Geschlechterzuweisungen, also männlich und weiblich, sind für viele Menschen wichtige Elemente der eigenen Identität.
Das zeigt sich auch in der Behandlung von Abweichungen, im Extrem natürlich bei den „größeren Abweichungen“, wenn so etwas in Transphobie oder Feindseligkeiten gegen Homosexuelle umschlägt.
Aber auch in vielen kleinen Bereichen des Alltags:
Neulich auf einer Party hatte beispielsweise ein Partygast eine Flasche Likör dabei, sich von der Gastgeberin entsprechende kleine Plastikbecherchen („Pintchen“) geben lassen und in die Runde gefragt, wer in diesem Raum einen mittrinkt. Einer der Gäste war recht zurückhaltend, wollte erst genau wissen, was es für ein Likör ist, wollte sein Pinchen nicht zu voll, und trank es dann eher vorsichtig nippend. Die Partygästin mit der Flasche, die ihr Pintchen geext hatte, veranlaßte das zu dem Ausspruch: „Du trinkst auch wie eine Frau“. Natürlich mit einem Lächeln, aber dennoch interessant.
Andere Beispiele hat man im täglichen Leben genug und jeder dürfte entsprechende Zuweisungen schon einmal gehört haben. Klassisch wäre zB „Der heult wie ein Mädchen“ oder „Stell dich nicht an wie ein Mädchen“.
Insgesamt scheinen dabei die Zuordnungen des negativen zum weiblichen zu überwiegen. Man kann aus einer anderen Betrachtung heraus aber auch einfach darauf abstellen, dass die Frauenrolle mehr Freiheiten lässt als die Männerrolle und daher Abweichungen von dieser weniger toleriert werden. Danach wird nicht generell weibliches Verhalten abgewertet, sondern weibliches Verhalten von Männern diesen nicht zugestanden. Man könnte sagen, dass sie nicht „privilegiert“ genug sind, um ein solches Verhalten zeigen zu dürfen.
Dafür spricht meiner Meinung nach, dass ein Großteil des Verhaltens, dass als zu weiblich beim Mann kritisiert wird, bei Mädchen erwartet wird. Dies wäre mit einer reinen Abwertung dieses Verhaltens nicht zu erklären.
Das macht es für die Betroffenen natürlich nicht besser. Schuld sind meiner Meinung allerdings eher essentialistische Ansichten über Mann und Frau, die man biologisch sehen kann („Männer und Frauen sind immer so, nicht nur im Schnitt“) oder gesellschaftlich („Männer und Frauen sollten so erzogen werden, dass sie auf eine bestimmte Weise sind“). Nach heutiger Ansicht in der Biologie gibt es natürlich weiblichere Männer und männlichere Frauen und schleichende Übergänge, wie es bei einer Normalverteilung mit unterschiedlichen Mittelwert und sich überlappenden Trägern nicht anders zu erwarten ist.
Beides sollte man akzeptieren.
Ich denke diese Vergleiche sind so beliebt, weil wir Menschen zu schematischen Denken neigen. Wir haben Vorstellungen von Männlich und Weiblich, die eher dem Normalfall entsprechen und natürlich auch darauf ausgerichtete Attraktivitätsmerkmale. Starke Abweichungen gerade beim Geschlecht sind aus evolutionär-biologischer Sicht wichtige Signale zur Bewertung von Attraktivität und Wert auf dem Partnermarkt. Das sind unbewußte Wertungen, die eigentlich moralisch wenig aussagen sollten, von denen wir uns aber nicht ohne weiteres frei machen können. Auch hier gilt natürlich, dass ein bewußter naturalistischer Fehlschluß darauf, dass dann ein bestimmtes Verhalten gut und richtig oder gar verlangbar ist, falsch ist.