Machtmittel im Diskurs: Diskussionsbereitschaft

Kathrin schreibt auf ihrem Blog „The Leftist Elite“ dazu, wie man aus feministischen Kreisen darauf reagiert hat, dass sie mit mir eine Diskussion führen will und wie man allgemein zu wenig Diskussionswille in diesen Kreisen zeigt

Der zweite Grund warum das Netz kein „politisch“ kann, ist dieses ewige Rumgeflausche und Liebgehabe. Ich nehme mich da jetzt mal nicht aus: Es allen Recht machen wollen. Dorobaer und Schmidtlepp. Oder Stephan Urbach und Guttenberg. Das ist wie der fehlende Dislike-Button auf Facebook. „Hallo, ich sehe das komplett anders, als du! Wollen wir das mal in einer hitzigen Diskussion ausbattlen? Hätt ich voll Bock drauf.“ – habe ich fast noch nie gehört. Zuletzt kam so etwas Ähnliches von Christian, der Alles-Evolution-Schreiber. Und ja: ich setze mich gerne mit der „anderen Seite“ auseinander. Das ist nämlich politisch! Aber sofort kam über twitter die Maßregelung, dass ich „mit *dem*“ ernsthaft eine Auseinandersetzung führe – also nä…!

Das ist die neue Netzhygiene: Ich lasse niemanden in mein kleines Flauschi-Paradies, der meine Inhalte infrage stellt. Es ist auch völlig unmöglich, zumindest mancher-internet-orts, noch irgendeinen inhaltlichen Disput zu führen. Die Moralkeule hängt gleich drüber und *boing* hat‘se dich. Denn es gibt mittlerweile ganz schön viele etablierte Tabus. Blabla-ismen überall!

Ich stimme ihrer Meinung, dass man bei unterschiedlichen Auffassungen diskutieren sollte, um zu sehen, welche Gegenargumente es gibt und ob die eigene Meinung schlüssig ist, voll zu.

Mir scheint allerdings auch die Gegenauffassung innerhalb des dortigen Theoriegebäudes durchaus stimmig:

Zwei Grundannahmen des Poststrukturalismus sind:

  • es gibt keine obkjektive Wahrheit, sondern nur den Diskurs
  • im Diskurs geht es immer um Macht bezüglich des Diskurses

Nimmt man diese Einstellung, dann kann man vertreten, dass man mit jedem Diskurs mit der Gegenseite dieser Raum gibt, Einfluss im Diskurs zu gewinnen. Wer sich nicht auf einen Diskurs einläßt, der kann auch keinen Raum frei geben. Da es keine objektive Wahrheit gibt, wäre eh davon auszugehen, dass alle Argumente nur Ausdruck des Diskurses sind, in diesem entstanden sind und damit der Ideologie des jeweiligen Forschers entsprechen. Da die „biologische Geschlechterforschung“ nach dieser Auffassung dann eben patriarchalisch ist oder zumindest der hegemonialen Männlichkeit zuarbeitet (Beweis: Sie vertritt andere Auffassungen als der Genderfeminismus) ist das was dort vorgebracht wird egal, da die Meinung nicht in den Diskurs gelangen soll, muss man sie ausblenden.

Dagegen könnte man anführen, dass man mit der Eröffnung eines Diskurses ja wieder andere Schichten anspricht, die vorher vom „biologischen Diskurs“ vereinnahmt waren. Aber das würde natürlich die Auffassung verlangen, dass es in der Sache um Argumente geht, die eigene Auffassung die besseren Argumente hat und es darauf ankommt. Wenn man aber vertritt, dass es keine objektiven Fakten gibt, dann gibt es auch keine besseren Argumente. Es gibt nur besser konstruierte Wahrheiten. Was man anscheinend dem Patriarchat durchaus zutraut. Also bringt eine Debatte nichts, sondern ist sogar eher schädlich.

Schade eigentlich.

Ich biete noch einmal eine Debatte an und freue mich auch auf die mit Kathrin, die gerade „Gehirn und Geschlecht“ liest und danach darüber diskutieren möchte, was ich sehr begrüßenswert finde.