Postmoderne Wissenschaft, Orgasmusfähigkeit oder „wie atmet man ohne eine Wort für Sauerstoff?“

Frans de Waal beschreibt in seinem Buch „Der Affe in uns“ ein Zusammentreffen mit Postmodernisten, einer Philosophie, die auch dem Genderfeminismus zugrungeliegt. Dabei ging es zuvor um die Orgasmusfähigkeit von Tieren, insbesondere Menschenaffen und dort insbesondere auch Bonobos, die ja Sex sehr sozial einsetzen und daran viel Spass zu haben scheinen.

Eine der merkwürdigsten akademischen Veranstaltungen, die ich je besuchte, drehte sich um das Thema Sex. Sie war von postmodernen Anthropologen organisiert, die glauben, die Realität bestünde aus Worten, und sei nicht von dem zu trennen, was wir einander erzählen. Ich gehörte zu der Handvoll Naturwissenschaftler bei der Konferenz, und per Definition vertrauen Naturwissenschaftler Fakten mehr als Worten. Es war abzusehen, dass dieses Treffen nicht gut verlaufen würde. Einen Höhepunkt erreichte die Versammlung, als einer der Postmodernen behauptete, wenn es einer menschlichen Sparache an einem Wort für „Ordgasmus“ mangele, könnten die Menschen, die diese Sprache sprächen, keinen sexuellen Höhepunkt erleben. Die Naturwissenschaftler waren sprachlos. Überall auf der Welt haben die Menschen dieselben Genitalien und dieselbe Physiologie, wie könnten also ihre Empfindungen radikal verschieden sein? Und was würde uns dies über andere Tiere lehren? Würde dies nicht implizieren, dass sie nichts empfinden? Die Vorstellung, dass sexuelle Lust eine linguistische Errungenschaft sei, regte uns so auf, dass wir uns kleine Zettel zuschoben mit gehässigen Fragen wie etwa: „Können Menschen ohne ein Wort für „Sauerstoff “ eigentlich atmen?

Und mit dieser Kritik hat er denke ich vollkommen recht. Der Gedanke, dass Sprache allein die Realtität ändert und Fakten schafft, dass die Biologie lediglich der Sprache folgt und Diskurse alles bestimmen, ist aus meiner Sicht so abstrus, dass es erstaunlich ist, dass diese Gedankenrichtungen so viele Anhänger um sich scharen können.

Es liegt denke ich daran, dass die Grundlagen zu wenig hinterfragt werdenund zu schnell bei den Gegenmeinungen auf eine Strohmannbiologie abgestellt wird, die man dann damit entkräften kann. Und natürlich sind im Geschlechterverhältnis die biologischen Unterschiede etwas schwerer zu erkennen als bei der Frage, ob ein Mensch, der kein Wort für Sauerstoff hat, atmen kann. Andererseits ist das Wissen in den Grundlagen auch nicht so kompliziert, dass man es, wenn man sich für das Thema „Geschlechtsunterschiede – wodurch entstehen sie?“ sich nicht kurz in den Grundlagen anlesen kann.

Dass der Diskurs keine Fakten hervorbringt oder ändert, sondern allenfalls die Wahrnehmung dieser verschiebt, hatte ich ja bereits in meiner Besprechung von „Making Sex revisited“ dargestellt. Der Poststrukturalismus wertet die Sprache hier zu sehr auf.

Die Menschenaffen sind auch ein Gegenargument, zu dem es bisher an postmoderner Erwiderung fehlt. Sie haben Geschlechterrollen je nach Art, sie haben Hierarchien und Strukturen, sie haben zB bei den Schimpansen Kriege, Machtspiele, Intrigen, Mord und Vergewaltigung ohne eine Sprache zu haben. Sie haben auch sehr eigene Rollen je nach ihrere Biologie, ein Schimpanse ist kein Gorilla und ein Bonobo verhält sich anders als ein Schimpanse. Aber das menschenähnliche ihres Verhaltens und der Umstand, dass sie zu einem komplexen Denken in der Lage sind zeigt auch ihre Nähe zu uns.

Haben Schimpansen eine hegemoniale Männlichkeit oder eine Phallokratie, die ihre Geschlechterrollen stützt? Wie bauen Tiere überhaupt ihre Geschlechterrollen aus und warum soll dieser Mechanismus bei Menschen nicht mehr wirken und keine Spuren hinterlassen haben? Wir befinden uns mit unseren Geschlechterrollen so ziemlich genau dort, wo ein Biologe uns aufgrund unser biologischen Begebenheiten erwarten würde und stellen insofern keine Überraschung da, wir fügen uns vielmehr sehr gut in die Gruppe der Primaten ein. Aber bei uns besteht keinerlei biologischer Hintergrund, auch wenn die Kultur ziemlich genau das imitiert, was man von eienr Biologie erwarten würde.

Wie schon bei den Attraktivitätsmerkmalen angemerkt kann eine Theorie, die auf die Kultur abstellt die folgenden zwei Fragen nicht beantworten:

  • Warum finden wir bestimmte Verhaltensweisen bei den Primaten, die stark den menschlichen ähneln ohne den gleichen Kulturüberbau zu haben?
  • Wie erklären sich, wenn man auf die Tiere biologische Prinzipien anwendet, auf den Menschen aber rein kulturelle, die evolutionären Übergänge, also wann und wie hörte die Biologie auf zu wirken?