskulistische Wissenschaft zu geben.
Wer von vorneherein einem Sollen zuarbeiten will, als Wissenschaftler, hört auf, einer zu sein, gibt von vorneherein den Anspruch auf, gute Wissenschaft zu betreiben.
Es könnte ja sein, dass sogar Feministen, Rassisten, Faschisten, Kommunisten, Kapitalisten etc. einmal Recht haben.
Dafür muss ich als Wissenschaftler doch offen sein.
Als politischer Mensch, als Poitiker, kann ich das jeweils Missliebige bekämpfen, aber doch nicht als Wissenschaftler.
Mir scheint, dass im Gefolge von 68 und der Frankfurter Schule in allen „Sozial-„fächern eine politische Korruption, eine Parteilichkeit, eingerissen ist, die diese Fächer zur kompetenten Politikberatung unfähig macht weil die Berater, oft sogar erklärtermaßen, Partei sind.
Es ist doch das Standard modell der Sozialwissenschaften, das biologische Erklärungen/Mitverursachungen soziokultureller Phänomene kategorisch ausschließt.
Kein „Biologist“, der Anspruch erheben will, ernst genommen zu werden, bestreitet die massive Beeinflussung von menschlichem Verhalten, das sich in soziokulturelle Phänomene übersetzt, durch Soziokultur selbst.
Es ist die Standardsoziologie, die hier mit Vehemenz in ihrem Standardmodell einen extremistischen Standpunkt einnimmt und einfach dekretiert, dass Biologie keine Rolle spiele und eine Natur des Menschen nicht existiere.
Das ist für mich Pippi-Langstrumpf-Wissenschaft, die sich die Welt so ausmalt, wie es den eigenen ideologischen Überzeugungen/Hoffnungen passt, die auf der Suche nach einer „Realität“ ist, die zu irhen Prämissen passt.
Feministische „Wissenschaft“ ist da nur eine konsequente Folge solcher Parteilichkeit und jeden Wahrheitsanspruch schon im Ansatz verwerfende Dekonstruktion, die im Solipsismus endet, die letzte Konsequenz.
@ itsme
*Wenn man das konsequent durchsetzen wollte, müsste man große Bereiche der Auftragsforschung eliminieren. Ob das nun politische Stiftungen sind, der Staat oder private Unternehmen. Die Feststellung dessen was ist, erfordert sehr wohl einen kritischen Verstand, weil meistens die Fragestellung so gewählt werden kann, dass man meint, man wüsste was ist, ohne es wirklich zu wissen.*
Wohl wahr.
Korrumpierte Wissenschaft ist kein Privileg der Linken.
Verschiedene Zweige der Wissenschaft sind von verschiedenen Seiten her korruptionsbedroht.
Auch ist vollkommene Objektivität unmöglich zu erreichen.
Aber die Antwort darauf kann doch nicht sein, von vorneherein den Anspruch auf Unparteilichkeit aufzugeben.
Auch hier macht die Dosis das Gift, gibt es ein mehr oder weniger schädlich.
Ich bin ein Anhänger von dynamischen Gleichgewichten: Kraft wird durch Gegenkraft kontrolliert, durch nichts anderes.
D.h. pluralistische Wissenschaft, Auftragsforschung von VERSCHIEDENEN Seiten, von Atomkraftgegnern und -befürwortern, Klimaskeptikern und jenen, die an die menschengemachte Klimaerwärmung glauben usw. gleichermaßen.
Ich weiß, ich weiß, auch das wird immer nur ein frommer Wunsch bleiben, da z.B. nie alle Seiten gleich potente Förderer finden werden.
Aber auch hier gibt es ein Besser/Schlechter, wenn man wenigstens den ANSPRUCH, so objektiv wie möglich zu sein, aufrechterhält und den nicht schon im Ansatz dekonstruiert.
Wenn dann auch noch die Wissenschaftler, die Auftragsforschung betreiben, ein Mindestmaß an Ehrbarkeit bewahrten, sich nicht durch und durch korrumpieren ließen von ihren politischen Überzeugungen oder denen derer, denen sie dienen, sich nicht durch und durch korrumpieren ließen durch ihren finanziellen Appetit oder ihren Ehrgeiz, dann wäre schon viel gewonnen.
Und wenn dann auch noch die Massenmedien nicht wie gleichgeschaltet über bestimmte Themen berichteten, ja dann, dann könnte es etwas besser laufen als es gegenwärtig läuft.
@Roslin
Ich vermute das Ergebnis entspricht in der Tendenz zumindest dem, was an amerikanischen Spitzenuniversitäten ohnehin der Fall ist. Aber man könnte natürlich auch sagen, die Erkenntnisse, die die Soziologie einem beibringt sind mit bestimmten Grundannahmen einer konservativen Weltsicht, zumindest mit dem was in den USA als konservativ gilt (e.g. Rick Santorum), schlicht unvereinbar. Also ist das Ergebnis etwas, das man erwarten würde.
Weiter denke ich, sollte man sich doch klar machen: Ich kann objektiv Wissenschaft betreiben und dabei trotzdem politisch aktiv sein. Das eine muss mit dem anderen gar nichts zu tun haben. Es kann, und dann ist es problematisch, aber es muss nicht.
@Roslin
Sicher, das würde ich auch sagen. Eine Bedingung ist aber eine gute Grundfinanzierung der Universitäten. Wenn ich mich so umsehe, macht die Politik – und zwar in toto – das genaue Gegenteil davon. Das neue Modell des erfolgreichen Professors ist derjenige, der viele externe Aufträge an Land zieht. Im Prinzip ein Modell des Professors als Unternehmers. Man sollte aber natürlich keine Illusionen darüber haben, dass Unternehmen nicht die Wahrheit als Erfolgskriterium haben.
@ Itsme
*Man sollte aber natürlich keine Illusionen darüber haben, dass Unternehmen nicht die Wahrheit als Erfolgskriterium haben.*
Es können ja auch mündige Bürger Vereine gründen, Geld sammeln und Auftragsforschung finanzieren.
Ich bin immer wieder erstaunt über den in meinen Augen Kinderglauben an die Unparteilichkeit des Staates, der als neutraler Schiedsrichter über den Parteien stünde.
Der Staat selbst ist Partei.
Jede Bürokratie hat die natürliche Tendenz, zu wachsen, mehr Geld, mehr Personal, mehr Kontrollbefugnisse acquirieren.
Eine staatliche Grundfinanzierung ist genauswenig eine Garantie für Unparteilichkeit wie unternehmens – oder parteifinanzierte.
Zumal unser Staat selbst ein Parteienstaat ist, in der Parteien Klientelpolitik betreiben, Stimmen kaufen (noch meist indirekt durch soziale Wohltaten oder Steuerwohltaten oder oder), Stellen für ihre Zuarbeiter/Funktionäre schaffen usw.
Da von einer staatlichen Grundfinanzierung Besserung zu erhoffen ist, na ja, optimistisch.
Wer finanziert, schafft an.
Und von allen kalten Ungeheuern ist der Staat das kälteste.
Da ist mir private Finanzierung – und sei es durch große Korporationen – noch lieber.
Denn von allen großen Korporationen ist der Staat die größte.
Und damit potentiell gefährlichste.
Er ist ein notwendiges Übel, aber ein Übel.
@ itsme
*Ich vermute das Ergebnis entspricht in der Tendenz zumindest dem, was an amerikanischen Spitzenuniversitäten ohnehin der Fall ist. Aber man könnte natürlich auch sagen, die Erkenntnisse, die die Soziologie einem beibringt sind mit bestimmten Grundannahmen einer konservativen Weltsicht, zumindest mit dem was in den USA als konservativ gilt (e.g. Rick Santorum), schlicht unvereinbar. Also ist das Ergebnis etwas, das man erwarten würde.*
Nein, das Ergebnis ist nicht überraschend. Aber es deckt die ganze Heuchelei der herrschenden Gutmenschelei auf.
Wie viele Anhänger hat Rick Santorum im Eektorat? 15, 20 %?
Dann müsste es doch Ehrensache für Sozialpsychologen sein, für wenigstens 5 % Santorumanhänger in ihren Reihen zu sorgen.
Wenn man Diversity so hoch hält, wie linksliberale Sozialpsychologen das gemeinhin tun.
Mit fehlender Diversität und fehlender Repräsentanz haben die Quotenjünger so gar kein Problem, solange sie selbst die Monopolisten sind.
Sorgen sie für Barrierefreiheit?
Bemühen sie sich um deren Abbau?
Was könnte die Santorumanhänger abschrecken, Sozialpsychologie zu studieren?
So würde der gute Linke fragen, wenn es sich um Frauen, Farbige, eine linksanerkannte Streichelzoominderheit handelte.
Aber Santorumanhänger?
Es gibt auch für die Freunde der Gleichheit keine Probleme mit Ungleichbehandlung, wenn’s denn nur dem eigenen Parteienegoismus/dem eigenen Ego dient.
@Roslin
Dann müssen wir uns wohl leider von der Möglichkeit von unpolitischer Wissenschaft verabschieden, scheint mir. Wenn jeder Partei ist, dann gibt es keine unparteiische Wissenschaft. Schade. Übrigens ist das ja eine ganz klassische Position. Man findet sie z.B. bei Lenin. Die politischen Konsequenzen sind recht problematisch denke ich. Ich bin daher auch etwas erstaunt über dieses Zitat von Dir:
„Ich bin immer wieder erstaunt über den in meinen Augen Kinderglauben an die Unparteilichkeit des Staates, der als neutraler Schiedsrichter über den Parteien stünde.“
Das könnte 1:1 aus irgendeinem Werk der marxistischen Rechtsphilosophie entnommen sein. Ich denke, die Ansicht, dass es keine politische Institution geben kann, die über den verschiedenen Parteien der Gesellschaft steht, hat notwendigerweise revolutionäre Konsequenzen. Denn es heißt, dass z.B. die Gesetzgebung nicht Ausdruck eines allgemeinen sondern eines sehr partikulären Willen ist. Überhaupt scheint es mir, dass es gar nicht mehr möglich ist, dann von einer „Verfassung“ des Staates zu sprechen. Vielmehr ist die Verfassung eine Form von Repressionsdokument, dessen Charakter man dann je nach den eigenen Interessen definieren kann.
Ich denke dagegen, man sollte nicht meinen, dass staatliches Handeln per se das Gemeinwohl verkörpert. Sehr wohl aber auch nicht per se parteiisch ist. Es hat vielmehr eine Eigengesetzlichkeit, die von Interessenkonflikten durchzogen wird, aber nicht auf diese reduziert werden kann.
Nein, aber sie ist zumindest keine zweckgebundene Mittelvergabe, wie bei einem konkreten Projekt oder einem Auftrag. Das macht einen großen Unterschied.
Ich würde dem nicht zustimmen. Ich halte das sogar für naiv. Ich denke nämlich große Unternehmensbürokratien sind sehr viel freiheitsbedrohender als ein Staat mit Gewaltenteilung. Speziell dann, wenn sich das Machtverhältnis so gestaltet, dass bestimmte Eliten zwischen den beiden Bürokratien hin und her zirkulieren. Wie man das z.B. bei den ökonomischen Beratern der US-Regierung sehen kann.
@Roslin
Seit wann bist Du für Frauenquoten? Ich bin nicht für Affirmative Action. Und auch nicht um konservative auf Lehrstühle zu bringen. Ich meine nämlich, wenn man eine Untersuchung über die Ausbildungssituation der Anhänger von Santorum machen würden, würde man feststellen, dass diese eben nicht so gut abschneiden, wie die „Liberals“.
Ich denke hier lässt sich leicht ein Gegenargument finden. Ich denke es ist nämlich ganz offensichtlich nicht so, dass hier eine Diskriminierung auf Grund von politischer Einstellung stattfindet. Die politische Einstellung kann man nämlich ändern. Meine Vermutung wäre, dass die Leute, die Rick Santorum wählen würden ihre Wahrscheinlichkeit Professor zu werden nicht erhöhen können, indem sie Obama wählen.
GPA
@Christian
M.E. bist Du in gewissen Bereichen wirklich ideologisch verblendet.
Der heutige Wissensstand in der Entwicklungspsychologie sagt über die Geschlechtsidentität Folgendes aus und ich habe es bereits einmal zitiert:
„Um die Entwicklung der Geschlechtsidentität umfassend zu beschreiben und zu erklären, sollten die verschiedenen Theorien so integriert werden, dass das Zusammenwirken biologischer, sozialer und kognitiver Faktoren deutlich wird. Betrachtet man die Befundlage, so fällt auf, dass alle Faktoren darauf abzielen, die individuelle Entwicklung in eine geschlechtstypische Richtung zu lenken. Die Ausbildung einer Geschlechtsidentität scheint insofern überdeterminiert zu sein. Geringe Unterschiede der Geschlechter, die von einem Faktor hervorgerufen werden (z.B. evolutionär fundiertes stärkeres Wetteifern bei Jungen), werden durch andere Faktoren weiter verstärkt (z.B. die Unterstürzung derartigen Verhaltens durch Eltern und eines entsprechenden Selbstkonzeptes der Jungen). Sind diese Faktoren über längere Zeiträume wirksam, werden die Unterschiede immer grösser und generalisieren auf die verschiedensten sozialen Kontexte (z.B. Berufswahl von Männern, für die eine harte Konkurrenz untereinander typisch ist). Die Entwicklung der Geschlechtsidentität ist somit als transaktionaler Prozess anzusehen. Die Rolle der sozialen Umwelt besteht darin, Informationen bereitzustellen, was es bedeutet, männlich oder weiblich zu sein, und Anreize zu liefern, sich konform zu verhalten. Dies regt die Bildung von Geschlechtsschemata an, die nun als „Filter“ für die Verarbeitung geschlechtsbezogener Informationen dienen und das Verhalten regulieren. Erleichtert werden diese Prozesse durch die evolutionäre Bedeutung der Geschlechterkategorien und damit evtl. zusammenhängenden Lernbereitschaften.
Wandel der Passung Individuum – Umwelt.
Das Zusammenspiel von individueller Entwicklung und Sozialisation beinhaltet nicht nur die Veränderung von Individuen und sozialen Kontexten im Laufe der Entwicklung, sondern auch eine Veränderung der Art der Auswirkungen der einzelnen Kontexte auf die individuelle Entwicklung und der Mechanismen, die zwischen Kontext, Kognition und Verhalten vermitteln (…). Das bedeutet, dass die Passung zwischen psychischen Merkmalen des Individuums und den von der Umwelt bereitgestellten Gelegenheiten und Anforderungen einem ständigen Wandel unterworfen ist. Sowohl die Bedeutsamkeit verschiedener Faktoren über die individuelle Entwicklung hinweg als auch die Auswirkungen gleicher Faktoren verändern sich (…). Während z.B. die differenziellen Bekräftigungen der Eltern die Geschlechtstypisierung ihrer Kinder in den ersten Lebensjahren wesentlich beeinflussen, ist einige Jahre später das vom Kind selbst ausgehende Bestreben wichtiger geworden, den von ihm wahrgenommenen Geschlechtsstereotypen zu entsprechen und die Interaktionsstile der eigenen Peergruppe zu übernehmen. Mit Erreichen der Pubertät und der Aufnahme heterosexueller Beziehungen ergeben sich wieder neue Anpassungen. Schliesslich sind für die Geschlechtsidentität im Erwachsenenalter u.U. die gesellschaftlichen Regelungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Zugänglichkeit von sog. Frauen- und Männerberufen oder die eigene Kinderlosigkeit und deren Passung mit individuellen Voraussetzungen von grösserer Bedeutung.
Geschlecht als relationale Variable
Betrachtet man das Geschlecht als eine soziale Kategorie und nicht (nur) als ein individuelles Merkmal und nimmt man die zuvor erläuterten Verschränkung individueller Veränderungen und Veränderungen sozialer Kontexte ernst, so ist die Entwicklung der Geschlechtsidentität ausser auf der individuellen Ebene noch auf drei weiteren Ebenen zu betrachten (…).
– der intrapersonellen Ebene,
– der Intergruppenebene und
– der (inter-)kulturellen Ebene.
Die Geschlechtsidentität wird damit zu einer relationalen Variable (…).
Damit geraten auch sozialpsychologische Ansätze der Geschlechterforschung ins Blickfeld, die in der Entwicklungspsychologie bisher vernachlässigt wurden (…). (Oerter/Montada 2008 (Hrsg.) : Entwicklungspsychologie, S. 649).
Oerter/Montada ist D A S L E H R B U C H in der Entwicklungspsychologie seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum und wird immer wieder aktualisiert. Es ist interdisziplinär aufgebaut und hat ca. 3000 (in Worten: dreitausend) Titel im Literaturverzeichnis)!
Wenn Du den gegenwärtigen Forschungsstand offenbar nicht zur Kenntnis nehmen willst, dann muss man Dich eben als einen Ideologen mit Bezug auf einen Biologismus schelten. Du darfst auf der Seite von Wikipedia unter dem Stichwort „Biologismus“ gerne Deinen Standpunkt darlegen, ich vermute jedoch, er wird nicht veröffentlicht, weil man wohl auch auf Wikipedia der Einsicht ist, dass Dein biologisierender Alleinvertretungsanspruch so nicht haltbar ist. (S. 649 f.)
Somit wäre der Satz von Wikipedia auf Dich bezogen richtig:
„Als Erscheinungsformen des Biologismus lassen sich unter anderem anführen: die moderne Soziobiologie und Evolutionäre Psychologie, soweit sie psychologische und gesellschaftliche Phänomene ausschließlich oder ganz überwiegend auf der Grundlage genetischer Faktoren erklärt.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Biologismus
PS: Bei Wikipedia gibt es viele Artikel, wo es heisst, dass sie umstritten sind. Bei diesem Artikel „Biologismus“ finden wir keinen Hinweis!
Du siehst: Entweder hat sich niemand gemeldet, der den Artikel bestreiten würde oder die Wikiepedialeute fanden die Argumentation so abstrus, dass sie nicht das Gefühl hatten, sie müssten hier etwas nachbessern.
@Chomsky
„M.E. bist Du in gewissen Bereichen wirklich ideologisch verblendet.“
Da könnte ich ja das gleiche behaupten
„Der heutige Wissensstand in der Entwicklungspsychologie sagt über die Geschlechtsidentität Folgendes aus und ich habe es bereits einmal zitiert:“
Was du anscheinend ausblendest: In genug anderen Lehrbüchern steht die von mir vertretene Meinung.
Und was du auch ausblendest: Du gibst die Meinung stets nur als Autoritätsargument wieder. Es fehlen aber die Sachargumente dafür, dass diese Meinung richtig ist und die von dir als ideolgisch angesehene Meinung als falsch.
Wie wäre es, wenn du von der schlichten Autoritätsargumentsebene, die ich langweilig finde, auf die Sachargumentsebende wechselst? Was führt Oerter/Montada denn als Argument für seine Ansicht an, wie geht er mit den Gegenargumenten um?
Wikipedia zitieren kann ich natürlich auch:
http://en.wikipedia.org/wiki/Sexual_differentiation
http://en.wikipedia.org/wiki/Sex_differences_in_humans#Genetic_and_hormonal_causes
http://en.wikipedia.org/wiki/Prenatal_hormones_and_sexual_orientation
@Christian
Du schreibst:
Was du anscheinend ausblendest: In genug anderen Lehrbüchern steht die von mir vertretene Meinung.
Und was du auch ausblendest: Du gibst die Meinung stets nur als Autoritätsargument wieder. Es fehlen aber die Sachargumente dafür, dass diese Meinung richtig ist und die von dir als ideolgisch angesehene Meinung als falsch.
Wie wäre es, wenn du von der schlichten Autoritätsargumentsebene, die ich langweilig finde, auf die Sachargumentsebende wechselst? Was führt Oerter/Montada denn als Argument für seine Ansicht an, wie geht er mit den Gegenargumenten um?
Kommentar
Es geht nicht um Autoritätsargumente: Es ist mir unmöglich, die tausenden von Studien selbst zu konsultieren, deshalb gibt es eben auch Lehr- und Handbücher, die eben eine Gesamtsichtung des Forschungsstandes machen und diesen zusammengefasst widergeben.
Bleiben wir doch bei der deutschsprachigen Literatur und den Lehrbücher, die im deutschsprachigen Raum konsultiert werden. Dann zeigst Du mir die L e h r- und H a n d b ü c h e r im deutschsprachigen Raum, die interdisziplinär angelegt sind, die dem, was Oerter/Montada schreibt, widersprechen.
Wenn Du bei meinem zitierten Text keine Argumente findest, dann kann ich Dir effektiv nicht helfen. Und für die Belege empfehle ich Dir, den Oerter/Montada selbst zu kaufen und dann hast Du auch eine riesige Literaturliste, wo Du die Bücher dann bestellen kannst. Ich werde das nun ganz sicherlich nicht für Dich machen. Aber was ich gerne mache, ist, wenn Du mir die im deutschsprachigen Raum breit rezipierten Lehrbücher empfiehlst, die interdisziplinär angelegt sind und dem widersprechen, was Oerter/Montada sagt. Unter Lehrbücher verstehe ich jedoch das, was an den Unis und an Fachhochschulen eben gelehrt wird und zwar in den Fächern Psychologie und insbesondere Entwicklungspsychologie.
@Chomsky
Wenn dies Besprechung von Oerter/Montada richtig ist (S. 4), dann schreibt es zur Geschlechtsdifferenzierung des Fötus:
Anscheinend sind sie da auch Biologisten 😉
P.S:
Das kann man in etwas längerer Form auch noch einmal hier lesen:
https://allesevolution.wordpress.com/2012/03/02/wie-geschlechtsunterschiede-im-gehirn-durch-pranatale-hormone-entstehen/
Es wäre vielleicht aber wirklich mal interessant, die diesbezüglichen Standardwerke durchzuschauen, ich denke sie werden die Wirkung von pränatalen Hormonen alle darstellen. Ich werde mal bei Gelegenheit etwas in der Bibliothek zusammenkopieren, wer schon mal ein paar Tipps oder Stellen hat, ich würde mich freuen.
@ Chomsky
Aber du hast recht eine Volksinitiative kann nicht einfach so geändert werden. Sie kommt aber in anderer Natur, als Referendum, vor das Volk mit den Änderungswünsche der beiden Parlamentskammern, Nationalrat und Ständerat.
@chomsky Allein schon die Annahme, dass alle Menschen die gleiche evolutionspsychologische Basis haben, negliert Evolution an sich,disqualifiziert deine Unterstellung und entlarvt ein ganzes Themenspektrum als fixe Idee.
Du hast dich schon selber entlarvt. Allein das Profilbild…tstststs
@isabelleandow
Du schreibst:
@chomsky Allein schon die Annahme, dass alle Menschen die gleiche evolutionspsychologische Basis haben, negliert Evolution an sich,disqualifiziert deine Unterstellung und entlarvt ein ganzes Themenspektrum als fixe Idee.
Kommentar:
Du solltest ev. weniger ad personam/ad hominem Sprüche bringen, sondern Argumentation, Begründung und Empirie wie Du auf Deine Annahme kommst, dass meine Annhame falsch ist, dann kann ich auch etwas Schlaues darauf sagen! 🙂
@ Isabellsandow
Nein, es gibt in der ganzen Tierwelt artspezifische Eigenschaften, da alle Individuen einer Art gemeinsame Vorfahren haben, die unter denselben Selektionsdrücken standen. Diese artspezifischen Eigenschaften betreffen vor allem die Fortpflanzung, denn sobald hier disruptive Evolution dafür sorgt, dass sich das Fortpflanzungsverhalten einer Art in zwei verschiedene Richtungen entwickeln, ist schnell eine reproduktive Barriere entstanden, was dann zu einem Artbildungsprozess führen kann, also zu einer Aufspaltung der Art in zwei Arten.
Es gibt Fälle, in denen das anders ist, es gibt auch bei einer Art Polymormphismen, es gibt auch Fälle, in denen sich das Fortpflanzungsverhalten auseinanderentwickelt hat, wenn z. B. ein Artbildungsprozess noch bevorsteht oder bei der Entwickelung verschiedener Männchentypen.
Es gibt natürlich auch individuelle Unterschiede. Dennoch gilt grundsätzlich, dass alle individuen einer Art eine gemeinsame verhaltensbiologische Basis haben. Oder beim Menschen eben eine evolutionspsychologische.
Ich habe bei Ihnen den Eindruck, den ich bei einigen Frauen, insbesondere feministisch geprägten, hier in diesem Blog habe: Sie wollen irgendwas finden, was Sie evolutionsbiologisch denkenden Männern vorwerfen wollen. Und dann gleich so vernichtend, von wegen disqualifiziert und fixe Idee. So wie neulich Mutter Sheera mit ihrem „FALSCH!“ (Klatsch!) und dann einer Begründung, die keine ist. Hauptsache dagegen und den politischen Gegner schön abqualifizieren. Gottseidank entlarven dabei solche Leute immer wieder, dass sie selbst diejenigen sind, die überhaupt nichts verstanden haben.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass wir es in Ihrem Falle mit einer Feministin zu tun haben?
Richtig!
Ich meine:
„@chomsky Allein schon die Annahme, dass alle Menschen die gleiche evolutionspsychologische Basis haben, negliert Evolution an sich,disqualifiziert deine Unterstellung und entlarvt ein ganzes Themenspektrum als fixe Idee.“
Richtig!
Hi Christian, ich kenne mich mit Evolutionbiologie wahrlich wenig aus und bin über diesen Satz gestolpert:
Das hat mich an den Artikel The natural basis for gender inequality, in dem die große Variation an Verhalten bei Menschenaffen (eben auch die fehlende Schamhaftigkeit bei Bonobos und fehlende Monogamie bei Gorillas) herangezogen wird, um zu begründen, dass Biologie untauglich ist, um menschliches Verhalten zu erklären.
Jetzt schreibst Du, dass diese Unterschiede „kein Kopfzerbrechen“ bereiten, dass also dennoch Biologie hier auch beim Menschen vieles erklären kann. Kannst Du da einen Artikel zum Lesen empfehlen?
@georg
Danke für den Hinweis, ein interessanter Artikel. Ich merke ihn mal für eine Besprechung vor.
er geht aber hauptsächlich, jedenfalls soweit ich es beim Überfliegen sehe, auf den naturalistischen Fehlschluss ein. dabei geht es darum, ob ein bestimmtes Verhalten gut ist, weil es natürlich ist. Und es ist an sich schon ein unzulässiger Schluss, weil Biologie keine Wertung enthält. Er hätte sich da also kürzer fassen können.
Dann hätte er auch klarer aussprechen können, dass die jeweiligen Primaten nicht einfach so bestimmten Modellen folgen, sondern daraufhin optimiert sind. Ein Bonobo zB kann sich den „Gruppensex“ nur erlauben, weil er im Gegenzug für eine hohe Spermienkonkurrenz gerüstet ist. Er zahlt auch einen Preis: Bonobos sind wegen der geringen Vaterwahrscheinlichkeit keine guten Väter und die Gruppe kennt das, was wir als Liebe bezeichnen deswegen nicht.
Ebenso sind die Gorrillas für intrasexuelle Konkurrenz und Haremsbildung optimiert, weil die Männchen sehr stark sind.
Schimpansen sind auch für intrasexuelle Konkurrenz, aber eben nicht in einem Haremsmodell, weswegen sie weniger stark sind und mehr auf ihre Gruppe bezogene Hierarchiekämpfe haben
Wir können uns also anhand unserer Körper und Verhalten durchaus einordnen. Was der Artikel, der einfach nur die Modelle und nicht deren biologische Umsetzung darstellt meiner Meinung nach zu stark ausblendet.
Einiges interessantes zur Abgrenzung der verschiedenen Primaten und eine Einordnung ihres Verhaltens findet man in David Gearys Male, Female
https://allesevolution.wordpress.com/2011/12/28/david-geary-male-female/
Einen Überblick bekommt man auch in diesem Artikel von Geary, der den Vorteil hat frei im Netz zu stehen:
Mein Artikel dazu
https://allesevolution.wordpress.com/2012/03/09/erbgut-des-gorillas-entschlusselt-wie-nahe-sind-wir-verwandt/
Der eigentliche Text:
Klicke, um auf GearyFlinnParent.pdf zuzugreifen
@ Christian
Link funzt leider nicht mehr, jedenfalls bei mir.
Bei anderen auch?
@Roslin
Bei mir geht er!
Den Link zu Gearys Text meine ich.
Soweit ich weiß, haben Mensch und Schimpanse ja große genetische Ähnlichkeit. Die meisten Gene betreffen aber, wie schonmal gesagt, nicht das Gehirn, sondern den Hoden.
(http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/genvergleich-schimpanse-und-mensch-fast-identisch-a-372341.html)
Man kann ja auch andere Affenartige vergleichen: Makake, Gorilla, Bonobo … und deren genetische Ähnlichkeit untereinander, sowie zum Menschen mal ansehen. Da wird einiges klarer.
Genetische Ähnlichkeit => Verhaltensähnlichkeit ist jedenfalls nicht haltbar.
Der Mensch hat unterschiedlichste Schriften, Sprachen, „Gestennormen“ (Nicken, Kopfschütteln…), „Paarungsrituale“, Tabus, etc. Nimmt man einen Säugling aus einem Kulturkreis und lässt ihn in einem anderen aufwachsen übernimmt der den Habitus des neuen Kulturkreises.
Wenn die genetische Ähnlichkeit zwischen Schimpanse und Mensch so groß ist, heißt dass ja entweder ähnliches Verhalten oder Verhalten ist weitestgehend nicht genetisch determiniert.
Der Mensch hat soziale Organisationsformen sowohl von Gorilla, als auch Schimpanse, als auch Bonobo. Es gibt monogame, polygame, … alles mögliche an Beziehungsformen.
Warum, wenn die genetische Ähnlichkeit zum Schimpansen am größten ist?
Ergänzung:
Die meisten Gene, worin sie sich unterscheiden betreffen aber, wie schonmal gesagt, nicht das Gehirn, sondern den Hoden.
Pingback: Die schwer zu akzeptierenden Folgen der Entstehung des Menschen durch Evolution « Alles Evolution
Pingback: Übersicht: Evolution, Evolutionäre Psychologie und Partnerwahl | Alles Evolution