Hierarchien und Rangausbildung bei Jungen und Mädchen

Roslin hat mich auf einen sehr interessanten Vortrag zu den Unterschieden von Jungen und Mädchen aufmerksam gemacht:  „Von Natur aus anders. „Die kleinen Helden“ aus evolutionärer Perspektive“ von Doris Bischof-Köhler

Darin ist viel interessantes. Ein erster Punkt ist die Hierarchie und die Rangausbildung:

Schon im Kindergarten raufen Jungen nicht nur gern, sondern beginnen ernsthaft um Vorrechtezu kämpfen. Dabei entstehen innerhalb kurzer Zeit Rangordnungen. Wenn eine Gruppe von Jungen neu zusammengestellt wird, dann sind die in der Regel die Rangpositionen nach wenigen Tagen festgelegt und erweisen sich über Monate oder Jahre stabil, sofern die Jungen in der gleichen Gruppe zusammenbleiben. Ist die Rangordnung erst einmal etabliert, dann gestaltet sich das Zusammenleben relativ konliktfrei, der Ranghöchste bekommt z.B. ohne Widerrede das größte Stück Kuchen.

Mädchen bemühen sich auch um einen hohen Status, ihre Positionen bleiben aber mehr oder weniger ständig im Fluß. Es entsteht zwar auch eine Art Rangordnung in dem Sinn, daß bestimmte Mädchen bewundert und imitiert werden. Damit ist aber nicht automatisch gewährleistet, daß die anderen Mädchen ihnen in jedem Fall Vorrechte zugestehen. Konflikte treten vielmehr anlassbezogen immer wieder auf, und der Status der einzelnen steht erneut zur Disposition.

Die Unterschiede würde ich damit erklären, dass Rangkämpfe unter Männern erheblich schwerer Folgen haben, da diese stärker waren. Es lohnte sich für Männer eher schnell ein Rangsystem herzustellen und damit die Kosten eines Statuskampfes gering zu halten.

Frauen konnten sich hingegen ein Gerangel um den Platz an der Spitze eher leisten, da dort mit einem geringeren Kostenfaktor zu rechnen war.

Männer sind sich dieser Hierarchie auch eher bewußt als Frauen:

Fragt man Jungen nach der Rangstellung eines jeden Gruppenmitglieds jeweils bezogen auf die eines anderen, dann stimmen sie weitgehend überein. Lediglich die eigene Position bildet eine Ausnahme, sie wird in der Regel überschätzt. Dagegen ergibt sich bei Mädchen generell nur eine geringe Übereinstimmung, wenn sie den relativen Status der einzelnen angeben sollen.

Es wird also eine wesentlich subjektivere Hierarchie gebildet, die insoweit einen geringeren Halt gibt und deren Wahrnehmung sich unterscheidet.

Interessant ist dabei auch, wie Status innerhalb der Gruppe erkämpft wird:

Jungen gehen in erster Linie brachial vor oder drohen Gewalt an. Ferner versuchen sie das Gespräch zu dominieren und durch Imponierverhalten Stärke zu bekunden und sich Respekt zu verschaffen. Generell gelten Jungen schon im Kindergarten als Spezialisten in der Selbstdarstellung. Sie setzen alles ein, was dazu dient, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jungen drücken ihre Rangansprüche also ziemlich direkt aus.

Das direktere Anmelden von Rangansprüchen und deren Verteidigung, die bessere Selbstdarstellung der Männer, scheint sich auch im Erwachsenenleben fortzusetzen. Sich selbst mehr darzustellen und seine Stärken in den Vordergrund zu stellen ist jedenfalls etwas, was Frauen auch im Berufsleben häufig als Ratschlag gegeben wird.

Mädchen gehen eher indirekt vor. Sie suchen bei anderen Mädchen Anerkennung, die sie entweder erhalten oder die ihnen verweigert wird. Aggression äußert sich kaum brachial, sondern vor allem als sogenannte Beziehungsaggression, die im Wesentlichen auf soziale Ausgrenzung abzielt. Zwei reden beispielsweise abfällig über eine dritte oder ein Mädchen droht einem anderen Mädchen an, es nicht mehr mitspielen zu lassen oder es nicht zum Geburtstag einzuladen, um so seinen Willen durchzusetzen. Typisch für Mädchen mit Ranganspruch ist ferner, daß sie sich um das seelische Wohlbefinden der anderen kümmern, sie also im Fall von Kummer zu trösten suchen. Dieses Sich-kümmern kann schnell einmal die Form ungefragter Ratschläge annehmen. Die Psychologie spricht hier von „prosozialer Dominanz“, wobei es sich um eine Mischung aus Besorgtheit einerseits und Bevormundung andererseits handelt. Schon kleine Mädchen im Kindergarten erklären anderen gern, was gut für sie ist und was sie machen dürfen und was nicht.

Bei Mädchen wird also eine andere Form der Dominanz praktiziert, indem – ganz klischeehaft – hinter dem Rücken schlecht über andere geredet wird, andere Ausgeschlossen werden, schlicht: gemobbt wird. Auch Konzepte wie Stutenbissigkeit oder „Lästern über die beste Freundin“ lassen sich hier durchaus einordnen. Es erfolgt also alles auf einer eher empathischen Basis: Es werden Gefühle verletzt, Unterlegenheit signalisiert, aber sich auch gekümmert. Also sowohl die negative als auch die positive Seite der Empathie.

Entwicklung der Intelligenz bei Mädchen und Jungen

Die Intelligenz von Jungen und Mädchen (und auch viele andere körperliche Unterschiede) scheinen sich unterschiedlich schnell zu entwickeln:

Satoshi Kanazawa stellt dies in einem Artikel dar:

  • At age 7, the mean IQ for girls is 100.6 while the mean IQ for boys is 99.4.
  • At age 11, the mean IQ for girls is 100.4 while the mean IQ for boys is 99.6.
  • However, the sex difference is reversed at age 16, as the following graph shows.  Post puberty, the mean IQ for girls is 99.2 while the mean IQ for boys is 100.8

Andere Studien scheinen aber auch andere Zeiten anzunehmen:

Why are males over-represented at the upper extremes of intelligence? One possibility for which there is some empirical support is that variance is greater among adult males. There is little published evidence of the development of that variability – is it manifest in early childhood or does it develop later?

We explored sex differences in phenotypic variance in scores on a general ability factor extracted from several tests of verbal and non-verbal ability at ages 2, 3, 4, 7, 9 and 10 (Ns from >10,000 to >2000) in a sample of British children.

We found greater variance, by Levene’s test of homogeneity of variance, among boys at every age except age two despite the girls’ mean advantage from ages two to seven. Girls are significantly over-represented, as measured by chi-square tests, at the high tail and boys at the low tail at ages 2, 3 and 4. By age 10 the boys have a higher mean, greater variance and are over-represented in the high tail. Sex differences in variance emerge early – even before pre-school – suggesting that they are not determined by educational influences.

Ich denke für schulische Leistungen könnte dieser Aspekt sehr interessant sein und es sollte weitere Forschung dazu durchgeführt werden. Denn unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten in verschiedenen Bereichen bedeuten eben auch unterschiedliche Fähigkeiten.

Es wäre auch interessant bei weiteren Fähigkeiten zeitliche Entwicklungsunterschiede aufzuzeigen. Eine unterschiedliche Entwicklung der Feinmotorik soll beispielsweise die Unterschiede zwischen der klassischen Mädchenschrift (feiner, hübscher) und der Jungenschrift (gröber, ungelenkiger) erklären.

Wenn da noch jemand etwas zu hätte würde es mich interessieren.