Patriarchat: Definition und Funktion

Einer der meiner Meinung nach schwierigsten Begriffe in der Geschlechterdebatte ist der Begriff des Patriarchats.

Es fehlt bei diesem an einer durchgängig verwendeten Definition.

 Nach klassischer Definition wäre es eine Herrschaftsform, die durch die Vorherrschaft von Männern über Familien, Sippen, Gemeinden, Diözesen oder Völker gekennzeichnet ist. Es kann aber auch eine Vorherrschaft der Väter, mal eine Herrschaft bestimmter privilegierter Männer, mal eine Gesellschaft, die nach „männlichen Prinzipien“ betrieben wird (selbst wenn diese durch Frauen ausgeübt werden)sein, mal wieder einfach nur eine hegemoniale Männlichkeit.

Butler lehnt den Begriff Patriarchat in „Das Unbehagen der Geschlechter“ ab (S.18), stellt aber an seine Stelle die heterosexuelle Matrix. Dennoch scheint sich der Begriff auch bei Anhängern Butlers einer großen Beliebtheit zu erfreuen.

Eine Abgrenzung erscheint mir schwierig. Geht man von einer Männerherrschaft aus, dann kann eine Demokratie mit freien, geheimen Wahlen und etwas über 50% Frauen eigentlich kein Patriarchat sein.

Geht man von Privilegien aus, dann muss man erst einmal eine umfassende Würdigung der Vor- und Nachteile innerhalb der Gesellschaft vornehmen, die meines Erachtens keineswegs so klar für Männer ausfallen muss. Und ab welchem Privilegienüberschuß kann man noch von einem Patriarchat sprechen?

Stellt man auf „männliche Prinzipien“ ab, dann kommt man schnell in Bereiche, die man egentlich als sexistisch ansehen müßte. Ist eine Leistungsgesellschaft männlich, sind Frauen also an einer Leistungsgesellschaft nicht interessiert?

Ist Wettbewerb männlich und was ist, wenn Frauen an einer Gesellschaft mit Wettbewerb zwar den Wettbewerb selbst nicht mögen, wohl aber dessen Folgen, nämlich eine hohe Entwicklung, die Finanzierung eines Rechts- und Sozialstaats sowie Luxusgüter? Ist eine Gesellschaft, in der Männer sich in den Wettbewerb stürzen und Frauen sich eher auf das Private zuzüglich gewisser Halbtagstätigkeiten konzentrieren (und hier gegebenenfalls ebenfalls hart arbeiten) überhaupt eine Leistungsgesellschaft oder muss man eher darauf abstellen, dass beide Geschlechter ihren Teil der für sie genehmen Gesellschaft gefunden haben, was dann kein Patriarchat wäre? Und was ist mit den positiven Aspekten der männlichen Rolle? Den Sozialstaat kann man genauso als Ausprägung des männlichen Versorgers sehen, den Rechtsstaat als Ausprägung des männlichen Beschützers. Oder man weist beiden einen mütterlichen Charakter zu. Geschlechtszuweisungen anhand bestimmter Prinzipien werden schnell beliebig.

Auch Handelnde innerhalb des Patriarchats sind schwer auszumachen. Denn die allgemeine Unterdrückung der Frau ist ja nicht stets zum Vorteil der Männer. Im Gegenteil, diese haben Frauen, Töchter, Mütter und Schwestern, an deren Förderung sie interessiert sind.

Meines Erachtens erfüllt das Patriarchat insbesondere die Rolle eines Feindbildes im Feminismus. Es ist eine alte Regel, dass ein Feind, der nicht greifbar und nicht bekämpfbar ist, am besten geeignet ist um die Reihen zu schließen und eine Gruppenidentität zu schaffen. Den ein imaginärer Feind kann beliebig negativ aufgeladen und schlecht gemacht werden. Er kann auch beliebig bedrohlich sein, weil es ihn ja gar nicht gibt. Das Konzept des Satans oder der bösen Geister hat in der Religion oder Spiritualität eine ähnliche Funktion.

Aber ich lasse mich auch hier gern eines besseren Belehren: Was ist das Patriarchat? Wie ist es entstanden, wie wird es konkret zusammen gehalten, wie agiert es und wer hat die Vorteile davon?