Naturalistischer Fehlschluß

Ein Fehler, der immer wieder gerne gemacht wird ist der naturalistische Fehlschluß.

Die Gleichsetzung von „Natürlich“ mit „Gut, Richtig oder schön“

Diese Gleichsetzung übersieht, dass Evolution und Selektion keine Moral kennen, sondern überbleibt, was sich im Genpool anreichern kann.

Beispiele für „unmoralisches Verhalten“ gibt es in der Natur genug. Katzen spielen mit ihrer Beute, Männliche Delphine vergewaltigen weibliche Delphine. Entenerpel vergewaltigen ebenfalls sehr gerne. Jungtiere werden weil sie wehrloser und unerfahrener sind, gerne als Beute genommen. Genug Tiere sind verschwenderisch und fressen in guten Zeiten nur die besten Stücke, der Rest verrottet. Kuckuckskinder werfen die anderen Eier aus dem Nest, bestimmte Vögeljungen verbessern ihre Chancen, indem sie ein Ei des Geleges aus dem Nest werfen, wenn die Eltern es nicht verhindern (sie sind eben mit ihren Geschwistern nur zu 50% verwandt, mit sich selbst aber zu 100%). Genug Eltern fressen kleine kümmerlichere Kinder auf, statt die Kosten des Nachwuchses zu tragen.

All dies würden wir nach unseren Moralvorstellungen, die wieder auf der Biologie unserer Spezies beruhen, nicht gut oder moralisch finden.

Man kann das ganze auch noch weiter ins Extrem führen: Ein Krebsgeschwür ist natürlich. Aber es ist sicherlich nicht gut oder moralisch.

Steven Pinker schreibt in „The Blank Slate“ zum Naturalistischen Fehlschluß:

Social Darwinism is based on Spencer’s assumption that we can look to evolution to discover what is right — that “good” can be boiled down to “evolutionarily successful.” This lives in infamy as a reference case for the “naturalistic fallacy”: the belief that what happens in nature is good. (Spencer also confused people’s social success — their wealth, power, and status — with their evolutionary success, the number of their viable descendants.) The naturalistic fallacy was named by the moral philosopher G. E. Moore in his 1903 Principia Ethica, the book that killed Spencer’s ethics.21 Moore applied “Hume’s Guillotine,” the argument that no matter how convincingly you show that something is true, it never follows logically that it ought to be true. Moore noted that it is sensible to ask, “This conduct is more evolutionarily successful, but is it good?” The mere fact that the question makes sense shows that evolutionary success and goodness are not the same thing.

Und in der Wikipedia heißt es zum naturalistischen Fehlschluß:

Naturalistischer Fehlschluss (engl. naturalistic fallacy) ist ein vom englischen Philosophen George Edward Moore geprägter Begriff, mit dem der Versuch bezeichnet wird, ausgehend von den Eigenschaften eines natürlichen oder übernatürlichen Objektes zu definieren, was gut ist. Dies ist ihm gemäß nicht zulässig, da der Schluss auf eine wertende (präskriptive) Aussage mindestens eine wertende Prämisse benötigen würde. Nach Moore ist es also nicht möglich, einen normativen Begriff wie gut durch deskriptive Begriffe zu definieren.

Eng verwandt ist der naturalistische Fehlschluss mit dem moralistischen Fehlschluß:

Der moralistische Fehlschluss ist ein Fehlschluss, bei dem auf der Basis der moralischen Unerwünschtheit eines Zustands oder Verhaltens dessen Naturwidrigkeit behauptet wird. Der Begriff wurde als moralistic fallacy 1978 durch den Biologen Bernard Davis geprägt.[1] Im deutschen Sprachraum wurde das Konzept unter der Bezeichnung moralistischer Trugschluss von Bischof (1996) verwendet.[2]

Der moralistische Fehlschluss wird oft eingesetzt, um naturwissenschaftliche Forschungen, Thesen oder Befunde zurückzuweisen, die im Widerspruch zu bestehenden ethischen Normen stehen

Es handelt sich bei diesem Fehlschluss um eine ignoratio elenchi: Ob ein Zustand naturgemäß ist, also bestimmten psychologischen oder biologischen Tendenzen entspricht (etwa der evolutionären Psychologie oder der Verhaltensbiologie), wird von dem ethischen Wert, dem man ihm beimisst, ohne Weiteres nicht beeinflusst. Er ähnelt dem naturalistischen Fehlschluss darin, dass er einen starken Zusammenhang zwischen Sein und Sollen behauptet. Während im naturalistischen Fehlschluss vom Sein auf das Sollen geschlossen wird, schließt man beim moralistischen Fehlschluss vom Sollen auf das Sein. Der Schluss führt nicht zu einem formalen Widerspruch, ist aber formal unvollständig und verlangt starke zusätzliche Annahmen über den Zusammenhang von Moral und Natur.

Oder bei Pinker:

The naturalistic fallacy leads quickly to its converse, the moralistic fallacy: that if a trait is moral, it must be found in nature. That is, not only does “is” imply “ought,” but “ought” implies “is.” Nature, including human nature, is stipulated to have only virtuous traits (no needless killings, no rapacity, no exploitation), or no traits at all, because the alternative is too horrible to accept. (…) For example, in response to Thornhill’s earlier writings on rape, the feminist scholar Susan Brownmiller wrote, “It seems quite clear that the biologicization of rape and the dismissal of social or ‘moral’ factors will … tend to legitimate rape…. It is reductive and reactionary to isolate rape from other forms of violent antisocial behavior and dignify it with adaptive significance.”6 Note the fallacy: if something is explained with biology, it has been “legitimated”; if something is shown to be adaptive, it has been “dignified.” Similarly, Stephen Jay Gould wrote of another discussion of rape in animals, “By falsely describing an inherited behavior in birds with an old name for a deviant human action, we subtly suggest that true rape — our own kind — might be a natural behavior with Darwinian advantages to certain people as well.” The implicit rebuke is that to describe an act as “natural” or as having “Darwinian advantages” is somehow to condone it.

Daraus, dass ein bestimmtes Verhalten biologisch begründbar ist, folgt also nicht, dass es richtig ist oder das man es für richtig hält. Wenn man also beispielsweise anführt, dass Männer aufgrund ihres stärkeren Sexualtriebs eher eine rein sexuelle Gelegenheit zum fremdgehen ausnutzen werden, dann bedeutet dies nicht, dass sie sich damit entschuldigen können oder ihr Verhalten gerechtfertigt ist. Es bedeutet aber auch nicht, dass der Sexualtrieb und die Seitensprungwahrscheinlichkeit anders zu bewerten ist, weil man es als schlecht ansieht, wenn Männer fremdgehen.

Biologie erklärt Verteilungen über den Schnitt. Aber sie macht Verhalten nicht moralisch.