Nochmal: Schönheit, Attraktivität und Evolution

Schönheit und Attraktivität scheint immer noch ein umstrittenes Thema zu sein. Ich hatte zu den biologischen Grundlagen schon mal etwas in „Queer Theorie, Evolution und Attraktivität“ und an anderer Stelle geschrieben.  Hier möchte ich nochmal ein paar Grundlagen, so wie ich sie verstehe, zusammenfassen.

1. Die Schwierigkeiten sexueller Fortpflanzung

  • Eingeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt durch Teilung etc. Da nur das eigene Genmaterial weitergegeben wird (+evtl. Mutationen) ist keine Auswahl erforderlich
  • Zweigeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt über den Austausch von Genmaterial zwischen zwei Lebewesen, wobei eines die eigentliche Wachstumsbasis + Genmaterial bereitstellt (zB Ei) und das andere nur die Gene ( zB Spermien).
  • Aufgrund dieser Aufteilung ist es erforderlich, dass man sicherstellt, dass beide Arten zusammenkommen. Erfolgt die Paarung mittels direkter Übertragung („Sex“) dann setzt dies voraus, dass eine gewisse Erkennung vorhanden ist, welches Geschlecht vorliegt um so eine effektive Übergabe sicherzustellen.
  • Dies kann über optische Unterschiede, Pheronmone, sonstige Geruchsstoffe oder über kompliziertere Wege erfolgen.
  • da viele Tiere keine elterliche Betreuung haben, müssen diese Hinweise biologisch abgespeichert sein. Auch bei elterlicher Betreuung bietet es sich an, diese Merkmale bereits direkt abzuspeichern, da ein Erlernen fehleranfällig ist und eine Lernsoftware voraussetzt, die komplizierter sein kann als die einfache Einprogrammierung.
  • die Merkmale, die eine Zuordnung ermöglichen sollten zugleich bei einem Treffen den Wunsch nach Sex erzeugen, also mit Erregung gekoppelt sein.

2. von bloßer Geschlechtserkennung zur Qualitätserkennung

  • um so aufwändiger die Kosten der Fortpflanzung sind (von der Abgabe kleiner Eier im Meer bis zum Austragen des Kindes und nachfolgender Ernährung bei Säugetieren) um so eher kommt es darauf an, nicht nur das reine Geschlecht des anderen zu erkennen, sondern auch eine Abschätzung vorzunehmen, welche Qualität der sexuelle Partner in Hinsicht auf Fortpflanzungserfolg hat.
  • Demnach würden sich Anzeichen für Fruchtbarkeit, genetische Fitness (=insbesondere Symmetrie) gute Ernährung oder Zeichen der Überlegenheit über andere Vertreter des gleichen Geschlechts anbieten
  • Die Tierwelt verrät uns, dass so etwas passiert. eine Vielzahl von Tieren wählt Partner aktiv aus und richtet sich dabei nach gespeicherten Attraktivitätsmerkmalen, die vererbt werden.
  • Klassische Attraktivitätmerkmale sind: Symmetrie (Mutationen führen oft zu einer Asymmetrie, Symmetrie spricht daher für eine Mutationsfreiheit), Zeichen einer langfristigen guten Ernährung (spricht dafür, dass auch die Kinder sich langfristig und gut ernähren können werden, zB Haare und Muskeln), Costly Signals, die zeigen, dass er eine besondere Qualität hat, Parasitenfreiheit (zB glänzendes Fell, allgemeine Gesundheit), Zeichen eines Durchsetzens in intrasexueller Konkurrenz: Größe, Kraft, Nähe zum Weibchen bei speziellen Treffen zur Partnerfindung.

3. Attraktivitätsmerkmale bei Tieren in kooperativen Gruppen

4. Kann das Gehirn so etwas speicher

  • Das Gehirn ist ein paralleler Rechner, der komplexe Berechnungen vornehmen und gigantische Datenmengen speichern kann. All unsere Erinnerungen und Erfahrungen müssen zwangsläufig in einer biologischen Form abgespeichert werden, weil eine andere Speicherungsart nicht vorgesehen ist. Wenn Lernerfahrungen abgespeichert und genutzt werden können, dann kann man ein Gehirn auch so bauen, dass es bereits bestimmte Erfahrungen abgespeichert hat (es müssen ja nur die Gene dafür sorgen, dass die gleichen Strukturen bestehen, die bei einer Erfahrung abgespeichert werden).
  • Alle Vorgänge, die als kulturelle Regeln erlernbar sind, müssen demnach erst recht auch als erbbare Informationen vorliegen können.

5. weitere Vorteile abgespeicherter Attraktivitätsmerkmale

  • sie verhindern ein Auseinanderdriften einer Spezies. Wenn alle das gleiche Attraktiv finden, weil es abgespeichert ist, dann entwickeln sich die Mitglieder dieser Spezies alle in eine Richtung. Bei einem kulturellen Hintergrund kann hingegen ein Teil der Spezies zB lange Hälse und der andere Teil der Spezies dicke Hintern schön finden. Das hätte eine Zucht genau dieser Eigenschaften zur Folge, so dass der eine Teil der Spezies lange Hälse und der andere Teil dickere Hintern bekommen würde. Um so freier die Vorlieben um so wahrscheinlicher ein Auseinanderdriften, dass zu späterer Inkompatibilität führt. Um so einheitlicher man die Menschheit sieht um so eher muss man abgespeicherte Attraktivitätsmerkmale annehmen.
  • Vererbbare Attraktivitätsmerkmale sind der einzige Weg wie biologische sexuelle Selektion langfristig wirken kann. Sofern man annimmt, dass es eine sexuelle Selektion gegeben hat, müßte man auch von vererbbaren Merkmalen ausgehen. – abgespeicherte vererbbare Attraktivitätsmerkmale sind der sicherste Weg unbewußtes Wissen über Fruchtbarkeit etc abzuspeichern. Hüft-Taile-Verhältnisse beispielsweise wären kulturell schwer zu erlernen und das Ergebnis würde mit den Generationen eher verfälscht werden.

6. Nutzen unsere nächsten Verwandten solche Merkmale?

  • Affen haben geringere Möglichkeiten eine Kultur aufzubauen, da sie keine Sprache haben.
  • Dennoch zeigen Affen Vorlieben für Partner mit körperlichen und gruppenorientierten Attraktivitätsmerkmalen
  • gerade der Status in der Gruppe bestimmt den Fortpflanzungserfolg bei den übrigen Primaten.
  • Da alle unsere nächsten Verwandten auf abgespeicherte Attraktivitätsmerkmale zurückgreifen, muss auch ein gemeinsamer Vorfahr solche abgespeicherten Attraktivitätsmerkmale genutzt haben.

7. Ist eine komplette Aufgabe einmal abgespeicherter Attraktivitätsmerkmale hin zu einer Beliebigkeit und reinen Kulturgeprägtheit im Wege der Evolution möglich?

  • Ein Abbau ohne eine Ersetzung durch andere, passendere abgespeicherte Attraktivitätsmerkmale, würde erfordern, dass Personen ohne diese Merkmale mehr Nachkommen haben als Personen mit solchen abgespeicherten Attraktivitätsmerkmalen.
  • Das ist bei solchen Merkmalen, die eine schnelle Geschlechtszuordnung ermöglichen sehr unwahrscheinlich. Jemand, dem egal ist, ob er mit einem Mann oder mit einer Frau schläft, wird eher weniger Nachkommen haben. Hat er gar keine Anhaltspunkte, die eine Attraktivitätszuordnung ermöglichen, dann wird ein geringer Teil vielleicht Gegenstände, Tiere oder Medien sexuell interessant finden, was ebenfalls nicht zu einer Vermehrung führt.
  • Auch bei Merkmalen, die Ausschluß über die Qualität des Partners in Hinsicht auf Fortpflanzung geben wäre eher damit zu rechnen, dass er ohne Attraktivitätsmerkmale Partner wählt, die geringere Chancen auf Fortpflanzung bieten. Auch diese Gene werden sich daher nicht im Genpool anreichern. – eine Selektion auf eine Loslösung von Attraktivitätsmerkmalen ist auch nicht wahrscheinlich, wenn die Kultur die gleichen Vorgaben hat, die auch die Natur machen würde. Denn dann sind die Attraktivitätsmerkmale zu keinem Zeitpunkt negativ sondern bestärken die Kultur noch. Ich kann mir demnach keine Selektion vorstellen, die dazu führt, dass wir abgespeicherte Attrkativitätsmerkmale komplett aufgeben.

Schönheit und Attraktivität sind damit wichtige Werkzeuge, die eine Partnerwahl ermöglichen sollen. Sie werden biologische Hintergründe haben, selbst wenn die Ausgestaltung, Ausformung und Gewichtung teilweise Kultur sein kann. Es spricht vieles dafür, dass auch der moderne Mensch abgespeicherte, vererbbare Attraktivitätsmerkmale hat, die durch Kultur nicht zu ändern sind.

Ich bitte um Kritik und insbesondere wenn man abweichender Meinung ist um Angabe, welche Punkte man noch mitträgt und welche nicht mehr und aus welchem Grund.