Den Nachrichten ist zu entnehmen, dass Ursula Piëch in den Aufsichtsrat von VW kommen soll.
Was qualifiziert sie dazu? Aus einem FAZ-Artikel:
Ferdinand lernt sie 1982 über ein Inserat kennen. Der damals 45 Jahre alte Piëch ist Technikvorstand von Audi und hat, wie er es nennt, eine Jugend-Ehe hinter sich. Corina und er haben fünf Kinder. Zwei Kinder hat er mit Marlene Porsche, mit der er zusammenlebt, zwei weitere Kinder waren auf der Welt, die „einer anderen Connection entstammen“. Marlene Porsche also sucht per Inserat eine Gouvernante. Selbständigkeit, guter Umgang mit Kindern und Mobilität sind Voraussetzung. Es meldet sich die 25 Jahre alte Ursula Plasser aus Braunau in Oberösterreich. Sie leitet einen Kindergarten, möchte aus der Enge von Braunau heraus, aber weiterhin mit Kindern zu tun haben.
Also nicht gerade die Person, die man im Aufsichtsrat eines großen Autobauers erwartet.
Aber durchaus nicht ungewöhnlich, wie der Spiegel berichtet:
Friede Springer und Liz Mohn stiegen vom Kindermädchen und der Telefonistin zu den mächtigsten Frauen der deutschen Wirtschaft auf. Jetzt rückt Ursula Piëch in den VW-Aufsichtsrat auf. Denn wenn es ums Erbe geht, vertrauen die Bosse ihren Frauen. (…) Protegiert vom mächtigen Ehemann haben Frauen offenbar gute Chancen, sich in der Wirtschaft zu etablieren. Piëchs Strategie haben andere Unternehmer bereits umgesetzt. Die Verleger Axel Springer und Reinhard Mohn, der Industriezulieferer Georg Schaeffler und der BMW-Großaktionär Herbert Quandt – sie alle zogen ihre Ehefrauen als Nachfolgerinnen heran. Die Lebenswege dieser Frauen weisen überraschende Parallelen auf.
Und auch im übrigen ist Ursula Piëch die Ehe nicht schlecht bekommen:
Piëch ist dem Bericht zufolge mit knapp sieben Prozent an der Porsche Automobil Holding beteiligt, die wiederum die Mehrheit an den Autoherstellern Porsche und Volkswagen innehat. Außerdem hält Piëch eine zehnprozentige Beteiligung an der Salzburger Porsche Holding, Europas größtem Autohändler. (…)
Solange Piëch lebt, hat in den Privatstiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta laut dem „Focus“-Bericht nur er selbst das Sagen. Die Stiftungsurkunden regeln, wie mit den Beteiligungen umgegangen werden soll. Ehefrau Ursula spielt dabei eine überragende Rolle.
Die 19 Jahre jüngere Ehefrau soll das Vermächtnis bewahren, mit einer einzigen Einschränkung: Trennt sich das Ehepaar oder heiratet Ursula nach Piëchs Tod wieder, verliert die einstige Kindergärtnerin alles – ihre Stellung als Stifterin und den Sitz im Stiftungsbeirat.
Stirbt Piëch verwaltet seine Frau damit Milliarden. Das eine Ehe mit dem Tod des meist älteren und kurzlebigeren Mannes zu erheblichen Vermögensübertragungen an die Ehefrau führt ist meiner Meinung nach ein Punkt, der innerhalb der Geschlechterdiskussion häufig zu kurz kommt. Es passt nicht ganz zu den Vorstellungen eines Patriarchats, dass an der Unterdrückung der Frau arbeitet und dabei erhebliche Vermögensteile immer wieder auf die Frauen (Ehefrauen und Töcher) überträgt. Eine patriarchale Ordnung wäre besser bedient eine Vermögensübertragung an den ältesten Sohn vorzunehmen. Was aber natürlich nicht der Fall wäre und ungerecht wäre.
Gibt es eigentlich feministische Texte, die dazu Stellung nehmen?
Viel besser als zu einem Patriarchat passt dies dazu, dass wir nicht in Geschlechtergruppen denken, sondern eher in Verwandtschaftsverhältnissen und Liebesbeziehungen. Die meisten Männer haben ein engeres Verhältnis zu ihrer Ehefrau, Freundin oder ihren Töchtern als zur Gruppe der Männer an sich. Ebenso wie die meisten Frauen ein engeres Verhältnis zu ihren Ehemännern, Freunden und Söhnen haben. Bereits aus diesen Interessen heraus ist der Geschlechterkrieg nicht mit den klaren Fronten versehen, die hier gerne aufgebaut werden. Wir alle kommen, wie ich irgendwo mal gelesen habe, eben aus „gemischten Familien“, also solchen, die beide „Feindparteien“ enthalten.
Das sollte man sich meiner Meinung nach immer wieder mal bewusst machen.