MacKinnon: „Ein Gender zu haben bedeutet bereits in eine heterosexuelle Beziehung der Unterordnung eingetreten zu sein“

Aus Judith Butler, Die Macht der Geschlechternormen:

Gender ist folglich eine regulatorische Norm, die aber auch im Dienste anderer Formen von Regulierung steht. Den Darlegungen von von Catharine MacKinnon zufolge wird beispielsweise im Zusammenhang mit den Regelungen zum Schutz gegen sexuelle Belästigungen üblicherweise angenommen, bei der Belästigung handele es sich um eine systematische Unterordnung von Frauen am Arbeitsplatz, in der Männer im Allgemeinen belästigen und Frauen belästigt werden.

Für MacKinnon scheint diese Rollenverteilung die Konsequenz einer grundsätzlicheren sexuellen Unterordnung von Frauen zu sein. Wiewohl diese Regelungen sexuell erniedrigendes Verhalten am Arbeitsplatz einzuschränken suchen, führen sie gleichfalls bestimmte, unausgesprochene Normen über Gender mit sich. In gewisser Hinsicht wird die implizite Regulierung von Gender durch die explizite Regulierung von Sexualität herbeigeführt.

Für Mac Kinnon ist es die hierarchische Struktur der Heterosexualität, der zufolge Männer Frauen unterordnen, die Gender erzeigt: „Stillgelegt als ein Attribut der Person, nimmt die Ungleichheit der Geschlechter die Form von Gender an; als eine Beziehung zwischen Menschen in Bewegung nimmt sie die Form der Sexualität an. Gender entsteht als die geronnene Form der Sexualisierung der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.

Wenn Gender die geronnen Form ist, die die Sexualisierung der Ungleichheit annimmt, dann geht die Sexualisierung der Ungleichheit dem Gender voraus und Gender ist deren Wirkung. Aber können wir uns ohne eine vorausliegende Vorstellung von Gender überhaupt einen Begriff machen von der Sexualisierung der Ungleichheit? Ist es sinnvoll zu behaupten, dass Männer Frauen sexuell unterordnen, wenn wir nicht zunächst eine Idee davon haben, was Männer und Frauen sind? MacKinnon vertritt indess nicht die Ansicht, dass es außerhalb dieser Form von Sexualität, und somit implizit außerhalb dieser unterordnenden und ausbeuterischen Form von Sexualität, keine Konstituierung von Gender gibt. Indem ihr Vorschlag zur rechtlichen Regelung sexueller Belästigungen auf diese Art von Analyse des systematischen Charakters sexueller Unterordnung zurückgreift, richtet Mac Kinnon eine Regulierung eigener Art ein: Ein Gender zu haben bedeutet bereits in eine heterosexuelle Beziehung der Unterordnung eingetreten zu sein. Es scheint keine geschlechtlich geformten Menschen zu geben, die außerhalb solcher Beziehungen leben, es scheint keine unterordnungsfreien heterosexuellen zu geben, es scheint keine nichtheterosexuellen Beziehungen zu geben, und es scheint keine gleichgeschlechtliche sexuelle Belästigung zu geben

MacKinnon sieht also in einem klassischen sexnegativen Feminismus heterosexuellen Sex als Versuch der Unterdrückung der Frau. Durch das zuweisen eines weiblichen Genders unterdrückt der Mann die Frau, die sich ihm innerhalb und durch dieses Gender unterordnen muss.

Das werden viele Frauen, die gerne Frauen sind, anders sehen denke ich. Wohl auch einer der Gründe, warum ihr Butler dann entgegenhält, dass sie damit andere Beziehungen, in denen es sowohl das weibliche Gender gibt als auch die Formen der Belästigung ohne weibliches Gender.

Dennoch interessant einen so klassischen Ansatz zu sehen, von dem sich Butler letztendlich auch nicht klar abgrenzt, eher andere Aspekte mit einfließen lassen möchte, wenn ich sie richtig verstehe.