Evolutionäre Betrachtungen bringen es mit sich, dass man über Fortpflanzungen reden muss. Weil Fortpflanzung der Weg ist, der einzige Weg ist, über den Evolution wirken kann. Nur wenn sich der Bauplan dauerhaft verändert kommt es zu einer Evolution.
Die Fortpflanzung ist damit innerhalb einer evolutionären Betrachtung das Maß aller Dinge.
Das bedeutet allerdings mehrere Sachen nicht:
1. Das Individuum muss keinen Willen zur Fortpflanzung haben
Die Evolution ist nicht darauf ausgelegt, dass bestimmte Faktoren, nach denen sie arbeitet, verstanden werden. Es reicht vielmehr, wenn die Faktoren zum tragen kommen. Die Evolution muss also kein Verständnis für die Mechanismen der Fortpflanzung vorsehen oder gar einen Wunsch nach Fortpflanzung erzeugen. Es reicht vollständig, dass ein Wunsch für eine Handlung aufgebaut wird, der üblicherweise eine Fortpflanzung zur Folge hat.
Ebenso wie es ausreicht, Nahrung mit vielen Nährstoffen lecker schmeckend zu finden und ein Völlgefühl im Magen angenehm, ein Leeregefühl hingegen unangenehm, um den Menschen dazu zu bringen, Nahrung aufzunehmen, reicht es auch, das Hineinstecken von gewissen Körperteilen in bestimmte Körperöffnungen lustvoll zu finden um Fortpflanzung abzusichern.
2. Sexualität muß nicht allein der Fortpflanzung dienen
Entscheidend innerhalb der Evolution ist die Weitergabe der Gene. Aber zur Weitergabe der Gene ist nicht nur Sex, sondern auch das Überleben bis zum Sex, nach dem Sex (zur Betreuung des Nachwuchs und zur ermöglichung weiteren Nachwuchses) erforderlich. Es geht also darum, Ressourcen für sich selbst und seinen Nachwuchs (und für Verwandten und Verbündete) zu sichern. Ebenso müßen Werbungskosten abgedeckt sein und Konkurrenten abgewehrt bzw. Bindungen gesichert werden. Der Mann muss sicherstellen, dass er tatsächlich der Vater ist, die Mutter, dass der Mann entweder gute Gene beisteuert oder versorgt (oder eben beides in einer Person). All dies können Zusatznutzen von Sex sein.
Bonobos beispielsweise nutzen Beiprodukte des Sexualtriebs, also insbesondere deren entspannende, beruhigende und verbindende Wirkung, um Gruppendynamiken zu regulieren. Sie erregen dabei Mitglieder der Gruppe , befriedigen sie, wobei es keineswegs zu einem die Fortpflanzung ermöglichenden Samenaustausch oder auch nur zu einem Orgasmus kommen muß. Menschen nutzen die Sexualität zur Bindung des Partners über dabei ausgeschüttete Bindungshormone und speziell Männer nutzen regelmäßigen Sex um eine Befruchtung durch Konkurrenten zu verhindern (über Killerspermien, verstopfende Spermien, Befruchtung, bevor der ander befruchten kann, also allgemeine Spermienkonkurrenz).
Dabei darf man aber nicht meinen, dass diese Vorgänge beliebig auf andere Arten übertragen werden können. Bonobos können sich mehr Sex leisten, weil ihre Art auf eine erhöhte Spermienkonkurrenz ausgelegt ist und ihr Sex weit weniger Paarbindungskomponenten hat und zudem sexuelle Eifersucht weniger entwickelt ist. Der gleiche Lebensstil bei Menschen würde nicht funktionieren.
Hinzukommt, dass Evolution langsam ist. Sie konnte auf Verhütung bisher nicht reagieren. In der heutigen Zeit mag daher Sex, der nicht zur Fortpflanzung führt, wesentlich einfacher sein. Aber das muss noch nicht zu einer Anpassung unserer Psyche geführt haben, so dass unser Bauplan uns noch immer die Ängste mitgibt, die ohne Verhütung Sinn gemacht haben.
Eine Evolution bezüglich der Verhütung nur dann stattfinden kann, wenn die Verhütung sich auf die Fortpflanzung auswirkt. Dieser Satz klingt zunächst erst einmal blödsinig, weil genau dies ja Sinn einer Verhütung ist. Aber gemeint ist, dass Evolution nur dann wirken kann, wenn durch die verhütung eine Veränderung bei der Art der sich fortpflanzenden Menschen eintritt. Die Menschheit könnte zB vergesslicher werden, weil Frauen, die die Pille vergessen, sich häufiger fortpflanzen. Aber sie kann nicht dazu führen, dass Frauen, die Sex nur aus purer Lust machen, zahlreicher werden, wenn diese nicht gerade deswegen mehr Kinder bekommen. Das wäre ein Lamarckismus, da es die Vererbung bestimmter erworbener Eigenschaften erfordern würde.
Alle Ereignisse, die sich nicht in einem Selektionsvorteil in Hinsicht auf mehr Nachkommen auswirken sind für die Evolution unbeachtlich. Frauen, die verhüten und deswegen gar keine Kinder bekommen, verändern nicht die Gene im Genpool, sondern ihre Gene sterben einfach aus. Es würden demnach die Gene derjenigen, die gar nicht verhüten und einfach Kinder bekommen angereichert werden, ebenso diejenigen, die zwar verhüten, aber dennoch Kinder zu einer ihnen gemäßen Zeit produzieren.