Was man nach Meinung einiger Feministen sagen darf und was nicht am Beispiel einer Diskussion bei der Mädchenmannschaft

Bei der Mädchenmannschaft stellt eine der Gastautorinnen (Emma) in dem Artikel „Wenn Browser Frauen wären – Sexismus im Informatikunterricht“ Sexismus in einem Englischkurs für Informatiker dar. Von ihr angeführte Punkte sind:

  • die Studenten geben auf die Nachfrage des Dozenten mehrheitlich an, dass der erste Computer, an dem sie gearbeitet hatten, der Computer ihres Vaters war. Die Autorin verweist hingegen darauf, dass es der Computer ihrer Eltern war (obwohl es wohl der Rechner ihrer Mutter war). Mir ist nicht ganz klar, ob sie darin schon einen Sexismus sieht, weil es ja vielleicht einfach der Wahrheit entspricht, dass es für viele der Computer ihres Vaters war. Sie kritisiert aber wohl, dass die Angabe, dass es der Rechner des Vaters ist, nach einer gewissen Zeit aufgrund der vielen Wiederholungen nur noch mit „Natürlich“ kommentiert wird.
  • ein Student macht den Witz, dass es der „Computer seiner Großmutter war“. Die Autorin erkennt Sexismus, ihre Großmutter ist fitter am Rechner als ihr Großvater.
  • Dann sollen die Studenten sagen, was sie gegenwärtig für Rechner und Browser nutzen. Sie benutzt Linux und Opera, dafür fühlt sie sich nicht hinreichend gewürdigt, was wohl bei anderen mit dieser Angabe der Fall war, hat das Gefühl, dass der Dozent sie als Alien („Eine Frau die Linux benutzt?“) ansieht.
  • dann nutzt der Dozent noch Folien, die Browser mit Frauen vergleichen. Firefox ist eine heiße Frau etc. (die Bilder und den Text findet man hier)
  • dann erklärt er eine „Sekretärin“ zu benötigen, weil er bestimmte Unterlagen erstellt hat und dafür Geld einsammeln möchte und bestimmt dazu, Tanja, eine der 4 Frauen von 33 teilnehmenden Studenten.

Die Autorin wechselt schließlich den Kurs, weil es ihr zu sexistisch ist. Ihr nächster Englischkurs ist bei einer DozentiIN und alles ist gut.

Zunächst zu den Beanstandungen.

  • Den ersten Punkt sehe ich nicht als sexistisch an. Natürlich kann es sexistisch sein mit der passenden Betonung, aber der Umstand, dass die meisten den Computer ihres Vaters genutzt haben, wäre ja auch und gerade in einer Welt nach feminstischer Vorstellung zu erwarten, wo Frauen eben eingeredet wird, dass sie von Technik nichts verstehen. Das darf man dann auch durchaus festhalten. (Exkurs: Interessant ist, dass Mutter und Großmutter hier eine gewisse Technikliebe haben und die Autorin zudem die Möglichkeit anführt, dass der Dozent sie zunächst für einen Jungen hält und erst auf den zweiten Blick seine Meinung revidiert (das kann auch einfach Darstellung eines übertriebenen Sexismus sein, der eine Frau in einer Informatikervorlesung erst gar nicht zuläßt). Die Autorin wird vielleicht darauf verweisen, dass sie eben in einer sehr emanzipierten Familie aufgewachsen ist und es gerade als Bestätigung der gesellschaftlichen Prägung sehen, aber es ist ebenso leicht mit einer genetischen Variante zu erklären, die eben „männlichere Frauen“ im Programm hat.Exkurs Ende)
  • Den zweiten Vorfall finde ich auch nicht so schlimm, es ist ein zu erwartender Witz, der auf der Monotonie der Schilderungen aufbaut und diese durchbricht. Und die Großmutter ist der bessere Witz, weil Überraschender. Ich würde vermuten, dass die meisten Großmütter mit Computern wenig am Hut haben, noch weniger als die meisten Großväter, die damit auch wenig am Hut haben.
  • die dritte Reaktion ist schwer einzuschätzen. Aus seinem übrigen Verhalten heraus kann man einen Sexismus nicht ausschließen. Es ist aus meiner Sicht auch nicht auszuschließen, dass er sich hier bewusst war, dass eine Äußerung von ihm hier auch schnell sexistisch sein könnte, nämlich entweder zu viel in genau die von der Autorin befürchteten Richtung oder zu wenig, und das er deswegen zu lange geschwiegen hat und dann lieber weiter gezogen ist als etwas falsches zu sagen.
  • die vierte Variante ist meiner Meinung nach unpassend von ihm gewesen. Es klingt so als hätte er sich auf einen Männerkurs eingestellt und gedacht, dass es dort schon lustig ankommen wird, sich aber keine Gedanken gemacht, das Frauen das durchaus beleidigend finden könnten. Mit ein wenig Sensibilität und Empathie, die zu einer Unterrichtsvorbereitung dazu gehört, hätte er das sicherlich erkennen können und zumindest eine geschlechtsneutrale Variante wählen können. Hier hat er seine Grenzen als Dozent an einer Universität meiner Meinung nach überschritten. Ich bin da durchaus bei der Autorin, so etwas muss in einer öffentlichen Bildungseinrichtung nicht sein. Es wäre interessant gewesen, ob es ihm bei einem Hinweis peinlich gewesen wäre und er sich entschuldigt hätte und ob er sein Programm geändert hätte.
  • auch bei der Sekretärin ist er meiner Meinung sexistisch gewesen. Auch hier hätte er sich entsprechend eindenken müssen und zumindest die Frage stellen müssen, wer als Sekretär oder Sekretärin zur Verfügung steht. Einfach so die Frau auszusuchen ist da sicherlich der falsche Weg. Ich könnte es mir gut als Versuch eines Flirts vorstellen, er versucht über die Hervorhebung als Sekretärin eine gewisse persönliche Bindung aufzubauen. Aber auch das wäre natürlich in dieser Form auf einer öffentlichen Position zu beanstanden.

Das Interessante sind dann aber die Kommentare:

In diesen geht es darum, was sie hätte machen sollen, um den Sexismus zu bekämpfen und was andere, auch männliche Teilnehmer hätten machen sollen. Die Kommentare, die meinen, dass sie sich hätte auf eine bestimmte Weise verhalten können, werden dann von Kiturak in einem Kommentar kritisiert:

k, @Kommentator_innen: Geht’s noch, ernsthaft? Ich meine, keine Ahnung, müssen wir mit dieser Feminismus-Sache echt nochmal GANZ VON VORN anfangen? Emma erlebt Sexismus, kotzt sich in einem feministischen Blog aus. Unser Job: Beistand, Rückendeckung, (geek-)feministische Soli. NICHT unser Job: Auf die Idee kommen, Leuten vorzuschreiben (ich hätte ja gesagt, zu mansplainen, aber der Dreck kommt ja von Leuten, die sich hier als Frauen vorstellen?), wie sie sich verhalten sollen.

Um es vielleicht nochmal für die letzten, die echt aus dem Festival du Racisme-thread NICHTS mitgenommen haben, klar auszudrücken:

Sexismus.Ist. Gewalt.

Wir schreiben nicht denen, die Gewalt erleben, vor, wie sie sich hätten verhalten müssen. Richtig? Kein victim blaming. Keeeeein victim blaming. (…)

Das also bei so etwas besprochen wird, wie sie sich hätte verhalten sollen, ist schon des Guten zuviel und eigentlich nicht hinnehmbar. Sie wundert sich auch, dass so etwas von Frauen kommen kann, hält es für typisches Mansplaining und zweifelt sogar das Geschlecht der Kommentatoren an (ist das nicht sexistisch?). Das überhaupt so etwas an Kommentaren durchgeht wird gleich als Grund benannt, dass man keinen Gastartikel einsenden wird. Es ist quasi eine Billigung der Gewalt gegen Frauen. Man beachte auch die Selbstverständlichkeit mit der die Kritik erfolgt und die Herabwürdigung zu etwas, was nur Männer machen. Es folgt noch eine Ankündigung, dass sie, wenn man als Gastautorin so mies behandelt wird, jedenfalls nie Gastautorin sein wird.

Eine weitere Kommentatorin findet das ebenfalls unfassbar.

Die Moderation hat auch ein gewisses Verständnis für die Aufregung bei Kiturak:

kiturak, bitte, ich verstehe, warum du dich aufregst, aber die Netiquette gilt auch für dich (und alle anderen, die sich ärgern).

Ich hingegen finde es vollkommen normal auch zu überdenken, wie sie selbst hätte Stellung nehmen können. Der Gedanke, dass man keinerlei Vorhaltungen in diese Richtung machen darf, folgt ähnlich wie bei der Vergewaltigung aus dem Gedanken der Privilegierung und des Opferschutzes. Ein Mann hat aus seiner privilegierten Haltung heraus eben nicht das Recht ein Handeln des von ihm benachteiligten Opfers zu fordern und andere Männern, die ja auch privilegiert sind, können auch nicht erwarten, dass das Opfer dies für sie deutlich macht, sie müssen vielmehr aus sich selbst heraus dafür sorgen, dass die Privilegien erkannt und abgebaut werden bzw. aufgrund ihrer Mithaftung wegen ihrer Privilegien dafür sorgen, dass auch andere Männer ihre privilegierte Haltung abbauen und das Opfer entlastet wird. Das ist erst einmal ein hohe Hürde, die da vor den Männern aufgebaut wird. Denn sie müßen ja gleichzeitig etwas für jemanden anders machen, was ihnen nur den indirekten Vorteil bringt, dass sie in einer weniger sexistischen Welt leben, sich dafür aber den evtl Nachteilen aussetzen und sie müßen zudem erkennen, wann eine solche Einmischung tatsächlich erforderlich ist. Dies ist ja bei den obigen Beispielen durchaus nicht klar. Hätte man bereits aufstehen müssen und alle Anwesenden ermahnen müssen, dass sie den Computer nicht so leichtfertig als ihrem Vater gehörig ansehen sollen, sondern den Anteil ihrer Mutter daran kritischer hinterfragen sollen? Mußte man das „Natürlich“ des Lehrers bereits als sexistisch ansehen ohne konnte man ihm hier zugestehen, dass er erkennt, dass dies lediglich eine Folge unseres patriarchischen Systems ist, dass die Mütter von der Technik fernhält?

Auch bei den späteren Beispielen läuft man die Gefahr als „weißer Ritter“ darzustehen, der sich todesmutig vor die Frau wirft und ihr damit das Recht abzusprechen, selbst zu entscheiden, was sie eigentlich als zu viel ansieht und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Denn möglicherweise ziehen die Frauen es vor, den Sexismus über sich ergehen zu lassen und fürchten eher Nachteile durch den Dozenten für den Fall eines Ansprechens auch durch Dritte. Oder sie bewerten die Vorgänge abweichend und finden selbst, dass Firefox eine heiße Frau ist oder das Gleichsetzung von Software mit Frauen ein subversiver Akt ist, um die Männlichkeit der Informatik zu kritisieren. Vielleicht wollten diese lieber das Ganze in einem persönlichen Gespräch oder über eine Frauenbeauftragte lösen und sehen die Bevormundung selbst als sexistisch an. Es gibt also durchaus gute Gründe dafür, dass Frauen solche Punkte selbst ansprechen sollten. Und es gibt natürlich auch verschiedene Ansprechmöglichkeiten und es kann sinnvoll sein, diese zu diskutieren.

Darin bereits ein Opferblaming zu sehen halte ich für ein sehr überzogenes Beispiel von Feminismus. Es scheint mir aber im radikalen Feminismus sehr verbreitet zu sein, wofür auch die Selbstverständlichkeit spricht, mit der Kiturak davon ausgeht, dass es der einzig richtige Weg und alles andere falsch, falsch, falsch ist.

Ich würde mir wünschen, dass die Mädchenmannschaft noch weiter geht und allgemein auch sachliche Feminismuskritik zuläßt, vielleicht zumindest in besonderen Artikeln zu dem Thema. Aber so weit ist es anscheinend noch nicht.

Eher sieht man an Kituraks Reaktion eine der aus meiner Sicht unangenehmsten Seiten des Feminismus: Überkorrektes, ideologisches Zensieren, dass alle anderen Meinungen am Liebsten ausblenden würde.