Hierarchien bei Primaten

Frans de Waal schreibt in „Der Affe in uns“ etwas zum Thema Hierarchie:

Je klarer die Hierarchie, desto weniger bedarf sie der Bestätigung. Bei Schimpansen eliminiert eine stabile Hierarchie Spannungen so sehr, dass Konfrontationen zu einer Seltenheit werden: Die Untergeordneten vermeiden Konflikte, und die von höherem Status haben keinen Grund sie zu suchen. Alle sind besser dran. (…)

Die Statusrituale der Schimpansen drehen sich also nicht nur um Macht, sondern auch um Harmonie. Nach einer perfekten Machtdemonstration steht das Alphamännchen mit gesträubten Haaren selbstherrlich da und achtet kaum auf die Untergeordneten, die sich ihm mit respektvollen Lauten unterwerfen und ihm Gesicht Gesicht, Brust und Hände küssen. Indem sie sich ducken, und zum Alphamännchen aufblickenm machen die Hechelgrunzenden klar, wer der Boss ist, was den Weg für ein friedliches, freundliches Zusammenleben ebnet. Nicht nur das: Die Klärung der Hierarchie ist auch für effiziente Kooperation von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund haben diejenigen menschlichen Organisationen, bei denen es am meisten auf Zusammenarbeit ankommt – beispielsweise große Unternehmen und das Militär – die am klarsten definierten Hierarchien. Eine Kommandokette ist demokratischen Strukturen immer überlegen, wenn es auf entschlossenes Handeln ankommt. Je nach Umständen schalten wir spontan auf einen eher hierarchischen Modus um. Bei einer Untersuchung wurden zehnjährige Jungen in einem Sommerlager in zwei Gruppen eingeteilt, die miteinander konkurrieren. Herabwürdigungen der anderen Gruppe – beispielsweise indem sich die Jungen angewidert die Nase zuhielten, wenn sie Mitglieder der anderen trafen – waren rasch gang und gäbe. Andererseits nahm der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe zu, genau wie die Durchsetzung sozialer Normen und das Anführer-Mitläufer-Verhalten. Das Experiment bewies die Bindungsqualitäten von Statushierarchien, die sich verstärkten, sobald aufeinander abgestimmtes Verhalten verlangt war

Ich denke auch, dass Hierarchien immer noch in uns stecken und wir sie im sozialen Leben errichten wollen. Sie sind deswegen in Unternehmen wichtig, weil wir ihre Wirksamkeit instinktiv verstehen, weil sie Teil unseres evolutionären Erbes sind. Das kann man Ausnutzen, indem man einen Anführerkult errichet, wie es genug Staatsoberhäupter versucht haben oder indem man sich selbst als Sektenführer mit göttlicher Macht auflädt. Man kann es auch nutzen, um Arbeitsstrukturen zu gestalten. Kinder, gerade Jungs, nutzen es ebenfalls, um ihre sozialen Gruppen zu gestalten.

Dass diese Mittel effektiv sind, bedeutet natürlich nicht, dass sie gut sind. Das wäre ein naturalistischer Fehlschluss. Aber sie helfen uns häufig unser Leben konfliktfreier zu gestalten und Strukturen zu schaffen, die eine Kooperation ermöglichen. Das sollte man auch nicht vergessen.