Einer der immer wieder vorgebrachten Kritikpunkte (neben anderen) gegen Pickuptechniken ist, dass es zu zielgerichtet und damit nicht mehr normal ist. Man beeinflusse den anderen mit Verhaltensweisen, die nur auf eine bestimmte Reaktion abzielen und daher nicht mehr normales menschliches Verhalten sind.
Khaos.Kind fasst dies in einem Kommentar so:
Ich werde gern wie ein normaler Mensch behandelt und nicht wie ein „ich pack jetzt das aus meinem Repertoire aus, damit du dich wohl fühlst und wir später intimer werden“-Bonuspaket.
Da stellt sich bei mir die Frage, was in einer auf einen Flirt ausgerichteten Kommunikation zwischen an einander interessierten Personen oder bei Aktionen von Personen untereinander überhaupt „normal“ und nicht mehr Repertoire ist.
Nach den subjektiven-dekonstruktivistischen Theorien wäre ja aufgrund gesellschaftlicher Prägung immer ein in der Gesellschaft entwickeltes Verhalten vorhanden. Danach können wir im Prinzip nicht geschlechtsneutral handeln und den anderen auch nicht geschlechtsneutral wahrnehmen.
Die Mächtigen geben die Gesellschaftsrollen vor, die ihre Macht absichern und sorgen dafür, dass die Erfüllung dieser Vorteile für die Leute bringt, damit diese so ihre Macht absichern können. Wir haben dann hegemoniale Männlichkeit, Nutznießer dieser, jeder hat seinen Platz im System. Was ist also eine Behandlung wie ein Mensch, gerade im Geschlechterverhältnis?
Ist die Einladung zum Kaffee oder zum Essen von einem Mann an eine Frau ein zielgerichtetes Verhalten, mit dem er sie beeinflussen will? Ist der Push-Up-Bh, der sportliche Körper eine Beeinflussung? Ist der feste, selbstbewußte Händedruck bereits darauf ausgerichtet ein Signal zu vermitteln?
Und was ist Respekt? Wenn man einen anderen respektvoll und „menschlich“ behandelt, tut man dies dann nicht, damit der andere einen als jemanden wahrnimmt, der sich respektvoll und menschlich verhalten kann und daher eine positive Einstellung ihm gegenüber hat?
Warum unterscheidet sich das dann z.B. von einem Necken oder Neggen, bei dem man ebenfalls will, dass der andere einen respektiert?
Die Abgrenzung verläuft hier eher zwischen anerkannten Praktiken und nicht anerkannten Praktiken.
Hier könnte man anführen, dass es das Wissen um die Reaktion ist und die Zielgerichtetheit. Aber wir wissen bei den allermeisten Verhalten wie der andere darauf in etwa reagieren wird und planen sein Verhalten und die gewünschte Reaktion mit ein. Der eine macht es bewusster, weil er gut mit Menschen umgehen kann und die Strukturen dahinter erkannt hat, der andere unbewusster, wieder andere gar nicht und ecken an.
Die asiatische Verneigung beispielsweise ist eine entwaffnende Demutsgeste. Aber inzwischen vollkommen akzeptiert, so dass sie nicht mehr als solche gilt. Das Händeschütteln ist ein rituelles herstellen eines Körperkontaktes, damit ein gewisser Abbau von Hemmungen, auch ritualisiert. Das gemeinsame Essen in einem Restaurant ist das Herstellen eines Sättigungsgefühls zur Steigerung des Wohlbefindens. Auch ritualisiert.
Höflichkeit ist nahezu immer mit gewissen Demutsgesten verbunden. „Entschuldigung, würden sie so freundlich sein, mir das Salz herüberzureichen“ ist daraufhin nicht schwer zu analysieren. Es fällt uns nur nicht mehr auf. Oder einer Frau die Tür aufzuhalten oder ähnliches.
Ich glaube es ist sehr schwer ein „normales und menschliches Verhalten“ zu finden, dass nicht einen tiefern Zweck hat und nicht in irgendeiner Form eine Beeinflussung darstellt.