Nadine Lantzsch schreibt in ihrem Beitrag „Der Gaze Effekt und Feminismus“ das Folgende:
Wenn das Normale das Andere konstruiert und dem eigenen unterordnet, will es natürlich weiterhin Verfügungsmacht über das Andere haben, sich Gewissheit verschaffen, dass das, was da als Abweichung herunterdefiniert wurde, auch an dem Platz verbleibt, den es zugewiesen bekommen hat. Wenn sich das Andere dem Normalen gegenüber widerständig zeigt, muss es gewaltförmig zurückgestoßen werden, sonst könnte es die vermeintlich sichere Positionen gefährden
Das finde ich in der Geschlechterdebatte interessant, allerdings aus einer anderen Sicht als Lantzschi.
Heute gilt gerade im Politischen Gleichheit der Geschlechter und feministische Grundgedanken als normal und dem Mann oder „Der Männlichkeit“ ist die Unterdrückerrolle zugewiesen worden, zumindest innerhalb der feministischen Debatte. Der Unterdrücker wurde hier durch den Feminismus konstruiert.
An diesem Platz soll der Mann als Unterdrücker auch bleiben, denn sonst lassen sich die Überhöhungen der Frau und deren Opferstatus nicht mehr halten. Er muss also immer wieder auf diesen Platz zurückgestoßen werden, was man ja auch im Feminismus sehr gut beobachten kann: Alles kann auf den Mann als Unterdrücker, die Phallokratie, die hegemoniale Männlichkeit zurückgeführt werden.
Andere Erklärungen, die dieses Weltbild gefährden, werden ebenfalls zurückgestoßen, und das mit dem üblichen Mittel, sie als „Backlash“ oder patriarchalistische Theorie zu sehen. Vor diesem Hintergrund können beliebig viele biologisch-medizinische Studien zu einer Unlogik, zu einem Nichtargument, zu etwas, was allenfalls neben der eigenen Meinung steht und ausgeblendet werden kann, weil man einen anderen Blickwinkel hat, erklärt werden. Dabei verzerrt man das Bild, das die Biologie zeichnet am Besten noch soweit, dass man es einfacher abwerten kann, eben zu einem Essentialismus.
Es erinnert mich an einen Dialog in „Coupling“, indem es ebefalls um Macht einer Gruppe ging, die als Widerstand angesehen wurde:
Patrick: Oh, don’t be so PC.
Howard: Typical leftie puritan.
Sally: Typical what? Come the revolution.
Patrick: What revolution? You guys are in power! We’re the revolution now.
Sally: No… no, it can’t be right.
Patrick: You’re the evil empire.
Sally: No!
Howard: Yes! Like Star Wars! And Patrick and me are the Rebel Alliance!
Sally: No! You’re not the goodies! We’re the goodies. We’re lefties! We’re always goodies!
Patrick: (Darth Vader voice) No, Sally, you are the establishment!
(Video habe ich leider nicht gefunden, wenn einer einen Link hat…)
Die moralisch überlegende Gruppe zu sein, die aber leider nichts ändern kann, weil sie nichts in der Hand hat und daher nur Widerstand leisten kann, ist eine dankbare Position. Das zeigen diverse Parteien auch in der Opposition. Ihre Politik muss sich weniger am machbaren Orientieren und kann theoretischer sein. Sie müssen sich weniger Sachzwängen beugen und können negative oder unerwartete Folgen ihrer Theorien in der Praxis oder fehlende Umsetzungsmöglichkeiten besser ausblenden. Kommen sie tatsächlich an die Macht ergibt sich dann mitunter ein Praxisschock, wie man es auch bei der SPD gesehen hat, die ihren sehr linken Flügel, der nunmehr die tatsächliche Revolution wollte, nicht mehr vertrösten konnte.
Deswegen wird auch beim Feminismus der Umstand hochgehalten, dass man der Underdog ist, der gegen das Übermächtige Patriarchat ankämpft. Das erlaubt freie Ziele, Feindbild, Gruppenzusammenhalt. Eigene Ziele und Gestaltungsmöglichkeiten herunter zu spielen kann für solche Gruppen sehr sinnvoll sein.
Interessant sind auch die von ihr genannten Reaktionsmöglichkeiten:
1. Gleichgültigkeit
Das ist die bevorzugte Strategie der Maße, die davon ausgeht, dass sie feministische Theorien nicht betreffen und einfach weiterlebt wie bisher
2. Assimilation
Das ist eine Strategie (pro-)feministischer Männer, aber auch eine Strategie des „Equity-Feminismus“, indem er anführt, auch ein Feminismus zu sein, dem es aber auf Gleichberechtigung ankommt, nicht auf Gleichstellung. Diese Assimilation war bisher nicht erfolgreich, da sie erkannt wurde, ermöglicht aber immerhin eine Entkräftung von Vorwürfen aus dem Bereich der relativ gleichgültigen.
3. Differenzierung und Radikalisierung
Auch in diesem Bereich kann man gemäßigtere feministische Theorien, eben auch den Equity Feminimus und auch die – beim ersten Ansatz – gemäßigtere Männerbewegung und den Maskulismus einordnen. Die radikaleren Teile der Männerbewegung und des Maskulismus haben dann eben die Radikalisierung bereits durch.
4. Verwerfung/Dekonstruktion
Diesem Bereich sind insbesondere weite Teile der medizinischen und biologischen Wissenschaft zuzuordnen, die den Geschlechterbereich betreffen. Allerdings wird meist nur der Unterschied selbst nageführt, ohne den Widerspruch direkt anzusprechen. Steven Pinker beispielsweise mindert Kritik, indem er sie auf „radikale Feministen“ bezieht und sich selbst über den Equity Feminismus dem gemäßigteren Bereich zuordnet.
Auch Maskulismus und Männerbewegung sind natürlich in diesem Bereich tätig und behandeln feministische Theorien und Mythen wie etwa die Lohndiskriminierung, Falschbeschuldigung und Vergewaltigung etc.