Ein interessanter Artikel betrachtet das Verhältnis von Feminismus und Evolution:
I comment on Eagly and Wood’s biosocial constructionist evolutionary theory (2011; DOI: 10.1007/s11199-011-9949-9). Although this gender feminist theory allows for evolved physical differences between men and women and evolved psychological similarities for men and women, it fails to consider evolutionary accounts of psychological sex differences. I hypothesize that gender feminists’ reluctance to acknowledge that evolution has left different fingerprints on men’s and women’s bodies and brains stems from two common misunderstandings of evolutionary psychology: the myth of immutability and the naturalistic fallacy. I conclude that although evolutionary psychology is eminently compatible with equity feminism, evolutionary psychology and feminist psychology will conflict as long as the latter adheres to gender feminism and its unwillingness to acknowledge the evidence for evolved psychological sex differences. Gender feminism’s dualistic view of evolution hinders the search for and understanding of the proximate and ultimate causes of inequality. Feminist psychology needs to evolve by embracing equity feminism, which has no a priori stance on the origin or existence of differences between the sexes.
Der Artikel ist unter dem Link im Volltext vorhanden und insgesamt interessant:
By limiting the realms within which evolution has shaped humans, biosocial constructionist evolutionary theory invokes a variant of Cartesian dualism. Whereas Descartes (1641/1993) advocated a mind/body dualism in which the mind is a non-physical substance, biosocial constructionist evolutionary theory advocates a “minddifferences/ everything-else” dualism (Friedman, Bleske, and Scheyd, 2000).
According to gender feminism and its unwarranted claims about human nature, psychological sex differences are uniquely immune to natural selection. This convoluted conceptualization of evolution misunderstands how adaptations are fashioned and function. An adaptation is an “inherited and reliably developing characteristic that came into existence as a feature of a species through natural selection because it helped to directly or indirectly facilitate reproduction during the period of its evolution” (Buss, Haselton, Shackelford, Bleske, and Wakefield, 1999, p. 535). In domains in which the sexes recurrently faced different adaptive problems, evolution is likely to have fashioned different adaptive solutions. These adaptations often involve the intertwining of physical and psychological traits.
Und das ist in der Tat ein Vorwurf, den sich der Genderfeminismus bzw. der Gleichheitsfeminismus insgesamt machen muss: Warum sollen sich überall am Körper Zeichen einer Differenzierung zwischen Männern und Frauen finden, das Gehirn, das aber auch nur durch Evolution entstanden ist, davon aber ausgenommen sein? Wenn verschiedene Tätigkeiten und Interessen verschiedene Selektionsdrücke auf den Körper ausüben, dann ist zu erwarten, dass auch das Gehirn nach diesen Drücken selektiert wird und sich auch in diesem Bereich jeweils für das betreffende Geschlecht vorteilhafte Mutationen oder Kombinationen von Genen durchsetzen und weitergegeben werden.
Kurth geht dann über zu den Gründen, aus denen heraus der Genderfeminismus so ablehnend ist:
An important question for future research is why gender feminists unnecessarily wed themselves to a dualistic conceptualization of evolution and human nature that is theoretically untenable and empirically unsupported.
Da spricht es jemand mal deutlich aus. Der Blank Slate, also das unbeschriebene Blatt, dass allein durch Kultur befüllt wird, ist heute nicht mehr vertretbar und wird auch nicht durch wissenschaftliche Beweise unterstützt.
I suspect that gender feminists’ reluctance to acknowledge that evolution has left different fingerprints on men’s and women’s bodies and brains stems from two common misunderstandings of evolutionary psychology (Buss, 2012; Confer et al., 2010).
Jetzt also zu den Gründen, aus denen sich dies ergibt. Was natürlich erst einmal voraussetzt, dass man sich überhaupt damit auseinandersetzt, was meist nicht der Fall ist.
The first misunderstanding, the myth of immutability, is evidenced when one erroneously concludes that “if it’s evolutionary, then we can’t change it.” As has been discussed at length elsewhere (Buss, 1996; Buss, 2012; Confer et al., 2010; Geher, 2006), evolutionary psychology does not view human behavior as impervious to change. In fact, evolutionary psychologists have cogently argued that knowledge of the informational inputs to evolved psychological mechanisms is a crucial first step toward changing the behavioral output of these mechanisms (Buss, 1996; Buss, 2012; Confer et al., 2010; DeKay and Buss, 1992; Geher, 2006).
In der Tat ein häufig gehörtes Argument. Ich habe es anlässlich eines Kommentars bereits im ersten Monat dieses Blogs einmal aufgegriffen: „Wahrheit vs. Wollen: Feministische Theorie und die eigene Suppe“, damals in der schönen Form:
Als Historikerin und Feministin bin ich davon einfach nicht zu überzeugen. Und zwar nicht nur wegen meiner intellektuellen Verortung, sondern auch aus strategischen Gründen:
Wenn die ‘Natur’ oder ‘Evolution’ für die Geschlechterdifferenz verantwortlich gemacht wird, bleibt für gesellschaftliche Veränderungen kein Raum. Den braucht es aber dringend, denn so wie es ist, ist nichts gut.
Was genau das oben angeführte Argument ist, dass es nicht so sein darf, weil man es dann nicht ändern kann. Meiner Meinung nach muss der Haupteinwand gegen das Argument sein, dass man sich die Welt nicht schön denken darf, sondern Fakten hinnehmen muss, wenn sie nun einmal so sind. Allerdings ist es durchaus richtig, dass uns das Wissen um bestimmte biologische Unterschiede auch Handlungsmöglichkeiten geben kann. Wenn wir wissen, wie Menschen auf etwas reagieren, dann kann man Möglichkeiten schaffen, diese Reaktion zu vermeiden oder abzufangen. Es bringt nichts, einfach davon auszugehen, dass man ein bestimmtes Verhalten durch gesellschaftliche Maßnahmen ändern kann. Das wird dann nur dazu führen, dass man sich ärgert, dass es nicht klappt. Wenn Jungen im Schnitt Raufen und Toben („Rough and Tumble Play“) bevorzugen, dann bringt es mehr dieses in vernünftige Bahnen zu lenken als ihnen eine Puppe in die Hand zu drücken und sie auszuschimpfen, wenn sie Toben wollen.
The second pervasive misunderstanding is the naturalistic fallacy, which rears its illogical head when one concludes that “if it’s evolutionary and hence natural, then it’s okay and hence good.” Numerous evolutionary psychologists have unpacked the mistaken inference that if something is the case then it ought to be the case (Buss, 2003; Geher, 2006; Pinker, 2002). Evolutionary psychology does not excuse, justify, or rationalize any human’s thoughts, feelings, or actions (Buss, 1996; Geher, 2006). It merely seeks to discover and detail the design of the information-processing mechanisms that underlie our psychology. If some women have been subjugated because they were regarded as different than (and inferior to) men and some men have excused their misogynistic behavior as being an inevitable consequence of their genes, then a reluctance to embrace a discipline which viewed such pernicious behavior as immutable and excusable would be understandable. But evolutionary psychology is not that discipline (Buss, 1996).
Ich denke, dass diese Unterscheidung vielen schwer fällt. Die Reaktion „Wie kannst du so etwas unmoralisches/nüchternes schreiben“ kommt ja auch hier häufig, wenn man Selektionsdrücke und abstrakte Vorteile bestimmter Verhalten oder Auswahlkriterien anführt. „Es ist nicht gut, also darf es nicht sein“ ist aber ebenfalls kein tragendes Argument, es verkennt eben, dass die Evolution durch Mutation und Selektion arbeitet und das einzig wesentlich ist, welche Gene für langfristig mehr Nachkommen sorgen. Ein unmoralisches Verhalten, dass dauerhaft zu 50 Kindern führt, wird sich gegen ein moralisches Verhalten, das dauerhaft 1 Kind zur Folge hat, durchsetzen, wenn es auf genetischen Grundlagen beruht, einfach, weil die Gene von dauerhaft 50 Kindern sich dann schneller verbreiten. Das bedeutet nicht, dass unmoralisches Verhalten sich immer durchsetzt: Gerade die Spieltheorie hat gezeigt, dass moralisches Verhalten und Kooperation in einer Gemeinschaft Vorteile für den Einzelnen bringen können, wenn man sie gegen ein Ausnutzen absichert. Zu Bedenken ist dabei auch, dass unsere Moral ebenfalls teilweise Ergebnis unserer Biologie ist: Weil wir aufgrund biologisch-hormoneller Vorgänge Liebe zu unseren Kindern empfinden, gilt es nicht als moralisch unanständig sie gegenüber unbekannten Dritten zu bevorzugen etc. In der Tat ist aber der Vorwurf, dass man etwas als gerecht bewertet, weil es so ist, ein beständiger Vorwurf. Ein Beispiel wäre „Wer meint, dass sich Frauen an die Kindererziehung angepasst haben und Männer an die Jagd, der meint, dass Frauen in die Küche und ins Kinderzimmer gehören, und Männer das Geld verdienen müssen“. Was natürlich nicht der Fall ist, denn zum einen ist es eh nur eine Betrachtung über den Schnitt und zum anderen geht der Mann eben nicht mehr jagen und ist sicherlich nicht für einen Bürojob evolutionär angepasst. Auch die Kinderbetreuungssituation ist eine andere als die in der Steinzeit. Es ist auch keine Wertung dieser Art, wenn man dennoch vertritt, dass viele Frauen eher als die Männer die Kinderbetreuung übernehmen wollen. Denn daraus kann nicht folgen, dass Frauen das immer wollen müssen.
However, evolutionary psychology and feminist psychology will conflict as long as the latter adheres to gender feminism and its unwillingness to acknowledge the evidence (Buss, 2003; Geary, 2010; Mealey, 2000; Pinker, 2002) for evolved psychological sex differences. It is tragically ironic that feminist psychology—a discipline in part dedicated to shedding light on women’s struggles with inequity—struggles to consider any and all insights into the origin of the inequities faced by women. Gender feminism’s dualistic view of evolution hinders the search for and understanding of the proximate and ultimate causes of inequality. Feminist psychology needs to evolve.
Future research might explore whether those who fallaciously believe that evolutionary psychologists view nature as immutable and suitable for justifying the status quo are more likely to endorse gender feminism and its untenable conception of sex differences than to self-identify as equity feminists.
In der Tat macht der Genderfeminismus eher vieles unklarer. Er sieht falsche Gründe für Ungleichheiten und verschenkt damit Energien in Lösungen, die nicht funktionieren können. Es wäre eine Öffnung des Genderfeminismus hin zu moderner Wissenschaft dringend notwendig.
Dazu müssen aber viele ideologische Barrieren im Feminismus abgebaut werden.