Ein gerne vorgebrachter Vorwurf gegen Evolutionäre Psychologie ist, dass die Ideen dort beliebig sind und man sie sich jederzeit einfach ausdenken kann. In diese Richtung geht auch das „Pop Evolutionary Psychology“- Spiel (via).
1. Make an observation about a particularly odd aspect of human behavior.
Example: „Why is it that everyone congregates in the kitchen at parties, even when there’s plenty of space elsewhere?“
2. Come up with an explanation for how that behavior would have increased fitness in hunter gathering societies.
Example: „Well, food used to be sparse, so humans would congregate at food sources, so you’d be more likely to find a mate there, and thus have more babies.
3. Bonus points are rewarded for including 50’s era gender stereotypes.
Example: „Well, we KNOW women are drawn to the kitchen because they’re inclined to gather food, so they’re always in the kitchen anyway. The men just go there to be around their potential mates.“
Ich finde das Spiel durchaus lustig und könnte mir vorstellen es zu spielen. Allerdings wird es nicht selten zu einem wahren Kern kommen, was dann die Spielfreude wieder trüben wird.
Die Spielerstellerin weist darauf hin, dass sich das Spiel gegen voreilig dargestellte Bezüge richtet und sie im übrigen nichts gegen evolutionäre Psychology hat.
Meiner Meinung nach trifft auch der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit in den meisten Fällen nicht zu. Viele Schlussfolgerungen erscheinen vereinfacht, weil die Grundlagen nicht bekannt sind.
Beim obigen Beispiel wären die Anforderungen für echte Wissenschaft dann auch höher zu setzen:
Man müsste zunächst die Grundannahme durch Studien stützen. Also beispielsweise 10 Parties in den selben Räumlichkeiten durchführen und das Essen und das Bier bei jeder Party in anderen Räumlichkeiten aufstellen. Dann wären die Folgen zu begutachten. Es ist anzunehmen, dass sich Leute in der Nähe des Essens aufhalten, aber auch Sitzgelegenheiten und die Größe des Raums eine bedeutende Rolle spielen. Man kann die Getränke in den einen Raum, das Essen in den anderen Raum stellen. Man kann alle hübschen Frauen bzw. alle hübschen Männer in einen bestimmten Raum ohne Essen und Trinken stellen und schauen was mehr Leute anzieht. Weitere Parties könnten jeweils nur mit einem Geschlecht durchgeführt werden um die Unterschiede zu beobachten. Die Aussage „Personen halten sich in der Küche auf“ wird sich wohl schnell entkräften lassen, wenn das Essen an anderer Stelle aufgestellt wird.
Das bringt uns zur ersten Schlussfolgerung.
„Essen war so rar, dass sich Leute dort versammeln und dort daher auch eher jemanden kennengelernt haben, und sich daher mehr fortgepflanzt haben“
Da müsste man sodann Überlegungen einfließen lassen, wo steinzeitliche Menschen sich kennengelernt haben. Vieles spricht dafür, dass Steinzeitmenschen in Gruppen lebten und die Mitglieder dieser Gruppe sich eh kannten. Insofern bietet das Essen als Kennenlernpunkt für diese Gruppe wenig Vorteile, da sie sich eh schon kennen. Weiteres Kennenlernen dürfte bei dem Zusammenstoßen zweier Gruppen erfolgt sein. Hier wäre dann die Frage, ob diese sofort ihr Essen miteinander geteilt haben, was aufgrund der Wertigkeit von Essen nicht unbedingt der Fall gewesen sein dürfte. Das Teilen von Essen dürfte zumindest auch eine gewisse Bekanntheit vorausgesetzt haben, die dann ebenso zu einem Kennenlernen führen würde. Allenfalls wäre anzunehmen, dass freizügige Essensverschenkungen den Status des Schenkers erhöhen und satte Menschen eher bereit sind, sich friedlich kennen zu lernen. Nach diesen Vorbetrachtungen spricht aber einiges gegen die Theorie des Kennenlernens.
Es wäre daher an der Zeit mögliche Gegenthesen aufzustellen. Die Gegenthese wäre wohl eher, dass Menschen, die Möglichkeiten etwas zu essen auch nutzen, besser genährt sind, schlechte Zeiten besser überstehen können und daher auch eher die Möglichkeit haben sich fortzupflanzen und ihre Kinder selbst ins fortpflanzungsfähige Alter zu bringen. Essen muss daher nicht zu einem Kennenlernen führen, um die Fortpflanzungschancen zu verbessern. Diese These könnte man überprüfen, indem man allgemeine Studien über die Ernährungsgewohnheiten von Menschen hinzu zieht. Dabei zeigt sich dann, dass wir gerne mehr essen als wir für unseren täglichen Bedarf benötigen und dies unter anderem zu erheblichen Gewichtszunahmen in modernen Zivilisationen führt. Leute essen, obwohl sie eigentlich schlank bleiben wollen.
Dann könnte man versuchen, die Vorgänge dahinter aufzuschlüsseln. Dann stößt man recht schnell auf ein Gefühl namens „Hunger“, dass bei Menschen überall auf der Welt zu finden ist. Man kann nun die Chemie dahinter erklären und auch Test dazu machen, inwieweit Menschen in der Nähe von leckerer Nahrung mehr essen und welche Geschmacksrichtungen sie dabei bevorzugen. All dies zeigt, dass der Mensch ein Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme hat, das von seinem Geschlechtstrieb abgekoppelt ist.
Dies alles stützt die Theorie, dass Nahrungsaufnahme ein Wert an sich ist, der Leute bereits dazu verleitet, sich in der Nähe von Nahrungsquellen aufzuhalten, sofern nicht andere Reize stärker sind. Ich vermute zum Beispiel, dass sich mehr Leute vom Essen entfernen werden, wenn die Sitzmöglichkeiten und die schönen Menschen, insbesondere die Frauen, an anderer Stelle vorhanden sind und man Essen mitnehmen kann.
Ähnlich könnte man auch die weitere These überprüfen und schauen, ob die Frauen tatsächlich eher zum Essen strömen und die Männer hinterher (siehe die Versuchsaufbauten weiter oben) und ob eher die Frauen sammeln oder nicht.
Was ich sagen will: Auch im evolutionären Forschungen kann man Aussagen sinnvoll hinterfragen, unlogische Schlussfolgerungen überprüfen und aussortieren. Dies wird auch immer wieder gemacht.