Heteronormativität II

Unter Heteronormativität versteht man wie bereits dargelegt eine Weltanschauung, die Heterosexualität als soziale Norm versteht. Solche Normativitäten sollen dann dazu führen, dass erwartet wird, dass sich der andere nach dieser Norm richtet.

Meiner Meinung nach muss man aber zwischen der Erwartung, dass jemand heterosexuell ist, und der Erwartung, dass er sich deswegen in die Rolle, die für seinen Phänotyp vorgesehen ist einfügt, unterscheiden.

Das eine ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die überwiegend zutreffen wird. Sie ist insofern nachvollziehbar und entspricht denke ich auch unser typischen Art, Erwartungen abzuspeichern, in dem wir den ganz überwiegenden Fall voraussetzen. Es entspricht allerdings auch der gleichen Denkweise, nach der wir einen sehr weiblichen Mann eher für homosexuell halten und dies dann – ebenfalls einem gewissen Erfahrungssatz (allerdings meist eher aus Filmen etc)  zugrundlegend – voraussetzen, obwohl es keineswegs der Fall sein muss, weil das Verhaltenszentrum und die sexuelle Identität zu unterschiedlichen Zeiten ausgebildet werden und lediglich eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass beide beeinflusst sind, weil beide Ausbildungen mit dem pränatalen Testosteronspiegel zusammenhängen. Aus Sicht eines sehr weiblichen, heterosexuellen Mannes besteht wahrscheinlich eher eine Homonormativität gegenüber seiner Person und er wird wiederholt versichern müssen, auf Frauen zu stehen.

Zu der Trennung zwischen der Erwartung, dass jemand heterosexuell ist und der Ablehnung von Homosexualität auch noch das Folgende:

Kürzlich hatte mich ein Freund gefragt, ob ein Freund von ihm bei mir eine Nacht auf dem Sofa pennen kann, er hätte in meiner Stadt zu tun. Das war natürlich kein Problem. Der Freund kam an und war optisch eher ein Rocker mit Lederjacke, also nicht gerade ein TV-Klischee-Homosexueller. Abends haben wir bei einem Bier etwas zusammen gesessen, eine Freundin (die hier, inzwischen übrigens wieder Single) kommt auch vorbei und da sie gerade auf der Suche nach einem neuen Freund ist kommt das Thema irgendwie auf Männer und Frauen und was sie attraktiv macht. Wir tauschen uns über die Vorteile und Nachteile diverser Hollywoodstars aus, ein lockeres Gespräch, passend zum Bier. Da er recht schweigsam dabei versuche ich ihn etwas mit einzubeziehen und frage ihn, wer so seine Favoritin wäre. „Favoritin wäre es eher nicht…“ kommt es etwas zögerlich „wenn dann wäre ich auch eher bei den Männern dabei…“. Und irgendwie ist man kurz überrascht. Mir schießt tatsächlich durch den Kopf, dass ich da ja reichlich heteronormativ gedacht habe. Um mich jetzt aber nicht in tieferen Überlegungen zur Heteronormativität zu verlieren schiebe ich schnell ein „Äh… Was sagst du denn dann zu den Männer, die sie gut findet?“ nach. Und schon sind wir wieder beim Thema und reden dann eben über attraktiv Männer aus seiner Sicht, ebenso, wie wir vorher über attraktive Männer aus ihrer Sicht geredet haben.

Hiermit will ich nur deutlich machen, dass man aus der Erwartung heraus, dass Leute heterosexuell sind, nicht zwangsläufig Homosexualität ablehnen muss.

Die Ablehnung ist vielmehr ein weiterer Schritt, der damit zusammen hängen kann. Es gibt Menschen, die nachvollziehen, dass es Schwule gibt und diese eben auch Partnerschaften eingehen und auf das andere Geschlecht stehen, aber dennoch den Anblick zB zweier küssender Männer widerlich finden und der Auffassung sind „die sollten das eben zuhause machen“. Das ist sicherlich auch Schwulenfeindlichkeit, aber es resultiert nicht direkt daraus, dass man meint, dass man meint, dass diese nicht aufeinander stehen dürfen. Es wird also insoweit nicht angenommen, dass es nur Heterosexualität geben darf und es muss auch nicht zu einer Ablehnung der Homosexualität an sich führen.

Das Problem ist meiner Meinung nach nicht, dass die Menschen davon ausgehen, dass es Männer und Frauen gibt und diese überwiegend aufeinander stehen, sondern dass sie entweder meinen, dass es hiervon keine Ausnahmen geben darf oder meinen, dass es eine freie Entscheidung ist, in welche Richtung man sich entwickelt und die Personen, die diese Wahl weg von der Hauptschiene hin treffen, eine falsche Wahl getroffen haben. Hinzu mögen auch noch die Leute kommen, die im Wege eines (natürlich abzulehnenden) Sozialdarwinismus meinen, dass Homosexuelle etc. zwar einen biologischen Ursprung haben, aber diesen aus der Gesellschaft entfernen wollen.

Es wäre damit nicht immer nur ein unhinterfragtes, ausschließlich binäres („zweiteiliges“) Geschlechtssystem schuld, in welchem das biologische Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung für jeden gleichgesetzt wird, sondern es kann auch in einem System, in man Frau und Mann als Geschlecht anerkennt, aber akzeptiert, dass die Gehirnprogrammierung vom Phänotyp abweichen kann, Akzeptanz geben und in einem System, in dem man von mehreren sozialen Geschlechtern ausgeht und ein Abweichen von Phänotyp, Geschlechtsidentität, Geschlechterrolle und sexueller Orientierung kommt, zu Feindseligkeiten gegen Homosexuelle kommen.  Worauf die Feindseligkeiten gegenüber Homosexuellen häufiger beruhen, wäre interessant.

Partnerwahl in Hinblick auf Elternschaft

Eine Studie hat untersucht, wie sich die Partnerwahl verändert, wenn sie insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Elternschaft gesehen wird.

This study tested an evolutionary hypothesis that the mere prospect of caring for a child will increase sex differences in human mate selection criteria. That is, women would adopt a stronger preference for socially dominant men when parenting had been primed and men would adopt a stronger preference for physically attractive women when parenting had been primed. Male and female university students were randomly assigned to be exposed to a parenting prime or a nonparenting prime. Following the priming procedure, participants rated the romantic appeal of a target person of the opposite sex. Exposure to the parenting prime, the target’s social dominance, and the target’s physical attractiveness were orthogonally manipulated. As predicted, women adopted a stronger mate preference for social dominance when parenting was at the forefront of the mind. Contrary to predictions, the parenting prime had no effect on men’s mate preference for physical attractiveness.

Quelle: The effects of a parenting prime on sex differences in mate selection criteria

Grundzüge der Partnerwahl ergeben sich aus der Sexual Strategies Theory. Danach wird davon ausgegangen, dass eine Partnerwahl nach Kurzzeitstrategien und Langzeitstrategien durchgeführt wird.

Bei Frauen sind in der Kurzzeitstrategie der Zugang zu unmittelbaren Ressourcen, gute Gene und ggfs. eine Absicherung über einen Ersatzpartner Kriterien, bei der Langzeitstrategie sind die Punkte „ist in der Lage Ressourcen zu beschaffen, die Frau und die Kinder zu schützen“, „ist bereit diese in die Frau zu investieren“, „Bereit für eine langfristige Bindung“ und „gute Vatereigenschaften“ interessant.

Bei Männern ist es Anzahl der Partner, Bereitschaft für Sex, Fruchtbarkeit, geringe Verpflichtung in der Kurzzeitstrategie und in der Langzeitstrategie „Erkenen guter Gene“, „Sicherstellung der eigenen Vaterschaft“, „Erkennen guter Mütter“.

Soziale Dominanz bei den Männern kommt dabei darüber ins Spiel, dass dieser eine hohe Position in der Gruppe erfordert und damit Status und dies in früheren Zeiten ein gutes Indiz dafür war, dass er aufgrund seiner Fähigkeiten in der Gruppe anerkannt war und insofern auch ein potentieller guter Ernährer war. Es fällt also in den ersten Punkt der Langzeitstrategie.

Bei den Männern würde der Punkt Attraktivität direkt in den ersten Punkt der Langzeitstrategie fallen. Bei Betrachtung allein dieses Punktes wäre demnach mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die Attraktivität zu rechnen gewesen. Meiner Meinung nach berücksichtigt dies aber nicht, dass die Einordnung der Attraktivität stets eine sinnvolle Strategie für den Mann ist, egal ob bei einer Kurzzeitstrategie oder einer Langzeitstrategie. Der wesentlichere Punkt ist hier, welche Frau er bekommen kann, da die Auswahl letztendlich über die Frau erfolgt. Zudem ist zu Bedenken, dass die Attraktivität gleichzeitig bei der Langzeitstrategie durch den Punkt „Sicherstellung der eigenen Vaterschaft“ eingeengt wird. Ein Mann, der eine Langzeitstrategie mit einer zu hübschen Frau einging lief schnell Gefahr, dass die Frau ihrerseits mit einer „Kurzzeitstrategie“ konterte und er damit fremde Kinder aufzog, was erhebliche Ressourcen binden. Bei der Kurzzeitstrategie besteht hingegen diese Gefahr nicht, da die Kosten minimal sind. Bildlich ausgedrückt: Es gibt keinen Grund für die Gene etwas dagegen zu haben mit einer möglichst schönen Frau zu schlafen, wenn keine weitere Bindung entsteht (eher werden die Gene der Frau etwas dagegen haben), im Gegenteil, die Chance, dass eine sehr schöne Frau einen anderen Mann findet, der das potentielle Kind mitversorgt, ist sehr hoch. Die Gene müssten allenfalls Sorge haben, dass er sich Chancen bei anderen Frauen in der Kurzzeitstrategie entgehen lässt, aber das ist durch einen gesteigerten Sexualtrieb recht leicht in den Griff zu bekommen. Es wäre insofern zu erwarten, dass die Bewertung der Attraktivität einer Frau sich aus Männersicht verändert, wenn er längere Zeit keinen Sex gehabt hat und erregt ist. Ein Hindernis wäre insofern noch, dass eine Ablehnung seinen Status in der Gruppe absenken könnte, wobei dies durch beim Menschen vorhandene soziale Ängste (im Prinzip Lampenfieber oder auch „Approach Anxiety“) reguliert wird. Bei der Langzeitstrategie hingegen kann zur Vermeidung eines Ausnutzens eine realistischere Entscheidung erforderlich sein. Körperliche Schönheit ist zudem wesentlich schneller und objektiver einschätzbar als der Status einer Person. Auch dies macht eine Trennung in der Bewertung der Schönheit einer Person nach Langzeit und Kurzzeitstrategie weniger attraktiv.