Nadine berichtet bei der Mädchenmannschaft über einen offenen Brief des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus. Dort wird kritisiert, dass man Frauen nicht genug Schlechtes zutraut:
“Aus unserer Perspektive wird hier das übliche Klischee von der unpolitischen Frau unreflektiert reproduziert. […] Frauen haben nach dieser Logik zum einen keine politische Überzeugung und wenn, dann keinesfalls eine so gewalttätige wie die rechtsextreme. Frauen gelten immer noch als das ‘friedfertige’ Geschlecht. Wenn überhaupt, dann erscheinen Frauen in der Szene nur als sexualisierte Anhängsel denkbar.”
Und weiter von Nadine:
Besonders problematisch an dieser Verharmlosung sei vor allem die Wirkmächtigkeit dieser sexistischen Grundannahme: Rechtsextreme Frauen geraten gar nicht erst in den Fokus der Ermittlungsbehörden, weshalb sie weitestgehend unbehelligt blieben. Hinzu kommt, dass die Präsenz von Frauen in der rechtsextremen Szene diese auch nach außen weniger bedrohlich und gewaltvoll erscheinen lasse. Das Forschungsnetzwerk warnt deshalb eindringlich vor der sexistischen Verharmlosung rechtsextremer Frauen und fordert Medienschaffende und Wissenschaftler_innen auf,
Das ist wirklich verwunderlich. Wie kommen die Leute nur darauf, dass Frauen nicht selbstständige Täter sein können?
Vielleicht erklärt es dieser Text, ebenfalls von Nadine:
Beliebte Strategie gegen Widerstand ist auch die Umkehrung der Dominanz und Zuschreibung auf das Andere. Da ist dann auf einmal von Sexismus gegen Männer die Rede. Schon werden alle Machtverhältnisse plattgewalzt und das vermeintliche Unterdrückungsmoment den Unterdrückten aufgebürdet und mit der Aufgabe betraut, dieses abzuschaffen.
Aber sogar daran, dass sie nicht richtige Täter sein können sind Frauen nicht schuld. Ihnen wird das Täter sein durch das Patriarchat verwehrt, indem sie als seine Opfer dargestellt werden:
Indem Frauen als universelle Opfer des Patriarchats konstruiert werden, können sie demnach also nicht gleichzeitig auch Gespielinnen, Mittäterinnen und Unterstützerinnen oder selbst Täterinnen sein. Sie werden erneut zu Objekten gemacht, ihnen wird erneut das Recht abgesprochen, sich als Individuen zu positionieren, die auf unterschiedliche Weise verstrickt sind in ein wesentlich komplexeres und diffizileres Feld von Macht, Herrschaft und Gewalt, als es bis dato von Feminist_innen gezeichnet wurde (…) Mit der These von Mittäterinnenschaft ist es möglich auch innerhalb der vermeintlichen Opfergruppe „Frau“ Dominanzkulturen und Mechanismen aufzuspüren, die neben dem Patriarchat andere Unrechtsregime produzieren. So werden die Belange von subalternen Gruppen sichtbar, für die Patriarchat und Sexismus weniger Ausschluss produzieren, denn beispielsweise Rassismus.
Oder diesen Text von Julie Bindel:
For heterosexual women, feminism can be a nightmare. Women are the only oppressed group who are expected to love their oppressor. But please stop trying to play nice. Until we overthrow male supremacy and admit that male power is the problem, not radical feminism, nothing will change.
Oder bei Schuldeingeständnissen der Männer wie diesem:
As a man, I feel sorrow that women and feminine energy have been suppressed for so many thousands of years on our planet. Everywhere we look, women have been disenfranchised. Throughout history, we have raped and abused you, burned you at the stake, bought and sold your bodies for sexual pleasure, barred you from religious and political office, relegated you to subservient chores, forced you to hide your faces and even cut off your organs of sexual pleasure.
Wenn man davon ausgehen soll, dass Männer „Schrödingers Vergewaltiger“ sind und die Handlungsmaxime eines Mannes sein soll:
„If I were dangerous, would this women be safe with me“
Wenn man mit Jessica Valenti meint, dass die Aufhebung der Unschuldsvermutung bei Vergewaltigung ein gutes Modell ist:
Swedish rape laws don’t ban „sex by surprise“ (a term used by Assange’s lawyer as a crass joke), but they do go much further than U.S. laws do, and we should look to them as a potential model for our own legislation. In fact, some activists and legal experts in Sweden want to change the law there so that the burden of proof is on the accused; the alleged rapist would have to show that he got consent, instead of the victim having to prove that she didn’t give it.
Wenn man beständig vom schlechten Patriarchat, der Phallokratie, der männlichen Gesellschaft, die es zu überwinden gilt, der Unterdrückung der Frau spricht.
Wenn selbst beim BH-Kauf alles Unterdrückung ist:
„Es geht nicht um Schutz, sondern darum, etwas „unsichtbar“ zu machen. (…) Irgendjemand hat ein Problem mit Brüsten, wie die Natur sie wachsen lässt. Weibliche Nippel sollen unsichtbar werden. Und in wattierte Förmchen eingepackt, wird die weibliche Brust normiert. Kleine, große, spitze, hängende, runde, schiefe, lustige oder flache Brüste sieht man immer weniger. Mit Pulli- und T-Shirt-BH sieht jede Brust, die einem auf der Straße entgegenkommt, gleich aus: fest, rund und mittelgroß. So wird Frauen eingeredet, das, was sie schon haben, sei nicht ganz so super wie das, was sie haben können.“
Wenn man davon ausgeht, dass die hegemoniale Männlichkeit für das Übel in dieser Welt zuständig ist.
Wenn man davon ausgeht, dass Frauen keinerlei Vorteile haben, sondern allenfalls „wohlwollenden Sexismus“ erleiden, also auch insoweit passive Opfer sind.
Wenn man davon ausgeht, dass Frauen noch nicht einmal eine Nicht-Frauenzeitschrift kaufen können, weil sie so in ihrer Frauenrolle gefangen sind.
Wenn selbst eine Demokratie mit freien geheimen Wahlen noch zu einer Unterdrückung der Frau führt
… dann kann man sich eigentlich auch nicht wundern, wenn Frauen nicht als Täter, als Handelnde wahrgenommen werden.
Das würde es eher erfordern, ihnen bei sonstigen gesellschaftlichen Handlungen einen eigenen, nicht unterdrückten Willen zuzugestehen.
Das würde bedeuten, dass man davon ausgeht, dass sie alle Zustände ebenso mitzuverantworten haben wie die Männer und die Gesellschaft ebenso stützen wie diese. Das würde bedeuten, dass man erkennt, dass Frauen ein eigenes Interesse an Luxusgütern haben, das sie den Wettbewerb bei sich aber jedenfalls auch bei den Männern unterstützen. Das sie nicht in einer matriarchalen Subsistenzwirtschaft leben wollen, sondern in einer modernen Gesellschaft mit allen Vorzügen wie Schutz, Technik, Medizin. Das die weiblichen Partnerwahlkriterien ebenso wichtig waren für die Schaffung des modernen Menschen wie umgekehrt die männlichen. Das Frauen Macht hatten und haben, wenn auch häufig persönlichere Macht statt gesellschaftlicher.
Es gehört schon eine Menge Chuzpe dazu, gleichzeitig zu fordern, dass man Frauen als Täter wahrnimmt, Verlagerung von Verantwortung auf sie aber als Umkehrung des Unterdrückungsmoments sieht. Es gehört einiges dazu, sich darüber zu beschweren, dass Frauen als Opfer dargestellt werden und damit zu Objekten gemacht werden und andererseits den Opferkult selbst zu errichten, wo man kann.
Frau Lantzsch, ich bin beeindruckt.