Kriterien für ein Matriarchat

Das Matriarchat ist nach ursprünglicher Definition  ist eine gynozentrische Gesellschaftsstruktur, in der entweder Frauen die Macht innehaben oder die frauenzentriert ist, die Gesellschaftsordnung also um die Frauen herum organisiert ist.

Ähnlich wie beim Patriarchat, bei dem es ebenso ursprünglich darum ging, dass Männer die Macht haben, ist diese Definition aber politisch umgedeutet worden, so dass ein Matriarchat nunmehr keine Machtfrage ist, sondern für davon unabhängige Strukturen steht.

Nach Heide Göttner-Abendroth gelten gegenwärtig die folgenden Kriterien für Matriarchate:

Soziale Merkmale: Die Sippen sind matrilinear strukturiert (Abstammung von der Mutterlinie) und werden durch Matrilokalität und Uxorilokalität zusammengehalten (Wohnsitz bei der Mutterlinie). Ein Matri-Clan lebt im großen Clanhaus zusammen. Biologische Vaterschaft ist neben der sozialen Vaterschaft zweitrangig.

Das die Abstammung von der Mutterlinie genau so unmodern und nicht besser ist als eine Abstammung von der Vaterlinie geht dabei gerne unter. Eine moderne Gesellschaft sollte wohl einfach beide Abstammungen, die von der Mutter und dem Vater berücksichtigen. Und das solche Gesellschaften relativ starre Regeln haben, bei denen man eben in einem Clanhaus zusammenleben muss, was ich zB nicht wollte, erscheint mir auch nicht häufig thematisiert zu werden.

Politische Merkmale: Das politische System basiert auf Konsensdemokratie auf verschiedenen Ebenen (Sippenhaus, Dorf, Regional). Delegierte agieren als Kommunikationsträger zwischen den verschiedenen Ebenen. Es handelt sich um so genannte segmentäre Gesellschaften, die sich durch das Fehlen einer Zentralinstanz auszeichnen (regulierte Anarchie).

Das erklärt immerhin, warum Matriarchate nicht groß werden können. Ihnen fehlt eine größere planende Instanz, die man für eine Infrastruktur und ähnliche Errungenschaften der modernen Welt braucht. Eine Autobahn zu planen ohne eine Zentralinstanz wird beispielsweise kaum möglich sein. Was das ganze allerdings mit einem Matriarchat zu tun hat erschließt sich mir nicht. Ich denke es gibt genug Frauen, die gerne mit einer zentralen Verwaltung leben und ein Repräsentationsprinzip für gut befinden. Die Behauptung, dass Anarchie gerade sehr weiblich ist, setzt eigentlich fast zwangsläufig einen Differenzfeminismus voraus und würde sicherlich in gleichheitsfeministischen theoretischen Abhandlungen abgelehnt werden müssen. Schließlich kommt es in der konstruierten Gesellschaft nur auf die Erziehung an, so dass die Vorstellung, dass Frauenstaaten anders organisiert sein müssen als Männerstaaten eigentlich inkonsequent wäre.

Ökonomische Merkmale: Es handelt sich meistens um Garten- oder Ackerbaugesellschaften. Es wird Subsistenzwirtschaft betrieben. Land und Haus sind im Besitz der Sippe und kein Privateigentum. Die Frauen haben die Kontrolle über die wesentlichen Lebensgüter. Das Ideal ist Verteilung und Ausgleich und nicht Akkumulation. Dieser Ausgleich wird durch gemeinschaftliche Feste erreicht. Es handelt sich um so genannte Ausgleichsgesellschaften.

Eine Gesellschaft, die über eine Garten- und Ackerbaugesellschaft hinauskommt, bekommt damit schon einmal einen Abzugspunkt auf der Matriarchatsskala. Vielleicht ein Grund, warum „Patriarchate“ so beliebt auf der Welt sind, auch wenn Frauen mehr als die Hälfte der Wähler in freien, unabhängigen und geheimen Wahlen stellen. Denn welche Frau würde schon gerne ihre Konsumgesellschaft für eine Garten- und Ackerbaugesellschaft aufgeben? Immerhin hätte man da auch den Beleg, dass Matriarchate sexistisch sind, denn Frauen die Kontrolle über die wesentlichen Lebengüter zu geben ist zunächst einmal genau das: Sexismus. Und umgekehrt einer der beliebtesten Vorwürfe des Feminismus gegenüber dem Patriarchat. Das es dann gerecht sein soll, wenn es umgekehrt ist, dass lässt sich wohl eben auch nur mit einem Differenzfeminismus erklären, indem die Frauen besser sind als die Männer. Auch hier sollte eine Gleichheitsfeministin angewidert den Kopf schütteln, wenn sie ihre Theorie ernst nimmt und für eine Gleichberechtigung eintritt.

Weltanschauliche Merkmale: Der Glaube, in der eigenen Sippe wiedergeboren zu werden, und der Ahnenkult bilden die Grundlage der religiösen Vorstellungen. Die Welt gilt als heilig. Die Erde als die Große Mutter garantiert die Wiedergeburt und Ernährung allen Lebens. Sie ist die eine Urgöttin, die andere Urgöttin ist die kosmische Göttin als Schöpferin des Universums. Es handelt sich um sakrale Gesellschaften.

Widerliche Mutterverklärung. Das eine atheistische Gesellschaft anscheinend kein Matriarchat sein kann ist insoweit auch interessant. Auch hier scheint mir die Sichtweise nur bei einem Differenzfeminismus aufrecht zu halten zu sein. Denn ansonsten macht der hier vertreten Mutter Mythos schlicht keinen Sinn.

Die Matriarchatsforschung legt damit mit ihren Kriterien einen Unterschied zwischen Mann und Frau zugrunde. Das Antje Schrupp sich damit anfreunden kann, verwundert im Prinzip nicht. Oder er ordnet positive Kriterien ohne weitere Begründung Männern und Frauen zu, was aber den Begriff Matriarchat beliebig macht.

Interessant finde ich auch, dass auf den größeren feministischen Blogs, die ja allesamt keinen Differenzfeminismus vertreten, keine Kritik hierzu kommt. Interne Kritik im Feminismus ist eben unerwünscht.

Eine weitergehende Liste der Anforderungen hat Inge Jahn auf ihrer Seite:

  • Matrilokalität
  • Matrilinearität
  • volle Verfügungsgewalt der Frauen über den eigenen und den Gemeinschaftsbesitz
  • Sippe/Clan statt Kleinfamilie
  • sexuelle Unabhängigkeit und Freiheit beider Geschlechter (Anmerkung von mir: es gibt keine Prostitution und keine Vergewaltigungen)
  • Besuchs- und Gruppenehe statt Monogamie
  • Gewaltfreiheit, konstruktiver Umgang mit Aggression
  • Macht bedeutet Kompetenz und Verantwortung
  • keine schriftlichen, stehts bindenden Gesetze, sondern Konsensgesellschaften
  • Freigebigkeit, Gegenseitigkeit, Verhinderung von Hierarchien (Anmerkung von mir: Besitz wird zum Wohle aller verwaltet, er dient nicht zur Bereicherung einzelner)
  • Individualität, Autonomie, Respekt, Einbringen in die Gemeinschaft
  • Ritual, Alltag und Freizeit gehen ineinander über
  • Gemeinschaften in überschaubaren Größen
  • keine Exekutive, auch in zentralistischen Gesellschaften
  • Egalität mit Überwiegen der weiblichen Werte und damit der weiblichen Personen
  • Göttin als Personifizierung der Schöpfung
  • aktiv gesehene Weiblichkeit
  • Fruchtbarkeit bedeutet „Fülle des Lebens“ nicht „Wachstum“
  • Mutterschaft wird gemeinschaftlich aufgefasst
  • zyklisches Denken und Feiern (im Rhthmus der Jahreszeiten, der Sonne und des Mondes, manchmal bestimmter Sterne)

Einen Großteil der Punkte hatten wir bereits oben. Meiner Meinung nach sind viele der Kriterien eher Anzeichen für eine kleine Gemeinschaft mit hohem Bekanntheitsgrad untereinander, was allein Vergewaltigung und Prostitution reduzieren wird, weil eine höhere soziale Verantwortung entsteht. Das beides verschwindet glaube ich allerdings nicht. Wahrscheinlich findet es nur weniger offensichtlich statt. Das Macht Kompetenz bedeutet dürfte auch ein frommer Wunsch sein. All dies erscheint eher eine Verklärung zu sein, als eine real existierende Gesellschaft. Gegen das Argument, dass es diesen oder jenen Punkt in matriarchalischen Gesellschaften nicht oder doch gibt, lässt sich dann zumindest das alte „No true Scotsman“-Argument anführen.

Es wäre einmal interessant, eine Umfrage zu machen, wie viele Frauen so leben wollen. Mal sehen was zumindest die Leser des Blogs denken, ich füge daher eine Umfrage bei. Dabei sind Männer und Frauen der besseren Übersicht halber getrennt.

Die Umfrage für Männer:

 

Die Umfrage für Frauen:

Begründungen zur Abstimmung natürlich gerne in den Kommentaren. Kleine Anregung: Wenn ja: Was überzeugt euch besonders? Wenn nein: welches Merkmal schreckt euch am meisten ab?